ArticlePDF Available

Wieviel zählt Leistung bei Berufungen, und wieviel Herkunft? Ein Überblick zu jüngsten Forschungen

Authors:

Abstract

Obwohl die Karriereperspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs in Deutschland ein thematischer Dauerbrenner an Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen sind (vgl. Krempkow/Winde 2016, Briedis u.a. 2013, Winde 2006), gibt es dennoch hierzu bislang wenig beleuchtete Aspekte und neuere Studien, die nachfolgend überblicksartig vorgestellt, in frühere Forschungsergebnisse eingeordnet und bzgl. ihrer Relevanz diskutiert werden sollen. Diese Studien legen eine besondere Dringlichkeit des Themas Leistungsselektion vs. soziale Herkunft nahe, denn ein solcher in den letzten Jahren in der Berichterstattung zum wissenschaftlichen Nachwuchs in Deutschland (vgl. BuWiN 2017, 2013) weniger beleuchteter Aspekt (vgl. auch Graf 2016, S. 25) ist die Frage: Inwieweit erfolgt eine berechenbare Leistungsselektion bei der Berufung auf eine "Lebenszeitprofessur", und welche Rolle spielen persönliche Kontakte und Selektivität nach sozialer Herkunft bei der Berufung? Dabei böte es sich angesichts jüngerer, nachfolgend kurz vorgestellter Studienergebnisse an, zusammen mit dem Thema Berechenbarkeit und Leistungsselektion versus persönliche Kontakte bei Karrierewegen in der Wissenschaft auch das Thema soziale Selektivität intensiver anzusprechen als bisher (vgl. auch Zimmer 2018, S. 44; Möller 2018, S. 262; Gerhards/Sawert 2018, S. 527f.). Für Karrierewege in der Wissenschaft könnte das 1.000 Tenure-Track-Professuren-Programm des Bundes und der Länder (kurz: die TT-Professuren) ein wichtiges positives Zeichen für mehr Berechenbarkeit und Leistungsselektion sein, wie kürzlich auch Vertreter der Jungen Akademie einschätzten (vgl. Specht/Kretschmer 2018). Wenngleich es auch kritische Einschätzungen gibt, dass es rein zahlenmäßig - auf die Anzahl der Hochschulen und die Anzahl potentiell in Frage kommender Nachwuchsforschender gerechnet (vgl. Krempkow 2016, 2017a) - nur ein Tropfen auf den heißen Stein sei (vgl. z.B. Scacioc 2016), ist die Signalwirkung nicht zu unterschätzen. Eine positive Wirkung kann aber nur entstehen, wenn die Signale anders sind als sie sich aus einer im letzten Jahr veröffentlichten Studie zu Juniorprofessuren von Zimmer (2018) ergeben, bzw. nötige Schlüsse gezogen werden. Anderenfalls könnte es auch sehr ernüchternd wirken. English abstract: How much counts meritocracy by appointments of tenured professors, and how much social selectivity? Career perspectives for younger scientists are an often-discussed topic at universities and scientific institutions in Germany. Nevertheless, seldom-lighted aspects exist and recent studies, to which in this article I will give an overview, to arrange it in former studies and discuss its relevance. The newer studies suggest an utmost urgency of the topic meritocracy vs. social selectivity, because such a seldom-lighted aspect is the question: How much do we have a calculable meritocracy by the appointment of tenured professors and what a role plays private contacts and social selectivity? For career paths in Science the 1000-Tenure-Track-Professors-Programm of the Federal Government and the federal states of Germany could be a very important sign for more calculability and meritocracy. However, the positive effect only can arise, if the signals in the future will differ from the results in recent studies. Otherwise, it could be very disillusioning.
Krempkow, 2019: Wieviel zählt Leistung bei Berufungen… In: Qualität in der Wissenschaft 1/2019: 28-31
1
Wieviel zählt Leistung bei Berufungen, und wieviel Herkunft? Ein Überblick zu jüngsten
Forschungen
René Krempkow
English abstract:
How much counts meritocracy by appointments of tenured professors, and how much social selectivity?
Career perspectives for younger scientists are an often-discussed topic at universities and scientific institutions
in Germany. Nevertheless, seldom-lighted aspects exist and recent studies, to which in this article I will give an
overview, to arrange it in former studies and discuss its relevance. The newer studies suggest an utmost
urgency of the topic meritocracy vs. social selectivity, because such a seldom-lighted aspect is the question:
How much do we have a calculable meritocracy by the appointment of tenured professors and what a role
plays private contacts and social selectivity? For career paths in Science the 1000-Tenure-Track-Professors-
Programm of the Federal Government and the federal states of Germany could be a very important sign for
more calculability and meritocracy. However, the positive effect only can arise, if the signals in the future will
differ from the results in recent studies. Otherwise, it could be very disillusioning.
Abstract:
Obwohl die Karriereperspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs in Deutschland ein thematischer
Dauerbrenner an Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen sind (vgl. Krempkow/Winde 2016, Briedis u.a.
2013, Winde 2006), gibt es dennoch hierzu bislang wenig beleuchtete Aspekte und neuere Studien, die
nachfolgend überblicksartig vorgestellt, in frühere Forschungsergebnisse eingeordnet und bzgl. ihrer Relevanz
diskutiert werden sollen. Diese Studien legen eine besondere Dringlichkeit des Themas Leistungsselektion vs.
soziale Herkunft nahe, denn ein solcher in den letzten Jahren in der Berichterstattung zum wissenschaftlichen
Nachwuchs in Deutschland (vgl. BuWiN 2017, 2013) weniger beleuchteter Aspekt (vgl. auch Graf 2016, S. 25) ist
die Frage: Inwieweit erfolgt eine berechenbare Leistungsselektion bei der Berufung auf eine
„Lebenszeitprofessur“, und welche Rolle spielen persönliche Kontakte und Selektivität nach sozialer Herkunft
bei der Berufung? Dabei böte es sich angesichts jüngerer, nachfolgend kurz vorgestellter Studienergebnisse an,
zusammen mit dem Thema Berechenbarkeit und Leistungsselektion versus persönliche Kontakte bei
Karrierewegen in der Wissenschaft auch das Thema soziale Selektivität1 intensiver anzusprechen als bisher (vgl.
auch Zimmer 2018, S. 44; Möller 2018, S. 262; Gerhards/Sawert 2018, S. 527f.). 2 Für Karrierewege in der
Wissenschaft könnte das 1.000 Tenure-Track-Professuren-Programm des Bundes und der Länder3 (kurz: die TT-
Professuren) ein wichtiges positives Zeichen für mehr Berechenbarkeit und Leistungsselektion sein, wie kürzlich
auch Vertreter der Jungen Akademie einschätzten (vgl. Specht/Kretschmer 2018). Wenngleich es auch kritische
Einschätzungen gibt, dass es rein zahlenmäßig auf die Anzahl der Hochschulen und die Anzahl potentiell in
Frage kommender Nachwuchsforschender gerechnet (vgl. Krempkow 2016, 2017a) nur ein Tropfen auf den
heißen Stein sei (vgl. z.B. Scacioc 2016), ist die Signalwirkung nicht zu unterschätzen. Eine positive Wirkung
kann aber nur entstehen, wenn die Signale anders sind als sie sich aus einer im letzten Jahr veröffentlichten
Studie zu Juniorprofessuren von Zimmer (2018) ergeben bzw. nötige Schlüsse gezogen werden. Anderenfalls
könnte es auch sehr ernüchternd wirken.
1 Mit sozialer Selektivität ist hier die Gesamtheit von Selbst- und Fremdselektionen nach sozialer Herkunft und dabei insbesondere der im
Hochschulsystem bedeutsamen Bildungsherkunft gemeint (z.B. Eltern ohne vs. mit Hochschulabschluss bzw. Akademikerkinder). Für eine
ausführlichere Diskussion der (sozialen) Selektivität an den Übergängen in der Hochschule (einschließlich derer an den Übergängen zur und
nach der Promotion) vgl. z.B. die Beiträge in Bülow-Schramm (2009).
2 Dies dürfte potentiell übrigens auch für das Wissenschaftsmanagement gelten, da dort inzwischen in Deutschland insgesamt über 20.000
Personen an Hochschulen arbeiten, und dies mit etwa der Hälfte unbefristet Beschäftigter und oft besserer Vereinbarkeit von Wissenschaft
und Familie ebenfalls eine attraktive Option für Hochqualifizierte ist. Aber das wäre ein potentielles Thema für einen späteren
eigenständigen Beitrag auf der Basis eines vorauss. im Juni 2019 startenden BMBF-Projektes mit dem Titel „Karrierewege und
Qualifikationsanforderungen im Wissenschafts- und Hochschulmanagement (KaWuM) der DUV Speyer, HU Berlin und der IUBH Bremen.
3 Das Tenure-Track-Programm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses soll dazu beitragen, dass die Karrierewege in der
akademischen Welt planbarer und transparenter werden. Der Bund stellt bis zum Jahr 2032 eine Milliarde Euro bereit, um 1.000
zusätzliche Tenure-Track-Professuren zu fördern, die nach 2032 von den Ländern weiter finanziert werden (vgl. ausführlicher BMBF 2017).
Krempkow, 2019: Wieviel zählt Leistung bei Berufungen… In: Qualität in der Wissenschaft 1/2019: 28-31
2
1. Einflussfaktoren auf den Berufungserfolg: Soziales oder wissenschaftliches Kapital?
Eines der Ergebnisse der Studie von Zimmer (2018) zu Juniorprofessuren ist, dass zwar rund drei Viertel der
Juniorprofessuren den Sprung in eine unbefristete Professur schaffen,4 weshalb die Juniorprofessur keineswegs
als gescheitert angesehen wird. Dabei ist aber in Anlehnung an Bourdieu (1992) für den Berufungserfolg v.a.
soziales Kapital ein starker Einflussfaktor, und nicht etwa wissenschaftliches Kapital: Wichtige Einflussfaktoren
auf den Berufungserfolg sind demnach im Einzelnen v.a. Kontakte in die Professorenschaft, und Aufenthalt(e)
an Universitäten der Ivy League (USA) oder des Golden Triangle (UK).5 Als eigenes wissenschaftliches Kapital
bzw. als Leistungskriterien wahrgenommene Einflussfaktoren wie Zeitschriftenartikel mit Peer Review,
Drittmittelprojekte, oder Konferenzbeiträge hatten dagegen keine statistisch nachweisbaren Effekte6 auf den
Berufungserfolg (ausführlicher vgl. Zimmer 2018, S. 262). Wenngleich die Studie eine sehr gute Rücklaufquote
hatte (56%) und bezüglich Fächergruppenverteilung sowie Hochschultypen als der bundesdeutschen Verteilung
sehr ähnlich eingeschätzt wurde, musste sie sich aus Ressourcengründen auf drei Bundesländer beschränken
(Rheinland-Pfalz, Hessen und Saarland) und sparte Exzellenzuniversitäten aus. Letzteres ist für das hier
beleuchtete Thema besonders bedauerlich, schließlich wäre bei Exzellenzuniversitäten eine noch stärkere
soziale Selektivität zu vermuten (vgl. Krempkow 2015, Kamm/Krempkow 2010). Dennoch stärkt es eher die
Argumentation der Autorin, denn es ist aufgrund ihrer Bundesländer- und Hochschulauswahl zu vermuten, dass
wenn es die Verzerrungen gäbe dies eher zu einer Unterschätzung der sozialen Selektivität führte.
2. Zugang zur Professur insgesamt: Sozial selektiv wie nie in letzten 50 Jahren?
Nachdem die jüngsten Ergebnisse für die Juniorprofessur vorgestellt wurden, stellt sich die Frage: Gilt dies für
den Zugang zur Professur insgesamt, oder ist es nur eine "Kinderkrankheit" der Juniorprofessur? Dass letzteres
der Fall ist, kann allerdings kaum als zutreffend angenommen werden, denn die Ergebnisse zu Einflussfaktoren
auf den Berufungserfolg decken sich in ihrer Grundtendenz mit anderen jüngeren Analysen. So ist nach einer
Studie von Möller (2018, S. 266f.) der Zugang zur Professur insgesamt nach den bisher vorliegenden über
mehrere Jahrzehnte vergleichbaren Ergebnissen sozial selektiv wie noch nie in den letzten 50 Jahren; wobei die
Juniorprofessur allerdings im Vergleich besonders sozial selektiv ist. Demnach zeige sich, dass sich der Zugang
zu einer Professur für die niedrige gegenüber der hohen Herkunftsgruppe in den Vergleichskohorten zwar
zunächst leicht verbessert hatte. Für die zuletzt berufenen ProfessorInnen ist jedoch eine neuerliche soziale
Schließung 7 zu beobachten (Möller 2018, S. 266): Kamen auf eine promovierte Person der niedrigen
Herkunftsgruppe, die auf eine Professur berufen wurde, in den 1970er-Jahren noch 3,2 Personen aus der
hohen Herkunftsgruppe, was sich in den 80ern und 90ern auf zweieinhalb Personen leicht verbesserte, so
verschlechterte sich die Relation in der zuletzt betrachteten Kohorte wieder deutlich auf 1 zu 3,8.
Möller kam zudem im Zeitvergleich außerdem zu dem Schluss, dass sich nicht nur der Zugang zur Professur,
sondern auch der Zugang zur Promotion für untere Sozialschichten im zuletzt betrachteten Jahrzehnt spürbar
4 Zu ähnlichen Ergebnissen kamen frühere Studien des Institutes für Hochschulforschung Halle-Wittenberg/CHE (Burkhardt/Nickel 2015, S.
310), der Universität Kiel (Kamm/Werner 2014), sowie der Deutschen Gesellschaft Juniorprofessur (Bunia 2014, Schularick u.a. 2015).
5 Andere Studien zeigen, dass solche Aufenthalte an ausländischen Hochschulen insbesondere Angehörige aus höheren sozialen Schichten
in ihren Bildungsbiografien vorweisen können, womit dies keineswegs umstandslos als Signal für besondere Leistungsfähigkeit gelten kann
(vgl. Jaksztat 2018). Darüber hinaus finden sich geschlechterdifferente Effekte der Elternschaft auf das Mobilitätsverhalten (vgl. ebd.)
dahingehend, dass Mütter seltener Aufenthalte an ausländischen Hochschulen haben.
6 In der Diskussion der Studie von Zimmer (2018) beim wissenschaftspolitischen Gesprächskreis Hannover gab es hierzu die Einschätzung,
dass die Leistungsunterschiede aufgrund der starken Vorselektionen auf dem Weg zur Juniorprofessur relativ gering sein könnten, so dass
sie nicht als Einflussfaktor zum Tragen kommen könnten. Dies blieb aber eine Vermutung. (Am Ende dieses Beitrages wird auf dieses
mögliche Szenario nochmals Bezug genommen.) Darüber hinaus finden sich in einzelnen Fächergruppen teilweise abweichende Ergebnisse,
was auch auf eine starke fachkulturelle Prägung hindeutet (vgl. ausführlicher Zimmer 2018): Beispielsweise zeigt sich in separaten Analysen
für die Rechts- und Geisteswissenschaften, dass zwar auch hier das eigene wissenschaftliche Kapital keine Effekte auf den Berufungserfolg
hat, aber signifikante Effekte für die Habilitation (als fachkulturelles Kapital), sowie die Unterstützung durch reputierliche Mentoren.
7 Möller verweist hierzu auf Hartmann (2002, S. 137): „Je heftiger die Konkurrenz um die Führungspositionen ist, umso eher setzen […] sie
[die bürgerlichen und großbürgerlichen Schichten; C.M.] sich gegen den Nachwuchs der Arbeiterklasse und der breiten Mittelschichten
durch.“ Sie profitieren von der familiären Nähe zu akademischen Bildungseinrichtungen und oberen Karrierepositionen und den damit in
Beziehung stehenden habituellen Dispositionen, das heißt von einer gewissen Selbstsicherheit und dem Gefühl, sich im akademischen Feld
‚am richtigen Platz‘ zu befinden (Bourdieu und Passeron 1971, S. 31; zitiert nach Möller 2018, S. 271). Ähnliche Tendenzen einer
neuerlichen sozialen Schließung in den jüngeren Kohorten belegt Graf (2016, S. 31f.) und formuliert hierzu unter Verweis auf Bourdieu:
„Karriereunsicherheit stellt für soziale Aufsteiger eine besondere Hürde dar, während Personen aus sozial und ökonomisch privilegierten
Familien prinzipiell eher in der Lage sind, auch risikoreichere Karriereoptionen wahrzunehmen. (…) ´ein Risiko, das man nur eingeht, wenn
man sicher ist, niemals alles zu verlieren´ (Bourdieu 1981: 180)“.
Krempkow, 2019: Wieviel zählt Leistung bei Berufungen… In: Qualität in der Wissenschaft 1/2019: 28-31
3
verengt hat.8 Sie sieht hier einen Zusammenhang mit der zeitgleich stattgefundenen "Prekarisierung" der
Beschäftigungsbedingungen in der Wissenschaft (ähnlich vgl. Graf 2016, S. 39). Leider bezieht sich diese Studie
zwar auf das größte Bundesland Deutschlands, NRW, aber eben nur auf eines von 16. Aktuelle bundesweite
Studien, die über einzelne Fächer hinausgehen, sind nicht bekannt.
Eine starke soziale Selektivität ist im deutschen Hochschulsystem nach den verfügbaren Informationen aber
generell weit verbreitet und nicht auf den Zugang zur Professur beschränkt.9 Vielmehr zieht sich die soziale
Schieflage in unterschiedlicher Ausprägung im Grunde durch alle Qualifikationsstufen des deutschen Bildungs-
und Hochschulsystems. Dies wurde zuletzt bundesweit im Hochschul-Bildungs-Report 2017/18 des
Stifterverbandes gezeigt (Dauchert u.a. 2017, S.12): Danach hat ein Akademikerkind von der Grundschule an
über alle Qualifikationsstufen hinweg gesehen etwa dreimal so hohe Chancen auf einen Bachelor und sogar
zehnmal so hohe Chancen eine Promotion abzuschließen, wie ein Nichtakademikerkind. Der Bildungsökonom
und damalige Präsident des Deutschen Studentenwerkes, Timmermann, formulierte hierzu in einem
Kommentar (ebd., S.9): „Beunruhigendes und wertvolles intellektuelles Potenzial verschenkendes Merkmal des
deutschen Bildungssystems ist nach wie vor eine die Chancenungleichheit zementierende soziale Selektion, die
bislang durch den sogenannten Bildungstrichter veranschaulicht wurde. Die Verlängerung der
Trichterbetrachtung in das Hochschulsystem hinein zeigt, dass sich die sozialen Selektionswirkungen im
Hochschulsystem selbst massiv fortsetzen, vor allem im Hinblick auf den Karriereweg von Frauen, aber auch
von Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern aus bildungsfernen Milieus bis hin zur Professur.
Zusammenfassend lässt sich formulieren: Immer wieder werden Faktoren aufgezeigt, die sich negativ auf den
Karriereverlauf im akademischen Sektor auswirken und die sich in den letzten Jahrzehnten nur langsam
(Geschlecht) oder gar nicht (soziale Herkunft, insbesondere Bildungshintergrund, aber etwa auch
Migrationshintergrund) in Richtung erhöhter Chancengerechtigkeit entwickelt haben, wobei zuletzt beim
Bildungshintergrund sogar eine deutliche Tendenz zu Rückschritten konstatiert wird.
3. Mögliche Schlussfolgerungen
Nun ist es aber keineswegs so, dass die soziale Selektivität im deutschen Bildungs- und Hochschulsystem quasi
naturgegeben und unbeeinflussbar wäre, wie international zahlreiche diesbezüglich besser dastehende Länder
zeigen, und wie auch vereinzelte zwischenzeitliche Erfolge in Deutschland zeigten (vgl. Möller 2018, S. 266).
Aber nicht nur die Länder sind eine relevante Handlungsebene im Hochschulsystem, sondern natürlich auch die
einzelnen Hochschulen: Als Good-Practice-Beispiele für Karrierewege in der Wissenschaft und im
Wissenschaftsmanagement, die mehr Berechenbarkeit und wieder mehr Meritokratie bringen könnten, können
hier neben dem TUM Faculty Tenure Track das Karrierewegemodell der RWTH Aachen genannt werden (vgl.
Klee/Grübler 2018), sowie jüngst das Modell der "multiplen Karrierepfade" der TU Berlin (vgl. Krempkow 2018).
Über attraktive Karrierewege hinaus die Voraussetzung für ein breites Rekrutierungspotential zwecks
"Bestenauswahl" sind (vgl. Krempkow 2017b) wäre aber für eine systematische Personalauswahl zur
besseren Ausgewogenheit von Meritokratie und persönlicher Passung noch Einiges zu tun (vgl. Peus u.a. 2015).
Mit transparent(er)en Verfahren und Kriterien für die Entfristung von Tenure-Track-Professuren, wie sie
kürzlich auch an der Humboldt-Universität zu Berlin vom Senat beschlossen wurden10, wäre schon einmal ein
wichtiger Schritt dafür getan, dass es zukünftig bei TT-Professuren leistungsgerechter zugehen könnte als
bisher bundesweit bei den Juniorprofessuren (die zudem nach wie vor meist ohne echten TT auskommen
müssen). Mit einer vertieften bundesweit flächendeckenden Analyse der aktuellen Leistungsselektivität beim
Zugang zur Professur und zeitgleich einer systematischen Begleitung von Maßnahmen und Programmen wäre
ein zusätzlicher Schub in Richtung Berechenbarkeit und Orientierung an Leistungsgesichtspunkten bei
Personalentscheidungen möglich - und nach den bisher vorliegenden Daten wohl auch notwendig. Sollte man
8 Zu ähnlichen Ergebnissen, dass die Herkunftsungleichheiten ähnlich wie die geschlechtsbezogenen Ungleichheiten beim Promotions-
übergang in den letzten Jahrzehnten zunahmen, kam kürzlich auch Jaksztak (2018) anhand einer Analyse von sechs Kohorten des DZHW-
bzw. früheren HIS-Absolventenpanels. Jaksztat (2018) verweist zudem auf weitere Studien, die auch professionelle Netzwerke als relevante
Faktoren für die Berufungschancen feststellten, allerdings jeweils nur einzelne Fächer untersuchten.
9 Allerdings war die soziale Selektivität nach Hartmann (2002) in der Wissenschaft zumindest damals nicht so stark wie in Wirtschaft und
Justiz ausgeprägt, und für das Studium ist in den letzten Jahrzehnten eine gewisse soziale Öffnung festzustellen (Middendorf u.a. 2017).
10 Siehe ausführlicher hierzu die Berufungs- und Tenure-Track-Satzung der Humboldt-Universität zu Berlin vom 29.1.2019, Volltext in URL:
https://gremien.hu-berlin.de/de/amb/2019/1/01_2019_berufungssatzung_hu_druck.pdf
Krempkow, 2019: Wieviel zählt Leistung bei Berufungen… In: Qualität in der Wissenschaft 1/2019: 28-31
4
allerdings zu der Einschätzung kommen, dass dies nicht umsetzbar ist, entweder weil die Leistungsunterschiede
so gering sind, dass sie nicht als Auswahlkriterium taugen, oder weil es wissenschaftspolitisch nicht umsetzbar
erscheint, so gäbe es grundsätzlich auch noch eine andere Möglichkeit, zu einem fairen, nicht sozial selektiven
Auswahlverfahren zu kommen: Dann wäre ein Losverfahren unter allen entsprechend geeigneten
Vorqualifizierten sicherlich ein geeigneteres Instrument, welches soziale Schieflagen im Losverfahren von
vornherein in jeder Hinsicht vermeiden, sowie Diversität und Chancengleichheit fördern könnte.11 Die
Volkswagen-Stiftung hat dazu die „Experiment“-Förderung12 aufgelegt, die ein solches Zufallsverfahren unter
allen Geeigneten erstmals in Deutschland testet und auch wissenschaftlich evaluieren lässt.
Natürlich gäbe es weitere potentiell wichtige Aspekte zum Thema wissenschaftlicher Nachwuchs, wie z.B.
verlässliche(re) Zahlen zu Berufungschancen in Deutschland, oder (erste) Erfolge bei dessen
Personalentwicklung sowie bei der Vereinbarkeit von Wissenschaft und Familie (vgl. hierzu die weiteren
Ausführungen in Zimmer (2018) und Möller (2018), sowie Krempkow/Sembritzki 2017). In diesem Beitrag
erfolgte eine Beschränkung auf das Thema Leistungsselektion und soziale Herkunft, weil die hier kurz
zusammengefasst vorgestellten jüngsten Forschungsergebnisse eine besondere Dringlichkeit sowohl für
Maßnahmen an Hochschulen aufzeigen, als auch für deren wissenschaftliche Begleitung, wenn man die
Attraktivität und das Vertrauen in die Leistungsselektion in Wissenschaftskarrieren fördern will. Zugleich ist
dieser Aspekt bei Maßnahmeplanungen immer in Zusammenhang mit anderen Aspekten zu sehen.
Literatur
Bourdieu, P. (1992): Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
BMBF (2017): Das Tenure-Track-Programm. Online in URL: www.bmbf.de/de/wissenschaftlicher-nachwuchs-144.html
Briedis, K./ Jaksztat, S./ Schneider, J./ Schwarzer, A./ Winde, M. (2013): Personalentwicklung für den wissenschaftlichen Nachwuchs.
Bedarf, Angebote und Perspektiven eine empirische Bestandsaufnahme. Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft (Hg.), Essen.
Bülow-Schramm, M. (Hrsg.): Hochschulzugang und Übergänge in der Hochschule: Selektionsprozesse und Ungleichheiten. 3. Jahrestagung
der Gesellschaft für Hochschulforschung in Hamburg 2008. Frankfurt: Peter Lang.
Bunia, R. (2014): Unzufrieden und unsicher. Empirische Ergebnisse zur Juniorprofessur. In: Forschung & Lehre 21 (9): S. 714-716.
Burkhardt, A./Nickel, S. (Hg.) (2015): Die Juniorprofessur. Neue und alte Qualifizierungswege im Vergleich. Baden-Baden: Nomos.
BuWiN (2013): Konsortium Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs. Statistische Daten und Forschungsbefunde zu Promovierenden
und Promovierten in Deutschland. Bielefeld. Volltext verfügbar unter: www.buwin.de (letzter Zugriff: 15.02.2019).
BuWiN (2017): Konsortium Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs. Statistische Daten und Forschungsbefunde zu Promovierenden
und Promovierten in Deutschland. Bielefeld. Volltext verfügbar unter: www.buwin.de (letzter Zugriff: 15.02.2019).
Dauchert, A./ Krempkow, R. Krume, J./ Meyer-Guckel, V./ Schneider, M./ Schröder-Kralemann; A./ Winde, M./ Hieronimus, S./ Klier, J./
Nowak, S./ Schreiber, V./ Schröder, J./ Sönmez, N. (2017): Hochschul-Bildungs-Report 2020: Höhere Chancen durch höhere Bildung?
Jahresbericht 2017/18 Halbzeitbilanz 2010 bis 2015. Berlin: Stifterverband (Hg.).
Gerhards, J./Sawert, T. (2018): »Deconstructing Diversity«: Soziale Herkunft als die vergessene Seite des Diversitätsdiskurses. In: Leviathan,
46. Jg., 4/2018, S. 527 550, DOI: 10.5771/0340-0425-2018-4-527
Graf, A. (2016): Eliten im wissenschaftlichen Feld Deutschlands Sozialprofil und Werdegänge. In: Soziale Welt 67, S. 23-42.
Hartmann, M. (2002): Der Mythos von den Leistungseliten. Spitzenkarrieren und soziale Herkunft in Wirtschaft, Politik, Justiz und
Wissenschaft. Frankfurt a.M.: Campus.
Jaksztat, S. (2018): Soziale Ungleichheiten in wissenschaftlichen Karrieren. Von der Philosophischen Fakultät der Gottfried Wilhelm Leibniz
Universität Hannover zur Erlangung des Grades eines Doktors der Philosophie (Dr. phil.) genehmigte Dissertation. Hannover.
Kamm, R./Krempkow, R. 2010: Ist leistungsorientierte Mittelvergabe im Hochschulbereich „gerecht“ gestaltbar? In: Qualität in der
Wissenschaft (QiW), 3/2010, S. 71-78.
Kamm, R./Werner, I. (2014): Perspektiven nach der Juniorprofessur. In: Qualität in der Wissenschaft (QiW) 4/2014, S. 93-96.
Klee, D./Grübler, D. (2018): Transparente Karrierewege an der RWTH Aachen im Kontext der Personalentwicklung. In: Personal- und
Organisationsentwicklung (P-OE), 1+2/2018, S. 8-13.
Krempkow, R. (2018): Multiple Karrierepfade in Wissenschaft und Wirtschaft neues Nachwuchskonzept an der TU Berlin veröffentlicht.
In: Personal- und Organisationsentwicklung (P-OE), 1+2/2018, S. 54-55.
11 Anfang dieses Jahres verwies auch der ZEIT-Chancen-Brief (vom 21.1.2019) auf eine neue Studie, nach der Begutachtungen der Kollegen
vom Fach (Peer Review) nicht treffsicherer seien als eine Zufallsauswahl: „Zu diesem Schluss kommt eine kürzlich auf dem Preprint-Server
BioRxiv veröffentlichte Studie (www.biorxiv.org/content/10.1101/481655v2). Zwei Forscher der European Molecular Biology Organization
(EMBO) haben die wissenschaftlichen Karrieren von 324 Bewerbern für ein EMBO Postdoc-Fellowship von 2007 bis 2017 ausgewertet. Das
Ergebnis der Studie überrascht: Die Reputation von Bewerbern, die 2007 für eine Postdoc-Stelle ausgewählt wurden, unterschied sich nicht
signifikant von jenen, die von Gutachtern zwar als förderwürdig erkannt, aber aufgrund der Knappheit der Fördermittel nicht ausgewählt
wurden. Daher schlagen die Autoren vor, künftig nur noch mäßig gute und durchschnittliche Bewerber durch ein Peer Review
auszusortieren. Die Stipendien unter den förderungswürdigen Kandidaten dann aber per Losentscheid zu vergeben.“
12 Weitere Info siehe: www.volkswagenstiftung.de/unsere-foerderung/unser-foerderangebot-im-ueberblick/experiment.
Krempkow, 2019: Wieviel zählt Leistung bei Berufungen… In: Qualität in der Wissenschaft 1/2019: 28-31
5
Krempkow, R. (2017a): Was kann die aktuelle Forschung über Berufungschancen sagen? Anmerkungen zur Schätzung von Karl-Ulrich
Mayer. In: Forschung (Fo), 2/2017, S. 66-70.
Krempkow, R. (2017b): Können wir die Besten für die Wissenschaft gewinnen? Zur Rekrutierung von Nachwuchsforschenden in
Wissenschaft und Wirtschaft. In: Personal- und Organisationsentwicklung (P-OE) 2+3/2017, S. 59-64.
Krempkow, R. (2016): Wieviele Postdocs gibt es in Deutschland? Drei Berechnungsansätze und erste Ergebnisse. In: Das Hochschulwesen
(HSW), 5+6/2016, S. 177-181.
Krempkow, R./Winde, M. (2016): Bestandsaufnahme und Perspektiven der Personalentwicklung für den wissenschaftlichen Nachwuchs in
Deutschland. In: Personal- und Organisationsentwicklung (P-OE) 3+4/2016, S. 100-106.
Krempkow, R. (2015): Can Performance-based Funding enhance Diversity of Higher Education Institutions? In: Pritchard, R./ Klumpp, M./
Teichler, U. (eds.): Diversity and Excellence in Higher Education: Can the Challenges be Reconciled? Amsterdam: Sense, S. 231-244.
Middendorff, E., Apolinarski, B., Becker, K., Bornkessel, P., Brandt, T., Heißenberg, S., & Poskowsky, J. (2017): Die wirtschaftliche und soziale
Lage der Studierenden in Deutschland 2016. Zusammenfassung zur 21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks durchgeführt
vom Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung. Berlin: Bundesministerium für Bildung und Forschung.
(www.sozialerhebung.de/download/21/Soz21_zusammenfassung.pdf)
Möller, C. (2018): Prekäre Wissenschaftskarrieren und die Illusion der Chancengleichheit. In: Laufenberg, M./Erlemann,
M./Norkus,M./Petschick, G. (Hrsg.): Prekäre Gleichstellung, Geschlechtergerechtigkeit, soziale Ungleichheit und unsichere
Arbeitsverhältnisse in der Wissenschaft. Wiesbaden: Springer VS (Volltext in: https://doi.org/10.1007/978-3-658-11631-6_11).
Peus, C./Braun, S./Hentschel, T./Frey, D. (Hrsg.) (2015): Personalauswahl in der Wissenschaft. Evidenzbasierte Methoden und Impulse für
die Praxis. Berlin: Springer.
Scacioc, A. (2016): New German federal program funds ONLY 1,000 tenure track professorships. Blogbeitrag, in:
https://academialeaks.wordpress.com/2016/06/02/new-german-federal-program-funds-only-1000-tenure-track-professorships/ (letzter
Zugriff: 15.02.2019).
Schularick, M./Specht, J./Baumbach, S. (2015): Berufungspraxis bei Juniorprofessuren in Deutschland, Die Junge Akademie. Berlin.
Specht, J./Kretschmer, R. (2018): Eine verlorene Generation scheint es nicht zu geben. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 1.12.2018,
Volltext in URL: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/hoch-schule/akademischer-mittelbau-eine-verlorene-generation-scheint-es-
nicht-zu-geben-15911044.html?printPagedArticle=true#pageIndex_0 (letzter Zugriff: 15.02.2019).
Winde, M. (2006): Stiefkind Personalmanagement - Ergebnisse einer Stifterverbands-Umfrage. In: Akademisches Personalmanagement,
Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft (Hg.), Essen.
Zimmer, L. M. (2018): Das Kapital der Juniorprofessur. Einflussfaktoren bei der Berufung von der Junior- auf die Lebenszeitprofessur.
Wiesbaden: Springer VS (Volltext in: https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-22726-5).
ResearchGate has not been able to resolve any citations for this publication.
Article
Full-text available
Die TU Berlin hat kürzlich ein neues Konzept zur Förderung ihres wissenschaftlichen Nachwuchses beschlossen, welches "multiple Karrierepfade" zwischen Wissenschaftssystem und Wirtschaft vorsieht. Mit ihrem Nachwuchskonzept stellt die TU Berlin nach eigenen Angaben ihre Nachwuchsförderung umfassend neu auf, um auf die stark gewandelten Anforderungen aller Karrierefelder und veränderten Bedarfe, die vom wissenschaftlichen Nachwuchs formuliert werden, zu reagieren. Der im redaktionellen Teil der P-OE erschienene Kurz-Artikel stellt das Konzept zusammenfassend vor und ordnet es in ähnliche öffentlich verfügbare Konzepte ein, wobei dessen Potentiale fokussiert, aber einzelne Aspekte auch kritisch bewertet werden. (Der Beitrag erschien leicht zeitversetzt auch als Scilogs-Blogbeitrag in: https://scilogs.spektrum.de/wissenschaftssystem/multiple-karrierepfade/)
Chapter
Full-text available
Christina Möller untersucht in ihrem Beitrag die Effekte von sozialer Herkunft auf die Erfolgs- und Karrierebedingungen von Wissenschaftler_innen und betrachtet diesen Zusammenhang im Kontext des gegenwärtigen strukturellen Wandels in der Wissenschaft. Wie Möller belegt, lässt sich parallel zur Ausweitung atypischer Beschäftigungsverhältnisse in der Wissenschaft und einer steigenden Verunsicherung der Berufsperspektiven des akademischen Mittelbaus in den letzten Jahren eine soziale Schließung innerhalb der Gruppe der Professor_innen beobachten. Die erhöhte Konkurrenzsituation im Feld produziert sozialstrukturelle Ausschlüsse, die insbesondere den Nachwuchs aus hochschulfernen sozialen Klassen betreffen. Doch auch Frauen und andere marginalisierte, insbesondere mehrfach benachteiligte Gruppen sind durch die jüngeren Prozesse der Hierarchisierung und Ausdifferenzierung des wissenschaftlichen Feldes mit alten und neuen sozialen Selektionsmechanismen konfrontiert.
Article
Full-text available
In diesem Beitrag wird das Thema Rekrutierung des wissenschaftlichen Nachwuchses einerseits aus institutioneller Perspektive anhand der Strategien von Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen beleuchtet, auch im Vergleich zu FuE-Abteilungen der Wirtschaft. Andererseits geht es um die individuelle Perspektive der Nachwuchsforschenden anhand von (Selbst-)Selektionen. Denn nur aus dem Pool der eine (weitere) Tätigkeit in der Wissenschaft anstrebenden Personen können die Wissenschaftseinrichtungen letztlich rekrutieren. Schließlich gehe es „im Kern darum, qualifizierte Wissenschaftler auf allen Stufen der wissenschaftlichen Laufbahn zu attrahieren“ (Peus u.a. 2015, S. 4). Darüber hinaus soll untersucht werden, welche Anteile des wissenschaftlichen Nachwuchses bereits in der vorangegangenen Qualifikationsphase Mitglied der jeweiligen Einrichtung waren und welche extern rekrutiert wurden. Anhand von Ergebnissen empirischer Analysen soll letztlich der Frage nachgegangen werden, inwieweit es derzeit gelingt bzw. gelingen kann, „die Besten für die Wissenschaft zu gewinnen“, wie es u.a. der Wissenschaftsrat forderte.
Article
Full-text available
Personalentwicklung wird in der Betriebswirtschaftslehre als systematische Förderung der Anlagen und Fähigkeiten eines Mitarbeiters zur Vorbereitung auf zukünftige Tätigkeiten verstanden. Eine derartige Form der Personalentwicklung setzt definierte Personalstrukturen, Karrierepfade und entsprechende Anforderungsprofile für Stellen sowie darauf abgestimmte Angebote zum Kompetenzerwerb voraus. Sie ist für das wissenschaftliche Personal an deutschen Hochschulen noch wenig verbreitet. In den vergangenen Jahren wurden an Hochschulen zwar Strukturen etabliert, die als ein Kernelement Maßnahmen zur beruflichen Orientierung und Kompetenzentwicklung eingeführt haben. Erst vor relativ kurzer Zeit ist jedoch ein weiteres Kernelement von Personalentwicklung in den Mittelpunkt der hochschulpolitischen Diskussion gerückt: planbare Karrierewege. Der Stifterverband beschäftigt sich bereits seit gut einem Jahrzehnt mit diesem Thema (z.B. Winde 2006; Briedis u.a. 2013). Zuletzt fand im Jahr 2015, gefördert vom BMBF und in Kooperation mit dem Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW), eine Neuerhebung zur Personalentwicklung für den wissenschaftlichen Nachwuchs statt. Dazu werden hier einige zentrale Ergebnisse vorgestellt. Im ersten Teil wird fokussiert, welche Entwick¬lungen es in den vergangenen zehn Jahren in vergleichbaren Indikatoren an den Hochschulen gab. Im zweiten Teil wird auf einen Teilbereich der Personalentwicklung fokussiert, und zwar inwieweit welche Personalstrukturen und Regelungen für Tenure-Track sowie Entfristungen an den Hochschulen vorhanden und geplant sind. Datengrundlage sind die Antworten von 150 Wissenschaftseinrichtungen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Personalentwicklung für den wissenschaftlichen Nachwuchs in Deutschland in den vergangenen Jahren insgesamt ein gutes Stück vorangekommen ist. Es gibt aber auch noch größere Entwicklungspotentiale.
Chapter
Full-text available
Content Overview and Test-Reading in URL: http://tinyurl.com/obshy3t
Unzufrieden und unsicher
  • R Bunia
Bunia, R. (2014): Unzufrieden und unsicher. Empirische Ergebnisse zur Juniorprofessur. In: Forschung & Lehre 21 (9): S. 714-716.
Statistische Daten und Forschungsbefunde zu Promovierenden und Promovierten in Deutschland
  • Buwin
BuWiN (2017): Konsortium Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs. Statistische Daten und Forschungsbefunde zu Promovierenden und Promovierten in Deutschland. Bielefeld. Volltext verfügbar unter: www.buwin.de (letzter Zugriff: 15.02.2019).
Soziale Ungleichheiten in wissenschaftlichen Karrieren. Von der Philosophischen Fakultät der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover zur Erlangung des Grades eines Doktors der Philosophie (Dr. phil.) genehmigte Dissertation
  • S Jaksztat
Jaksztat, S. (2018): Soziale Ungleichheiten in wissenschaftlichen Karrieren. Von der Philosophischen Fakultät der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover zur Erlangung des Grades eines Doktors der Philosophie (Dr. phil.) genehmigte Dissertation. Hannover.
Transparente Karrierewege an der RWTH Aachen im Kontext der Personalentwicklung
  • D Klee
  • D Grübler
Klee, D./Grübler, D. (2018): Transparente Karrierewege an der RWTH Aachen im Kontext der Personalentwicklung. In: Personal-und Organisationsentwicklung (P-OE), 1+2/2018, S. 8-13.