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Wirksamkeit und Evaluation von Beratung

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Abstract

Kap. 6 thematisiert Forschungsergebnisse zur Wirksamkeit und Verfahren zur Evaluation von Beratung. Die Aussagen zu beiden Gebieten basieren vornehmlich auf Ergebnissen der Psychotherapieforschung und werden, unter Verweis auf die besonderen Gegebenheiten, behutsam auf Beratung übertragen. Im Besonderen werden Wirkfaktorenkonzepte und schulenübergreifende allgemeine, empirisch fundierte Wirkfaktoren vorgestellt. Das zweite Unterkapitel erläutert Prozess- und Ergebnisevaluation und stellt übersichtsmäßig erprobte Evaluationsverfahren vor.
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Wirksamkeit und Evaluation von
Beratung
6.1 Wirksamkeit
Bei der Frage nach der Wirksamkeit von Interventionen kann die Psychotherapie
bereits auf eine längere Forschungstradition blicken. Im Zusammenhang mit
einem professionellen und wissenschaftlich fundierten Beratungsverständnis
rückt diese Thematik ebenfalls in den Fokus. Dabei dürfte Beratung auf noch
komplexere und vielschichtigere Forschungsprobleme treffen, als sie in der
Psychotherapieforschung vorliegen. Das hängt mit den vielfältigen und kom-
plexen Aufgabengebieten und Einsatzfeldern von Beratung zusammen, wenn
sie Lebensgestaltung und darin eingebundene menschliche Problemlagen, Ent-
scheidungen und Entwicklungen in ihren kontextuellen, d. h. zwischenmensch-
lichen, kulturellen und gesellschaftlichen sowie ökonomischen und ökologischen
Einbindungen begreift.
In diesem schwierigen Gelände kann die Psychotherapieforschung in gewissem
Umfang Orientierung geben. Beratungshandeln zur Problembewältigung orientiert
sich gegenwärtig immer noch weitgehend an relevanten Verfahren von therapeuti-
schen Schulen. Insofern können Ergebnisse aus der psychotherapeutischen Wirk-
samkeitsforschung herangezogen und in gewissem Umfang und mit gebotener
Vo r s i c h t a u f d i e p s y c h o s o z i a l e B e r a t u n g ü b e r t r a g e n w e r d e n , z u m a l a u c h h i e r w i e -
der betont werden muss, dass die Abgrenzung von „Therapy“ zu „Counseling“ im
US-amerikanischen Kontext nicht so trennscharf ist wie im deutschen Kontext.
In dieser Wirksamkeitsforschung hat sich schon bald herausgestellt, dass
die Hoffnung auf eine schnelle und relativ übergreifende Ergebniszusammen-
stellung zu den Wirkungsprinzipien von Psychotherapie nicht gerechtfertigt ist.
Je nach Therapieschule variieren die Auffassungen, was die Zielvorstellungen von
erfolgreicher Therapie sowie die Frage betrifft, über welche Kriterien ein Erfolg
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© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019
F.-C. Schubert et al., Beratung, Basiswissen Psychologie,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-20844-8_6
184 6 Wirksamkeit und Evaluation von Beratung
zutreffend erfasst werden kann. Allerdings ergeben die Forschungen insgesamt,
dass Psychotherapie Effekte erzielt, die deutlich über Effekte einer Spontan-
heilung hinausgehen. Metaanalysen, die anstreben, Effekte einzelner Schul-
richtungen auszugleichen, stellen zwei Befundrichtungen heraus (Lambert 2013).
Die eine Richtung geht davon aus, dass die Wirksamkeit durch den Einsatz spezi-
fischer psychotherapeutischer Behandlungsmethoden bedingt ist. Solche positiven
Wirkeffekte werden vor allem im Hinblick auf die Behandlung spezifischer Stö-
rungen, wie Phobien, Panikstörungen und Zwangsstörungen, berichtet. Allerdings
können (schulen-)spezifische Vorgehensweisen und Behandlungstechniken (spezi-
fische Wirkfaktoren) nur einen geringen Anteil der therapeutischen Wirksamkeit
erklären. Je nach herangezogener Studie liegt deren Erklärungsanteil zwischen
1 und 15 % des Therapieergebnisses. Schiepek et al. (2013) schließen daraus,
dass letztlich kaum Wirksamkeitsunterschiede zwischen den schulenspezifischen
Therapieverfahren bestehen und dass diese zu annähernd gleichen Effekten füh-
ren. Vielmehr legen die Befunde nahe, dass die Wirkung von Psychotherapie
im Wesentlichen durch andere Faktoren, sogenannte allgemeine Wirkfaktoren,
bedingt ist.
Im Rahmen seiner Forschungen erstellte Lambert (2013) eine Übersicht über
die prozentuale Verteilung der therapeutischen Wirkfaktoren. Demnach sind 15 %
der Therapiewirkung auf spezifische Therapietechniken bzw. -verfahren zurück-
zuführen, 15 % auf subjektive Erwartungen (Hoffnung auf Erfolg, Placebo-
effekt), 30 % auf allgemeine Wirkfaktoren und 40 % auf Patientenfaktoren (z. B.
Bereitschaft zur Mitarbeit und Veränderung sowie Resilienzfaktoren) und auf
Kontextfaktoren (Lebensumwelt und bisherige kritische Lebensereignisse, sozio-
ökonomische Situation). Der größte Anteil der Therapiewirkung ist somit durch
Klientenfaktoren und die Lebenssituation der Klienten bedingt – und der letzt-
genannte Einflussbereich ist ein genuines Feld von psychosozialer Beratung.
Gerade in diesem Zusammenhang wird ein systemisch-integratives Verständnis von
Beratung hoch relevant. Anders als eine Richtlinienpsychotherapie, die stärker die
intrapsychischen Aspekte bei Klienten fokussiert, begreift psychosoziale Beratung
Klienten in ihrer komplexen Lebenslage, den zwischenmenschlichen, kulturellen
und gesellschaftlichen Einbindungen wie auch in ihren sozialökologischen und
sozioökonomischen Bedingungen und Strukturen (s. Kap. 3 und Abschn. 4.2).
Das Konzept der allgemeinen Wirkfaktoren wurde maßgeblich von Frank
(1961/dt. 1981; 1971) entwickelt. Er untersuchte die Wirkungsweisen psycho-
therapeutischer Beeinflussung vom Schamanismus bis zu den (damals) modernen
Psychotherapien und stellte vier gemeinsame „Wirkprinzipien“ solcher „Beein-
flussungsverfahren“ vor, die auch schon in der Frühzeit der Medizin von Heilern
eingesetzt wurden:
185
1. Eine bestimmte Art der Beziehung: Der Hilfesuchende vertraut der Kompe-
tenz des Helfers und dessen Wunsch, ihm zu helfen. Der Helfer drückt Anteil-
nahme aus und glaubt an die Fähigkeit des Hilfesuchenden, die Störung zu
überwinden. Das Vertrauen des Hilfesuchenden wird gesteigert durch die
gesellschaftlich anerkannte Rolle des Helfers (Expertentum).
2. Die Hilfeorte sind gesellschaftlich als „Stätten der Heilung“ ausgewiesen. Das
Setting bietet Zuflucht vor Anforderungen und verhindert Ablenkung durch
den Alltag. Dies ermöglicht eine Konzentration auf die Probleme und unter-
stützt das Experimentieren mit sich selbst und dem eigenen Verhalten.
3. Es gibt eine spezifische Behandlungstheorie oder einen „Mythos“, die eine
Erklärung von Krankheit und Gesundheit, Abweichung und Normalität ein-
schließen. In dieser Theorie ist ein bestimmter Grad an Optimismus hinsicht-
lich der Veränderbarkeit von Personen und Störungen angelegt. Die Theorie
interpretiert und erklärt die Störungsursachen, formuliert Veränderungsziele
und leitet Methoden der Zielerreichung ab. Insbesondere eröffnet sie eine
Einordnung von „Unfassbarem“, „Unbegreiflichem“ in Erklärungssysteme
( welche auch immer) und erlaubt es dem Hilfesuchenden, seinen Problemen
einen Sinn zu geben. Voraussetzung ist ein gemeinsamer kultureller oder
Überzeugungshintergrund von Hilfesuchenden und Helfern.
4. Die Behandlungstheorie definiert Aktivitäten oder Verfahren. Diese verlangen
Einsicht bei Fehlern und deren Korrektur, Motivation zur Veränderung, Opfer-
bereitschaft und auch Opfer. Sie heben das Selbstbewusstsein des Hilfe-
suchenden durch neues Lernen und den Erwerb neuer Fähigkeiten (Sickendiek
et al. 2008, S. 138 f.).
Die Grundthese von Frank (1961) lautet: Die Wirksamkeit von Beratung und The-
rapie liegt nicht primär in den theoretischen Inhalten der psychotherapeutischen
Schulen und den zugehörigen Verfahren und Techniken, sondern in ihren ver-
fahrensübergreifenden Funktionen. Sie vermitteln im Wesentlichen
Anregungen für neues Fühlen, Denken, Handeln und neue Erfahrungen und
damit für neue Entwicklungs- und Lernchancen,
wieder auflebende Hoffnung auf Besserung bzw. Abbau von Selbstabwertung
und Hoffnungslosigkeit,
wieder Erfolgserlebnisse und damit Stabilisierung von Selbstbewusstsein und
Zuversicht,
innere Ausrichtung und Bindung über die Beratungs- bzw. Therapiebeziehung.
6.1 Wirksamkeit
186 6 Wirksamkeit und Evaluation von Beratung
Weitere Auswertungen von Psychotherapiestudien legen nahe, dass es eine
Wechselwirkung zwischen den spezifischen und den allgemeinen Wirkfaktoren
gibt. Solche Zusammenhänge werden im Allgemeinen Modell der Psycho-
therapie („generic model of psychotherapy“) von Orlinsky und Howard (1987,
erweitert: Orlinsky et al. 2004) ausgearbeitet. Unterschieden werden in dem
Modell Inputvariablen (z. B. Verstärkung auf Verhaltensebene), Prozessvariablen
(z. B. Erhöhung der Selbstexploration) als Voraussetzung für Veränderungen bei
den Ratsuchenden und Outputvariablen (real erfassbare Veränderungen). Diese
Variablen stehen untereinander in Wechselwirkung und bedingen darüber die
Wirkung von Therapie bzw. Beratung.
Grawe et al. (1994) haben umfangreiche und differenzierte Sekundäranalysen
von Psychotherapiestudien und eigene Forschungen durchgeführt und gelangten
so zu einem schulenübergreifenden Therapiemodell. Ihre Forschungen bestätigen
ebenfalls, dass die einzelnen schulenspezifischen Therapierichtungen nur eine
begrenzte Wirksamkeit aufweisen, wohingegen sich über alle Therapieschulen
hinweg allgemeine Wirkfaktoren nachweisen lassen. Grawe (2000) formulierte
vier zentrale, empirisch fundierte Wirkprinzipien, die in der gegenwärtigen Bera-
tungs- und Therapielandschaft breite Resonanz gefunden haben. Sie bringen nicht
nur Handlungsprinzipien, sondern immer auch eine innere Haltung des Beraters
gegenüber den Ratsuchenden zum Ausdruck:
1. Hilfe zur Problembewältigung ist das wichtigste Prinzip erfolgreicher und
effektiver Beratung und Therapie. Klienten werden durch den Berater oder
Therapeuten aktiv unterstützt und angeleitet, dabei werden Selbstheilungs-
kräfte geweckt. Die Unterstützungsleistungen müssen auf die spezifischen
Störungsphänomene „passen“. Ausschlaggebend ist hierbei die Erfahrung des
Klienten, sich zum Positiven zu verändern (Prinzip: Vom Nicht-anders-Kön-
nen zum Besserkönnen).
2. Klärungsarbeit: Der Klient soll Zugang zu und Einsicht in die (bewussten
und unbewussten) Bedingungen und Motive gewinnen, die hinter den Proble-
men stecken. Die subjektive und objektive Bedeutung des Erlebens- und Ver-
haltensproblems wird geklärt (Prinzip: Vom Nichtwissen und Nichtverstehen
zum Erkennen und Sich-selbst-Verstehen).
3. Problemaktualisierung: Die belastenden subjektiven Bedeutungen und
Bewertungen des Problems wie auch die Veränderungsprozesse zur Problem-
bewältigung sollen im Hier-und-Jetzt der Beratungs- bzw. Therapiesituation
erfahrbar sein, real erlebt und aktuell bearbeitet werden. In der Beratung sol-
len somit Erlebnisfelder angeboten werden, die den Klienten Gelegenheit
geben, ihre Probleme und die dahinterliegenden Bedeutungen zu aktualisieren
187
und zu erfahren und neue Verhaltensweisen auszuprobieren (Prinzip: Ver-
änderungsprozesse in der aktuellen Realität erfahrbar machen).
4. Ressourcenaktivierung: In Beratung und Therapie wird gezielt mit den
Potenzialen und Stärken der Klienten gearbeitet. Die Wahrnehmung und
Aktivierung von Ressourcen lässt die Klienten eigene Kompetenzen, Stärken
und Wirksamkeit (wieder) erfahren und erleben, woraus neue Selbstständig-
keit entwickelt werden kann. Ressourcen umfassen sowohl individuelle
Bewältigungspotenziale wie auch Unterstützungsmöglichkeiten in der sozialen
Umwelt (Prinzip: Weg von der Problemfixierung, hin zu Ressourcen- und Ent-
wicklungsorientierung).
Haken und Schiepek (2010) haben aus den Theorien der Selbstorganisation
und Synergetik und der Chaos- sowie der Psychotherapieforschung deduktiv
sogenannte generische Prinzipien abgeleitet, die den Wirkfaktoren vergleich-
bar sind. Schiersmann und Thiel (2012) haben diese generischen Prinzipien
leicht modifiziert aufgegriffen und mit dem Ansatz der Problemlösepsychologie
verknüpft.
Sieben allgemeine Wirkfaktoren
Unter Bezugnahme auf Taxonomien der psychotherapeutischen Wirksam-
keitsforschung stellt Wälte (2018a) sieben allgemeine Wirkfaktoren auf,
die in wechselseitigen Wirkzusammenhängen stehen und teilweise auch im
Sinne eines phasischen Prozessablaufs verstanden werden können. Unter
anderem fließen die Wirkfaktoren von Grawe et al. (1994) sowie Aspekte
des 7-Stufen-Modells von Kanfer et al. (2012) in die Aufstellung ein. Für
eine Optimierung der Wirkfaktoren wird zudem eine breite Palette von
beraterischen Kompetenzen benötigt, wie sie z. B. Zwicker-Pelzer (2010)
in ihrem Kompetenzmodell vorstellt.
1. Gestaltung einer professionellen Beziehung: Aufbau und Gestaltung
einer professionellen Arbeitsbeziehung zwischen Berater und Klient über
den gesamten Verlauf des Beratungsprozesses gehören zu den wichtigs-
ten Elementen einer effektiven psychosozialen Beratung und Therapie. In
allen Wirkfaktorenkonzepten gilt sie als zentraler Faktor und Schlüssel-
variable für die Entfaltung anderer Wirkfaktoren und ihrer Wechsel-
wirkung mit den eingesetzten Interventionstechniken, bildet also die
6.1 Wirksamkeit
188 6 Wirksamkeit und Evaluation von Beratung
Basis für einen effektiven Beratungs- bzw. Therapieprozess ( Schiersmann
et al. 2016; Wälte 2018a). Grundlage r diesen allgemeinen Wirkfaktor
ist eine auf bedingungsloser positiver Wertschätzung, Empathie, Präsenz
und Selbstkongruenz (Authentizität und Transparenz; s. Abschn. 4.1.3)
basierende Haltung des Beraters.
2. Analyse und Klärung der Probleme: Unter Bezugnahme auf das
Modell von Kanfer et al. (2012) benennt Wälte (2018a) die sorgfältige
Erfassung der Probleme des Klienten unter Berücksichtigung seiner
Verhaltensweisen, Gefühle und der Wechselwirkungen mit der sozialen
Umgebung als weiteren allgemeinen Wirkfaktor. Hier sind auch die sub-
jektiven Erklärungskonzepte des Klienten über die Entstehung des Prob-
lems einzubeziehen, die unter Umständen von den Erklärungskonzepten
des Beraters abweichen können. Dabei wird das Ziel verfolgt, dass der
Klient seine vergangene oder aktuelle (Problem-)Situation besser ver-
steht, sich im Verlauf der Beratung über sich selbst klarer wird, sich
selbst besser versteht und besser annehmen kann (Selbstexploration
und Selbstwertschätzung). Das trägt auch dazu bei, dass Klienten Inter-
ventionsprozesse besser annehmen können und von sich aus unter-
stützen und verfolgen. Nach dem „Common Component Model“ von
Frank (1971) kann dieser Prozess ein subjektiv plausibles Erklärungs-
schema befördern und mögliche Lösungswege aufweisen.
3. Analyse und Vereinbarung von Beratungszielen: Nahezu alle
Beratungsmodelle weisen diesem Prozess eine zentrale Bedeutung für
eine effiziente Beratung zu. Ein breiter Konsens zwischen Berater und
Klient über die möglichen Beratungsziele ermöglicht, dass beide Seiten
übereinstimmende und transparente Vorstellungen von dem Beratungs-
fokus und den Prioritäten entwickeln und gemeinsam darauf bezogene,
konkrete und nachvollziehbare Arbeitsziele über den Beratungsprozess
hinweg verfolgen. Im Allgemeinen werden die Ziele dabei in kurz- und
langfristige gegliedert. Dabei muss auch bedacht werden, dass die am
Anfang erarbeiteten Prioritäten und Zielvorstellungen sich im Laufe
des Beratungsprozesses ändern können. Für die Beratungseffizienz ist
zudem wesentlich, dass der Berater mögliche Differenzen in den Ziel-
vorstellungen zwischen sich und dem Klienten erfasst und klärt. Von
Klienten selbst erarbeitete Prioritäten und Ziele haben eine stärkere
positive Auswirkung auf die Motivation zur Mitarbeit und Veränderung
als solche, die vom Berater festgelegt oder von außen auferlegt werden
(s. Abschn. 5.3).
189
4. Motivation zur Veränderung/positive Erwartung an den Beratungs-
erfolg: Der Aufbau einer Eigenmotivation zur Veränderung beim
Klienten (Kanfer et al. 2012) und positive Erwartungen an den
Beratungserfolg (Weinberger 1995) sind weitere maßgebliche Fakto-
ren für die Wirksamkeit von Beratung. Eigene Veränderungsmotivation
trägt wesentlich zur Reduzierung von Resignation und Demoralisierung
bei, die Klienten infolge subjektiver Erfahrungen mit misslingenden
Problembewältigungsversuchen häufig zu Beratungsbeginn zeigen.
Zudem bilden ungünstige soziale und sozioökonomische Lebens-
bedingungen wie auch die Beschaffenheit des Problems potenzielle
Hindernisse für die Entwicklung von Veränderungsmotivation. Miller
und Rollnick (2015) stellen eine „motivierende Gesprächsführung“ zum
Aufbau von Veränderungsmotivation vor. Darüber hinaus ist das (Wie-
der-)Erleben von eigener Wirksamkeit (Selbstwirksamkeitserfahrung)
bereits in den ersten Beratungsstunden bedeutsam, was z. B. über
ressourcenorientierte Beratungsverfahren aufgebaut werden kann (Schu-
bert 2018b; Willutzki und Teismann 2013). Über diese Prozesse ent-
wickelt sich eine positive Erwartung an den Beratungserfolg.
5. Problemaktualisierung: Verschiedene Forschungen postulieren Problem-
erleben in der Therapie- bzw. Beratungssitzung bzw. das damit gekoppelte
affektive Erleben und die Lösung emotionaler Blockaden als weiteren all-
gemeinen Wirkfaktor (Grawe und Caspar 2012; Jørgenson 2004; Wein-
berger 1995). Grawe und Caspar (2012, S. 35) gehen davon aus, dass „die
problematischen Bedeutungen, die das Leiden des Patienten ausmachen,
dann am wirksamsten verändert werden können, wenn diese Bedeutungen
in der Therapie real zum Erleben gebracht werden“. Probleme und damit
subjektiv verbundene emotional-kognitive Bedeutungen und Affekte sol-
len im Hier und Jetzt der Beratungssituation erlebt und aktuell bearbeitet
werden. Je umfassender das geschieht, desto besser kann das Thema
bearbeitet und vom Klienten mit der Erfahrung von Veränderung und
Selbstwirksamkeit überwunden werden.
6. Ressourcenaktivierung: Grawe (2000) fokussiert die Aktivierung
von Ressourcen bei Klienten als einen breit angelegten Wirkfaktor.
Statt die Aufmerksamkeit auf deren Defizite, Schwächen und Kon-
flikte zu richten, wie das zumeist in einer klassisch-klinisch orien-
tierten Diagnosephase erfolgt, werden die positiven Eigenschaften
und besonderen Fähigkeiten des Klienten in den Blick genommen.
Ressourcenaktivierung lenkt die Aufmerksamkeit weg von den Defiziten
6.1 Wirksamkeit
190 6 Wirksamkeit und Evaluation von Beratung
und Schwächen des Klienten hin zu seinen Potenzialen, Stärken und
Änderungsmöglichkeiten. So wird dem Klienten z. B. bewusst, dass und
wie er bereits früher Schwierigkeiten positiv gehandhabt hat und wie er
diese Stärken gegenwärtig („ein klein wenig“) wieder aktivieren kann
oder welche Unterstützungsmöglichkeiten in seinem Umfeld erkennbar
und (wieder) aktivierbar sind. Über diese Aufmerksamkeitsumlenkung
und Wiederentdeckung gelebter eigener Stärken und Wahrnehmung
zwischenmenschlicher bzw. auch sozialstaatlicher Hilfemöglichkeiten
entwickeln sich Zuversicht und eine positive Grundstimmung für den
weiteren Beratungsverlauf (Grawe und Grawe-Gerber 1999; Schubert
2018b; Willutzki und Teismann 2013). Dieser Prozess, der häufig mit
gezielter Psychoedukation gekoppelt ist, kann den Klienten anregen,
eigenständig weitere Ressourcen zu entdecken und zu aktivieren
(s. Abschn. 4.3).
7. Hilfe zur Problembewältigung: Alle Taxonomien aus der Forschung
zu allgemeinen Wirkfaktoren führen Hilfe zur Problembewältigung als
zentrales Prinzip erfolgreicher und effektiver Therapie und Beratung
auf. Nach Grawe (2000) wird der Klient vom Berater durch den Einsatz
geeigneter Methoden und Techniken darin unterstützt, seine Probleme,
Krisen und Konflikte zu überwinden oder zumindest besser mit ihnen
fertigzuwerden. Diese Unterstützungsleistungen müssen auf die spezi-
fischen Störungsphänomene „passen“ (z. B. Selbstsicherheitstrainings
bei selbstunsicheren Personen, Konfrontation mit angstauslösenden
Reizen bei Personen mit Ängsten). Hilfe zur Problembewältigung kann
auf verschiedenen Ebenen erfolgen. Unter Bezugnahme auf psycho-
therapeutische Taxonomien zu den allgemeinen Wirkfaktoren führt
Wälte (2018a, S. 45) folgende Verfahren an:
kognitive Bewältigung, z. B. über die Veränderung „dysfunktionaler“
Kognitionen. In einem weiteren Sinn zählt dazu auch die Förderung
der Mentalisierung (Asen und Fonagy 2014). Sie soll den Klienten
dazu befähigen, mentale und emotionale Zustände bei sich und bei
anderen zu erkennen und zu kommunizieren. Weiterhin kann auch
„Selbstnarration“ einbezogen werden, bei der der Klient eine Neu-
fassung seiner Lebensgeschichte und Identität konzipiert;
Verhaltensregulation, die auf eine verbesserte Verhaltenskontrolle
oder neue Verhaltenskompetenzen abzielt;
191
Exposition und Desensibilisierung mit den Effekten der
Abschwächung der physiologischen Reaktion und des Vermeidungs-
verhaltens;
Korrektur emotionaler Erfahrungen im Anschluss an Exposition und
Desensibilisierung (dadurch, dass die gefürchteten Konsequenzen
nicht eintreten);
Emotionsregulation mit dem Ziel der Kontrolle über emotionale Pro-
zesse.
Als achten allgemeinen Wirkfaktor schlägt Wälte (2018a) die Evalua-
tion der Fortschritte in der Beratung entsprechend dem 7-Stufen-Modell
von Kanfer et al. (2012) vor. Dabei geht es nicht nur um eine Erfolgs-
bewertung zum Abschluss der Beratung oder Therapie, sondern auch um
die kontinuierliche Bewertung des Beratungsprozesses und auch der einzel-
nen Beratungsphasen. Hier wird nicht die Interaktion zwischen Berater und
Klient ins Visier genommen, sondern es geht mehr um einen gemeinsamen
begleitenden Bewertungsprozess der beraterischen bzw. therapeutischen
Arbeitsweise und der Klient-Berater-Interaktion. Damit gerät ein weite-
rer Aspekt von Wirksamkeit in den Fokus: die Wirksamkeit von Therapie
bzw. Beratung als Ergebnis des Interaktionsprozesses zwischen Berater und
Klient.
Eine Zusammenschau der Wirkfaktorenkonzepte zeigt, dass der Beziehungs-
gestaltung in allen Konzepten eine zentrale Funktion zugeschrieben wird. Einige
Modelle, wie die von Grawe (2000), Orlinsky et al. (2004) und Schiersmann
und Thiel (2012), sind in ihrem Wirkverständnis explizit an einem Phasenablauf
ausgerichtet. Nach Schiersmann et al. (2016) lassen sich jedoch gewisse Unter-
schiede in der Frage ausmachen, wer den Wirkprozess steuert. Grawes Modell
fokussiert einseitig die Aktivitäten der Berater bzw. Therapeuten, wohingegen das
Modell von Orlinsky die Aktivitäten der Berater/Therapeuten und die der Klien-
ten integriert. „Die Wechselwirkung zwischen dem Input der Beratenden und der
Resonanz der Ratsuchenden weiter zu verfolgen, dürfte eine wichtige Perspektive
für die Zukunft darstellen, denn es ist naheliegend, dass keine der beteiligten Per-
sonen einseitig und allein den Prozess gestaltet, sondern dass es sich dabei um
eine gemeinsame Leistung handelt“ (Schiersmann et al. 2016, S. 5). Unter Bezug-
nahme auf Schiepek et al. (2013) formulieren die Autoren weiter, „dass der Klient
6.1 Wirksamkeit
192 6 Wirksamkeit und Evaluation von Beratung
bzw. die Klientin vielleicht den wesentlichsten Anteil zum Erfolg einer Therapie
selbst beisteuert […]. Dabei spielen z. B. persönliche und interpersonelle Kompe-
tenzen und Ressourcen, die Kooperationsbereitschaft, das Erleben der Beratungs-
beziehung, die individuelle Expressivität, verbale und emotionale Öffnung sowie
die intrinsische Veränderungsmotivation und Aufnahmebereitschaft eine zentrale
Rolle.“.
Im Vergleich zu den vorher angeführten Forschungen macht dieser Ansatz
deutlich, dass relativ unterschiedliche Vorstellungen davon bestehen, was als
„Wirkfaktoren“ zu bezeichnen ist. In einer Zusammenschau der verschiedenen
Ansätze und Modelle resultiert die Wirksamkeit von Beratung und Therapie aus
einem komplexen wechselseitigen Wirkmuster zwischen
den „Wirkungen“ der Berateraktivitäten bzw. der Beraterhaltung,
den „Wirkungen“ vielfältiger und wohl auch unterschiedlich zu gewichtender
Klientenvariablen, wie Einstellung zu Beratung/Therapie, Veränderungsmoti-
vation, Kooperationsbereitschaft, Expressivität, verbale und emotionale Öffnung
sowie Ressourcenbeschaffenheit (einschließlich kognitiver Ressourcen),
den rekursiven Wirkungen dieser Faktoren im Verlauf der Beratung/Therapie
innerhalb und zwischen den einzelnen (Beratungs-/Therapie-)Prozessphasen.
6.2 Evaluation
Die Bedeutung von Evaluation im Beratungsgeschehen wird in der Praxis oft unter-
schätzt. Dabei gibt es viele gute Gründe für den Praktiker seine praktische Arbeit
ständig zu evaluieren. Es hilft ihm, seine Behandlung zu verbessern, klinisch
bedeutsame wissenschaftliche Erkenntnisse zu sammeln und seiner ethischen Ver-
antwortung gegenüber dem Klienten und der Gesellschaft gerecht zu werden
(Warschburger 2009, S. 50).
In Wissenschaft und Praxis bestehen oftmals unterschiedliche Ansichten über
Ziele und Funktionen von Evaluation, und entsprechend unterschiedlich kann
Evaluation angelegt sein: als angewandte Wissenschaft unter den wissenschaft-
lichen Forschungsstandards oder als Praxisberatung oder als eine Kombination
beider (Heiner 2007). Im Feld praxisorientierter, wissenschaftlich fundierter Aus-
und Weiterbildung dient Evaluation dazu, den Erfolg von Beratungsprozessen
mit standardisierten und wissenschaftlich geprüften Verfahren zu erfassen.
Fokussiert wird, ob die gemeinsam anvisierten Beratungsziele bzw. die verein-
barten Veränderungsziele erreicht wurden, ob die beraterischen Vorgehensweisen
sowohl vom Berater wie auch vom Klienten als erfolgreich attribuiert werden.
193
Als vorrangig gelten dabei die Sichtweise und Bewertung des Klienten, seine
Zufriedenheit mit dem Beratungsprozess und mit den erzielten Ergebnissen. Die
Einschätzungen des Beraters zu diesen Kriterien sind ebenfalls bedeutsam. Beide
können sich in ihren Bewertungen unterscheiden.
Evaluation muss bereits zu Beginn einer Beratung eingeplant und auch schon
während des Beratungsverlaufs, also nicht erst am Ende, durchgeführt werden.
Das verlangt zu Beginn einer Beratung Klarheit darüber, was und mit welchen
Verfahren evaluiert wird. Damit sind die beiden zentralen Evaluationsarten
angeführt: Prozessevaluation und Ergebnisevaluation. Bei der Prozessevaluation
werden im Verlauf der Beratung zu festgelegten Zeiten solche Merkmale des
Beratungsprozesses erfasst, die als Wirkfaktoren von Beratung gelten, z. B.
Entwicklung der Beratungsbeziehung, der Kooperationsbereitschaft und Ver-
änderungsmotivation, der Öffnung und Expressivität beim Klienten. Die Ergeb-
nisevaluation misst nach Beratungsabschluss entweder retrospektiv oder in Form
eines Prä-Post-Vergleichs den Beratungserfolg. Erfasst wird, ob die eingesetzten
Interventionen zur Behebung oder mindestens zu einer Besserung des Problems
beigetragen haben. Beispielsweise kann überprüft werden, in welchem Umfang
die gemeinsam erarbeiten und festgelegten Beratungsziele erreicht wurden. Es
können auch allgemeinere Kriterien angelegt werden, z. B. die Erweiterung
sozialer Kontakte, die Verbesserung von individuellem Wohlbefinden, Lebens-
zufriedenheit usw. Im Idealfall wird nach einem längeren Zeitraum, etwa
18 Monate nach Beratungsende, zusätzlich eine katamnestische Untersuchung
durchgeführt, um auch den längerfristigen Beratungseffekt zu erfassen.
Die Messinstrumente sollen wissenschaftlichen Kriterien entsprechen, d. h.,
sie sollen möglichst objektiv und standardisiert, hinreichend reliabel und valide
sowie ökonomisch im Einsatz wie auch sensibel in der Erfassung des angezielten
Gegenstands sein. Darüber hinaus sollten die Verfahren in Kooperation mit der
Praxis entwickelt sein und die unterschiedlichen Problemstellungen aus den
vielfältigen Handlungsfeldern von Beratung berücksichtigen. Gerade der letzte
Aspekt macht es nach Warschburger (2009) oft schwierig, für das Beratungs-
setting angemessene Messinstrumente zu entwickeln. In der Beratung wird daher
behelfsweise oft auf Messinstrumente aus dem therapeutischen Setting zurück-
gegriffen, die zumeist jedoch auf enge, teils sehr spezifische Therapieziele und
einen standardisierten Prozessablauf ausgerichtet sind und der thematischen Viel-
falt und Verfahrensoffenheit, wie sie in der Beratung oftmals angezeigt ist, nicht
immer gerecht werden.
Warschburger (2009) gibt einen knappen und informativen Überblick über
verschiedene Evaluationsverfahren, auf die hier Bezug genommen werden soll
6.2 Evaluation
194 6 Wirksamkeit und Evaluation von Beratung
(s. „Übersicht zu Evaluationsverfahren“). Ergänzende Übersichten bringen Borg-
Laufs und Tiskens (2018), Klemenz (2014) sowie Klann et al. (2003). Einige Ver-
fahren koppeln prozessbegleitende Beratungserfassung und Ergebniserfassung.
Übersicht zu Evaluationsverfahren (unter Bezugnahme auf Warschburger
2009; Borg-Laufs und Tiskens 2018; Klemenz 2014)
1. Prozessevaluation
Der Stundenbogen für die Allgemeine und Differenzielle Einzelpsycho-
therapie (Krampen 2002) ist eine empirisch überprüfte Prozessevaluation.
Der Fragebogen mit 14 Items und einer Bewertung von 1 (= „stimmt
überhaupt nicht“) bis 7 (= „stimmt ganz genau“) wird zum Ende jeder
Beratungs- bzw. Therapiesitzung ausgegeben und liefert Informationen
zum Verlauf und zum Ergebnis der Therapie- bzw. Beratungsstunde. Der
Berater bearbeitet einen Parallelbogen. Damit können auch Diskrepanzen
in den Einschätzungen von Berater und Klient erfasst werden. Der Frage-
bogen ist an dem allgemeinen Wirkfaktorenmodell von Grawe (Grawe
et al. 1994) orientiert und erfasst die drei Wirkfaktoren über drei Subskalen:
Perspektive der motivationalen Klärung (Einsicht in die Charakteristika
der Probleme, 5 Items)
Perspektive der Problembewältigung (Fortschritte in der Sitzung zur
Bewältigung der Schwierigkeiten, 4 Items)
Beziehungsebene (sich verstanden fühlen, 3 Items).
Durch die Bewertung der Sitzungen seitens des Klienten und des Beraters
können Unstimmigkeiten und Missverständnisse rechtzeitig erfasst und in
den Folgesitzungen angesprochen werden. Zudem können sich die Berater
sowohl in ihrer professionellen Rolle als auch in ihrer Selbstwahrnehmung
und Prozesseinschätzung konstant weiterentwickeln.
Aus dem englischsprachigen Raum kommen zwei Verfahren, die nach
den Sitzungen sehr einfach und innerhalb weniger Minuten bearbeitet wer-
den können. Die „Clinical Outcomes Routine Evaluation“ (CORE) von
Evans et al. (2006) wurde in Kooperation mit Praktikern erstellt und kann
unterschiedliche Problemstellungen von Beratung berücksichtigen. Das
Ratingverfahren erfasst fünf Skalen, die von Klienten beratungsbegleitend
bearbeitet werden können:
195
Subjektives Wohlbefinden (4 Items)
Symptome/Probleme (12 Items)
Leben/soziale Funktion (12 Items)
Selbstgefährdung (4 Items)
Fremdgefährdung (2 Items)
Das Verfahren zeigt nach Warschburger (2009) gute psychometrische
Kennwerte hinsichtlich Reliabilität und Validität. Normwerte für klini-
sche und nichtklinische Stichproben liegen ebenso vor wie Daten zur
Berechnung klinisch relevanter Veränderungen. Über eine PC-Version kann
der Nutzer die Auswertungen sowie den Vergleich mit Referenzdaten selbst
vornehmen.
Ein weiteres sehr einfach zu handhabendes Verfahren ist die „Session
Rating Scale“ (SRS) von Duncan et al. (2003). Anhand von vier visuellen
Analogskalen bewertet der Klient prozessbegleitend folgende Bereiche:
Grad der Übereinstimmung mit dem Berater in Bezug auf Ziele und
Themen
Grad der Übereinstimmung mit dem Berater in Bezug auf Methoden
und den allgemeinen Ansatz
Bewertung der therapeutischen Beziehung
Allgemeine Bewertung der zurückliegenden Sitzung
Die Skala beruht auf der „Kliententheorie der Veränderung“ und erweist
sich als reliabel, valide und prognostisch relevant. Verschiedene Studien
belegen nach Warschburger (2009), dass durch die kontinuierliche Aus-
wertung und Bewertung der Sitzungen und Feedback an den Therapeuten
der erzielte Behandlungserfolg gesteigert und die Abbrecherquote reduziert
werden konnte.
Mit der „Zielerreichungsskalierung“ (Borg-Laufs und Hungerige 2010;
Borg-Laufs und Tiskens 2018) werden gemeinsam erarbeitete Ziele opera-
tionalisiert und in Zwischenziele aufgeteilt. Im Verlauf der Beratung kann
regelmäßig gemeinsam überprüft werden, inwieweit die Ziele erreicht sind.
Das Ergebnis zu den einzelnen Zielen wird in eine Skala eingetragen. Das
Ve r fa h r e n b r i ngt d e n Vorteil m i t s i c h, d a s s i m B e ratungsprozess Z i e le u n d
dorthin führende Zwischenziele vom Klienten selbst erarbeitet und regelmä-
ßig überprüft werden. Zudem unterstützt dieser Prozess die Zielorientiert-
heit und Eigenmotivation des Klienten während der gesamten Beratung.
6.2 Evaluation
196 6 Wirksamkeit und Evaluation von Beratung
2. Ergebnisevaluation
Warschburger (2009; im Überblick: Klemenz 2014, S. 222 f.) stellt aus-
gewählte empirisch überprüfte Verfahren vor. Sie wurden zwar zumeist
für den psychotherapeutischen Kontext entwickelt, sind nach Angaben der
Autorin jedoch auch gut im Beratungskontext einsetzbar.
Die „Outcome Rating Scale“ von Miller et al. (2003) ist ein einfach
zu handhabendes Ratingverfahren. Über vier visuelle Analogskalen (von
0 bis 10) bewertet der Klient retrospektiv die Veränderungen in folgenden
Lebensbereichen:
Allgemeines Wohlbefinden
Individuelles, symptombezogenes Funktionsniveau
Interpersonelle Beziehungen (Familie, enge Freunde)
Soziales Funktionsniveau (Arbeit, Schule, Freundschaften)
Nach Angaben der Autoren zeigt die Ratingskala eine hohe interne Konsis-
tenz und eine zufriedenstellende Konstruktvalidität. Über eine Online- und
PC-Version kann der Berater die Daten relativ rasch auswerten.
Die „Fragebögen zur Beurteilung der Behandlung“ (FBB) wurden
von Mattejat und Remschmidt (1999) für den kinderpsychiatrischen und
psychotherapeutischen Kontext entwickelt. Die Bearbeitung der Bögen
dauert ca. 15 min. Eine Kurzversion soll die Bearbeitungszeit auf wenige
Minuten beschränken. Die Qualität der Behandlung soll aus drei Sicht-
weisen eingeschätzt werden:
Aus Sicht des Kindes: Behandlungserfolg in Bezug auf sich selbst, auf
die familiären Beziehungen und die Beziehung zum Behandler
Aus Sicht der Eltern: Behandlungserfolg in Bezug auf das Kind, die
Beziehung der Eltern zum Kind, die eigene Person und die Familien-
beziehungen
Aus Sicht des Behandlers: Bewertung des Behandlungserfolgs im Hin-
blick auf den Patienten, Mutter, Vater, Familienbeziehungen und die
Kooperation mit dem Patienten, mit Vater und Mutter
3. Kombinierte Verfahren
Der „Bonner Fragebogen für Therapie und Beratung“ (BFTB) von Fuchs
et al. (2003) besteht aus zwei Teilbereichen, die auch getrennt zur Anwendung
197
kommen können. Die Ergebnisskala erfasst Veränderungen nach der
Therapie/Beratung im Selbstbild, im sozialen Verhalten, im emotionalen
Erleben (z. B. Selbstwertgefühl) und auf der Verhaltensebene (z. B. Leistungs-
fähigkeit). Das therapeutische Verhalten wird, unter Bezugnahme auf das
allgemeine Wirkmodell der Psychotherapie nach Grawe, über zehn Prozess-
skalen beurteilt: Therapeut-Klient-Beziehung (3 Skalen: Echtheit, Empathie,
Wert sc hät zu ng ), Ein si cht u nd Klär un g (4 Skalen: Deutung, Bewusstheit,
Strukturierung, Konfrontation), Integration und Verhaltensänderung (3 Skalen:
Durcharbeiten, emotionszentriertes Arbeiten, Verstärkung). Die Bearbeitungs-
dauer ist mit 25 min sehr lang. Auch kann sich der elaborierte Sprachcode als
hinderlich für einen breiten Einsatz im Praxissetting auswirken.
Der „Fragebogen zur Erziehungs- und Familienberatung“ (FEF) von
Vossler (2003) zeichnet sich u. a. dadurch aus, dass er auch die Spezifika
dieser Art von Beratung berücksichtigt (z. B. Heterogenität der Problem-
lagen, stark fluktuierende Rahmenbedingungen, unterschiedliche Ziel-
kriterien) und zugleich normiert und standardisiert ausgelegt ist. Der
Fragebogen besteht aus vier Hauptskalen und erfasst Prozess- und Outco-
mequalität von Beratungen. Je nach der Fragestellung des Nutzers können
die Skalen auch in unterschiedlicher Kombination eingesetzt werden:
Skala FEF-1 (Zugang zur Beratung) erfasst den Beratungsanlass, Vor-
erfahrungen mit Beratung, beratungsbezogene Erwartungen und
Bedenken, den Leidensdruck in der Familie und die Zufriedenheit mit
den Rahmenbedingungen der Beratung.
Skala FEF-2 (Beratungsprozess) erfasst wesentliche Aspekte der
Berater-Klienten-Beziehung (z. B. hilfreiche Beratervariablen) und das
Vorgehen in der Beratung (z. B. Beratungstechniken).
Skala FEF-3 (Beratungszufriedenheit) wird durch eine deutsche Über-
setzung des „Client Satisfaction Questionnaire“ erfasst, ergänzt durch
Fragen zur Zufriedenheit mit der Beratungsorganisation.
Skala FEF-4 (Beratungseffekte) erfasst Veränderungen in den Bereichen
Problemsituation, Problemsicht, Emotionen, Situation des Kindes und
der Familie und Selbsthilferessourcen. Zusätzlich kann angegeben wer-
den, inwieweit Veränderungen (auch im interpersonellen Bereich) auf
die Beratung zurückgeführt werden.
Reliabilität und Validität sind nach Warschburger (2009) zufriedenstellend.
6.2 Evaluation
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