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akzent
Arne
N~ss
, Sigmund Kval0y Setreng und
Nils Faarlund
te OS
1e
von Gunnar Liedtke und
Bea
Reuter
Das
norwegische Friluftsliv ist in
se
i
ner
heutigen F
orm
durch eine Gruppe von
Männern geprägt, die durch ihren Lebensstil, ihre Touren
in
den Bergen, ihre
Philosophie und ihre Bücher und Artikel einen gravierenden Einfluss ausgeübt
haben. In
der
norwegischen Friluftsliv-Szene sind Arne
N<Ess,
Sigmund Kval0y
Setreng und Nils Faarlund für jeden ein Begriff.
Was
die drei zur Entwicklung
von Friluftsliv beigetragen haben und was
wir
von ihnen lernen können, soll
hier kurz skizziert werden.
Die norwegische und skandinavische
Kul-
tur
des Draußen-Seins, das „Friluftsliv",
die ursprüngli
ch
vor allen Dingen auf pri-
vate Erholung und Naturgenuss gerichtet
war, bekam ab Ende der 1960er Jahre eine
starke gesellschaftskritische Komponente,
·
in
der
Nat
urschutz,
Widerstand
gegen
Naturzerstörung und die Philosophie eines
naturfreundl
i
chen
Lebenssti
ls
wichtig
wurden.
Arne
Na::ss, Sigmund Kvahz
ly
Setreng und Nils Faarlund waren nicht nur
wesentliche Gestalter dieser neuen Bewe-
gung, sondern
sie
lebten auch i
hr
eigenes
Leben in einer Konsequenz
nach
ihrer
Philosop
hi
e und
ihren
Überzeugungen,
die wirklich beeindruckend ist.
Die Autoren dieses Artikels
haben
nicht
nur viel von den dreien gelesen, sondern
sie
auch persönlich
kennen
gelernt. Der
nachha
ltige Eindruck,
den
diese Begeg-
nungen hinterließen,
hat
sie
dazu veran-
1asst, diesen drei Persönlichkeiten in Form
dieses Artikels ihren Respekt
zu
zollen.
Arne
N~ss
Arne
Na::ss
(1912-2009) war bereits mit
27
Jahren
Professor für Philosophie
an
der
Uni
Oslo,
wo
er 1970 mit knapp 58
Jahren mit der Begründung kündigte, dass
er zum einen
zu
oft das Gefühl habe
ge
lebt
zu
werden
anstatt
selbst
zu
leben und zum
anderen, dass er glaube außerhalb der Uni-
versität mehr
zu
r Lösung der drängendsten
Probleme wie Armut, Krieg und Umwelt-
zerstörung beitragen
zu
können, als wenn
er weiterhin in dieser Institution bliebe
14
(Na::ss,
2000). Als Professor in Oslo lief
Arne
meist super korrekt im dreiteiligen
Anzug herum, am Wochenende und in
der Freizeit, die er meist in seiner Hütte
am
Ha
llingskarvet verbrachte, eher
in
alten und zerlöcherten Klamotten
(Na::ss,
1999a). In der Umweltbewegung wurde
Arne
vor allen Dingen als Mitbegründer
der
sogenannten
„Tiefenökologie" be-
kannt, mit der er den Ansatz verfolgte,
dass sich der Mensch bei seinen Eingriffen
in
die
Nat
ur auf
ein
für das Überleben
wichtiges Maß beschränkt
statt
den
Planeten für die
Befriedigung von mensch-
lichen Luxusbedürfnissen
zu
ruinieren.
Fril
uftsliv
war
in
diesem
Sinne
für
Arne
das Konzept eines
Lebensstil
s,
bei dem der
Mensch mit der
Nat
ur im
Einklang leben
kann
und
in dem Materielles nur rein
funktionale Bedeutung
hat
(und Statussymbole
ke
ine
e&I
2/
2018
Rolle spielen). Sein Statement: ,,Friluftsliv
ist reiches Leben mit einfachen Mitteln"
ist wahrscheinlich einer der meist zitierten
Sätze, wenn
es
darum geht die Essenz des
Friluftsl
iv
zu
umschreiben
(Na::ss,
19996).
Und
diese Idee vom erlebnisreichen Le-
ben, das
nicht
viel Materielles braucht,
bzw.
das durch
zu
viel Materiell
es
verflacht,
spiegelt sich auch in seinem eigenen Le-
bensstil wider.
Sigmund Kval0y Setreng
Sigmund Kval~y
Setreng
(1
934-201
4)
war kein Spezialist, sondern
ein
Mensch
der
vielfält
i
gen
Interessen,
der
Ende
der
1960er
Jahre
mit
ei
nem
5-Jahres
Fullbright-Stipendium
in
der
Tasche
nach
New York aufbrach, um
dort
eine
musik-philosophische
Doktorarbeit
zu
schreiben.
In
New
York
erkannte
Sigmund schnell
fü
r sich, dass das Le-
ben
in so
einer
Großstadt
mit
seinen
Vorstellungen
von
Lebendigkeit
und
Familienfreundlichkeit nicht viel
zu
tun
hatte.
Nach
wenigen Woch
en
war er wie-
der zurück in Norwegen, arbeitete
dort
zusammen mit
Arne
Na::ss
an
der
Uni
Os
lo und entwickelte die „Ökophiloso-
phie". Sigmund war zeitlebens engagierter
Umwelt-Aktivist und interessierte sich
schwerpunktmäßig für die Entwicklung
einer naturbasierten Gesellschaft -und
war
damit
ha
rtnäckiger
Gegner
aller
Auswüchse
von
Ökonomisierung
und
Wachstumsgesellschaft. Er organisierte
1970 maßgeblich
den
gewaltlosen Wi-
derstand (Gandhi!) gegen~ie Zerstörung
des Mard~la Wasserfalls
und
war
sehr
darauf
bedacht
Protestfo
r
men
gegen
Naturzerstörung und Lösungsansätze für
naturbasierte Lebensformen zusammen
mit örtlichen Gemeinschaften
zu
erarbei-
e&I
2/2018
ten. Vor allen Dingen
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auf den
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er die
Schönheit,
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und Lebensfreude einer naturbezogenen
Wachstumsgesellschaft mit der H
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lich-
keit, Komplizie
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orien-
tier
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Funktionali
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der industriellen
Wachstumsgesells
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legendär -ebenso wie die 18-tägige
Autofahrt
von Norwegen
nach
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dort
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zusammen mit
Arne
Nress.
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Mal das
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für eine Professur (Oslo
und Tro
ndh
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uf
dem Bauernhof seiner Familie
zu
arbeiten und
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dort
Fragme
nt
e se
in
es
Denkens mit
anderen
zu teilen
(Kv
al
0y
Setreng, 2006, 2014, 2015).
Nils Faarlund
Nils Faarlund (geb. 1
93
7)
ist Diplom-Inge-
nieur und ha
tt
e
in
den
1960er Jahren
an
der Universität Trondheim
den
Weg einer
wissenschaftlich
en
Karriere eingeschl
a-
gen, als
ihm
aufgin
g,
d
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gerade das In-
ge
nieurswesen entscheidend dazu beitrug,
die Natur in
Nor
wegen
zu
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rstören und
die industrielle Wachstumsgesellschaft
zu
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Er
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die Konsequenzen, schmi
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wahrscheinlich Norwe
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In
stitution, die Menschen Wis-
sen über und Fähigkeiten für das Leben
draußen vermittelt. Nils verbrachte von
diesem Z
eitpunkt
an
nicht
nur viel Zeit
draußen, sond
ern
machte auch in großem
Umfan
g Lobbyarbeit für
den
freundli-
ch
en
Um
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ng mit der Na
tur
-frei nach
Gandhi:
,,Es
gibt keinen Weg zur Natur-
freundlichkeit -Naturfreundlichkeit ist
der W
eg".
Er veröffentlic
ht
e se
ith
er viele
Artikel über das einfache Leben draußen,
Autorin
den
Gegensatz von Frilufts
li
v und Spo
rt
und er war maßgeblich
daran
beteiligt,
dass Friluftsliv als
Studienfach
in
der
norwegischen
H
oc
h
sc
hull
a
nd
sc
ha
ft
etabliert wurde (Faarlund, 1978a,
197
86,
1978c, 2007).
Auch
heute noch ist Nils
v
iel
drauß
en
unterwegs,
nimmt
auch auf
weiten Reisen den
Zu
g sta
tt
d
as
Flu
gze
ug
und benutzt
fas
t ausschließlich Kleidung
und Ausrüstung aus Naturfasern -wer
in
die Na
tur
ge
ht, soilte sich
nicht
in
Plastik hüllen.
Abschließend stellt sich die Frage, was
das Wesentliche
se
in könnte, das w
ir
von
Arne, Sigmund und Nils le
rn
en
können?
Vielleicht, dass ein gutes Leben vor allem
draußen zu führen ist (Kval0y Setreng,
20
15
, p.
31)
und dass
es
sich lo
hnen
ka
nn
,
sich selbst immer wieder die Fra
ge
zu
ste
ll
en, die Nils
so
ge
rn
e stellt: ,,Are you
part of
th
e problem or are
yo
u part of
th
e
solutio
n?"
Wenn
wir da
nn
so
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worten
kö
nnen
wie Sigmund, sind wir auf gutem
Wege:
,,
L
et
us u
se
our love
for
the o
pen
air and for wild nature, and
go
up
int
o the
mountains and do politics there!"
(K
val0y
Setreng,
2015,
p.
31)
.
Bea
Reuter lebt und arbeitet seit Absch
lu
ss
ihres Studiums
der
Bewegungs- und Erziehungswiss
en
sc
haft sowie
der
Bildenden
Kunst
in
H
am
bu
rg im Jahr
2008
v
orwiegend
in
einem kleinen
Bergdorf
in
Südnorwegen. Inhalt dieses Lebens
inmitten
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gehend unberü
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Natur
und gleichzeitig N ame
ihrer
eigenen
kleinen Firma ist:
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iluftsliv &
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Leben draußen & Lebenskunst. D ie
akzent
Literatur
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rlund
, N. (197
8a)
.
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v.
In G. Breivik & H. (Red. L0vmo (Eds.),
Frilufts
li
v.
Fra Fridtjof
Nansen
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väre dager.
(2 1
9-222).
Osl
o:
Universitetsforlaget.
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N. (1
978
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ner. In
G.
Breivik & H. (Red. L0vmo (Eds.),
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Fra Fridtj
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(135-137). Osl
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iversitetsforlaget.
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und, N. (1978c).
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li
v. In G. Brei-
vik & H. (Red. L0vmo (Eds.), Frilufts
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väre dager. (211-216). Oslo:
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tierte Bewegungsbildung durch naturbezogene
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(2006)
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Nress, A.
(1
999a).
Der
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lange li vs fa
r.
Hallingskarvet sett fra Tvergas te in (2. opplag) .
Oslo: N.W. Damm &
S0n.
Nress,
A.
(1
9996).
Livsfil
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Et perso
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bidrag om
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lelser og fornunft. I sammenarbeid
med Per
ln
gvar Haukeland. (7. opplag). Osl
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Nress, A.
(2000).
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pen!
Arne
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In A.
Nress
(Ed.),
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Samta
ler med
Arne
Nress. (3. opplag, 38-52
).
Oslo: Kagge
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Bildnachweis
Bi
ld linke Seite obe
n:
Arne
Nress im Überwinte-
rungsraum
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iner
Hütte
Tvergastein, aus Nress,
1999a,
S.31;
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: Sigmund
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Nord-Norwegen;
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Friluftsli v - Le
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: Nils Faarlund; Foto:
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ee eines „reichen Leb
ens
mit
e
in
fachen Mitteln" liegt
ihr
dabei
am
Herzen, sowohl
Autor
(siehe Seite
13)
privat
als
auch bei
der
Vermittlung dieser Lebensart.
Gunnar
Liedtke
Kontakt: bea.re
uter
@gmx.de
15