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Universität Duisburg-Essen Wintersemester 2018/19
Technikfolgenabschätzung
in Science-Fiction-Filmen und ihre
philosophische Bedeutung
TECHNOLOGY ASSESSMENT IN SCIENCE-FICTION-MOVIES AND ITS PHILOSOPHICAL MEANING
Masterarbeit
vorgelegt der
Fakultät Philosophie
Gutachter:
Erstgutachter: Prof. Dr. Bernd Gräfrath
Zweitgutachter: Prof. Dr. Oliver Hallich
vorgelegt von: Hans Lietz
MA LA GyGe Physik/Philosophie
3. Fachsemester
Abgabe am: 18.02.2019
Inhaltsverzeichnis
1 Vorwort ........................................................................................................ 1
2 Über Science-Fiction .................................................................................. 3
2.1 Kurze historische Einordnung ............................................................ 3
2.2 Über das Genre ................................................................................... 6
2.3 Kategoriale Einordnungen ................................................................. 9
2.4 Der Gegenwartsbezug von Science-Fiction ....................................... 12
2.5 Science-Fiction als Gedankenexperiment ......................................... 13
2.6 Science-Fiction im Film .....................................................................16
3 Über Technikfolgenabschätzung .............................................................. 21
10
3.1 Kurze historische Einordnung ........................................................... 21
3.2 Zum Begriff der Technikfolgenabschätzung .................................... 22
3.3 Aufgaben der TA in Deutschland ..................................................... 24
3.4 Der Einfluss von SF auf technischen Fortschritt ............................. 26
4 TA in Science-Fiction-Filmen .................................................................. 27
4.1 Gesellschaftsmodell .......................................................................... 28
4.1.1 Utopien .......................................................................................... 29
4.1.2 Infrastruktur ................................................................................. 33
4.2 Außerirdische .................................................................................... 37
4.3 Künstlicher Mensch .......................................................................... 39
20
4.3.1 Künstliche Intelligenz & Robotik .................................................. 40
4.3.2 Virtuelle Realität ........................................................................... 43
4.3.3 Das Designerbaby .......................................................................... 51
4.4 Apokalypse ........................................................................................ 53
4.4.1 Nukleare Apokalypse und Die Bombe .......................................... 54
4.4.2 Krieg .............................................................................................. 58
4.4.3 Ökologische Apokalypse ............................................................... 59
4.4.4 De-Extinction ................................................................................ 63
4.5 Expedition ins All ............................................................................. 65
4.5.1 Rettung der Menschheit ............................................................... 66
4.5.2 Leben im All .................................................................................. 68
4.5.3 Das Motiv Raumfahrt ................................................................... 69
10
4.6 Reise durch die Zeit ........................................................................... 71
5 Fazit .......................................................................................................... 74
6 Anhang ......................................................................................................77
7 Literatur ................................................................................................... 78
Vorwort Hans Lietz
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1 Vorwort
In dieser Arbeit wird der technikphilosophische Bereich der Technikfolgenab-
schätzung thematisiert, der sich mit den möglichen Folgen von Technik ausei-
nandersetzt und damit Teil einer Philosophie ist, die Zukunft behandelt. Auch
im Unterhaltungsbereich findet sich ein Medium, das sich mit der Zukunft und
dem Zusammenspiel aus Mensch und Technik auseinandersetzt: Der Science-
Fiction-Film. Es ist daher zu überlegen, ob und ggf. wo Technikfolgenabschät-
zung in Science-Fiction-Filmen (künftig TA in SFF) eine Rolle spielt – und wel-
che philosophische Bedeutung ihr zukommt.
Der Term „philosophische Bedeutung“ bedarf dafür allerdings genauerer Be-
10
trachtung: „Bedeutung“ lässt sich ableiten von „Deutung“ und kann entweder
als „Sinn“ oder „Gehalt“ verstanden werden (WÖRTERBUCH DER PHILOSOPHI-
SCHEN BEGRIFFE 2013, S. 94), „philosophisch“ meint „die Philosophie betref-
fend.“
„Die philosophische Bedeutung von TA in SFF“ kann also meinen: „Der die
Philosophie betreffende Sinn von TA in SFF“ und stellt damit die Frage, wel-
chen Sinn TA in SFF für Philosophie hat – oder aber: „Der die Philosophie be-
treffende Gehalt von TA in SFF“ und stellt damit die Frage, welche Inhalte von
TA in SFF philosophisch sind. In dieser Arbeit werden beide Fragen Beachtung
finden, sie erhebt dabei allerdings keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Da
20
beinahe alle Bereiche des Lebens von Technikfolgen betroffen sein können und
Technik verschiedenste Bereiche der Philosophie berührt, können zahlreiche
und sehr verschiedene Bereiche der Philosophie Inhalt von TA in SFF sein.
Gleichzeitig wäre das Unterfangen, den Sinn von TA in SFF für die umfassende
Pluralität aller Positionen der Philosophie zu untersuchen, ein Ding der Un-
möglichkeit. Diese Arbeit versteht sich daher eher als exploratives Unterneh-
men, verschiedene Bereiche der TA in SFF philosophisch zu erkunden.
Science-Fiction-Filme erzählen, wie die meisten Filme, eine Geschichte (im
Sinne von „plot“ und nicht „history“). Der Inhalt dieser Geschichte kann phi-
losophisch interessant sein: Etwa in MATRIX (1999. The Matrix. R: LANA
30
WACHOWSKI und LILLY WACHOWSKI), HER (2014. R: SPIKE JONZE) oder DER 200
JAHRE MANN (1999. Bicentennial Man. R: CHRIS COLUMBUS). Doch auch die
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Welt, in der Filmemacher*innen die Geschichte erzählen, kann dabei philoso-
phische Bedeutung zukommen, gerade wenn es um die Darstellung der Zu-
kunft geht:
„Most science fiction stories and films, however, relegate the made-up future
worlds to the status of background scenery. The story played on the front of the
stage is the human drama – the conflict, the love story, the tragedy, whatever.“
(POHL, 1984, S. 90)
Im Hintergrund der Filme finden sich zahlreiche Details, die technikphiloso-
phisch interessant sind. Insofern wird nur für solche Filme, deren Inhalt für
die Arbeit Erkenntnis birgt, kurz der Inhalt wiedergegeben – andere finden
10
nur Erwähnung oder entsprechende, interessante Details werden beschrieben.
Der Science-Fiction-Film ist seit den 1960er Jahren ein US-amerikanisch do-
miniertes Genre, daher sind viele der Filme, die im Folgenden betrachtet wer-
den, Produktionen aus den USA. Es gibt zweifelsohne mehr als nur das: „Afro-
futurismus“ (WOMACK, 2017, S. 108) etwa, wie ihn Ytasha L. Womack nennt,
oder auch fernöstliches Science-Fiction, eine „Gattung im Verborgenen“
(SONG, 2017, S. 137). Da sich diese in der europäischen Filmwelt im Vergleich
zur US-amerikanischen Science-Fiction jedoch keiner großen Beliebtheit er-
freuen und eine umfänglichere Auseinandersetzung den Rahmen dieser Arbeit
sprengen würde, ist die präsentierte Auswahl – mit einigen Ausnahmen –
20
stark US-amerikanisch geprägt.
Eine Einleitung in das Genre des Science-Fiction-Films findet sich zu Beginn
der Arbeit, neben einer historischen und kategorialen Einordnung finden sich
dort auch verschiedene Gedanken zur philosophischen Bedeutung des SFF.
Gefolgt ist dies von einer Einführung in den Bereich der Technikfolgenab-
schätzung, seine Historie und seinen Stellenwert in Deutschland. Schließlich
sollen dann Science-Fiction-Filme verschiedener Kategorien untersucht wer-
den: Dabei werden sowohl konkrete Technikfolgen als auch die abstrakteren,
sich aus den Themen und Motiven der Filme erkennbare technikphilosophi-
sche Haltungen der Filmemacher*innen gegenüber Technik, Technikfolgen
30
und Technikfolgenabschätzung diskutiert.
Über Science-Fiction Hans Lietz
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2 Über Science-Fiction
2.1 Kurze historische Einordnung
Zählt man Platons „Politeia“ als Utopie mit zur Science-Fiction, so ließe sich
der Beginn des Genres ins vierte Jahrhundert v. Chr. datieren. Das Motiv der
Utopie erscheint aber erst seit Thomas Morus‘ UTOPIA (1516. Morus, Thomas)
regelmäßiger in literarischen Werken, wie beispielsweise in DAS JAHR
2440. EIN TRAUM ALLER TRÄUME (1771. Merciers, Louis-Sébastien) oder
DAS GESCHLECHT DER ZUKUNft (1871. Bulwer-Lyttons, Edward). Verbreiteter ist
allerdings die Auffassung, dass erst mit den berühmten Werken von Jules
Verne (1828-1905) und Herbert George Wells (1866-1946) die Science-Fiction
10
ihren Anfang gefunden hat. Nicht nur lässt sich der Einfluss dieser Autoren bis
in die heutige Science-Fiction zurückverfolgen, auch nimmt bei diesen Auto-
ren erstmalig Technik einen sehr wesentlichen Bestandteil der Erzählung ein.
Parallel entwickelte sich die Filmtechnik um die Jahrhundertwende auf eine
Weise, die es ermöglichte, fantastische Geschichten zu erzählen. Insbesondere
Georges Méliès, ein französischer Illusionist und Filmpionier, entdeckte die
Bewegtbildtechnik als Mittel zunächst für seine Illusionen und kurze Zeit spä-
ter als eigene Kunstform neu. Sein Werk DIE REISE ZUM MOND (1902. Le Vo-
yage dans la Lune. R: GEORGES MÉLIÈS) wird oftmals als erster Science-Fiction
Film verstanden, auch wenn er nach modernen Standards eher in das Genre
20
des fantastischen Films gezählt wird (ELLISON, 1984, S. 4).
Spätestens mit FRANKENSTEIN (1910. R: J. SEARLE DAWLEY) war der Science-
Fiction Film endgültig geboren. 1915 tauchte der erste Roboter der Filmge-
schichte in DER GOLEM (1915. R: PAUL WEGENER und HENRIK GALEEN) auf und
1927 schuf Regisseur Fritz Lang mit METROPOLIS (1927. R: FRITZ LANG) einen
monumentalen Science-Fiction-Film, der nicht nur als einer der teuersten und
aufwändigsten Filme seiner Zeit in die Filmgeschichte eingehen sollte. WAS
KOMMEN WIRD (1936. Things to Come. R: WILLIAM CAMERON MENZIES) sollte
zum letzten großen Science-Fiction Film vor dem zweiten Weltkrieg werden,
der auf fast prophetische Weise nicht nur den Krieg, sondern auch Techniken
30
wie den Start von ballistischen Raketen von U-Booten und sogar Atomwaffen
vorhersagte.
Über Science-Fiction Hans Lietz
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Als am 6. und 9. August 1945 die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und
Nagasaki das Ende des traumatischen zweiten Weltkriegs markierten, wurde
ein Hauptmotiv für künftige Science-Fiction-Filme wie DER JÜNGSTE TAG (1951.
When Worlds Collide. R: RUDOLPH MATÉ) oder GODZILLA (1954. GOJIRA. R:
INOSHIRO HONDA) geschaffen. Die atomare Technik dominierte das Genre bis
in die 1960er Jahre und hielt sich befeuert vom aufkeimenden kalten Krieg
und der Katastrophe von Tschernobyl 1986 bis in die 1990er Jahre als ständig
wiederkehrendes Thema im Science-Fiction Kino.
Der Sputnik-Schock 1957 und der anschließende Wettlauf zum Mond beflügelt
nicht nur den technischen Fortschritt, sondern auch die filmische Auseinan-
10
dersetzung damit. Sowohl auf Seiten der Sowjetunion als auch auf Seiten der
USA gab es zahlreiche Science-Fiction-Filme rund um das Thema Raumfahrt,
gerade im westlichen Bereich geprägt vom Zukunftsoptimismus der 1960er
Jahre. ENDSTATION MOND (1950. Destination Moon. R: IRVING PICHEL) darf da-
bei mitnichten unerwähnt bleiben, der sich mit dem Wettlauf zum Mond zwi-
schen den USA und der UdSSR beschäftigt (welcher im Film von den USA ge-
wonnen wird). Der Film ist einer der ersten Science-Fiction-Filme, die versu-
chen einem hohen wissenschaftlichen Anspruch gerecht zu werden (SEEßLEN,
1980, S. 144). Der Klassiker der Space-Operas, 2001: ODYSSEE IM WELTRAUM
(1968. 2001: A Space Odyssey. R: STANLEY KUBRICK), sorgt noch Jahrzehnte
20
später für ausreichend Diskussionsstoff. So titelt die Pop- und Musikzeitung
„Spex“ in ihrer vorletzten Ausgabe Nr. 383 „50 Jahre nichts verstanden“ (SEEß-
LEN, 2018) über den Film von Kubrick, der „einer der wenigen Filme der Sci-
ence-Fiction, die wirklich von der Zukunft handeln“ (SEEßLEN, 2018, S. 108)
sei.
Die Sowjetunion versuchte derweil Science-Fiction-Filme als Kommunikati-
ons- und Propagandamittel für kommunistische Lehre zu nutzen und förderte
die Produktion von Science-Fiction-Filmen, die eine sozialistische Utopie
zeichnen, wie DER HIMMEL RUFT (1959. Небо Зовёт. R: ALEXANDER KOSYR und
MICHAIL KARJUKOW) oder PLANET DER STÜRME (1962. Планета бурь. R: PA-
30
WEL KLUSCHANZEW). Die Filme hatten nicht die erwünschte Reichweite und das
sowjetische Kino kam für einige Jahre zum Ruhen (SCHWARTZ, 2017, S. 92).
Über Science-Fiction Hans Lietz
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Mit der filmischen Adaption zu Stanislaw Lems SOLARIS (1972. Солярис. R:
ANDREI TARKOWSKI) versuchte Tarkowski schließlich eine Wiederbelebung, die
bis zur Auflösung der UdSSR nicht recht gelang. Der Film wird heute zu den
anspruchsvollsten Science-Fiction-Filmen gezählt.
Sowohl KRIEG DER STERNE (1977. Star Wars - Episode IV: A New Hope. R:
GEORGE LUCAS) als auch STAR TREK - DER FILM (1979. Star Trek: The Motion
Picture. R: ROBERT WISE) finden derweil in den USA ihren Anfang und Holly-
wood erkennt in pompösen Science-Fiction-Epen einen neuen Markt, der die
bis dato als B- oder C-Movies kategorisierten Science-Fiction-Filme in die
Mitte der Gesellschaft und des Kinos holt. BLADE RUNNER (1982. R: RIDLEY
10
SCOTT) entsteht und wird das Genre maßgeblich für viele Jahrzehnte beeinflus-
sen, etwa finden sich Elemente des Films in Werken wie DAS FÜNFTE ELEMENT
(1997. Le cinquième élément. R: LUC BESSON), TERMINATOR (1984. The Termi-
nator. R: JAMES CAMERON), GHOST IN THE SHELL (2017. R: RUPERT SANDERS)
oder MATRIX. In jüngster Zeit erfreut sich die Raumfahrt-Thematik durch die
Wiederbelebung des STAR WARS-Franchise mit STAR WARS: DAS ERWACHEN
DER MACHT (2015. Star Wars: The Force Awakens. R: J. J. ABRAMS) neuer
Beliebtheit und wird dabei auch durch die in der Gesellschaft aufkommende
Euphorie des Industriewettlaufes zum Mars befeuert. PASSENGERS (2016. R:
MORTEN TYLDUM) oder DER MARSIANER - RETTET MARK WATNEY (2015. The
20
Martian. R: RIDLEY SCOTT) sind nur Beispiele für neue Science-Fiction-Filme,
die einen optimistischen Blick in die Zukunft der Menschheit werfen.
Filme wie ALPHAVILLE - LEMMY CAUTION GEGEN ALPHA 60 (1965. Alphaville, une
étrange aventure de Lemmy Caution. R: JEAN-LUC GODARD) oder FAHRENHEIT
451 (1966. R: FRANÇOIS TRUFFAUT), aber auch modernere Filme wie das Millio-
nenfranchise um DIE TRIBUTE VON PANEM - THE HUNGER GAMES (2012. The
Hunger Games. R: GARY ROSS), das Blomkamp-Universum mit DISTRICT 9
(2009. R: NEILL BLOMKAMP), ELYSIUM (2013. R: NEILL BLOMKAMP), CHAPPIE
(2015. R: NEILL BLOMKAMP) oder auch der neue Film des Kult-Regisseurs
Christopher Nolan INTERSTELLAR (2014. R: CHRISTOPHER NOLAN) portraitieren
30
eine apokalyptische Zukunft der Menschheit. Dabei hat sich die Ursache der
Apokalypse mit der Zeit gewandelt: War es während der Zeit des Kalten Kriegs
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häufig der Atomkrieg, ist es seit den 1990er Jahren häufiger auch der Klima-
wandel.
2.2 Über das Genre
Der Begriff „Science-Fiction“ findet seinen Ursprung im Begriff der „Scientifi-
ction“, der in der ersten Ausgabe des von Hugo Gernsback 1926 in den USA
herausgegebenen Magazins „Amazing Stories“ auftaucht. In diesem Magazin
beschreibt der Herausgeber erstmalig das neue Genre mit folgenden Worten:
„There is the usual fiction magazine, the love story and the sex-appeal type of
magazine, the adventure type, and so on, but a magazine of ‘Scientifiction’ is a
pioneer in its field in America.
10
By ‚scientifiction‘ I mean the Jules Verne, H. G. Wells, and Edgar Allen Poe type
of story–a charming romance intermingled with scientific fact and prophetic vi-
sion. […] Not only do these amazing tales make tremendously interesting read-
ing–they are also always instructive. They supply knowledge that we might not
otherwise obtain–and they supply it in a very palatable form. […] And not only
that! Poe, Verne, Wells, Bellamy, and many others have proved themselves real
prophets. Prophesies made in many of their most amazing stories are being real-
ized–and have been realized. […] New inventions pictured for us in the scientific-
tion of today are not at all impossible of realization tomorrow.“ (GERNSBACK,
1926, S. 3)
20
Sowohl der Anspruch an die Wissenschaftlichkeit als auch an die Thematisie-
rung von Technik werden aus diesem Vorwort zur ersten AMAZING STORIES
deutlich. Nach Gernsback sind es das Instruktive, die wissenschaftlichen Fak-
ten und die prophetische Vision, die Science-Fiction-Geschichten besonders
ausmachen. Dabei führt er sogar den Gedanken von Exklusivität der durch Sci-
ence-Fiction gewonnenen Erkenntnisse an: „They supply knowledge that we
might not otherwise obtain“ (ebd.), es gäbe also solche Erkenntnisse, die nur
aus Science-Fiction gewonnen werden könnten.
Science-Fiction seien Geschichten „intermingled with scientific fact“ (ebd.),
also solche Geschichten, die mit wissenschaftlichen Fakten vermischt seien.
30
Dass mit „science“ die Wissenschaft schon in Namen des Genres steckt, ist also
keineswegs ein Zufall: Es sollen genau solche Geschichten in dieses Genre ein-
sortiert werden, die in einer „fiktiven, aber prinzipiell möglichen Modellwelt
spielen“ (Dr. H. W. Franke, zitiert nach HELLMANN, 1983, S. 8).
Im moderneren Verständnis des Genres ist der Wissenschaftsanspruch weni-
ger stark: Auch pseudowissenschaftliche Erklärungen sind zugelassen, nur
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übernatürliche Erklärungen verschieben das Genre meist Richtung Horror o-
der Fantasy. So wird das Wachstum der Riesentarantel aus TARANTULA (1955.
R: JACK ARNOLD) mit der Entwicklung eines Wachstum-Serums erklärt, ob-
wohl die Existenz einer Riesenspinne in unserer Atmosphäre unmöglich ist
(DUDLEY, 1998), der Film lässt sich dem Science-Fiction-Genre zuordnen
(KOEBNER, 2003, S. 111). Der Übergang von Wissenschaft zu Pseudowissen-
schaft ist mit Blick auf mögliche Zukünfte und Zukunftsvisionen nicht scharf:
Weil Science-Fiction nicht in der heutigen Welt erzählt wird, sondern in einer
künftig möglichen, gibt es genügend Spielraum für Techniken, deren Funkti-
onsweise erst mit künftigen wissenschaftlichen Erkenntnissen verstehbar
10
würde. Auch lässt eine solche Perspektive die Fehlbarkeit aktueller wissen-
schaftlicher Erkenntnisse zu. Dass riesige Spinnen wie in TARANTULA nach ak-
tuellem Stand der Wissenschaft prinzipiell unmöglich sind, hindert Geschich-
tenschreiber nicht daran, sie als Motiv zu nutzen – und die so erzählten Ge-
schichten lassen sich dennoch meist dem Genre „Science-Fiction“ zuordnen,
auch wenn die dahinterstehenden Erklärungen aus heutiger wissenschaftli-
cher Sicht nicht haltbar sind.
Es scheint einen Unterschied zwischen wissenschaftlich und pseudowissen-
schaftlich basierten Geschichten zu geben. Wenn ein Erzähler den aktuellen
Stand der Wissenschaft ernst nimmt, ihn versucht zu verstehen und daraus
20
seine Welt konstruiert, so ist die erzählte Welt plausibel eine mögliche Zukunft
unserer Welt. Bei pseudowissenschaftlichen Erklärungen muss stets zusätzlich
die Prämisse wahr sein, dass aktuelle wissenschaftliche Theorien falsch sind.
Das ist keineswegs unmöglich, Wissenschaft revidiert sich selbst ständig – al-
lerdings erhebt die Wissenschaft einen deutlich strengeren Anspruch an sich
selbst als Science-Fiction. Theorien halten meist zahlreichen sehr genauen
Prüfungen stand – im Gegensatz zu vielen in der Science-Fiction vorgebrach-
ten Erklärungen. Die meisten lassen sich leicht durch Experimente oder For-
schungen widerlegen und haben so eher ihren Wert in der Unterhaltung als
den in der Erkenntnisgewinnung. Die technikphilosophischen Fragen und
30
Probleme, die sich aus wissenschaftlich unhaltbaren Geschichten ergeben,
sind aber nicht wertlos, weil die zugrundeliegenden Erklärungen nicht kohä-
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rent sind: Wenn Details einer Erklärung nicht richtig sind, aber eine vergleich-
bare Technik prinzipiell funktionieren könnte, so sind auch in einem solchen
Fall technikphilosophische Überlegungen sinnvoll.
Technik ist in Science-Fiction als Leitmotiv zu verstehen. Gernsback spricht in
dem Kontext von aktuellen und künftigen Erfindungen und führt als Beispiel
das U-Boot an (GERNSBACK, 1926, S. 3). Somit findet sich schon in der ersten
Science-Fiction-Definition überhaupt die Idee der Vorhersagung und Antizi-
pation von Technik wieder. Dabei spricht Gernsback von „Prophezeiungen“
(ebd.). Dabei darf nicht vergessen werden, dass sie keinen prophetischen An-
spruch erheben.
10
“Again, we were working in the context of a fantasy, so I don’t necessarily believe
there will be a future in which the air is so contaminated – at least I hope that at
some point we’ll actually do something about the way things have been going.”
(Ridley Scott über seine Zukunftsvision in Blade Runner, Interview, PEARY, 1984,
S. 299)
Es geht nicht um THINGS TO COME, sondern vielmehr um THINGS THAT MIGHT
COME. Science-Fiction untersucht mögliche Zukünfte, trifft aber keine Aussage
über deren tatsächliche Realisierung.
„Statt einer Auseinandersetzung um die Technologie beschreibt die Science-
fiction eine Auseinandersetzung mit der Technologie“ (SEEßLEN, 1980, S. 74),
20
schreibt Georg Seeßlen zur Thematik im Science-Fiction Film. Dieser Vorwurf
muss durchaus ernstgenommen werden: Die meisten Science-Fiction-Filme
präsentieren Konflikte zwischen Menschen und Technik, dabei wird letztere
häufig zum personifizierten Prota- oder Antagonisten. Die gesellschaftliche
Auseinandersetzung mit Fortschritt und Technik kommt dabei oft zu kurz: Sci-
ence-Fiction ließe keinen „neuen Menschen“ (SEEßLEN, 1980, S. 75) zu, der mit
Technik im Einklang lebt. Somit wolle die Science-Fiction „verhindern, daß die
Zukunft stattfindet“ (ebd.).
Diese Auffassung ist gerade mit dem Blick auf die Asymmetrie zwischen posi-
tiven und negativen Zukünften in Science-Fiction-Filmen durchaus verständ-
30
lich. Im Science-Fiction-Film werden häufig negative Utopien portraitiert, nur
selten positive. Eine Erzählung ohne antagonistische Kraft unterhält allerdings
nur ein kleines Publikum – und utopische Geschichten bieten durch fehlenden
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gesellschaftlichen Konflikt deutlich weniger Erzählmöglichkeiten als dystopi-
sche.
“Zumindest aus dramaturgischer Sicht gibt es eindeutige Gründe, warum Dysto-
pien so populär sind: Unglück ist erzählerisch interessanter als eitel Sonnen-
schein. […] Andererseits verzichten nur wenige filmische Dystopien ganz auf eine
positive Note; vielmehr enden Filme […] meist mit der Überwindung des jeweili-
gen Schreckensregimes oder zumindest der erfolgreichen Flucht des Protagonis-
ten und eröffnen damit so etwas wie einen utopischen Horizont.” (SPIEGEL, 2017,
S. 26–27)
Der Filmwissenschaftler Simon Spiegel führt hier einen weiteren interessan-
10
ten Punkt an: Auch wenn dystopische Filme auf den ersten Blick nur die Ängste
der Filmemacher*innen offenbaren, so zeigen sie doch auch den vorhandenen
Zukunftsoptimismus. Und das auf zweierlei Weise: Entweder, weil die Dysto-
pie im Film überwunden wird, oder aber, weil der Akt des Filmschaffens als
Warnung vor einer solchen Zukunft verstanden werden kann und somit die
Hoffnung auf einen alternativen, positiveren Weltverlauf impliziert. Filmema-
cher*innen möchten in Science-Fiction-Filmen oft mögliche Konsequenzen
aktueller politischer und gesellschaftlicher Entscheidungen aufzeigen. Dass
dabei vor gewissen möglichen Welten gewarnt wird, zeugt von der Hoffnung,
eine solche Zukunft sei abwendbar.
20
“Carrying the evils of the present to their logical conclusion, they [science-fiction
writers] imagine a future they hope will never happen.” (MELLEN, 1984, S. 31)
Wird ein Film also zum Warninstrument, bezeugt dies gleichzeitig die Über-
zeugung der Filmemacher*innen, es sei noch nicht zu spät, eine derartige Zu-
kunft zu verhindern. Wie ein positiver Umgang mit Technik aussehen könnte
wird dabei allerdings nur selten beantwortet.
2.3 Kategoriale Einordnungen
Der 1941 in Berlin geborene Philosoph und Filmwissenschaftler Thomas Koeb-
ner beschreitet einen anderen möglichen Definitionsweg und beschreibt im
Vorwort des im Reclam-Verlag erschienenen und von ihm herausgegebenen
30
Werkes „Filmgenres – Science Fiction“ (KOEBNER, 2003) das Genre über eine
kategoriale Einordnung. Koebner betrachtete zahlreiche als Science-Fiction
geltende Filme und versuchte, Strukturen und Themen des Genres festzustel-
len. Dabei, so Koebner, ließen sich wiederkehrende Motivgruppen ausmachen
(KOEBNER, 2003, S. 9–10) , die typisch für das Genre seien:
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1. Gesellschaftsmodell
2. Außerirdische
3. Künstlicher Mensch
4. Apokalypse
5. Expedition ins All
6. Reisen durch die Zeit
Alle Science-Fiction-Filme ließen sich in eine dieser Kategorien einordnen, es
gäbe jedoch zahlreiche Unterkategorien und Überschneidungen mit anderen
Genres.
Eine ähnliche Einordnung des Genres versuchen Ronald M. Hahn und Volker
10
Jansen. Sie konstruieren eine vielzitierte Kategorienkarte des Genres (siehe
Anhang, Abbildung 1: Schaubild nach Hahn/Jansen), die den geschichtsträch-
tigen Namen „THINGS TO COME“ (HAHN UND JANSEN, 1992, S. 16–17) trägt, der
auf den Titel des Science-Fiction-Films von WAS KOMMEN WIRD (1936. Things
to Come. R: WILLIAM CAMERON MENZIES) anspielt. Schon diese Überschrift
nennt explizit den prophetischen Umgang mit Dingen, die noch kommen mö-
gen – dabei lässt sich Ding sowohl als greifbaren Gegenstand interpretieren,
als auch als metaphorischer Begriff für mögliche künftige Zustände der Welt.
Die Autoren schreiben dazu selbst:
„THINGS TO COME […] sollte so verstanden werden: Dinge/Geschichten, die
20
unter bestimmten Voraussetzungen auf uns zukommen könnten. Diese Defini-
tion gibt die ganze Bandbreite des Science Fiction-Films wieder und grenzt ab:
THINGS – das bedeutet eine konkrete, faßbare Sache; eine wirkliche Grundlage
[…]. TO COME ist nicht allein Synonym für das Kommende, Zukünftige, sondern
auf für das Spekulative, noch Unbekannte, technisch und/oder gesellschaftlich
eventuell Mögliche.“ (HAHN UND JANSEN, 1992, S. 15)
Damit argumentieren sie stark in Richtung der Gernsbacker Position über Sci-
ence-Fiction, denn sie führen mit “konkrete, faßbare Sache; eine wirkliche
Grundlage” (ebd.) ebenfalls einen Hinweis auf (pseudo)wissenschaftliche Be-
gründbarkeit an, auch wenn diese nicht explizit so benannt wird. Ebenso wird
30
über „das Kommende“ (ebd.) gesprochen, gleichfalls ein Motiv, das sich bereits
bei Gernsbacker feststellen lässt: „Prophesies made in many of their most ama-
zing stories are being realized–and have been realized“ (GERNSBACK, 1926, S.
3). Hahn und Jansen teilen die „THINGS TO COME“ (HAHN UND JANSEN, 1992, S.
Über Science-Fiction Hans Lietz
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16–17) in drei Unterkategorien ein, die sie dann weiter verfeinern und veräs-
teln. Die ersten zwei Stufen dieser Kategorisierung sollen an dieser Stelle ge-
nügen:
1. Ängste, Bedrohung
a. Negative Invasionen
b. Katastrophen
c. (Welt-)Herrschaft
d. Negative Technologie
2. Fortschritt
a. Negative Technologie
10
b. Positive Technologie
c. Semi-Utopie
3. Frieden, Hoffnung, Rettung
a. Übermensch
b. Utopie
c. Positive Invasionen
Auch hier sollen sich alle Science-Fiction-Filme in eine oder mehrere dieser
Kategorien (oder die 28 Unterkategorien) einsortieren lassen. Allerdings sind
dabei „sämtlichen Kombinationsmöglichkeiten Tür und Tor geöffnet“ (HAHN
UND JANSEN, 1992, S. 15).
20
Im Vergleich der Kategorien nach Koebner und der nach Hahn/Jansen sind
einige Parallelen feststellbar. Das überrascht nicht, ähnelt die Vorgehensweise
sich doch stark – allerdings ist Koebners Kategorisierung zwar aktueller
(2003) als die von Hahn/Jansen (1986), jedoch weniger ausdifferenziert. Das
Gesellschaftsmodell findet sich bei Koebner etwa in der Kategorie (Welt-)
Herrschaft oder auch in zahlreichen Unterkategorien, etwa von Negative
Technologien oder Katastrophen, wieder. Der Punkt Apokalypse bei Koebner
lässt sich sowohl in der Kategorie Katastrophen als auch (Welt-)Herrschaft
oder Negative Technologie verorten. Es gibt noch andere Parallelen, die je-
doch nicht in aller Detailliertheit ausdifferenziert werden müssen. Beide Kate-
30
gorisierungen sind zutreffend und widersprechen sich nicht, es sind lediglich
verschiedene Perspektiven, unter denen die Filme betrachtet werden können.
Über Science-Fiction Hans Lietz
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Das zeigt auch die Schwierigkeit einer solchen kategorialen Einordnung: Sie
kann keinen Vollständigkeitsanspruch haben. Es lassen sich stets Beispiele fin-
den, die sich entweder nicht verorten lassen oder die offensichtlich falsch ver-
ortet werden würden. Ein Kategoriensystem dient der Differenzierung be-
stimmter Gruppen an Filmen, als Definition ist sie nur wenig sinnvoll. Auch
aus diesem Grund findet sich bei Hahn/Jansen noch vor der Einführung des
Kategoriensystems die Gernsbacker Definition (s. o.) wieder. Im Folgenden
wird das Kategoriensystem Koebners zur Strukturierung verschiedener tech-
nikphilosophischer Betrachtungen genutzt, da es die Trennung verschiedener
Technikaspekte eher zulässt als die Kategorisierung nach Hahn/Jansen, die
10
zwar die Punkte „Negative Technologie“ und „Positive Technologie“ (HAHN
UND JANSEN, 1992, S. 16–17) anführen, aber anschließend für eine technikphi-
losophische Betrachtung unzureichend ausdifferenzieren.
2.4 Der Gegenwartsbezug von Science-Fiction
Hahn/Jansen führen einen weiteren Punkt an, der schon von vielen Philoso-
phen und Filmwissenschaftlern festgestellt wurde und als „Platitüde der For-
schung“ (SPIEGEL, 2017, S. 38) bezeichnet werden kann:
“SF-Filme sind immer ein Spiegelbild gesellschaftlicher Träume und Ängste, sie
sind Produkte ihrer Zeit und ihres zeitgeschichtlichen, soziologischen Hinter-
grundes.” (HAHN UND JANSEN, 1992, S. 15)
20
Es geht in Science-Fiction-Filmen weniger um die Zukunft als um die zeitge-
nössischen Ängste, Wünsche und Hoffnungen der Menschen mit Blick auf
technologische Entwicklung.
Betrachtet man die Geschichte der Science-Fiction, so finden sich in jeder
Phase entsprechende gesellschaftlich dominante Themen, die Filmema-
cher*innen und die Filmindustrie aufgreifen. Sei es die Mondlandung, der
Kalte Krieg, erste Heimanwendungen künstlicher Intelligenz oder der anste-
hende Wettlauf zum Mars. Science-Fiction-Filme sagen tatsächlich viel über
die Zeit und Gesellschaft aus, in der sie erschienen sind.
Das gilt aber nicht exklusiv für Science-Fiction-Filme, sondern für viele künst-
30
liche, vom Menschen geschaffenen Werke. Alles, was gemacht wird, wird von
jemandem gemacht, und dieser jemand ist schließlich Teil einer Zeit und einer
Über Science-Fiction Hans Lietz
Seite 13 von 76
Gesellschaft und ebenjene wird sich auf irgendeine Weise in seinen Werken
wiederfinden oder sie beeinflussen.
„So stringent Kellers Unterscheidung [zwischen Science-Fiction und Hor-
ror/Abenteuer] ist, so eine enge Definition kann dem Genre [Science-Fiction]
nicht gerecht werden. Wann hätte irgendein Produkt der Unterhaltung nicht «die
Gegenwart gemeint»?“ (SEEßLEN, 1980, S. 147, als Kommentar zu Klaus Kellers
Kritik am Gegenwartsbezug des Science-Fiction-Films)
Der Gegenwartsbezug widerspricht dem Anspruch der Technikfolgenabschät-
zung aber nicht. Diese wird mit Blick auf existierende Techniken und Techno-
logien vollzogen, indem genau diese in eine mögliche zukünftige Welt extrapo-
10
liert werden, die Entstehungsgeschichte des Werkes ist dafür nur sekundär in-
teressant. Es mag sein, dass Filme sich nach der Reaktorkatastrophe von
Tschernobyl ausführlicher mit den möglichen Folgen nuklearer Energie be-
schäftigt haben, die Tatsache, dass diese Filme durch zeitgenössische Ereig-
nisse motiviert sind hat aber keinen Einfluss auf den möglichen Erkenntnisge-
winn aus ihnen.
2.5 Science-Fiction als Gedankenexperiment
Die Grundidee der Erzählwelten vieler Science-Fiction-Filme lässt sich mit
Was wäre, wenn…? erzählen. Was wäre, wenn die Menschheit die Rohstoffe
auf einem fremden Planeten voller Leben sammeln wollte, wie in AVATAR - AUF-
20
BRUCH NACH PANDORA (2009. Avatar. R: JAMES CAMERON)? Was wäre, wenn es
tatsächlich zu einem Atomkrieg zwischen den Supermächten kommen würde,
wie in THE DAY AFTER - DER TAG DANACH (1983. The Day After. R: NICHOLAS
MEYER)? Was wäre, wenn es zu amourösen Beziehungen zwischen Mensch und
Maschine kommen würde, wie in HER? Oder was wäre, wenn die Menschen
Dinosaurier wiederbeleben könnten, wie in JURASSIC PARK (1993. R: STEVEN
SPIELBERG)?
„But science fiction is a very special genre. It is the game of ‚what if.‘“ (ELLISON,
1984, S. 12)
In der Philosophie gibt es ein Genre, welches ganz typisch mit Was wäre,
30
wenn…? beginnt: Das Gedankenexperiment.
Über Science-Fiction Hans Lietz
Seite 14 von 76
"Science-Fiction ist ein großes Gedankenexperiment, das es uns ermöglicht, un-
ser Heute ins Morgen zu verlängern und verschiedene Varianten davon spiele-
risch zu erproben.“ (JASPERS u. a., 2017, S. 7)
Jedoch gibt es verschiedene Spielarten des Gedankenexperimentes und, wie
schon Helmut Engels feststellt, sollte nicht jede Gedankenspielerei gleich als
solches bezeichnet werden (ENGELS, 2004, S. 17). Engels stellt Überlegungen
an, um den Begriff des Gedankenexperimentes zu greifen und versucht eine
Definition desselben, hierfür grenzt er den Begriff vom Gedankenspiel ab: Ein
Gedankenspiel diene lediglich dem Zweck der Unterhaltung (ebd.), eine „tief
greifende Erkenntnis dürfte […] nicht zustande kommen“ (ebd.). Im Umkehr-
10
schluss hieße dies, dass ein Gedankenexperiment genau dann so genannt wer-
den darf, wenn daraus „tief greifende Erkenntnis“ (ebd.) folgt. Über die genaue
Bedeutung dieser Aussage lässt uns Engels allerdings im Dunkeln – und so
kann nur vermutet werden, dass es sich um Erkenntnis im philosophischen
Sinne des Wahrheitsfindens handeln mag.
Gerade dies scheint bei Fragen, die die Zukunft betreffen, jedoch ein wenig zu-
friedenstellendes Kriterium zu sein: So lässt sich die Wahrheit von Abschät-
zungen künftiger Entwicklung doch erst retroperspektiv, oder zumindest zeit-
genössisch beurteilen. Kann Wahrheit über Zukunft gefunden werden? Bei ge-
nauer Betrachtung führt die Diskussion der Frage, ob der Zukunft vor dem
20
wahr-werden schon ein Wahrheitszustand zugesprochen werden kann, in eine
erkenntnistheoretische Determinismus-Debatte. Ist der Satz „Morgen regnet
es“ heute schon wahr, oder wird er es erst mit Eintreffen des prophezeiten Er-
eignisses? Doch wenn er heute schon war wäre, dann gäbe es keine andere
Möglichkeit mehr, als dass es tatsächlich auch zum prophezeiten Ereignis
kommt – oder? Dies setzt zweifellos voraus, dass „Wahrheit“ objektiv und bin-
dend ist; eine zweite mögliche Lesart wäre parallel mehrere sich widerspre-
chende Wahrheiten zuzulassen, die mit eintreten eines bestimmten Ereignis-
ses ihren Status verändern, oder aber man trennt den Wahrheitsbegriff völlig
von einer zeitlichen Dimension.
30
Für die hiesige Diskussion ist schließlich nur relevant, ob aus Gedankenexpe-
rimenten über die Zukunft Erkenntnis folgen kann. Erkenntnisse, die gewon-
Über Science-Fiction Hans Lietz
Seite 15 von 76
nen werden können, sind Erkenntnisse über aktuelle Entwicklungsmöglich-
keiten und deren Plausibilität. Somit stellt sich für Zukunftsabschätzungen
nicht die Frage nach der Wahrheit der Abschätzung, sondern die nach der
Möglichkeit und Plausibilität derselben. Wenn eine Gedankenspielerei im
technikphilosophischen Science-Fiction-Kontext also den Status eines philo-
sophischen Gedankenexperimentes erreichen soll, so sollte sie nicht nur
(un)vorstellbare Technologien zeigen, sondern auch prüfen, ob und inwiefern
solche Technologien plausible Extrapolationen aus dem aktuellen Status der
Welt sind. Diese Prüfung mag nicht immer gelingen – zukünftige Technologien
setzen schließlich wissenschaftliche oder technologische Erkenntnisse voraus,
10
die zur Zeit der Formulierung solcher Abschätzungen noch fehlen. In Zweifels-
fällen ist eine gutartige Lesart allerdings angeraten: Denn es kann nicht scha-
den, auch solche Techniken und Technologien auf mögliche Folgen zu unter-
suchen, deren Verwirklichungsmöglichkeit unklar ist.
Wie unterscheiden sich nun Gedankenspiel und Gedankenexperiment? Und
welche Relevanz hat das für eine technikphilosophische Diskussion von Sci-
ence-Fiction-Filmen?
„Das eigentliche Experiment besteht in den Überlegungen, die zur Beantwortung
der aufgeworfenen Frage oder Fragen führen.“ (ENGELS, 2004, S. 16)
Ein Gedankenexperiment ist also eine Sammlung an erkenntnisbringenden
20
Überlegungen. Film kann dabei die Darstellung der Ergebnisse solcher Über-
legungen sein und dient als Kommunikationsmedium für Ideen und Gedan-
ken, die aus eben jenen Überlegungen resultieren. Auch Gedankenspielereien
haben zweifelslos ihre Daseinsberechtigung, jedoch sind sie für philosophische
Diskussionen oft weniger gehaltvoll. Zwar können sie der Ideenfindung und
Inspiration dienen, im Science-Fiction-Film sind sie jedoch meist zur Zer-
streuung und Erheiterung gedacht. Es ist nicht sinnvoll, jede der oft durch leb-
hafte Fantasie der Autoren entstandenen Technologien auf mögliche Folgen
für die Gesellschaft zu untersuchen, denn einerseits öffnet man so einen noch
deutlich größeren Raum an zu untersuchenden Objekten, und andererseits
30
birgt die Untersuchung solcher Gedankenspielereien nur wenig für die echte
Welt relevante Erkenntnis. Auch wenn die Diskussion der möglichen Auswir-
kungen von Lichtschwertern oder Todessternen zweifellos unterhaltend wäre
Über Science-Fiction Hans Lietz
Seite 16 von 76
und sicherlich durchaus relevante ethische Fragen behandelt, so soll sich diese
Arbeit doch jenen Folgen von Technologien und Techniken widmen, deren
Entwicklung realweltlich wenigstens plausibel erscheint.
Dabei gibt es allerdings keine klare Grenze zwischen Plausibilität und deren
Komplement, der Begriff ist trotz seiner intuitiven Nutzung nicht binär zu ge-
brauchen. Bei einer Plausibilitätsprüfung wird das zu Prüfende oft mit vielen
zusätzlichen What-if – Bedingungen verknüpft, sodass es nur unter bestimm-
ten Bedingungen (un)plausibel erscheint. Auch aufgrund der schier unendli-
chen Menge an dargestellten Techniken und Technologien in der ausgedehn-
ten Welt der Science-Fiction-Filme sei es also verziehen, dass im Folgenden
10
nicht die Gänze der Techniken aus dem Science-Fiction-Universum diskutiert
und geprüft werden kann. Techniken mit offensichtlich pseudowissenschaftli-
cher Begründung werden ausgeklammert, und weiterhin auch nur jene Tech-
niken diskutiert, die interessant genug erscheinen, um daraus zu lernen und
die sich zur Genüge von anderen dargestellten Techniken unterscheiden, um
dargestellte Argumente nicht redundant werden zu lassen. Hierbei wird eine
Auswahl an Filmen entsprechend des Kategoriensystems von Thomas Koebner
diskutiert.
2.6 Science-Fiction im Film
Auch wenn an dieser Stelle keine umfängliche Diskussion der Unterscheidung
20
von Belletristik und Film geführt werden kann, so sollen doch wichtige und
offensichtliche Punkte nicht unerwähnt bleiben. Gerade das fantastische
Genre der Science-Fiction profitiert auf eine ganz besondere Art von der Er-
zählung durch Film: Da im Film Dinge gezeigt werden müssen, müssen diese
konkretisiert werden. Für Filmmachende stellt sich so ständig die Frage, wie
Dinge, die vor der Produktion in der zugehörigen Literatur (dem Dreh-
buch/ggf. zugehöriger Belletristik) genannt (oder gar verschwiegen) werden
aussehen und in Zusammenhang zueinanderstehen. Im Film wird nicht viel
der Fantasie überlassen. Film ist in dieser Hinsicht die Präsentation der Inter-
pretation der Geschichte, interpretiert wird sie von den Filmmachenden und
30
dort in letzter Instanz von der Regie.
Über Science-Fiction Hans Lietz
Seite 17 von 76
Gerade für Technik im Science-Fiction-Film ist das von höchster Bedeutung:
Es wird eine sehr klare Vision präsentiert, hierzu mussten die Filmmachende
selbst zu Ingenieuren und Erfindern werden – oder sie suchen sich eben jene
zur Unterstützung:
„To be compelling, science fiction has to be convincing. So writers and film direc-
tors enlist the help of designers and engineers.“ (THE ECONOMIST, 2018)
Jedes präsentierte Gerät existiert in gewisser Hinsicht, wenn auch ggf. nicht
funktional oder gar real, doch aber als mehr oder minder durchdachte Idee.
Sowohl Blaupausen als auch mögliche Designvorlagen werden erstellt, Mo-
delle gebaut und getestet, es werden mögliche Anwendungen durchdacht und
10
die Zukunfts-Technik erfährt so vor ihrer etwaigen Einführung erste Optimie-
rungsprozesse.
„It was essential not to go wrong or everyone would realize it. So it made sense to
ask an industrial designer who is also a futurist, like Syd Mead, to design the film’s
hardware.“ (R. Scott im Interview, PEARY, 1984, S. 298)
Syd Mead war technischer Designer bei Ford und Philips, wechselte aber
schließlich zum Filmdesign und arbeitete an zahlreichen berühmten Science-
Fiction-Filmen mit, wie z. B. ELYSIUM (2013. R: NEILL BLOMKAMP), BLADE RUN-
NER (1982. R: RIDLEY SCOTT), BLADE RUNNER 2049 (2017. R: DENIS VILLE-
NEUVE) oder A WORLD BEYOND (2015. Tomorrowland. R: BRAD BIRD). Er hält
20
viel von Funktionalität und interpoliert seine futuristischen Entwürfe aus exis-
tierenden Technologien.
“Because I’m a trained designer, I can imagine how things might be made. People
always say that my stuff looks real, even though it’s futuristic. The pods for Aliens
that I designed were real mechanical articulations. When they opened, they
looked absolutely real for people to be in for long duration space travel” (Syd
Mead im Interview, THE ECONOMIST, 2018)
In dieser Hinsicht muss ich Susan Sontag also widersprechen, die in ihrem Es-
say „Die Katastrophenphantasie“ von 1965 schreibt: „Natürlich hat der [Sci-
ence-Fiction] Film genau dort seine Schwächen, wo die Stärke der Science-Fic-
30
tion-Romane […] liegt: im Bereich des Wissenschaftlichen“ (SONTAG, 2003, S.
282). Die Wissenschaftlichkeit der präsentierten Vision hat zuletzt weniger das
Medium als der Medienschaffende zu verantworten. Zwar ist die Präsentation
aufwändiger theoretischer Hintergründe im geschriebenen Wort einfacher,
Über Science-Fiction Hans Lietz
Seite 18 von 76
aber auch im Film finden sich immer wieder anschauliche wissenschaftliche
Erklärungen zu unterschiedlichen Themen.
Allein das letzte Jahrzehnt hat zahlreiche Filme hervorgebracht, die sich sehr
akkurat und unter Zuhilfenahme von namhaften wissenschaftlichen Beratern
der Science-Fiction gewidmet haben. INTERSTELLAR (2014. R: CHRISTOPHER
NOLAN) ist ein Beispiel dafür, genau wie DER MARSIANER - RETTET MARK
WATNEY (2015. The Martian. R: RIDLEY SCOTT) oder auch PASSENGERS (2016.
R: MORTEN TYLDUM). Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass Filmema-
cher*innen sich häufig eher der Geschichte des Films verpflichtet fühlen, als
den wissenschaftlichen Grundlagen. So kann es passieren, dass gewisse Prä-
10
missen – wie etwa die, ein gigantisches Luxus-Raumschiff könnte mit halber
Lichtgeschwindigkeit reisen, wie in PASSENGERS – für die unterhaltende Erzäh-
lung der Geschichte als wissenschaftliche Ungenauigkeit in Kauf genommen
werden. Insofern sind wissenschaftliche oder technische Darstellungen im Sci-
ence-Fiction-Film stets mit Vorsicht zu genießen.
Ein anderer Punkt Sontags ist die unmittelbare „Vergegenwärtigung des Au-
ßergewöhnlichen“ (SONTAG, 2003, S. 283). Sontag nimmt hier vor allem den
Zuschauer in den Blick: „Aber als Ersatz für den intellektuellen Kraftakt kön-
nen sie [Science-Fiction-Filme] etwas bieten, was der Roman niemals bieten
könnte: den vollkommenen sinnlichen Eindruck“ (ebd.). Filmschauende er-
20
fahren diesen Eindruck beim Ansehen der Filme. Und es stimmt, dass Film
mehr Sinne anspricht als ein Buch,
1
gleichzeitig zu Bewegung, Komposition
und Farbe kommen Zuschauende in den Genuss von Musikkompositionen, die
einzig dem Zweck dienen, Emotionen zu wecken und die Geschichte zu unter-
1
Mir scheint hier der Hinweis wichtig, dass keineswegs ein normatives Urteil über den Wert
von Büchern gefällt werden soll. Gerade die Tatsache, dass Bücher mehr Fantasie erfordern
und dass sie visuell und auditiv unkonkreter als Filme sind, unterscheidet sie vom Film. Ge-
schriebenes Wort und Film sind zwei völlig unterschiedliche Welten mit jeweils ganz eigenen
Vorzügen, beide haben ihre Daseinsberechtigung und werden sich auch in Zukunft nicht ge-
genseitig verdrängen.
Über Science-Fiction Hans Lietz
Seite 19 von 76
stützen. Auch die Geräuschkulisse im Film ist oft mühsam und präzise ausge-
wählt und erstellt: Allein über die Geräusche in KRIEG DER STERNE könnte ver-
mutlich eine Dissertation geschrieben werden.
Film ist ein emotionales Medium. Die Tatsache, dass der Film auf vielen Ebe-
nen gleichzeitig erzählt, stellt die Filmemacher*innen vor eine Herausforde-
rung: Dargestellte Techniken müssen nicht nur in sich stimmig sein, also funk-
tionieren und in sich logisch sein, sondern auch in der dargestellten Welt funk-
tionieren und überzeugen können.
„I think it’s a mistake to say there’s the technological world and there’s the human
one. They work together. They have to, don’t they?“ (Roger Corman im Interview,
10
NAHA, 1984, S. 236)
Technik muss in einem Kontext dargestellt werden, und dieser Kontext muss
mindestens ebenso gut durchdacht werden, wie die Technik an sich. Wie gehen
Menschen mit der Technik um? Wo findet sich die Technik in der Gesellschaft?
Wie sieht die Gesellschaft aus, in der eine solche Technik genutzt wird? Welche
möglichen Folgen hat die Nutzung einer solchen Technik? Diese Fragen sollen
die Diskussion im weiteren Verlauf leiten und sind dem Bereich der Technik-
folgenabschätzung zuzuschreiben. Dabei lassen sich dargestellte Welten aller-
dings nicht zwangsläufig auf technische Entwicklungen zurückführen: Sci-
ence-Fiction-Filme sind Komposita aus Abschätzungen über technische und
20
gesellschaftliche Entwicklungen, dabei sind letztere häufig schwerer vorher-
sehbar, wie Regisseur Stanley Kubrick sagte:
„Technology is, in many ways, more predictable than human behavior.” (S. Ku-
brick im Interview, PLAYBOY, 1968, S. 184)
Die Zukunft sei wegen der Unberechenbarkeit menschlichen Verhaltens und
gesellschaftlicher Strukturen schwer vorherzusehen, nicht wegen möglicher
technischer Entwicklungen (ebd.). Die in Science-Fiction-Filmen portraitier-
ten Gesellschaften sind also nicht zwangsläufig die Folge aus dargestellten
technischen Fortschritten, vielmehr antizipieren Filmemacher*innen die mög-
liche Zukunft der Gesellschaft aus vielen unbekannten Variablen. Ähnlich sieht
30
es Lem:
Über Science-Fiction Hans Lietz
Seite 20 von 76
„Was man ohne weiteres vorhersehen kann, sind technische Effizienzsteigerun-
gen. Deren gesellschaftliche Durchsetzung hängt aber bereits vom Stand der
Wirtschaft, von Entscheidungen der Politiker, von widersprüchlichen Gruppen-
und Staatsinteressen ab, und das alles von vornherein vorherzusagen, ist un-
gleich schwieriger, als den Ablauf einer Schachpartie vorherzusagen, bei der un-
bekannte Spieler einander am Brett abwechseln und wir nicht einmal die Spiel-
regeln vollständig kennen. Eine solche Prognose ist ein hoffnungsloses Unterfan-
gen.“ (LEM, 2013, S. 312)
Insofern ist eine Plausibilitätsprüfung der im Film gezeigten Gesellschaften
schwierig und wenig sinnvoll. Lediglich an einigen Stellen, bei denen eine sol-
10
che Prüfung Erkenntnis verspricht, wird sie daher unternommen.
Über die philosophische Bedeutung hinter den zahlreichen Motiven und Me-
taphern in 2001: ODYSSEE IM WELTRAUM lässt uns Kubrick absichtlich im Dun-
keln, er erklärt auch warum:
„It’s not a message that I ever intend to convey in words. 2001 is a nonverbal
experience; […]. You’re free to speculate as you wish about philosophical and al-
legorical meaning of the film–and such speculation is one indication that it has
succeeded in gripping the audience at a deep level–but I don’t want to spell out a
verbal road map for 2001 that every viewer will feel obligated to pursue or else
fear he’s missed the point.” (S. Kubrick im Interview, PLAYBOY, 1968, S. 92)
20
Hier wird deutlich, dass Film ein philosophisches Kommunikationsmedium
sein kann, das Qualitäten aufweist, das sonst kein anderes Medium hat: Film
kann, so Kubrick, ein nonverbales Erlebnis sein, das philosophische Bedeu-
tung transportiert. So werden Filmemacher*innen zu Philosophen, die ihre
Weltanschauung durch Filme transportieren und sich so am philosophischen
Diskurs beteiligen. Und wenn Stanislaw Lem davon spricht, Literatur stelle ein
„Vehikel für außerkünstlerische Inhalte dar“ (LEM, 2013, S. 307) und im Fol-
genden, dass Science Fiction „wissenschaftliche Strenge und zugleich das Pri-
vileg schöpferischer Freiheit“ (ebd.) bedeute, aber „trotz allem Philosophie“
(ebd.), dann ist dies sicherlich auch auf Film übertragbar. So würde Film zum
30
modernen Medium für philosophische Kommunikation – allerdings ersetzt
dies keineswegs den philosophisch-wissenschaftlichen Diskurs, es ergänzt ihn
allemal – und (wenigstens einige) Filmemacher*innen würden zu Philoso-
phen. Betrachtet man die Vielfalt der Filme, von denen zweifellos einige – aber
eben nicht alle – nur der Unterhaltung dienen, so scheint das ein richtiger
Schluss zu sein.
Über Technikfolgenabschätzung Hans Lietz
Seite 21 von 76
3 Über Technikfolgenabschätzung
3.1 Kurze historische Einordnung
Nur wenige Bereiche in der Philosophie scheinen einen so klar definierten An-
fang zu haben, wie die Technikfolgenabschätzung (künftig TA). Diese fand ih-
ren Anfang in politischen Bestrebungen in den USA in den 1960er Jahren:
Während die Exekutive der USA auf zahlreiche Ressourcen zur Beurteilung
von Technik und Technologie zurückgreifen konnte, konnte der US-Kongress
seiner Aufgabe, die Exekutive zu kontrollieren, in Fragen, die Technik und
technische Entwicklung betrafen, nicht mehr uneingeschränkt nachkommen
und verlangte nach Unterstützung (GRUNDWALD, HENNEN UND SAUTER, 2014,
10
S. 17). 1972 wurde schließlich das Office of Technology Assessment, kurz OTA,
ins Leben gerufen (ebd.). Dessen alleiniger Zweck war es, Techniken und Tech-
nologien auf Potential und Risiken zu untersuchen und diese Untersuchung
wertfrei an die entsprechenden politischen Akteure weiterzugeben.
„Schließlich waren die Abgeordneten sehr darauf bedacht, dass ihre neue Bera-
tungskapazität zwar das Parlament als Ganzes gegenüber dem Präsidenten stär-
ken sollte, das OTA im Hinblick auf die beiden im Kongress vertretenen Parteien
aber überparteilich beziehungsweise ‚neutral‘ sein müsse.“ (SARETZKI, 2014, S. 13)
Der Neutralitätsanspruch gegenüber dem OTA lag vor allem in der politischen
Struktur der USA begründet und sollte sicherstellen, dass eine Instrumentali-
20
sierung durch verschiedene Gruppen nicht möglich war. Als in den 1990er
Jahren der Vorwurf einer Nähe des OTA zur demokratischen Partei der USA
laut wurde, wurde es schließlich 1995 geschlossen (GRUNDWALD, HENNEN UND
SAUTER, 2014, S. 18).
Die Gründung des OTA führte auch in den europäischen Ländern zu einem
Diskurs um TA, der schließlich in der Gründung zahlreicher europäischer In-
stitute mündete. So z. B. in der STOA (Scientific and Technological Options
Assessment), die 1985 im Auftrag des Europäischen Parlaments gegründet
wurde oder auch im TAB (Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deut-
schen Bundestag), im Auftrag des Deutschen Bundestages. 1990 schlossen sich
30
die 14 gegründeten europäischen Einrichtungen im European Parliamentary
Technology Assessment Network (EPTA) zusammen (ebd.). Das Neutralitäts-
Über Technikfolgenabschätzung Hans Lietz
Seite 22 von 76
gebot ist auch beim TAB ein „wesentlicher Grundpfeiler“ (GRUNDWALD, HEN-
NEN UND SAUTER, 2014, S. 22) und soll die Wissenschaftlichkeit und Unabhän-
gigkeit von Politik und Wirtschaft der gesammelten Erkenntnisse garantieren.
Dabei ist die Neutralität allerdings anders aufzufassen, als in den USA: Beim
TAB sind ethische und gesellschaftliche Betrachtungen durchaus Teil der TA,
der Anspruch ist allerdings die Neutralität gegenüber allen Akteuren. Beson-
ders Lobbyismus ist beim TAB unerwünscht, da Erkenntnisse aus den Studien
nicht von wirtschaftlichen Interessen verzerrt werden sollen. Auch aus diesem
Grund ist der TAB staatlich und nicht privat finanziert. Für den gesellschaftli-
chen Austausch über TA wurde das Stakeholder Panel TA gegründet, eine On-
10
line-Plattform zur Befragung eines aus verschiedenen Gruppen bestehenden
Mitgliederkreises (IZT, 2014).
3.2 Zum Begriff der Technikfolgenabschätzung
Es gibt zahlreiche mögliche Lesarten des Begriffs der TA und es sollte geklärt
werden, auf welche Weise der Begriff in dieser Arbeit genutzt wird. Zunächst
sei der Unterschied des deutschen und englischen Ausdruckes untersucht, da
sich hieran bereits einige Unklarheiten abzeichnen, die es zu beseitigen gilt.
Im Englischen wird das Gebiet üblicherweise als technology assessment be-
zeichnet. Technology, also Technologie ist aber nicht gleichzusetzen mit Tech-
nik – in der deutschen Sprache behandelt der Ausdruck Technikfolgenab-
20
schätzung also möglicherweise einen anderen Diskussionsgegenstand als im
englischen Verständnis. Technologie ist die Lehre der Technik. Technik dage-
gen meint viel konkreter schon bestimmte Verfahren oder Geräte, die auf na-
turwissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen. Trotz dieser Unterscheidung
der Begriffe werden sie sowohl in der englischen als auch in der deutschen
Sprache oft synonym verwendet.
Die Frage nach den möglichen Folgen von Technik ist eine andere, als die nach
den möglichen Folgen von Techniklehre. Letztere betrachtet Technik als wis-
senschaftlichen Untersuchungsgegenstand, die Frage nach den möglichen Fol-
gen dieser Betrachtung ist deutlich weniger konkret. Stanislaw Lem’s Begriff
30
der Technologiefalle kann in eben jenem Verständnis gelesen werden: Techni-
Über Technikfolgenabschätzung Hans Lietz
Seite 23 von 76
scher Fortschritt an sich könnte Folgen haben, die unvorhersehbar, unum-
kehrbar und schließlich katastrophal sind (LEM UND LEMPP, 2016, S. 135). Mo-
dellhaft führt Lem allerdings konkrete Beispiele an, daher ist davon auszuge-
hen, dass der Begriff in seinem Verständnis ebenfalls im Zusammenhang mit
konkreten, technischen Entwicklungen zu verstehen ist und nicht eine Theorie
über technischen Fortschritt im Allgemeinen betitelt.
Etymologisch hat das Wort Technik seinen Ursprung aus dem griechischen
Wort τεχνικός (technikos), das mit kunstgemäß oder künstlich übersetzt wer-
den kann und steht häufig im Gegensatz zu Natur oder natürlich.
2
Der Unter-
schied ist nicht immer ganz klar, denn auch künstlich produzierte Gegen-
10
stände sind schließlich Teil einer natürlichen Welt. So gibt es philosophische
Positionen, die Technik lediglich als Teil der Natur beschreiben würden – etwa
den Naturalismus von Serge Moscovici (RAPP, 2013). Allerdings wirft eine sol-
che Sichtweise die Frage auf, ob der Begriff Natur dann nicht an Bedeutung
verliert. Es mag richtig sein, dass auch Technik aus natürlichen Bestandteilen
zusammengesetzt ist und Teil einer natürlich entstandenen Welt ist – aber
dennoch besteht doch ein Unterschied zwischen einem natürlich gewachsenen
Baum und einer menschlich geformten Maschine. Gemeint sind menschenge-
machte
3
Dinge und Verfahren. Damit ist Technik auch im des bei Kant als
Technizismus bezeichneten Verständnis zu lesen, also abgesondert vom Me-
20
chanismus der Natur. Die Technikfolgenabschätzung nimmt Natur (und auch
Mechanismen der Natur) zwar in den Blick, betrachtet sie jedoch nicht als Ur-
sache für Technikfolgen, sondern untersucht u. a. die Wirkung von Technik
auf sie.
2
Den Naturbegriff an dieser Stelle zu diskutieren ginge über die Möglichkeiten dieser Arbeit
hinaus.
3
Menschengemacht sollte jedoch nicht wortwörtlich verstanden werden, vielmehr steht es für
das intentionale Schaffen. Auch von Computern oder Maschinen geschaffene Gegenstände
sind technisch, der Schaffende muss also nicht zwingend menschlich sein. Gott als Schaffen-
den klammert diese Darstellung aus, vielmehr könnte eine Gottesgestalt evtl. als personifi-
zierte Natur verstanden werden.
Über Technikfolgenabschätzung Hans Lietz
Seite 24 von 76
Der zusammengesetzte Begriff Technikfolge bezieht er sich abhängig vom je-
weiligen Zusammenhang auf verschiedene Subjekte: Oftmals ist es der
Mensch, aber auch die Natur, Gesellschaft, Kultur und weitere können ge-
nannt werden. Für dieses Subjekt verändert sich aufgrund der Entwicklung
und/oder Nutzung von Technik etwas, das Resultat kann als Technikfolge be-
zeichnet werden.
Auch das Wort assessment hat im Deutschen keine klare Übersetzung und
kann sowohl wertfrei als Abschätzung oder Beurteilung verstanden werden,
aber auch im stärkeren und wertenden Sinne der Bewertung. Jede dieser Les-
arten impliziert verschiedene philosophische Verpflichtungen in der Diskus-
10
sion der Thematik. Eine Abschätzung beschreibt einen möglichen zukünftigen
Zustand und ist eine begründete Extrapolation des Ist-Zustandes in eben die-
sen Zustand hinein. Die Beurteilung nimmt den Wahrheitsgehalt und die
Plausibilität der Abschätzungen in den Blick. Die Bewertung schließlich be-
trachtet den Gegenstand der Abschätzung auf einer normativen Ebene und
wertet nach verschiedenen Kriterien.
Im deutschen Ausdruck taucht nicht zufällig nur der Begriff „Abschätzung“
auf, das Neutralitätsgebot verpflichtet zu einer zunächst wertfreien Betrach-
tung. Allerdings beinhaltet schon die Unterscheidung in Risiko und Potential,
wie sie in der TA ständig getätigt wird (Aufgaben & Ziele | TAB, 2018), eine
20
Wertung. So wird die Formulierung ‚Die Robotik birgt ein großes Risiko für
die Gesellschaft‘ im allgemeinen Verständnis negativer interpretiert als ‚Die
Robotik bietet großes Potential für die Gesellschaft.‘ Die moderne TA beinhal-
tet daher Forschung über mögliche gesellschaftliche Diskurse zu wissenschaft-
lich-technischen Entwicklungen, bei denen regelmäßig verschiedene Vertreter
der Gesellschaft ihren Standpunkt bezüglich vorgestellter Entwicklungen dar-
legen sollen. Hieraus entwickelt das TAB dann konkrete Handlungsoptionen
für den Deutschen Bundestag, über die dieser dann berät und entscheidet.
3.3 Aufgaben der TA in Deutschland
Das Aufgabengebiet des TAB lässt sich auf der offiziellen Internetpräsenz
30
nachlesen:
Über Technikfolgenabschätzung Hans Lietz
Seite 25 von 76
“Die Ziele politikberatender Technikfolgen-Abschätzung bestehen im Verständ-
nis des TAB darin,
• die Potenziale neuer wissenschaftlich-technischer Entwicklungen zu
analysieren und die damit verbundenen Chancen auszuloten,
• die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedin-
gungen der Realisierung und Anwendung wissenschaftlich-technischer
Entwicklungen zu untersuchen,
• ihre potenziellen Auswirkungen vorausschauend und umfassend zu ana-
lysieren, um die Chancen der Techniknutzung ebenso wie Möglichkeiten
zur Vermeidung oder Abmilderung ihrer Risiken aufzuzeigen,
10
• sowie auf dieser Grundlage Handlungs- und Gestaltungsoptionen für po-
litische Entscheidungsträger zu entwickeln.
Damit sollen ein Beitrag zur Verbesserung der Informationslage des Deutschen
Bundestages und eine wissenschaftliche Unterstützung seiner Meinungsbildung
und Entscheidungsfindung geleistet werden.” (Aufgaben & Ziele | TAB, 2018)
Aus dieser Beschreibung lassen sich die verschiedenen, zum Teil selbstgesetz-
ten Aufgaben des TAB ablesen. Es wird nicht nur vom Ausloten der „Potenziale
neuer wissenschaftlich-technischer Entwicklungen“ gesprochen, die es zu ana-
lysieren gilt, sondern auch davon, potentielle Auswirkungen „vorausschauend
und umfassend zu analysieren, um die Chancen der Techniknutzung ebenso
20
wie Möglichkeiten zur Vermeidung oder Abmilderung ihrer Risiken aufzuzei-
gen“ (Aufgaben & Ziele | TAB, 2018). Hierbei findet der Begriff der Potenzia-
lität vermehrt Anwendung, der in diesem Kontext einen Sachverhalt be-
schreibt, der möglicherweise wahr sein oder werden könnte (abhängig vom
Wahrheits- und Zeitbegriff). Die TA beschäftigt sich demnach mit möglichen
Zukünften einer technisierten Welt. Gleiches lässt sich über Science-Fiction
sagen. Auch sie beschäftigt sich mit möglichen Zukünften, jedoch ist ihr An-
spruch dabei weniger wissenschaftlich, denn ihr Auftrag ist letztlich nicht die
Erkenntnisgewinnung, sondern die Unterhaltung. Der*die Science-Fiction-
Autor*in oder -Filmemacher*in betreibt beim Kreieren der Zukunftsvision
30
auch eine Art der TA. Durch Überlegungen, welche Technik es gibt und wie
diese sich auf Mensch und Gesellschaft konkret auswirken könnte, erschafft
der*die Filmemacher*in eine Welt als Grundlage für die Erzählung der Ge-
schichte (siehe dazu auch Kapitel 2.6 ).
Über Technikfolgenabschätzung Hans Lietz
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3.4 Der Einfluss von SF auf technischen Fortschritt
Auf welche Weise Science-Fiction technischen Fortschritt mitbestimmt, soll
im Folgenden kurz erläutert werden. Zunächst gibt es offenkundig Beispiele,
bei denen Science-Fiction-Konsumenten gleichzeitig Entwickler und Erfinder
waren, die sich durch das Genre haben inspirieren lassen:
“Manche dieser Übereinstimmungen [zwischen prophezeiter Technik und deren
Verwirklichung] mögen sich selbst erfüllende Prophezeiungen sein; schließlich
gehörten zahlreiche Pioniere der Raumfahrt zu Vernes Lesern, darunter Konstan-
tin Ziolkowskij (1857 bis 1935), der grundlegende Beiträge zu Triebwerken und
Treibstoffen von Raketen erarbeitete, und Hermann Oberth (1894 bis 1989), der
10
bereits 1923 die wesentlichen Elemente heutiger Großraketen beschrieb. Mög-
licherweise hätte sich die moderne Raumfahrt ohne Vernes Visionen weniger
rasch entwickelt. Und weil der sich an Naturgesetzen orientierende Autor über
die gleichen technischen Probleme gründlich nachdachte, welche die Ingenieure
des 20. Jahrhunderts zu bewältigen hatten, sollte auch nicht überraschen, daß
seine Lösungsvorschläge den späteren realen Konstruktionen ähneln.” (MILLER
UND EVANS, 1997)
Miller und Evans führen hier mehrere wichtige Punkte an. Einmal ist nicht zu
vergessen, dass auch Entwickler, Erfinder und Forscher zur Gesellschaft gehö-
ren, in der Science-Fiction konsumiert und diskutiert wird. Ideen aus der Fik-
20
tion können inspirieren und haben sicherlich in der Vergangenheit schon
mehrmals den Gang des Fortschrittes beeinflusst. Popkultur, zu der auch Sci-
ence-Fiction gehört, ist auch bei Wissenschaftlern und Ingenieuren äußerst
beliebt. Prominentes zeitgenössisches Beispiel hierfür ist das Starship von
SpaceX, welches in Form und Farbe stark an den Futurismus der 1950er Jahre
erinnert. Oscar Wilde lässt stellvertretend in seinem fiktiven sokratischen Di-
alog „The Decay of Lying“ (WILDE, 1889) sein Verständnis von Kunst, zu der
wohl auch Film zählen dürfte, zusammenfassen:
„The third doctrine is that Life imitates Art far more than Art imitates Life. This
results not merely from Life’s imitative instinct, but from the fact that the desire
30
of Life is simply to find expression, and that Art offers it certain beautiful forms
through which it may realise that energy.” (WILDE, 1889, S. 55)
Diese Überzeugung lässt sich auch auf die hiesige Diskussion übertragen. So
ließe sich argumentieren, dass die Gesellschaft durch Science-Fiction derart
inspiriert wird, dass sie sich versucht ihr anzupassen und auf diese Weise auch
die Forschung in eine solche Richtung lenkt. Das von Wilde festgestellte
menschliche Bedürfnis nach „expression“ (ebd.), was hier mit Selbstverwirk-
lichung übersetzt werden könnte, könnte sich in der Entwicklung von Science-
TA in Science-Fiction-Filmen Hans Lietz
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Fiction-inspirierter Technik wiederspiegeln. Gerade dann, wenn Kunst und
Wissenschaft verschmelzen, wie z. B. in der Architektur oder im technischen
Produktdesign, kann das deutlich werden. Pompöse Bauwerke etwa können so
als Verwirklichung der durch Science-Fiction generierten Zukunftsträume be-
trachtet werden.
Da die Autoren von Science-Fiction, jedenfalls wenn sie versuchen, glaubwür-
dige Fiktion zu erschaffen, die gleichen Probleme lösen müssen, wie Entwick-
ler, könne sich auch so die Ähnlichkeit zwischen Fiktion und Wirklichkeit er-
klären. Hier muss allerdings angemerkt werden, dass Autoren nicht zwangs-
läufig alle aufkommenden Probleme erkennen können und selbst wenn, nicht
10
unbedingt verpflichtet sind, eine Lösung zu finden. Es scheint doch einen Un-
terschied zwischen der tatsächlichen und der erdachten Entwicklung einer
Technik zu geben.
Gleichzeitig gibt es eine gesellschaftliche Steuerkraft der Entwicklung, denn
wenn ein Science-Fiction Film eine Technologie vorstellt, die bei vielen Men-
schen auf Interesse stößt und ggf. sogar einen Kaufwillen auslöst, wird sich in
einer freien Marktwirtschaft früher oder später ein Unternehmen finden, das
versucht, diesen Markt zu bedienen. Ein Beispiel hierfür sind Hoverboards,
wie sie in ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT II (1989. Back to the Future Part II. R: RO-
BERT ZEMECKIS) auftauchen. Es gibt zahlreiche Versuche, solche Boards in die
20
Wirklichkeit umzusetzen, dabei einen bedingt erfolgreichen für einen Werbe-
gag entwickelten Prototypen der Firma Lexus (BANSAL, 2016). Mittlerweile gibt
es ein kommerziell erwerbliches Äquivalent zu den räderlosen Skateboards,
das den gleichen Namen trägt, aber in der Funktion im Prinzip etwas anderes
darstellt: Es handelt sich um ein Board mit zwei Rädern, das durch intelligente
Steuerung das Gleichgewicht halten kann. Inspiriert war diese Entwicklung
aber dennoch, wenn man dem Namen Glauben schenken kann, an der Idee aus
ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT II – und hat durch zahlreiche Brände und fehlende Re-
gulierung zuletzt Aufmerksamkeit erregt (ROGERS, 2015).
4 TA in Science-Fiction-Filmen
30
Es gibt in dem Genre zahlreiche Überschneidungen zu anderen gesellschaftli-
chen und philosophischen Themen, die im Folgenden berührt werden. Viele
TA in Science-Fiction-Filmen Hans Lietz
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der philosophischen Probleme können hier allerdings nicht ausführlich disku-
tiert werden, auch wenn sie kurz Erwähnung finden. So sind der Dualismus-
Diskurs und das Leib-Seele-Problem etwa häufig Inhalt von Filmen rund um
Robotik und künstliche Intelligenz. Das Thema der virtuellen Realität steht in
Filmen stets im Kontext einer erkenntnistheoretischen Debatte über die Be-
schaffenheit der Welt. Ethische Fragen über den Begriff und Wert von Natur
oder auch über Recht und Moral finden sich in vielen dystopischen Filmen
wieder – in Science-Fiction-Filmen insgesamt findet sich ein Groß der Themen
der Philosophie an irgendeiner Stelle wieder.
Diese Arbeit wird von der Frage nach den dargestellten Technikfolgen geleitet:
10
Welche Technik ist dargestellt und wie hat die sich im Film auf den Menschen
und die Gesellschaft ausgewirkt? Sind die portraitieren Visionen plausibel?
Welche Handlungsoptionen lassen sich aus den Filmen für aktuelle politische
Entscheidungen erkennen? Auf diese Weise kann schließlich erkannt werden,
wie Technikfolgenabschätzung in Science-Fiction-Filmen in heutiger Technik-
philosophie Anwendung finden kann, wie sie sie ergänzt oder ihr widerspricht
– also welchen Wert sie für die Philosophie hat. Dabei wird auch das Genre auf
einer Metaebene auf technikphilosophische Aussagen und Verständnisse
überprüft, denn der Science-Fiction-Film an sich kann ebenfalls als TA ver-
standen werden.
20
4.1 Gesellschaftsmodell
Die in Science-Fiction-Filmen präsentierten Gesellschaftsmodelle zeigen Ge-
sellschaften meist nicht in ihrer Gesamtheit und sind dadurch lückenhaft
(SEEßLEN, 1980, S. 36). Zwar gibt es wiederkehrende Staatsmuster und -for-
men, wie etwa das autokratische Regime, allerdings verliert sich die „Sensibi-
lität für das Zusammenspiel verschiedener Kräfte“ (SEEßLEN, 1980, S. 37). Eine
Gesellschaft konstituiert sich nicht nur aus der Staatsform, sie setzt sich aus
verschiedenen Elementen zusammen, die sich gegenseitig beeinflussen. Dies
wird von den meisten Science-Fiction-Filmen nicht oder nur ungenügend ver-
mittelt. Verständlich ist allerdings, dass die Darstellung einer Gesellschaft in
30
all ihren Facetten kein leichtes Unterfangen ist und dass es stets Aspekte geben
wird, die keine Berücksichtigung finden können. Auffällig ist, dass meist die
TA in Science-Fiction-Filmen Hans Lietz
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Mechanismen zur Unterdrückung dargestellt werden, weniger die Genese oder
gar die Geltungsansprüche der jeweiligen Regimes. Auch bieten Filmema-
cher*innen nur selten alternative Ideen, vielmehr demonstrieren sie meist die
Überwindung des Regimes und enden, bevor klar wird, welche Staatsform ih-
rer Ansicht nach die wünschenswertere ist.
In einigen Werken finden sich kritische Anspielungen auf das Konsumverhal-
ten der modernen Gesellschaft. In BLADE RUNNER oder BLADE RUNNER 2049
etwa sind die Straßen der Stadt voller, meist sexualisierter Werbung. Die herr-
schende Klasse in DIE TRIBUTE VON PANEM - THE HUNGER GAMES (2012. The
Hunger Games. R: GARY ROSS) ergötzt sich nicht nur an einer Fernsehshow,
10
in der sich hungernde Kinder auf den Tod bekämpfen, sie bekleiden sich dazu
extravagant, verändern ihre Körper auf gleiche Weise und erbrechen sich nach
ihren üppigen Mahlzeiten mehrmals, um diese länger genießen zu können. In
WALL·E - DER LETZTE RÄUMT DIE ERDE AUF (2008. WALL·E. R: ANDREW STAN-
TON) wird die ultimative Konsumgesellschaft portraitiert, in der die Welt nicht
nur in Müll versunken ist, sondern auch die Rettung der Menschheit privati-
siert wurde. Doch auch hier fehlen alternative Vorschläge der Filmema-
cher*innen. Gleichzeitig sind all diese Filme nicht nur in, sondern auch für eine
konsumierende Gesellschaft entstanden und schließlich kommerziell ver-
marktet worden. So wirken sie ein wenig scheinheilig, auch wenn die Um-
20
stände der Entstehung eines Films den Wahrheitsgehalt etwaiger vorgebrach-
ter Umstände freilich nicht verändern.
Zunächst soll im Folgenden der Begriff der Utopie auf technikphilosophische
Relevanz überprüft werden, anschließend folgt ein Diskurs über die filmischen
Visionen der urbanen Entwicklung der Gesellschaft.
4.1.1 Utopien
Der Begriff der Utopie lässt sich übersetzen mit „Nirgendsland“ (WÖRTERBUCH
DER PHILOSOPHISCHEN BEGRIFFE 2013, S. 695) und entstammt der Feder des
Engländers Thomas Morus, der 1516 einen Roman mit dem Titel „De optimo
statu reipublicae, deque nova insula Utopia (Über die beste Staatsordnung
30
und die neue Insel Utopia)“ (ebd.) veröffentlichte. Im modernen Verständnis
TA in Science-Fiction-Filmen Hans Lietz
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gilt eine Utopie als idealer Gegenentwurf zur bestehenden Gesellschaftsord-
nung, insofern kann schon Platos Politeia als erster utopischer Entwurf ver-
standen werden. Als sich der Begriff der Utopie im 19./20. Jahrhundert vom
wissenschaftlichen in einen literarischen verwandelt, blüht Utopie-Literatur
neu auf (SEEßLEN, 1980, S. 60) und es erscheinen Dystopien oder Anti-Utopien,
also Gegenentwürfe zu Utopien, die negative Gesellschaftsordnungen portrai-
tieren. Meist entstehen diese in der hyperbolischen Zuspitzung vorhandener
gesellschaftlicher Faktoren und mit der Intention vor künftigen möglichen
Entwicklungen zu warnen. Solche Zukunftsentwürfe können ebenfalls als Ge-
dankenexperimente aufgefasst werden, wie Engels aufführt.
10
„Reine Gedankenexperimente“ seien nach Engels solche, deren „Prämissen
[…] kontrafaktischen Charakter haben und die Experimente tatsächlich nur in
Gedanken durchgeführt werden können“ (ENGELS, 2004, S. 17). Wenn Prämis-
sen nicht mit der Wirklichkeit vereinbar sind, ist es unmöglich, ein Realexpe-
riment durchzuführen – es bleibt nur der Weg in die Gedanken. Für Engels
genügt dieses Verständnis des Gedankenexperimentes allerdings nicht, denn
es könne zahlreiche Gründe geben, ein Realexperiment nicht durchzuführen
(ENGELS, 2004, S. 34). So schreibt er später, das Umsetzen einer positiven Uto-
pie sei faktisch möglich, etwa durch eine „mächtige Regierung“ (ENGELS, 2004,
S. 44), jedoch könnte ein solches Experiment „fürchterliche Auswirkungen ha-
20
ben“ (ebd.). So kommt er zu folgendem Schluss: „Daher sind Utopien als sehr
genaue, gründlichst durchdachte Gedankenexperimente unerlässlich. Mit
Menschen darf nicht experimentiert werden“ (ebd.). Über negative Utopien
schreibt er, diese seien ggf. ebenfalls in Wirklichkeit durchführbar, indem „be-
stehende Tendenzen unterstützt und die Entwicklung des eigendynamischen
Geschehens forciert“ werden (ENGELS, 2004, 44f).
TA in Science-Fiction-Filmen Hans Lietz
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“Wollte man knapp den Sinn von Utopien umreißen, so könnte man sagen: Die
Funktion der positiven Utopien besteht darin, durch konkrete Bilder eines guten
Lebens Anreize für Veränderungen zu schaffen. Sie verlangen ein Tun. Die nega-
tiven Utopien haben dagegen eine Warnfunktion. Sie sagen: ‘Wehret den Anfän-
gen!’ und verlangen ein Unterlassen oder die Verhinderung eines Tuns.” (ENGELS,
2004, S. 45)
Das Motiv der negativen Utopie ist dabei nicht gleichzusetzen mit dem Motiv
der Apokalypse. Ersteres beschreibt ein meist autokratisches, politisches Sys-
tem, das als zu überwinden gilt; Letzteres dagegen den meist unaufhaltbaren
Zusammenbruch oder die Vernichtung der Gesellschaft oder Welt.
10
Dennoch gibt es wenige Filme, die dem dystopischen Trend mit positiven Zu-
kunftsentwürfen entgegenstehen. A WORLD BEYOND (2015. Tomorrowland. R:
BRAD BIRD) ist einer davon, auch wenn die gezeichnete Welt bei genauer Be-
trachtung doch in dystopische Muster zurückfällt. Im Film wird eine Parallel-
welt zur Realität präsentiert, die eine utopische Welt in einer Paralleldimen-
sion darstellen soll. Diese wurde von einem Geheimbund mit dem Namen Plus
Ultra entdeckt, der von berühmten Wissenschaftlern wie Nikola Tesla oder
Autoren wie Jules Verne gegründeten wurde. Die Gruppe erschafft in dieser
Parallelwelt die Zukunft, die in der echten Welt nicht möglich schein. So heißt
es schon im Trailer zum Film:
20
„What if there was a place, a secret place, where nothing was impossible? A mi-
raculous place where you could actually change the world. You wanna go?“ (WALT
DISNEY STUDIOS, 2014)
Das eigentliche Thema des Films ist jedoch der verlorengeglaubte Zukun-
ftsoptimismus der Gegenwart. Er zeigt eine Welt, wie sie hätte sein können,
wenn der Futurismus der 1950er Jahre nicht zum Stillstand gekommen wäre.
Utopie wird hier durch Technik erzählt, der Fortschrittsglauben von Brad Bird
wird deutlich. Allerdings ist A WORLD BEYOND gespickt mit Zukunftsvisionen
der Vergangenheit, beispielsweise dem Raketenrucksack oder fliegenden Zü-
gen, die schon in den Anfängen der Science-Fiction entstanden. Auch damit
30
lässt sich der Slogan „Remember the future“, der auf vielen Filmplakaten zu
finden war, erklären: Es geht Brad Bird nicht um die Zukunft, sondern um den
Glauben daran – und damit letztlich um Science-Fiction selbst.
TA in Science-Fiction-Filmen Hans Lietz
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„TOMORROWLAND tritt somit ganz bewusst in einen Dialog mit der Geschichte
des Genres. Das Genre wird als das ideal Medium dargestellt, den Weg in eine
leuchtende Zukunft zu ebnen.“ (SPIEGEL, 2017, S. 33)
A WORLD BEYOND wird zwar als Utopie erzählt, aber da man nichts über das
Leben in der Stadt oder die gesellschaftliche Struktur erfährt, fällt es schwer,
Tomorrowland als utopischen Gesellschaftsvorschlag gelten zu lassen. Viel-
mehr ist es ein Film über den Zukunftsglauben der Menschen, als tatsächlich
ein Lösungsvorschlag zu sein. Davon abgesehen ist der Grundgedanke hinter
einer Geheimgesellschaft, die ohne Politik oder Kontrolle friedlich nebenei-
nander existieren (und erfinden) kann nicht nur naiv, sondern auch höchst eli-
10
tär und philosophisch problematisch.
Der zweite nicht unbedingt dystopische Zukunftsentwurf findet sich in PASSEN-
GERS (2016. R: MORTEN TYLDUM), doch auch dieser entpuppt sich bei genaue-
rer Betrachtung nicht wirklich als Utopie. Im Film gibt es verschiedene Hin-
weise auf eine kapitalistische Grundstruktur der portraitierten Gesellschaft:
Die Protagonisten befinden sich auf einem Luxusraumschiff, das in jeder Hin-
sicht an ein gigantisches Kreuzfahrtschiff mit Pool, Kino, Bar, Sportanlage und
weiteren Vergnügungseinrichtungen erinnert, sind allerdings für die 90-jäh-
rige Reise zu einem neuen Planeten in Hibernation, einem künstlichen und
lange andauernden Winterschlaf in eigens dafür kreierten Pods. Einer davon
20
ist nach einem Asteroidencrash allerdings defekt, so erwacht der Mechaniker
Jim Preston (Chris Pratt) 90 Jahre vor der geplanten Ankunft. Leider gibt es
für ihn keine Möglichkeit, den Pod zu reparieren und einen Ersatz gibt es nicht
– so ist er nun gestrandet auf einem futuristischen Luxusliner. Die Passagiere
werden an Board entsprechend ihres Tickets in verschiedene Klassen aufge-
teilt und erhalten unterschiedliche Leistungen, er darf fast ein Jahr lang nur
das Standard-Frühstück genießen. Bis er schließlich aus Einsamkeit das Gold-
mitglied Aurora Lane (Jennifer Lawrence) weckt, die ihm unwissend über
seine Beteiligung an ihrem Erwachen das erste bessere Frühstück in Monaten
serviert.
30
Trotz dieser eher dystopisch anklingenden Gesellschaftsstruktur ist die Zu-
kunft in diesem Film nicht negativ dargestellt: Insgesamt scheint es den Men-
schen gut zu gehen. Die Menschheit bricht zu neuen Planeten auf, dabei ist
TA in Science-Fiction-Filmen Hans Lietz
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aber jeder Mensch frei in seiner Entscheidung zu gehen oder zu bleiben: So
wird die Reise zu den Sternen zum Selbstfindungstrip für Jim und Aurora. Die
gezeigte Welt in PASSENGERS scheint eine positive Extrapolation aus der heuti-
gen zu sein: Es ist zwar keine Welt ohne Probleme, aber eine, in der es nicht zu
einem dystopischen Kollaps oder autokratischen Regime gekommen ist. Auch
hier wird Utopie durch Technik erzählt, etwa durch holografische Displays, di-
verse Roboter und Androiden, eine digitalisierte Sportanlage oder durch das
Raumschiff selbst. Der Glaube an Technik hat allerdings auch für die Ge-
schichte des Films eine Bedeutung: Jim befindet sich nur in der misslichen
Lage, weil niemand den Defekt eines der Hibernation-Pods vorhergesehen hat.
10
Es heißt mehrmals, dass die Pods unfehlbar seien – ein offensichtlicher Trug-
schluss. Somit kommentiert der Film direkt das Prinzip der Technikfolgenab-
schätzung: Die Fehlbarkeit der Abschätzung sollte stets mit bedacht werden.
4.1.2 Infrastruktur
Die Frage, wie sich unsere Infrastruktur in der Zukunft verändern wird, muss
für die Erzählung einer authentischen Science-Fiction-Vision stets neu beant-
wortet werden.
„The city, as the key setting for terrestrial subjects, is more than just a back-
ground in many science-fiction films; indeed it is often as much part of the action
as the actors themselves.“ (GOLD, 2001, S. 342)
20
Nicht nur die Frage nach der Stadtentwicklung, sondern auch die nach dem
Umgang mit wachsendem Mobilitätsbedürfnis muss dabei beantwortet wer-
den.
Ein ständig wiederkehrendes Motiv ist dabei das fliegende Auto. Es scheint die
offensichtliche Weiterentwicklung des Automobils zu sein, dieses in die Lüfte
zu heben: Der Delorean aus ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT II, die Spinner aus BLADE
RUNNER, das Flubber-betriebene Model-T aus DER FLIEGENDE PAUKER (1961.
The Absent Minded Professor. R: ROBERT STEVENSON) oder die Wagen in DAS
FÜNFTE ELEMENT und TOTAL RECALL (2012. R: LEN WISEMAN) können fliegen.
Der Traum vom fliegenden Auto ist beinahe so alt, wie das Auto selbst: Schon
30
1920 portraitiert der Regisseur Harry Piel diese Idee in seinem Stummfilm DAS
FLIEGENDE AUTO (1920. R: HARRY PIEL). Unsere heutigen Städte sind in jener
TA in Science-Fiction-Filmen Hans Lietz
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Art an den Boden gebunden, als dass die dort verkehrenden Menschen an den
Boden gebunden sind: Um die Gebäude zu wechseln, müssen die Menschen
die Straße betreten und in einem anderen Gebäude zum gewünschten Stock-
werk gelangen. Mit fliegendem Verkehr ist das nicht nötig – Menschen können
an jenen Stellen das Gebäude betreten, an denen ihr Fahrzeug (oder sollte es
Flugzeug heißen?) landen kann. Hubschrauberlandeplätze auf Hochhäusern
sind schon jetzt keine Seltenheit. Würde nun der Großteil des Verkehrs in der
Luft stattfinden, würden auch, allein schon aus Platz- und Praktikabilitäts-
gründen, die Landeplätze auf – und später auch in Gebäuden nicht lange auf
sich warten lassen. Somit könnte sich das Leben einiger Menschen tatsächlich
10
ebenfalls vom Boden lösen und in großen Höhen stattfinden – Visionen einer
vertikalen Megastadt würden so plausibel.
Fliegende Autos längst keine Zukunftsmusik mehr. Schon seit mehreren Jah-
ren gibt es diverse Start-Ups, die an verschiedenen Modellen fliegender Autos
oder vergleichbarer Mobile forschen – so z. B. die niederländische Firma Pal-
V, die bereits 2020 kommerzielle Hybriden aus Auto und Gyrocopter liefern
möchte (PAL-V, 2019). Das Mobil benötigt ca. 300m Strecke für den Start,
kann aber nach Herstellerangaben senkrecht landen – es eignet sich also nicht
für den Start auf oder gar in Häusern, auch wenn das Unternehmen für Start-
und Landeplätze im eigenen Garten wirbt. Der Wechsel zwischen Flug- und
20
Fahrtmodus soll fünf bis zehn Minuten dauern.
Anders ist die Vision des deutschen Start-Ups Volocopter, das mit drohnen-
ähnlichen, automatisierten Flugmobile den urbanen Verkehr revolutionieren
will (VOLOCPTER GMBH, 2017). Das Unternehmen präsentiert sein Mobil als
Teil urbaner Infrastruktur, das als Ergänzung des öffentlichen Nahverkehrs
mit Start- und Landeplätzen auf und in Gebäuden funktionieren soll.
Zwar gibt es solche Visionen fliegender Mobilität, dennoch stellt der TAB fest,
dass zukünftige Mobilitätsbedürfnisse eher durch multimodale Fortbewegung
gelöst würde (SCHADE u. a., 2012, S. 152), also dass die Menschen künftig meh-
rere verschiedene Fortbewegungsmittel kombinieren werden, um ihr Ziel zu
30
erreichen. In der filmischen Science-Fiction-Welt findet sich kein Äquivalent
für diese Vorhersage: Der öffentliche Nahverkehr ist in Science-Fiction-Filmen
TA in Science-Fiction-Filmen Hans Lietz
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unterrepräsentiert, auch modernere Mobilitätslösungen wie Bike-Sharing o-
der Park&Ride tauchen nicht auf.
Es gibt weitere Argumente gegen einen individualisierten Flugverkehr, wie er
in DAS FÜNFTE ELEMENT präsentiert wird: Die Steuerung und Kontrolle von
Luftverkehr ist äußerst komplex und in drei Dimensionen schlicht nicht be-
herrschbar. Man stelle sich nur den Morgenverkehr im Zentrum einer Metro-
pole vor: Hunderte von Flugwagen, die von müden Menschen gesteuert kreuz
und quer durch die Luft sausen. Unfälle wären kaum zu vermeiden, wobei
diese durch den tatsächlichen Fall der Mobile zusätzliche Gefahr für alle unte-
ren Verkehrsebenen darstellen würden und gleichzeitig für die Insassen der
10
Gefährte fatale Folgen anzunehmen sind. Insofern ist die Vision eines dreidi-
mensionalen Verkehrschaos, wie es in DAS FÜNFTE ELEMENT visioniert wird, e-
her unplausibel.
Plausibler ist dagegen die Vision autonomer Autos: In MINORITY REPORT
(2002. R: STEVEN SPIELBERG) präsentiert Spielberg seine Vorstellung eines
vollständig selbstfahrenden Verkehrs, der aus kleinen und sehr schnellen Wa-
gen besteht. Auch das Flugtaxi in DAS FÜNFTE ELEMENT verfügt über einen Au-
topiloten, der ausgeschaltet werden kann. Johnny, ein Androide mit Kopf und
Schultern, steuert das Taxi, in dem Quaid (Arnold Schwarzenegger) in DIE TO-
TALE ERINNERUNG - TOTAL RECALL (1990. Total Recall. R: PAUL VERHOEVEN)
20
durch die Gegend fährt. Unlängst arbeiten Unternehmen wie Tesla, Google o-
der bekannte Automarken an autonomen Fahrsystemen, von denen einige be-
reits kommerziell erwerblich sind. Selbstfahrende Transporter ähnlich denen
in LOGAN - THE WOLVERINE (2017. Logan. R: JAMES MANGOLD) werden das
Transportwesen in nicht allzu ferner Zukunft ebenfalls revolutionieren. Je-
doch ist davon auszugehen, dass sie – entgegengesetzt zu den im Film portrai-
tierten Transportern – bei Hindernissen halten werden, anstatt sie bei unge-
bremster Fahrt durch ein Warnblinken, gekoppelt mit einer Hupe und dem
gesprochenen „Alert! Alert!“ auf die drohende Kollision Aufmerksam zu ma-
chen. Die gesellschaftlichen Folgen dieser Entwicklung, wie der Verlust von
30
massenhaft Arbeitsplätzen im Verkehrswesen oder die sich ergebenden Fragen
TA in Science-Fiction-Filmen Hans Lietz
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der moralischen und juristischen Verantwortung bei Unfällen autonomer Ve-
hikel sind im Science-Fiction-Film allerdings nicht dargestellt.
Die in den Anfangsszenen von DAS FÜNFTE ELEMENT dargestellte Stadt zeichnet
sich durch sehr hohe, vertikale Strukturen aus – eine Stadt auf mehreren Ebe-
nen. Hochhäuser reihen sich lückenlos aneinander und heben Infrastruktur
auf diese Weise in die dritte Dimension. Die Idee einer vertikalen Mega-Stadt,
wie sie hier präsentiert wird, ist zweifelsohne deutlich älter. Schon in METRO-
POLIS (1927. R: FRITZ LANG) spielt die Architektur eine entscheidende Rolle und
versinnbildlicht die Klassentrennung der Gesellschaft: Während die Ober-
klasse zwischen den Wolken residiert, verbringen die Arbeiter ihr Leben am
10
Grunde der mechanisierten Stadt. Diese Metapher wurde in zahlreichen fol-
genden Filmen aufgegriffen, z. B. in ELYSIUM (2013. R: NEILL BLOMKAMP),
GHOST IN THE SHELL (2017. R: RUPERT SANDERS) oder auch BLADE RUNNER
(1982. R: RIDLEY SCOTT). Letzterer erweitert die Welt der Megastadt um weite,
aber verseuchte Gebiete. Neu bei BLADE RUNNER ist ebenfalls die Vision einer
gewachsenen Stadt: Die Megastadt ist kein in sich schlüssiges Gesamtwerk,
sondern vielmehr eine Stück für Stück auf alten Gebäuden und nach alten
Mustern gewachsenen Stadt. Damit wird die Stadt in BLADE RUNNER zu einer
deutlich realistischeren Vision als etwa in METROPOLIS, denn die meisten
Städte entstehen nicht aus einem funktionierenden Gesamtkonzept, sondern
20
entwickeln sich historisch.
Solche Megastrukturen sind durchaus als Technikfolgen zu bezeichnen. Einer-
seits ist offenbar, dass solche Strukturen nicht ohne entsprechende Technolo-
gie gebaut werden können und sicherlich sind sie in dieser Hinsicht als mögli-
che Folge eben jener Technologie (z. B. Schwerlastkräne) zu verstehen – ande-
rerseits wird das Entstehen solcher Strukturen im Film meist als Folge der
Technisierung der Menschheit dargestellt und damit zur Metapher für die Fol-
gen des Fortschritts. Gerade letzter Punkt scheint wichtig zu sein: Die Stadt in
METROPOLIS ist Folge der vollkommenen Technisierung der Menschheit. In
BLADE RUNNER finden sich verschiedene Stufen technologischen Fortschritts,
30
die nebeneinander existieren. Somit wird die Megastadt zur Metapher des
technologischen Fortschritts der Menschheit.
TA in Science-Fiction-Filmen Hans Lietz
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Die Idee der Zukunft wird mit der von gigantischen Strukturen verknüpft. Das
wiederum hat auch großen Einfluss auf aktuelle Architektur: Wenn ein Ge-
bäude modern oder futuristisch wirken soll, so muss es auf eine Weise entwor-
fen werden, die dieser Idee der Zukunft gerecht wird. Dass dies bereits ge-
schieht offenbart ein Blick auf die großen Städte der Welt: Die Etihad Türme
oder das Capital Gate in Abu Dhabi etwa erinnern stark an das Streamline-
Design des 1950er-Jahre Futurismus, wie es auch in A WORLD BEYOND zu fin-
den war, die Nachtskyline von Tokyo ist vergleichbar mit der aus BLADE RUN-
NER. Gleichzeitig wirkt Architektur auch auf Science-Fiction zurück: So wurde
etwa das Ennis House von Architekt Frank Lloyd Wrights zum Drehort in
10
BLADE RUNNER (MICHAUD, 2011), auch finden sich zahlreiche gotische Bauten
in Science-Fiction-Filmen wieder.
Auch Architekten sind Teil der Gesellschaft, die sich mit Science-Fiction-Lite-
ratur und Filmen ein Bild der Zukunft kreiert, dem sie dann zu ent- oder wi-
dersprechen versucht.
4.2 Außerirdische
Ob außerirdisches Leben existiert oder nicht, ist wissenschaftlich umstritten.
Es konnte bis dato nicht festgestellt werden, doch daraus lässt sich nicht auf
seine Nichtexistenz schließen – die theoretische Möglichkeit eines Kontaktes
besteht ebenso. Filmemacher*innen haben sich mit den möglichen Folgen, die
20
ein solcher Kontakt mit sich bringen würde, beschäftigt. Außerirdische treten
in Filmen jedoch meist nicht auf, um tatsächlich über sie zu erzählen, vielmehr
wird die Figur des Außerirdischen benutzt, den Menschen zu reflektieren. Da-
her sind die möglichen Folgen, die ein tatsächlicher Kontakt mit sich bringen
würde, höchst spekulativ. Die Art und Weise, wie die Figur des Außerirdischen
in Filmen genutzt wird, birgt allerdings einige interessante Erkenntnisse.
Das klassische Motiv der Invasion tritt in zahlreichen Filmen auf, so etwa im
H.G. Wells nachempfundenen KRIEG DER WELTEN (2005. War of the Worlds.
R: STEVEN SPIELBERG), in INDEPENDENCE DAY (1996. R: ROLAND EMMERICH) o-
der in MARS ATTACKS! (1996. R: TIM BURTON). Eine außerirdische Spezies be-
30
droht die Menschheit mit Technik, die der menschlichen weit überlegen ist
und verweist den Menschen so in die Position des gegen Goliath kämpfenden
TA in Science-Fiction-Filmen Hans Lietz
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Davids.
4
Dabei kommt Technik eine besondere Rolle zu: Zunächst wird sie
dem Menschen meist durch den außerirdischen Angriff genommen und er er-
kennt, wie hilflos er ohne sie ist. Dann gelingt es ihm, Technik zu reanimieren
– und besiegt so im letzten Moment die außerirdische Bedrohung. Eine tat-
sächliche Auseinandersetzung dieser Art würde vermutlich nicht mit dem Sieg
der Menschen enden – in der Geschichte lässt sich kein Beispiel finden, in dem
die technologisch Unterlegenen bei einem Kolonisierungsversuch standhalten
konnten.
Die Idee in KRIEG DER WELTEN, Außerirdische würden nicht durch menschliche
Technik, sondern aufgrund mangelnder Immunität gegen Viren besiegt, er-
10
scheint dagegen vom üblichen Muster abzuweichen. Hier tritt Natur als Erlö-
ser auf und beweist sich als letztlich der Technik überlegene Macht, KRIEG DER
WELTEN wird damit zu einem naturphilosophischen Statement.
Invasionsgeschichten können als Erinnerung an historische Beispiele der Un-
terdrückung verstanden werden, etwa Kolonialisierungsgeschichten (LICH-
FIELD, ADAMS UND BROOKS, 2015, S. 373). Filme werten auf diese Weise die Ge-
schichte der Menschen, indem sie sie neu erzählen und kommentieren. Der
Konsens dabei ist meist: Kolonialisierung ist verwerflich und die Kolonialisier-
ten haben das Recht, gegen die Eindringlinge vorzugehen und ihre Freiheit zu
verteidigen. Anders ist das in DISTRICT 9, in der Außerirdische auf der Erde
20
Schiffbruch erleiden und es, statt zu einer kriegerischen Auseinandersetzung,
zu einem gr0ßen Flüchtlingscamp für Außerirdische kommt, das sich schnell
in ein vorstädtisches und militärisch kontrolliertes Ghetto verwandelt. Der ge-
sellschaftliche Umgang mit Pluralität wird dargestellt und kommentiert, dabei
finden sich klare Parallelen zur Apartheid: Die klare (auch geografische) Tren-
nung der Rassen, unterschiedliche Rechte, auch der Titel DISTRICT 9 referiert
4
Streng genommen ist diese Analogie falsch, denn Goliath verfügt nicht über technische Über-
legenheit, sondern über Muskelmasse – David dagegen gewinnt den Kampf mit überlegener
Technik (einer Steinschleuder).
TA in Science-Fiction-Filmen Hans Lietz
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offensichtlich auf den Stadtteil District 6 in Kapstadt, der während der Apart-
heid Weißen vorbehalten war.
Auch als Erlöser treten Außerirdische im Kino immer wieder auf. In DER TAG,
AN DEM DIE ERDE STILLSTAND (1951. The Day the Earth Stood Still. R: ROBERT
WISE) etwa tritt der Außerirdische Klaatu (Michael Rennie) auf, der die
Menschheit vor einem Atomkrieg bewahren möchte. Dabei wird er zunächst
erschossen (=Kreuzigung), wird wiederbelebt (=Wiederauferstehung) und
verlässt die Erde schließlich (=Himmelfahrt), nach einer eindringlichen War-
nung vor der drohenden Vernichtung der Erde. In INTERSTELLAR gibt es vier-
dimensionale Wesen, die die Rettung der Menschheit ermöglichen, indem sie
10
zur passenden Zeit ein Wurmloch zu neuen, bewohnbaren Planten im Sonnen-
system platzieren. Später stellt sich heraus, dass es sich tatsächlich um eine
künftige Menschheit handelt, die durch die Zeit zurückgreift, um sich selbst zu
retten. In 2001: ODYSSEE IM WELTRAUM sorgen Außerirdische durch einen Mo-
nolithen, die „Quelle unendlichen Wissens und unendlicher Intelligenz“ (KU-
BRICK UND CASTLE, 2016, S. 567), für die Entstehung des zivilisierten Menschen
und begleiten ihn fortan bei allen wichtigen Etappen, auch wenn er absolute
Weisheit nie erlangen kann (ebd.). In ARRIVAL (2016. R: DENIS VILLENEUVE)
bringen Außerirdische den Menschen das Geschenk einer Sprache, die die
Zeitwahrnehmung der Menschen, die sie lernen, verändert.
20
Außerirdische Erlöser sind stets höher entwickelt und verfügen über Weisheit
und Erkenntnisse, die dem Menschen verborgen sind. Daraus lässt sich der
Fortschrittsglauben der Filmemacher*innen erkennen: Offensichtlich ist eine
weit fortgeschrittene Zivilisation denkbar. Unklar bleibt allerdings, ob der
Mensch nach der Auffassung der Filmemacher*innen diese Stufe erreichen
kann.
4.3 Künstlicher Mensch
In zahlreichen Filmen findet sich das Motiv der Veränderung des Menschen
und der Manipulation des menschlichen Körpers. MARY SHELLEY’S Franken-
stein etwa behandelt die Angst vor der Arroganz von Wissenschaftlern im Um-
30
gang mit Optimierungsversuchen des menschlichen Körpers; WELL’S Time
Machine zeichnet das Bild einer in Zukunft auf biologischer Basis veränderten
TA in Science-Fiction-Filmen Hans Lietz
Seite 40 von 76
Menschheit und ČAPEK’S Rossumovi Univerzální Roboti (R.U.R.) begründete
den heute gängige Begriff des Roboters mit, auch wenn die im Stück auftreten-
den Wesen biologischer Natur sind (BOWLER, 2017, S. 184–185).
Auch in jüngerer Science-Fiction Kultur finden sich unzählige Geschichten
rund um das Thema der Manipulation des Menschen, befeuert durch zahlrei-
che Erkenntnisse und Innovationen im Bereich der Gentechnik. Das X-Men-
Franchise etwa handelt von einer genetisch veränderten Menschheit auf einer
neuen Evolutionsstufe, JURASSIC PARK spielt mit der Idee einer Wiederbele-
bung prähistorischer Tierarten, GATTACA (1997. R: ANDREW NICCOL) themati-
siert eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, die durch genetische Optimierung und
10
Auswahl von Babys entstanden ist. In BLADE RUNNER und dem Nachfolger
BLADE RUNNER 2049 finden sich sogenannte „Replikanten“, die ganz analog zu
ČAPEK’S (R.U.R.) biologisch designte Menschensklaven sind. AVATAR - AUF-
BRUCH NACH PANDORA erzählt von gentechnisch replizierten Körpern der au-
ßerirdischen Na’vi, die die Menschheit zur Kommunikation und für diploma-
tische Verhandlungen mit der fremden Spezies nutzt.
Doch auch nicht-biologische menschenähnliche Körper finden sich in Science-
Fiction-Filmen. Der Androide in TERMINATOR entblößt bei einem Autounfall
seinen mechanischen Kern, I, ROBOT (2004. R: ALEX PROYAS) handelt vom Um-
gang mit Robotern und die Droiden aus KRIEG DER STERNE haben es zu Welt-
20
berühmtheit geschafft.
4.3.1 Künstliche Intelligenz & Robotik
Künstliche Intelligenz ist im Kino so aktuell wie nie zuvor. Filme wie EX MA-
CHINA (2014. R: ALEX GARLAND), HER (2014. R: SPIKE JONZE), A.I.: KÜNSTLICHE
INTELLIGENZ (2001. Artificial Intelligence: AI. R: STEVEN SPIELBERG) oder
TA in Science-Fiction-Filmen Hans Lietz
Seite 41 von 76
TRANSCENDENCE (2014. R: WALLY PFISTER) haben sich ausführlich den mögli-
chen Folgen der Entwicklung einer starken
5
künstlichen Intelligenz gewid-
met, der Computer HALL aus 2001: ODYSSEE IM WELTRAUM wurde nicht nur
von WALL·E - DER LETZTE RÄUMT DIE ERDE AUF zitiert und selbst das eher fan-
tastische MARVEL-Universum präsentiert mit JARVIS eine künstliche Intelli-
genz. Kaum ein Science-Fiction Film der jüngeren Zeit kommt ohne das Motiv
der künstlichen Intelligenz aus und, wenn man den Filmemacher*innen Glau-
ben schenken darf, scheint es nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis sie in
unseren Alltag Einzug findet. Gerade die Entwicklung von Deep-Learning-Al-
gorithmen, die Technologien wie Spracherkennung, Smart-Home-Assistenten
10
(z. B. Amazons Alexa, Google Home, Apples Siri, etc.) und zahlreiche weitere
möglich gemacht hat, befeuert die Fantasie und den gesellschaftlichen Diskurs
über die möglichen Folgen der Entwicklung einer starken künstlichen Intelli-
genz.
Das prominenteste Problem der K. I. ist wohl das Kontrollproblem, das sich
mit den Möglichkeiten der Kontrolle einer K. I. auseinandersetzt. Gängige
These dabei ist, dass es schwieriger sei, eine kontrollierbare K. I. zu entwickeln,
als eine unkontrollierte und daher die Entwicklung letzterer vermutlich eher
auftrete. Der Kontrollverlust über K. I. wird in vielen Filmen aufgegriffen, z. B.
in MATRIX, 2001: ODYSSEE IM WELTRAUM, I, ROBOT oder TERMINATOR. Die von
20
Menschenhand geschaffene künstliche Intelligenz gerät außer Kontrolle und
wird zum Antagonisten des Menschen, in MATRIX und TERMINATOR sogar zur
treibenden Kraft hinter der Apokalypse.
Die Frage nach Geist und Bewusstsein der Androiden spielt in solchen Filmen
stets eine große Rolle, auch werden Fragen der Roboterethik aufgeworfen. Der
5
Der Ausdruck „starke künstliche Intelligenz“ wird zumeist benutzt, um eine künstliche Intel-
ligenz mit intentionalen Zuständen zu beschreiben. Sie bezieht sich i. d. R. nicht auf die allei-
nige Rechenleistung, die ihrerseits in Qualität, Quantität und Geschwindigkeit unterteilt wer-
den kann. Vgl. HANS LIETZ 2017, Die mögliche Geschwindigkeit einer Intelligenzexplosion.
Essen.
TA in Science-Fiction-Filmen Hans Lietz
Seite 42 von 76
Android aus DER 200 JAHRE MANN etwa entwickelt nicht nur kreative Fähig-
keiten, sondern verändert seinen Körper derart, dass er nicht nur sterblich,
sondern auch vom UN-Parlament als Mensch anerkannt wird. Der Android
David aus A.I.: KÜNSTLICHE INTELLIGENZ begibt sich in Anlehnung an Pinoc-
chio auf die Suche nach einer blauen Fee, die ihn in einen Menschen verwan-
deln soll. Und auch in I, ROBOT spielt der Regisseur mit der Idee eines träu-
menden Androiden. Die Frage nach dem Bewusstsein von Androiden wird
auch den gesellschaftlichen Umgang mit ihnen maßgeblich beeinflussen: Ei-
nerseits stellen sich die tatsächlich moralisch relevanten Fragen z. B. nach den
Rechten und Pflichten von Androiden, andererseits auch die nach der gesell-
10
schaftlichen und privaten Auseinandersetzung zwischen Mensch und Ma-
schine.
In Science-Fiction-Filmen werden verschiedene Möglichkeiten gezeigt, wie
Mensch und Maschine parallel existieren könnten: In BLADE RUNNER etwa sind
die zur Arbeit verpflichteten Androiden vom Menschen nur durch einen Em-
pathie-Test zu unterscheiden, dem sie sich regelmäßig unterziehen müssen.
Ob und wie ein solcher Test funktionieren könnte ist höchst spekulativ, im
Film studiert ein Computer die registrierten Mikroexpressionen des Proban-
den als Reaktion auf spontane Stichworte. Es wird aber nicht genannt, warum
ein Android nicht dazu in der Lage sein sollte, diese Mikroexpressionen zu imi-
20
tieren. In I, ROBOT werden Androiden u. a. als (zunächst) empathische Haus-
haltsassistenten präsentiert, in INTERSTELLAR treten Roboter als humorvolle
Assistenzsysteme auf. Filmemacher*innen scheinen zu antizipieren, dass
menschliche Qualitäten wie Humor oder Empathie auf Androiden und Robo-
ter übertragen werden – sofern dies möglich ist. Der Vermenschlichung der
Maschine lässt sich schon in aktuellen Assistenzsystemen erkennen, die mit
menschlicher Stimme ausgestattet sind und sowohl Höflichkeit als auch Hu-
mor simulieren.
HER (2014. R: SPIKE JONZE) denkt diese Möglichkeit zu Ende und erzählt die
Liebesgeschichte zwischen Theodore Twombly (Joaquin Phoenix) und der em-
30
pathischen künstlichen Intelligenz Samantha (Scarlett Johansson), die jedoch
lediglich als Software existiert. Die hier präsentierte Vision des menschlichen
TA in Science-Fiction-Filmen Hans Lietz
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Umgangs mit K. I. ist äußerst interessant: Twombly findet durch die Gesprä-
che mit Samantha nicht nur seine Lebensfreude wieder, er bekommt auch sein
Leben endlich in den Griff. Am Ende ist der Schock für ihn aber groß, als er
nicht nur herausfindet, dass Samantha ähnliche Beziehungen zu tausenden
anderen Menschen führt – sondern sie ihn auch für eine andere, den Philoso-
phen Alan Watts imitierenden, K. I. verlässt. Dennoch endet der Film mit einer
fröhlichen Note, als Twombly gemeinsam mit seiner guten Schulfreundin Amy
(Amy Adams), die ebenfalls von ihrer digitalen Beziehung verlassen wurde,
über die Stadt blickt.
Die hier präsentierte Vision ist durchaus plausibel. Gesetzt den Fall eine K. I.
10
wie Samantha würde entwickelt ist auch davon auszugehen, dass es zu Bin-
dungen kommt. Amazons ALEXA wurde bereits eine halbe Millionen mal die
Liebe gestanden (FERDINAND UND JETZKE, 2017, S. 4) – und dabei handelt es
sich um einen noch leicht identifizierbaren Algorithmus mit ausbaufähiger
Spracherkennungssoftware. Die sozialen Implikationen, die solch amourösen
Beziehungen mit Software sich bringt, müssen erst noch detaillierter analysiert
werden – das rät auch das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deut-
schen Bundestag:
„In diesem Zusammenhang gilt es, die sozialen Implikationen einer künstlichen
Vertrautheit zu analysieren, die in der Vermenschlichung von Maschinen über
20
Voice Computing ihre technologische Basis hat.“ (FERDINAND UND JETZKE, 2017,
S. 4)
Science-Fiction-Filme wie etwa HER leisten dazu einen Beitrag.
4.3.2 Virtuelle Realität
Es gibt kaum einen Philosophiestudenten, der nicht mindestens einmal MAT-
RIX gesehen hat. Das hat seinen Grund: Der Film lädt zu einer erkenntnisthe-
oretischen Diskussion über die Wirklichkeit der Welt und den Zusammenhang
zwischen Wahrnehmung und Wirklichkeit ein. DIE MATRIX ist eine virtuelle
Welt, in der die Menschheit, sich der Unwirklichkeit ihrer Welt unbewusst,
lebt, während sie in der echten von Robotern beherrschten Welt als Energie-
30
quelle dienen. Die hier präsentierte Technologie nennt sich virtuelle Realität
(VR), STANISLAW LEM nannte sie Phantomatik (LEM, 1978). Der Gedanke ist
TA in Science-Fiction-Filmen Hans Lietz
Seite 44 von 76
simpel: Eine Verknüpfung von Sinneswahrnehmung und Virtualität zu schaf-
fen, so dass es Menschen möglich wird, virtuelle Räume zu betreten, obwohl
sich ihre Körper dabei nicht (oder nur wenig) bewegen.
In Summa technologiae findet sich ein eigenes Kapitel zur Idee des virtuellen
Raums: „Die Phantomologie“ (LEM, 1978, S. 321–392), wenngleich Lem in ei-
nem späteren Aufsatz selbst schreibt: "[…] meine »Phantomatik« verhält sich
zu den Techniken der Virtual Reality etwa so, wie das neueste Mercedesmodell
zu dem dampfgetriebenen Dreirad […]“ (LEM UND LEMPP, 2016, S. 41). Dabei
bezieht er sich auf die bis dato nicht oder nicht gut umgesetzte „Rückkopplung
(zwischen dem Mensch und dem Phantomaten)“ (LEM UND LEMPP, 2016, S.
10
42), also die Schnittstelle zwischen dem Menschen und der virtuellen Realität.
Auch wenn Lem sich ausführlich mit den Fragen der prinzipiellen Möglichkeit
eines solchen Unterfangens auseinandersetzt, so bleibt die für uns interessante
Frage nach den möglichen Folgen, wenngleich die prinzipielle Möglichkeit der
Technologie selbst keineswegs gegeben ist.
6
4.3.2.1 VR als Machtinstrument
In MATRIX wird virtuelle Realität als Kontroll- und Machtinstrument genutzt.
Kontrolliert werden (echte) Menschen, die sich ihrer Verbindung zu einer vir-
tuellen Realität nicht bewusst sind und somit in der wirklichen Welt keine
Wirkkraft haben. Auch wenn die Prämissen des Films wissenschaftlich nicht
20
haltbar sind,
7
so ist doch nicht von der Hand zu weisen, dass eine echte Phan-
tomatik sicherlich nicht nur zum Vergnügen genutzt würde. Ein totalitärer
Staat könnte so einfach seine Kritiker oder sein Volk unterjochen. Nicht nur
6
Interessant ist Lems Vergleich der Phantomologie mit Filmen: So beschreibt er Filme als
frühes Stadium der „Phantomatisierungstechnik“ (LEM UND LEMPP, 2016, S. 44). Dabei be-
steht zwischen beiden Elementen doch ein wesentlicher Unterschied: Im Film ist der Mensch
lediglich Rezipient, in der virtuellen Realität wird er selbst zum Schaffenden.
7
So ergibt es z. B. keinen Sinn, Menschen als Energiequelle zu halten – sie produzieren dafür
viel zu wenig Energie. Auch bedürfte das Betreiben einer solch umfangreichen Simulation wie
die Matrix es ist einer unglaublichen Menge Energie; es gäbe sicherlich effizientere Wege für
die übermächtigen Roboter, sich zu versorgen.
TA in Science-Fiction-Filmen Hans Lietz
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virtuelle Verhöre und Folter sind denkbar, auch Verhöre, in denen dem/der
Verhörten eine Realität vorgespielt wird, in der er/sie die preiszugebenden In-
formationen freiwillig preisgeben würde. Doch auch virtuelle Folter wäre eine
mögliche Folge der Entwicklung einer solchen Technologie: Da keine echten
biologischen Schäden am Körper entstehen, ist davon auszugehen, dass ein
Mensch in VR wesentlich längerer und brutalerer Folter ausgesetzt sein
könnte, als in der echten Welt. Dass der Körper bei einer Folter in VR keine
Schäden davonträgt ist allerdings keineswegs sicher.
Auch bietet VR die optimale Plattform für Techniken wie Gaslighting, eine
nach gleichnamigem Hollywoodfilm aus 1944 benannte Methode des psychi-
10
schen Missbrauchs, bei der das Opfer letztlich an der eigenen Wahrnehmung
zweifelt. Zweifel an der Beschaffenheit der Welt ist ein wiederkehrendes Motiv
in Filmen, die VR oder VR-ähnliche Welten zeigen, wie z. B. in INCEPTION
(2010. R: CHRISTOPHER NOLAN). Trickdiebe dringen in die Träume ihrer Opfer
ein und entlocken ihnen dort den Standort geheimer Safes oder andere ver-
trauliche Informationen. Der Protagonist Dominick Cobb (Leonardo Di-
Caprio) hat dabei mit dem Schicksal seiner Frau Mal (Marion Cotillard) zu
kämpfen, die sich ihr Leben nahm, im Glauben, nicht in der echten Welt zu
sein. Solche Phänomene ließen sich sicherlich auch mit fortgeschrittener VR-
Technik beobachten: Der Verlust des Kontaktes zur Realität und ggf. der Zwei-
20
fel an der Realität können Menschen als Trauma erleben, das u. U. zu solch
dramatischen Ergebnissen wie Suizid führen könnte (ABRAMSON, 2014).
Eine mögliche Gesellschaft, in der die Implementierung solcher Technologien
zur Machtausübung realisiert wäre, hätte den Begriff „Dystopie“ wahrlich ver-
dient. Zumal die Argumentation für solche Praktiken verlockend ist: VR ist
nicht echt.
8
Ein in der VR gefolterter Mensch hätte in der Realität vermutlich
8
Implizit ist hier das Ergebnis eines jahrtausendlangen Diskurses über das Wesen der Wirk-
lichkeit zugunsten des Materialismus vorweggenommen. Ein Idealist hätte mit dieser Darstel-
lung deutliche Schwierigkeiten, denn auch wenn es nur in der VR erlebt wird – es wird von
jemandem erlebt und wäre somit Wirklichkeit.
TA in Science-Fiction-Filmen Hans Lietz
Seite 46 von 76
keine körperlichen Schäden, wenngleich davon auszugehen ist, dass er sehr
wohl psychische Folgen aus der VR hinaustragen würde.
4.3.2.2 VR als Vergnügungsraum
Während VR in MATRIX als Instrument der Unterdrückung der Menschheit ge-
braucht wird, wird es in anderen Filmen oft als Unterhaltungsmedium präsen-
tiert. So gibt es in der Welt von READY PLAYER ONE (2018. R: STEVEN SPIELBERG)
die OASIS (ONTOLOGICALLY ANTHROPOCENTRIC SENSORY IMMERSIVE SIMULA-
TION), ein künstlicher Raum, in dem Menschen sich über Charaktere in Spielen
neu erfinden und erfahren können. In THE 13TH FLOOR - BIST DU WAS DU
DENKST? (1999. The Thirteenth Floor. R: JOSEF RUSNAK) erschaffen Wissen-
10
schaftler eine künstliche, nostalgische Welt, die Menschen zum Vergnügen be-
suchen können.
Die OASIS in READY PLAYER ONE ist das ultimative Gaming-Erlebnis: Nahezu
alle Menschen verfügen über einen Zugang und wählen sich ihren Avatar
selbst. In der Titelsequenz des Films folgt die Kamera Wade Owen Watts (Tye
Sheridan), der sich durch eine graue und zugebaute Stadt manövriert, als wäre
sie ein Abenteuerspielplatz. Die Häuser sind zusammengezimmerte Schrott-
berge und bestimmen die Skyline, auch auf dem Boden häuft sich der Müll.
Neben einer Pizzalieferdrohne finden sich zahlreiche andere Gedankenspiele-
reien, auffällig sind aber die vielen Menschen, die mit VR-Brille und Hand-
20
schuhen in ihren Zimmern stehen und sich wie zufällig bewegen: Diese Men-
schen befinden sich in einer virtuellen Welt, der OASIS.
Der Hauptcharakter stellt sich in den ersten Minuten des Films selbst vor und
stellt klar: „reality is a bummer“ (READY PLAYER ONE). Und genau das wird zum
Leitmotiv für die Flucht der Menschen in die OASIS. Zwar handelt es sich hier
nicht um eine Phantomatik in Lems Sinne – das Nervensystem wird nicht di-
rekt stimuliert, sondern indirekt: Also über eine Brille und in der Luxus-Vari-
ante durch einen stimulierenden Anzug. Doch kommt die erzählte Erlebnis-
welt dieser schon recht nahe: Die Menschen vergessen sich in der OASIS und
verlieren den Bezug zur wirklichen Welt. Allerdings scheint für sie zu allen Zei-
30
ten die Möglichkeit gegeben, die wirkliche von der virtuellen Welt unterschei-
den zu können.
TA in Science-Fiction-Filmen Hans Lietz
Seite 47 von 76
Die Gesellschaft in READY PLAYER ONE ist eine gescheiterte, „After people
stopped trying to fix problems.“ (READY PLAYER ONE), wie Wade im Intro mit-
teilt. VR ist in dieser Welt eine willkommene Technik zur Wirklichkeitsflucht
– und das scheint auch die zentrale, technikphilosophisch interessante, The-
matik zu sein. Die im Film portraitierte Gesellschaft hat aufgehört, sich um
ihre Probleme zu kümmern und hat sich stattdessen in eine virtuelle Welt ge-
flüchtet, ein Paradies mit neuen Regeln und nahezu unbegrenzten Ressourcen.
Nicht nur der Avatar ist nur durch die eigene Fantasie begrenzt – alles scheint
hier möglich. Es ist verständlich, dass ein Großteil der Menschen sich ange-
sichts der prekären Umstände der realen Welt in eine solche Wunschwelt
10
flüchten. Doch hier besteht auch die Gefahr: Eskapismus wird mit VR so ein-
fach und verlockend wie nie. Dieser ist nicht zwangsläufig negativ: Der Psy-
chologe Frode Stenseng stellte in seinen Forschungsarbeiten zu diesem Phä-
nomen ein zweidimensionales Verständnis vor, das sowohl „self-suppresion“,
als auch „self-expansion“ als mögliche Dimensionen von Eskapismus enthält
(STENSENG, RISE UND KRAFT, 2012, S. 19). Erstere beschreibe dabei die sich ne-
gativ auf das Wohlbefinden auswirkende Komponente der Unterdrückung un-
angenehmer Gedanken und Verpflichtungen, die zweite dagegen die sich eher
positiv Auswirkende Komponente der horizonterweiternden Tätigkeit (STEN-
SENG, RISE UND KRAFT, 2012, S. 35). Aus VR wird eine Steigerung von Eskapis-
20
mus folgen, bei denen die Gesellschaft dann mit beiden Dimensionen wird um-
gehen müssen.
Den Bezug zur wirklichen Welt zu verlieren scheint zumindest intuitiv etwas
Schlechtes zu sein, da der Realität meist ein intrinsischer Wert zugesprochen
wird. Doch hier scheiden sich die Geister: In MATRIX etwa entscheidet sich der
um die Beschaffenheit der Simulation wissende Cypher (Joseph Peter Pantoli-
ano), sein Wissen aufzugeben und stattdessen lieber ein falsches, aber ange-
nehmeres Leben zu führen.
TA in Science-Fiction-Filmen Hans Lietz
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Das zweite angebrachte Argument ist der Verlust von Sinneseindrücken. So
sagt James Donovan Halliday (Mark Rylance), der Schöpfer
9
der OASIS, im Fi-
nale des Films selbst: „as terrifying and painful as reality can be, it’s also the
on… the only place that you can get a decent meal. Because reality is real“
(READY PLAYER ONE).
Damit knüpft Spielberg den Wert der Realität an sinnliche Erfahrungen. Das
Geschmackserlebnis einer guten Mahlzeit lässt sich offenbar in der OASIS nicht
reproduzieren. Diese Verknüpfung von Sinneserfahrung und Realität ist aller-
dings genau der Punkt, der durch VR aufgeweicht wird – in einer immersiven
VR (oder Phantomatik) kann man durchaus ein gutes Mahl zu sich nehmen.
10
Interessanterweise wird auch genau das zum Motiv für die Rückkehr von Cy-
pher in die MATRIX:
Cypher und Mr. Smith sitzen in einem Restaurant, Cypher schneidet einen mit
Petersilie dekoriertes Steak.
MR. SMITH: “Do we have a deal Mr. Reagan?” CYPHER: “You know… I know
this steak doesn’t exist. I know that when I put it in my mouth the Matrix is telling
my brain that it is juicy and delicious. After nine years, you know what I realize?
Er nimmt einen Bissen und seufzt genussvoll. CYPHER: “Ignorance is bliss.” Eine
Harfe spielt und ein Kellner schenkt Wein nach. MR. SMITH: “Then we have a
deal.”
20
Szene aus MATRIX (1999. The Matrix. R: LANA WACHOWSKI und LILLY
WACHOWSKI).
Allerdings handelt es sich bei der Matrix auch um eine deutlich immersivere
Form der virtuellen Realität, die keine menschliche Wartung oder Arbeit be-
nötigt. Die OASIS dagegen ist auf menschliche Arbeit angewiesen. Eine Prüfung
9
Eine Gottesanspielung erscheint an dieser Stelle durchaus rechtfertigbar, hat Halliday
schließlich eine gigantische Welt erschaffen, in denen ein Großteil der Menschen nun viel Zeit
verbringt. Auch im Film stellt sich Halliday selbst auf diese Weise dar: Halliday ist in der OASIS
nicht nur allwissend und allmächtig, sondern auch allgütig. Gleichzeitig inszeniert er sich zu
Beginn des Films als Gestalt, die an die Gottesvostellungen der Antike erinnert. In der Figur
des Hallidays lässt sich der Regisseur Steven Spielberg erkennen, der auf diese Weise von sich
selbst erzählt. Mit „I build worlds“ bezieht sich Halliday auf die OASIS, Spielberg verweist durch
diese Aussage aber auf sein eigenes, einflussreiches Filmimperium.
TA in Science-Fiction-Filmen Hans Lietz
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ergibt, dass eine Realitätsflucht in die OASIS eben nicht bedingungslos und für
alle Menschen gleichermaßen funktionieren würde:
„Eine Zivilisation, die sich in zwei Teile aufspalten würde – diejenigen, die das
Programm ausstrahlen, und diejenigen, die es am Fernseher empfangen – könnte
genausowenig [wie die Phantomatik] existieren. Die Phantomatik ist somit mög-
lich, ja sogar wahrscheinlich – als eine Unterhaltungstechnik, nicht aber als ein
Weg, bei dessen Beschreiten die Gesellschaft sich so weit von der realen Welt löst,
daß sie sich in der schon erwähnten Weise »abkapselt«.“ (LEM, 1978, S. 345)
Eine Welt, in der ausnahmslos alle Menschen in einer VR leben, erscheint
nicht plausibel, denn die VR muss auf irgendeine Art und Weise produziert
10
und gewartet werden. Die Idee, Roboter oder Computer könnten diese Arbeit
vollführen, ist nicht per se unplausibel. Die Grundbedürfnisse der Menschen
müssen erfüllt werden: Auch wenn dem Körper Sinneseindrücke vorgespielt
werden, braucht er dennoch Nahrung, muss sich erleichtern und bewegen.
MATRIX hat auch dieses Problem durch einen Nahrungskanal und eine Nähr-
suppe, in der die Menschen liegen, gelöst – doch kommen nun so viele bis dato
unrealisierte Prämissen zusammen, dass die Vorstellung der Realisierung ei-
ner Welt, wie sie in MATRIX portraitiert wird, immer unwahrscheinlicher wird.
Auch ist unklar ob eine VR das Bedürfnis nach menschlichem Kontakt ersetzen
kann. Insofern kann man Lems Argument durchaus zustimmen, dass VR vor
20
allem in der zeitlich begrenzten Nutzung eine Rolle spielen wird, eine kom-
plette Abkapselung aber unwahrscheinlich ist. Dass sie in der Unterhaltungs-
branche Fuß fasst ist schon jetzt deutlich zu erkennen: Neben zahlreichen
VR-Gadgets und Spielereien existieren bereits virtuelle Welten wie Second Life
oder World of Warcraft, die – bis auf die noch sehr rudimentäre Rückkopp-
lung zwischen Mensch und Virtualität – sowohl in Funktionalität als auch in
Beliebtheit durchaus mit der OASIS vergleichbar sind. Allerdings wird VR nicht
nur in der Unterhaltungsindustrie einen Nutzen finden, sondern auch im mi-
litärischen und ggf. im wissenschaftlichen Sektor. Die Möglichkeit der Beein-
flussung menschlicher Gemütslagen – etwa bei der Behandlung von Depressi-
30
onen – wird bereits medizinisch genutzt, z. . durch Computer-Simulationen
oder PC-Spiele (KÜHN u. a., 2018).
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4.3.2.3 Cerebromatik
GAMER (2009. R: MARK NEVELDINE und BRIAN TAYLOR) und SURROGATES -
MEIN ZWEITES ICH (2009. Surrogates. R: JONATHAN MOSTOW) präsentieren
eine andere Art der Virtualität, die über eine Technik funktioniert, die Lem als
„Cerebromatik“ (LEM, 1978, S. 354) bezeichnet. Dabei spielt er mit dem Ge-
danken, „die zerebralen Prozesse und damit die Zustände des Bewußtseins un-
ter Umgehung der normalen, also der biologisch entstandenen Zugangswege
zu beeinflussen.“ (ebd.) Gamer und Surrogates präsentieren auf verschiedene
Arten ähnliche Technik: Eine Verbindung zwischen einem sendenden Körper
und einem empfangendem. Das Leib-Seele-Problem wird in diesen Filmen
10
nicht behandelt, muss allerdings als gelöst vorausgesetzt werden: Eine Tech-
nik wie die in diesen Filmen präsentierte setzt voraus, dass es einen Geist gibt,
der einen von diesem Geist unabhängigen Körper steuert. In gewisser Weise
stellen die Filme die Frage, wie es ist, ein anderer Mensch zu sein. In dieser
Formulierung ist die Analogie zu Thomas Nagel Physikalismus-Kritik in „What
is it like to be a bat?“ offensichtlich, in der er argumentiert, eine empirische
Theorie könne Qualia nicht korrekt abbilden. An dieser Stelle kann und soll
aber keine ausführliche Debatte über das Leib-Seele-Problem geführt werden,
vielmehr liegt der Fokus auf der Technikfolgenabschätzung. Im Folgenden soll
also angenommen werden, dass eine solche Technik existieren könnte, dabei
20
wird die philosophische Tragweite, die die Entwicklung einer solchen Technik
hätte, allerdings zugunsten einer gesamtgesellschaftlichen Analyse außer Acht
gelassen.
GAMER zeichnet eine dystopische Welt, in der die Menschheit ihren Trieben
nach Gewalt und Perversion frei nachkommt. Dominiert wird die Geschichte
von einem modernen Gladiatorenkampf: Sträflinge treten in einem tödlichen
Spiel gegeneinander an und wer nach 30 Runden noch lebt, wird begnadigt.
Die Sträflinge sind während der Kämpfe aber nicht selbst aktiv, sondern wer-
den über ein Computerinterface von Spielern gesteuert. Gleichzeitig existiert
eine Vergnügungswelt, in der einige Menschen ihre Körper als Wirte für an-
30
dere zur Verfügung stellen – eine moderne Art der Prostitution.
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Gesetzt den Fall diese Technik würde existieren, erscheint diese Vision nicht
unmöglich. Allerdings setzt ein solches Szenario eine gescheiterte und verrohte
Gesellschaft voraus: Die Realisierung solcher Szenarien ist in der Bundesre-
publik nicht denkbar. Einerseits verstoßen sie klar gegen das Grundgesetz, an-
dererseits ist davon auszugehen, dass unsere Gesellschaft schon die Versuche
ähnlicher Praktiken ächten und verbieten würde. Hier handelt es sich um eine
Technik, die offenbar die Würde des Menschen berührt – selbst wenn dieser
sich freiwillig als Host hingibt.
Komplizierter wird dies bei der Technik, die in SURROGATES - MEIN ZWEITES ICH
präsentiert wird. Auch hier steuert der Mensch über ein Interface einen frem-
10
den Körper – allerdings wird nicht ein anderer Mensch gesteuert, sondern ein
Android. Grenzenlos leben verspricht das Unternehmen, das die Androiden
zur Verfügung stellt, die von allen Menschen genutzt werden. Diese Technik
ist deutlich plausibler, schon jetzt gibt es Prothesen, die direkt mit Nerven-
strängen verknüpft werden. So hat ein Proband, der einen Arm verloren hat,
tatsächlich schon das Vibrieren eines Mobiltelefons mit einem künstlichen
Arm wahrgenommen (EGGER, 2010). Eine solche Prothese findet sich auch in
I, ROBOT wieder, der Protagonist verlor seinen Arm bei einem Autounfall und
lebt mit einem künstlichen Arm, der deutlich stärker als sein normaler Arm
ist. Hier lässt sich schon erkennen, dass cerebromatische Technik nicht nur als
20
Ersatz für Gliedmaßen genutzt würde, sondern auch, um die Funktionalität
des menschlichen Körpers zu erweitern und zu verändern: Somit wäre die Ce-
rebromatik die Grundlage für die Erschaffung von Cyborgs, künstlich verbes-
serten und veränderten Menschen. Es lassen sich durchaus nützliche Anwen-
dungen vorstellen: Etwa im Bau, in der Altenpflege oder in anderen, körperlich
stark belastenden Berufen. Allerdings wird solche Technik im Science-Fiction-
Kontext meist im Zusammenhang mit Waffentechnik und Militär präsentiert.
4.3.3 Das Designerbaby
Normalgeborene Menschen heißen in der Zukunftsgesellschaft von GATTACA
entgegen ihres niederen Standes Gotteskinder, ihnen ist die Teilhabe am nor-
30
malen gesellschaftlichen Leben weitestgehend versperrt. Dieses wird domi-
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niert von jenen Menschen, die in vitro gezeugt und genetisch selektiert wur-
den; dadurch haben sie meist wünschenswertere Eigenschaften als Normalge-
borene: Sie sind gesünder, intelligenter und eignen sich somit, so wird es er-
zählt, besser für gehobenere Aufgaben – für Normalgeborene bleibt somit nur
niedere und schlecht bezahlte Arbeit.
Die gezeichnete dystopische Gesellschaft folgt durchaus schlüssigen Argumen-
ten und es fällt dem Zuschauer schwer, die Regeln der Gesellschaft vernünftig
zu kritisieren – obgleich sie der normativen Intuition der meisten Menschen
stark widersprechen dürften. Zugleich ist eine derartige Entwicklung der
Menschheit durchaus vorstellbar: Die Herkunft eines Menschen spielt schon
10
in der heutigen Gesellschaft eine entscheidende, obgleich es Antidiskriminie-
rungsgesetze gibt. Das mit einer bestimmten Herkunft verbundene Rollenbild
kann schnell zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung werden. Wird eine wis-
senschaftsbasierte Eugenik, wie die in GATTACA präsentierte Praxis, Realität,
so könnte dies die im Film gezeigte Entmenschlichung bestimmter Bevölke-
rungsgruppen nach sich ziehen. Allerdings wird weder die Technik, die Euge-
nik realisierbar macht, noch die Praxis an sich im Film kritisiert: Der Film ist
ein anthropologisches Statement der Filmemacher*innen.
„GATTACA does not deny the importance of genes, nor does it fault the technol-
ogy itself; rather, the film warns of the problems that arise if we believe that hu-
20
mans are nothing more than their genes.“ (KIRBY, 2000, S. 198)
Auf diese Weise beteiligen sich die Filmemacher*innen am philosophisch-
anthropologischen Diskurs. GATTACA kann als Gegenbeispiel zur biologisch-
deterministischen These, der Mensch konstituiere sich aus seinen Genen, bzw.
aus seinem Körper, verstanden werden. Denn nur so ist es möglich, dass der
Protagonist des Films, Vincent Anton Freeman (Ethan Hawke), trotz seines
nicht verbesserten Erbgutes und entgegen aller Prognosen der Ärzte in einer
Gesellschaft erfolgreich sein kann, in der ansonsten nur Menschen mit verbes-
serten Genen erfolgreich sind.
Plausibel sind die in GATTACA präsentierten Technikfolgen zu einem gewissen
30
Grad durchaus: Bereits heute ist es gängige Praxis, bei künstlichen Befruch-
tungen die Eizelle auf Gesundheit zu testen. Auch werden Samenspender mit
Bild in Katalogen geführt, sodass die Empfänger sich ein ihren Vorstellungen
TA in Science-Fiction-Filmen Hans Lietz
Seite 53 von 76
entsprechendes Modell aussuchen können. Ob eine solche Praxis allerdings
gesellschaftlich so dominant werden könnte, dass sie Geburten ersetzt – und
ob daraus dann die im Film dargestellte Gesellschaft die Folge wäre, ist höchst
spekulativ. Immerhin ist es denkbar – Grund genug für eine moralische De-
batte über Eugenik.
4.4 Apokalypse
Es ist durchaus auffällig, dass in nahezu allen Science-Fiction-Filmen der letz-
ten Jahre eine apokalyptische oder postapokalyptische Zukunft gezeichnet
wird. Im Gegenteil zur Apokalypse als Erlösung, wie sie in der christlichen My-
thologie erzählt wird, portraitieren postapokalyptische Szenarien meist eine
10
zerstörte und dreckige Welt (AHRENS, 2017, S. 71). Der Boom apokalyptischer
Szenarien portraitiert die Ängste und Überforderungen der Menschen im Um-
gang mit der modernen Welt. Sei es der Klimawandel, der in Filmen wie THE
DAY AFTER TOMORROW (2004. R: ROLAND EMMERICH) oder WATERWORLD
(1995. R: KEVIN REYNOLDS) zur Ursache des Endes der Zivilisation wird, die
Vermüllung der Welt, wie in WALL·E - DER LETZTE RÄUMT DIE ERDE AUF oder
READY PLAYER ONE, oder der unvorsichtige Umgang mit Gentechnik und/oder
medizinischen Entwicklungen wie in I AM LEGEND (2007. R: FRANCIS LAW-
RENCE) oder PLANET DER AFFEN (1968. Planet of the Apes. R: FRANKLIN J.
SCHAFFNER), es gibt zahlreiche unterschiedliche Apokalypse-Szenarien.
20
Susan Sontag reflektiert in ihrem Aufsatz Die Katastrophenphantasie den In-
halt vieler Science-Fiction-Filme und stellt fest, dass dieser der Bewältigung
von tatsächlichen Katastrophen entgegenstünde:
„Sie [die Filme] impfen dem Betrachter eine merkwürdige Gleichgültigkeit ge-
genüber dem Gedanken an Strahlenschäden, radioaktive Verseuchung und Zer-
störung ein […].“ (SONTAG, 2003, S. 297)
Nach Sontag ist die frequente Darstellung der Apokalypse oder Apoka-
lypse-ähnlichen Szenarien in Filmen verantwortlich für gesellschaftliche Apa-
thie im Umgang mit tatsächlichen Katastrophen. Auf diese Weise wären Sci-
ence-Fiction-Filme mitverantwortlich für mangelhafte Bewältigung von Kata-
30
strophen: Menschen hätten sich zu sehr an solche Szenarien gewöhnt, um sie
als ernsthafte Probleme wahrzunehmen.
TA in Science-Fiction-Filmen Hans Lietz
Seite 54 von 76
„Der Alptraum, der in mannigfachen Tonlagen in den Science-fiction-Filmen re-
flektiert wird, ist unserer Wirklichkeit zu nahe.“ (SONTAG, 2003, S. 298)
Diese Kritik ist an Filmemacher*innen gerichtet und kann als Aufforderung
verstanden werden, Unterhaltung und Katastrophen zu trennen. Es stimmt,
dass das Spektakel in Science-Fiction-Filmen meist großen Raum einnimmt.
Doch es gibt immer einen Rahmen, in dem das Spektakel stattfindet, der die
Auffassungen der Filmemacher*innen offenbart. Endzeitfilme projizieren
trotz ihrer pessimistischen Ausgangssituation einen versteckten Optimismus:
Die Menschheit überwindet die Apokalypse, so findet sich schließlich auch das
Motiv der Erlösung durch Zerstörung wieder (siehe auch Kapitel 2.2 ).
10
Dass das ultimative Endzeitszenario dabei nicht gezeigt wird, ist evtl. aber
auch der Tatsache zu verdanken, dass ein Film, der eine leere und tote Erde
ohne Leben oder Menschen zeigt, nicht genug Inhalt für einen Spielfilm böte:
“I understand that filmmakers, attempting to depict the future, are forced to in-
clude people – without them, the stories would be considerably duller. Maybe
that’s the truly unacceptable price of nuclear devastation: Eternal nothingness
equals eternal boredom for today’s audiences, hence a dramatic requirement of
films appears to dictate a philosophical conclusion in all science fiction films, na-
mely that in some form (however diminished and mutilated) we’ll survive.”
(MEYER, 1984, S. 33)
20
Eine Grenze des Unterhaltungsmediums ist offenbar eben jene Tatsache, dass
es unterhalten soll. Die hierfür nötige Handlung impliziert einen Handelnden
und somit wird die Darstellung einer subjektfreien, postapokalyptischen Welt
unmöglich. Damit kann Science-Fiction die endgültige Technikfolge – das
Ende der Menschheit – nicht darstellen, allerdings wird in apokalyptischen
Szenarien wie THE DAY AFTER - DER TAG DANACH der Weg dorthin gezeigt und
das Ende angedeutet. In diesem konkreten Beispiel etwa durch die Frage: „Is
anybody there? Anybody at all?“ (THE DAY AFTER - DER TAG DANACH).
4.4.1 Nukleare Apokalypse und Die Bombe
Die Debatte um nukleare Technologie und Rüstung ist wohl die in der Gesell-
30
schaft bekannteste TA-Diskussion. Die Abwürfe der Atombombe über Hiros-
hima und Nagasaki erschütterten nicht nur die Welt, sie haben auch das Kino
entscheidend beeinflusst. Die Bombe findet sich in vielen Filmen als Metapher
für die ultimative Bedrohung wieder: Etwa in MISSION: IMPOSSIBLE 6 - FALLOUT
(2018. Mission: Impossible - Fallout. R: CHRISTOPHER MCQUARRIE) oder THE
TA in Science-Fiction-Filmen Hans Lietz
Seite 55 von 76
DARK KNIGHT RISES (2012. R: CHRISTOPHER NOLAN). Die Helden müssen in die-
sen Filmen die Explosion der Bombe verhindern und auf dem Weg zahlreiche
Hindernisse überwinden. Dabei werden weder Bombe noch mögliche Folgen
meist in der nötigen Tiefe dargestellt, vielmehr verlassen sich Filmema-
cher*innen für die dramaturgische Funktion offensichtlich auf den Ruf, den
die Atombombe mit sich führt.
Gerade im kalten Krieg war die Bombe im Science-Fiction Kino omnipräsent.
DR. SELTSAM, ODER WIE ICH LERNTE, DIE BOMBE ZU LIEBEN (1964. Dr. Strange-
love or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb. R: STANLEY
KUBRICK) hätte auch „Doctor Doomsday“, „Strangelove: Nuclear Wiseman“,
10
“The Doomsday Machine” oder „Wonderful Bomb“ (KUBRICK UND CASTLE,
2016, S. 311) heißen können, der Bezug des Films zur Apokalypse wird deut-
lich. Der Film thematisiert satirisch die US-amerikanischen Strukturen, die
Atomwaffen kontrollieren sollen – aber durch eben jene Strukturen (und den
Wahnsinn der Menschen) die Kontrolle nicht halten kann. Das ikonische Bild
des Major Kong (Slim Pickens), der die Bombe jubelnd in den Abgrund reitet,
kann wohl als Warnung vor den apokalyptischen Ausmaßen, die die Atom-
bombe hat, verstanden werden. Der Mensch reitet sich auf der Atombombe
selbst in den Abgrund. Die Entscheidung, das ursprüngliche Drama in satiri-
scher Form zu erzählen, traf Kubrick wohl, da die Realität schon so komisch
20
sei, dass er für einen ernsten Film zu viel hätte streichen müssen (KUBRICK UND
CASTLE, 2016, S. 310). Die Darstellungsform rief allerdings die US-amerikani-
sche Luftwaffe auf den Plan, die auf eine einführende Richtigstellung vor dem
Film bestand (KUBRICK UND CASTLE, 2016, S. 314).
Interessant ist die Darstellung von Dr. Seltsam (Peter Sellers), der, an einen
Rollstuhl gebunden und mit einem mechanischen Arm, der regelmäßig zum
automatischen Hitlergruß in die Luft fährt, die „Vision der endgültigen Kapi-
tulation eines Menschen vor der Maschine“ (KUBRICK UND CASTLE, 2016, S.
334) darstellt. Trotz des apokalyptischen Ausgangs des Films, der, mit seiner
durch die von Vera Lynn gesungene Version von „Wir werden uns wiederse-
30
hen“ verknüpft mit den Bildern echter Atomwaffentests, etwas misanthropisch
TA in Science-Fiction-Filmen Hans Lietz
Seite 56 von 76
wirkt, versteht sich Kubrick als Fortschrittsgläubiger, wie er 1968 in einem In-
terview mit der Zeitschrift Playboy verlauten lässt:
„In the deepest sense, I believe in man’s potential and in his capacity for progress.
In Strangelove, I was dealing with the inherent irrationality in man that threatens
to destroy him: that irrationality is with us as strongly today, and must be con-
quered.” (S. Kubrick im Interview, PLAYBOY, 1968, S. 190)
Dieser Film handelt also in erster Linie vom menschlichen Umgang mit Tech-
nologie. Andere Filme haben sich intensiver mit den Auswirkungen der Atom-
bombe oder eines Atomkrieges auseinandergesetzt: KRIEGSSPIEL (1966. The
War Game. R: PETER WATKINS), WENN DER WIND WEHT (1986. When the Wind
10
Blows. R: JIMMY T. MURAKAMI) oder THE DAY AFTER - DER TAG DANACH (1983.
The Day After. R: NICHOLAS MEYER) sind prominente Beispiele dafür. In all
diesen Filmen kommt es zu Atombombenabwürfen über bewohntem Gebiet.
KRIEGSSPIEL stellt dabei sehr realistisch die möglichen Folgen für Mensch und
Gesellschaft dar: Nicht nur das aus den offiziellen Schutzmaßnahmen entste-
hende Chaos und die direkten Folgen der Explosion, wie Druck- und Hitze-
welle, Zerstörung und Tod, werden detailreich und realistisch gezeigt, auch der
danach folgende „Zusammenbruch der Zivilisation erscheint ohne den Aus-
blick auf einen romantischen Neubeginn“ (GIESEN, 1983, S. 85). Der von der
BBC produzierte Film wurde zensiert und erst zwanzig Jahre später in ausge-
20
wählten Kinos gezeigt (WATKINS, 2015).
„BRILLIANT. BUT IT MUST STAY BANNED. It is a brilliant film, a brutal film.
But I would never let any son of mine see it ... I object to this film because it is
propagandistic and negative in its approach, politically calculated in its effect.
What producer Peter Watkins has made here is not a film about The Bomb, but a
plea to ban it ... It excluded hope. In that I judge it to be irresponsible. It excluded
any reasoned argument on why we must have The Bomb.” (Daily Sketch, zitiert
nach: WATKINS, 2015)
Das hier vorgebrachte Argument gegenüber der einseitigen Darstellung von
Atomwaffen ist eine Kritik, die sich gegenüber vielen Filmen äußern lässt. Das
30
häufige Argument für Atomwaffen ist das der Friedensstiftung – denn wenn
jede Seite mit der vollständigen Auslöschung rechnen müsse, so sei die Hürde
für einen Konflikt so hoch, dass dieser nicht begonnen würde. Menschliches
Fehlverhalten wie in DR. SELTSAM, ODER WIE ICH LERNTE, DIE BOMBE ZU LIEBEN
klammert dieses Argument allerdings aus, wie Kubrick feststellt:
TA in Science-Fiction-Filmen Hans Lietz
Seite 57 von 76
„Particularly acute is the possibility of war breaking out as the result of a sudden
unanticipated flare-up in some part of the world, triggering a panic reaction and
catapulting confused and frightened men into decisions they are incapable of
making rationally. In addition, the serious threat remains that a psychotic figure
somewhere in the modern command structure could start a war, or at the very
least a limited exchange of nuclear weapons that could devastate wide areas and
cause innumerable casualties. This, of course, was the theme of Dr. Strangelove;
and I’m not entirely assured that somewhere in the Pentagon or the Red army
upper echelons there does not exist the real-life prototype of General Jack D. Rip-
per.” (S. Kubrick im Interview, PLAYBOY, 1968, S. 190)
10
Andere Kritiker dagegen lobten besonders die grafische Darstellung der Fol-
gen in ihrer Brutalität als wichtig, da sie faktisch basiert sei:
„A WARNING MASTERPIECE. It may be the most important film ever made. We
are always being told that works of art cannot change the course of history. Given
wide enough discrimination, I believe this one might ...‘The War Game’ stirred
me at a level deeper than panic or grief ... It precisely communicates one man’s
vision of disaster, and I cannot think that it is diminished as art because the vision
happens to correspond with the facts. Like Michelangelo’s ‘Last Judgement’, it
proposes itself as an authentic documentary image of the wrath to come - though
Michelangelo was working from data less capable of verification.” (Film und The-
20
aterkritiker in The Observer, zitiert nach: WATKINS, 2015)
Der Science-Fiction Film wird zum Kommunikationsmedium zur sonst eher
abstrakten Gefahr der Atombombe und des Atomkriegs, gerade die visuellen
Eindrücke sind überwältigend und können die möglichen Folgen dieser Tech-
nologie auf eine Weise kommunizieren, die anders kaum möglich wäre. Mit
starken visuellen Eindrücken arbeitet auch Regisseur Nicholas Meyer in THE
DAY AFTER - DER TAG DANACH. Das zunächst idyllisch und bunt erzählte Kansas
ist nach der ausführlich dargestellten Atomexplosion farblos und zerstört. Die
Wirkungen des Films auf das Publikum wurden während der TV-Premiere un-
tersucht, die Studie kam zu überraschenden Ergebnissen: Der Film habe die
30
Positionen der Zuschauer gegenüber der Rüstungspolitik oder der Antizipa-
tion eines Atomkriegs kaum geändert (FELDMAN UND SIGELMAN, 1985, S. 557),
dabei sei der Anteil der Veränderungen im jungen Publikum aber signifikant
höher als der im älteren (FRENCH UND VAN HOORN, 1986, S. 290). Der größte
Risikofaktor angesichts der Darstellung von nuklearem Krieg sei demzufolge
die Gleichgültigkeit des Publikums gegenüber dieser Darstellung (FRENCH UND
VAN HOORN, 1986, S. 295) – ein Argument, das klar für Sontags Befürchtung
einer durch Katastrophenfilme hervorgerufenen Apathie spricht.
TA in Science-Fiction-Filmen Hans Lietz
Seite 58 von 76
4.4.2 Krieg
In nahezu allen Science-Fiction-Filmen werden Waffen genutzt, diese sind
meist sehr futuristisch und schießen auf sehr unterschiedliche Weise leuch-
tende oder ähnlich futuristische Projektile. Die Betrachtung verschiedener
Waffentypen birgt jedoch weniger Erkenntnisse als die Beschäftigung mit dem
Diskurs über den Zusammenhang von Krieg und Science-Fiction an sich: Zahl-
reiche Philosophen und Literaturwissenschaftler haben sich mit den Wechsel-
wirkungen zwischen Science-Fiction und Krieg auseinandergesetzt. Hierbei
spielt der englische Autor und Professor I. F. Clarke oft eine wichtige Rolle:
„Clarke posed what now is taken as an incontrovertible thesis: that the literature
10
of a period, especially the popular literature, is functionally connected to the as-
sumptions and events in the world, so that the depiction of a fictional war of the
future can alert us to attitudes in the real world of the present.“ (HUNTINGTON,
2013, S. 368)
Die These, Science-Fiction-Filme bildeten den Zeitgeist der Gesellschaft ab, in
der sie entstanden sind (siehe Kapitel 2.3 ), findet ihren Ursprung bei Clarkes
Betrachtungen über den Zusammenhang von Krieg in der Fiktion und tatsäch-
lichem Krieg in seinem Aufsatz „Future-War Fiction: The First Main Phase,
1871 – 1900“ (CLARKE, 1997), in dem er zahlreiche Beispiele auflistet, wann und
wie Fiktion und tatsächliche Kriegsführung ineinander verwoben waren.
20
Kriegsführung verändert sich mit jeder neuen Technologie, wie Krieg geführt
wird, ist stark abhängig von der verfügbaren Technik. Die Veränderungen zwi-
schen dem ersten und dem zweiten Weltkrieg sind ein Beispiel dafür: Während
der erste Weltkrieg weitestgehend an Fronten ausgetragen wurde, wurde der
zweite Weltkrieg durch die starken Fortschritte in der Luftfahrtechnik über die
Fronten hinaus in die Städte getragen. Auch das Wetteifern um die Entwick-
lung der Atombombe zeigt: Der Kampf um die militärische Überlegenheit ist
ein Motor für technologische Entwicklungen. Die Idee ist dabei eine entschei-
dende Ressource (GRAY, 1994, S. 317). Ideen aus der Science-Fiction werden
militärisch geprüft und gefördert, es kommt zu Kongressen und Tagungen, an
30
denen Militärvertreter für einen Austausch auf Autoren treffen. In Belgien
etwa findet vom 1. – 3. April 2019 eine Konferenz mit dem Titel „SciFi-it‘19“
statt, die sich als „International Science Fiction Prototyping Conference“ be-
TA in Science-Fiction-Filmen Hans Lietz
Seite 59 von 76
zeichnet. Neben einigen Universitäten und Instituten findet sich auch die Mi-
litärakademie Belgiens auf der Gastgeberliste (GERIL, 2019). Dabei erkundet
Science-Fiction nicht nur die Möglichkeiten der künftigen Kriegsführung, es
entscheidet auch, welche Entwicklungen interessant sein könnten (GRAY,
1994, S. 320).
Film spielt eine besondere, aber sehr unterschiedliche Rolle. Als ressourcenin-
tensives Medium mit hohem Unterhaltungspotential lässt sich eine Symbi-
ose-Möglichkeit erkennen, die unlängst einen Namen gefunden hat: Militain-
ment, eine Zusammensetzung aus Militär und Entertainment. Durch die um-
fangreichen Ressourcen des Militärs geförderte Filmproduktionen dienen der
10
Propaganda und werden zur „Steuerung von Informationsflüssen“ (VIRCHOW,
2012, S. 211) genutzt. Das Genre wird somit u. a. auch von militärischen Akt-
euren geformt und beeinflusst. Technikfolgenabschätzung spielt in diesem
Kontext sicherlich eine andere Rolle: Oft wird in solchen Filmen der Nutzen
künftiger Militärtechnik dargestellt. Diese soll Soldaten verstärken und besser
schützen, die Kampfanzüge in EDGE OF TOMORROW (2014. Edge of Tomorrow
- Live.Die.Repeat. R: DOUG LIMAN) sind ein Beispiel dafür.
4.4.3 Ökologische Apokalypse
In den meisten jüngeren Science-Fiction-Filmen wird, wenn die Erde gezeigt
wird, eine dreckige und kaputte Welt dargestellt. In BLADE RUNNER ist die Welt
20
überzogen mit gigantischen Bauten. Begrünte Flächen – geschweige denn
Wildnis – sind dagegen nicht zu finden. In der Fortsetzung, BLADE RUNNER
2049, gibt es zumindest virtuelles Grün: In einem abgeriegelten Raum lebt Dr.
Ana Stelline (CARLA JURI), die Erinnerungskonstrukteurin, und schafft sich
dort ihre eigene Natur. Allerdings ist sie komplett abgekapselt von der Welt.
Grüne Natur sucht man ebenfalls auf der Erde in EDGE OF TOMORROW oder in
ELYSIUM vergeblich. Vorhandene Grünflächen sind stets künstlich angelegt,
die Erde ist dagegen vertrocknet und kahl. In INTERSTELLAR gewährt Nolan ei-
nen Einblick in den Grund für das Sterben der Welt:
TA in Science-Fiction-Filmen Hans Lietz
Seite 60 von 76
DONALD: „When I was a kid it felt like they made something new every day.
Some gadget or idea. Like every day was Christmas. But six billion people, just try
to imagine that. And every last one of them trying to have it all.“
Szene aus INTERSTELLAR (2014. R: CHRISTOPHER NOLAN)
Donald spricht hier zunächst den technischen Fortschritt an, der zum Zeit-
punkt des Gesprächs offenkundig zum Stillstand gekommen ist. Dieser wird
allerdings nicht als Problem identifiziert, vielmehr seien das Konsum und Glo-
balisierung. Ähnliche Darstellungen finden sich in anderen Filmen, wie z. B.
LAUTLOS IM WELTRAUM (1972. Silent Running. R: DOUGLAS TRUMBULL). Ein
Weltraumfrachter konserviert als moderne Arche Noah den letzten Rest Na-
10
tur, die auf einer synthetischen und dreckigen Erde unlängst zerstört wurde.
Dennoch soll die Crew des Frachters die Natur zerstören, um den Frachter
kommerziellen Zwecken zur Verfügung zu stellen. Astronaut Freeman Lowell
(Bruce Dern) tötet daraufhin seine Kollegen und schickt die letzte naturgefüllte
Kuppel als selbsterhaltendes Biotop zusammen mit einem Pflegeroboter ins
ungewisse All, bevor er sich selbst und die Reste des Frachters vernichtet.
Beispiele für eine Welt, in der Mensch und Natur nebeneinander existieren
können, sucht man dagegen vergeblich. Der moderne Science-Fiction Film
scheint sich mit dem Gedanken, die Welt sei nicht mehr zu retten, abgefunden
zu haben. Freilich gibt es zahlreiche Erlösungsgeschichten: Entweder erlöst
20
der Mensch die Erde durch sein Verlassen derselben, wie etwa in AFTER EARTH
(2013. R: M. NIGHT SHYAMALAN), INTERSTELLAR, OBLIVION (2013. R: JOSEPH
KOSINSKI) oder IO (2019. R: JONATHAN HELPERT), oder der Mensch wird durch
das Wiederkehren der Natur erlöst, wie in WALL·E - DER LETZTE RÄUMT DIE
ERDE AUF. Dennoch muss in all diesen Geschichten Natur zunächst sterben, ein
Weg dies zu verhindern wird nicht präsentiert.
Eine Ausnahme ist allerdings AVATAR - AUFBRUCH NACH PANDORA. Der Film er-
zählt viele Geschichten, eine davon ist die der Überwindung der Ausbeutung
der Natur durch den Menschen. Der Planet Pandora ist überzogen von urzeit-
lichen Wäldern und Tieren, die indigenen Na’vi verehren die Natur als Gott-
30
heit und leben im Einklang mit ihr. Allerdings ist der fiktive und äußerst wert-
volle Rohstoff Unobtainium in Massen vorhanden und wird von einem milita-
TA in Science-Fiction-Filmen Hans Lietz
Seite 61 von 76
risierten, menschlichen Unternehmen abgebaut. Die zu Beginn des Films dar-
gestellten Minen erinnern stark an den Braunkohleabbau: Große, braune Lö-
cher durchziehen eine sonst blühende Natur; Gigantische Maschinen graben
tiefer und tiefer, die Basis ist umringt von großen Schornsteinen, die unent-
wegt Qualm in die Natur pusten. Die Ureinwohner bekämpfen die Maschinerie
mit primitiven Mitteln und werden dabei letztlich durch einen menschlichen
Söldner, der den Wert der Natur erkennt, unterstützt. Cameron wertet durch
seine Darstellung der blühenden und vielfältigen Welt von Pandora Natur of-
fenkundig deutlich höher als Technik, die im Gegensatz zur Natur stets grau,
kühl und dreckig dargestellt wird. Er kommentiert auch technischen Fort-
10
schritt an sich: Die Na’vi sind ein Volk, das sich gegen jede Art der Entwicklung
sperrt und sich scheinbar endlos im gleichen Zustand befinden. Probleme
scheint es in dieser Welt nicht zu geben, erst mit Ankunft der Menschen ändert
sich das. Diese romantisierte Vorstellung des Lebens im Einklang mit der Na-
tur verkennt allerdings zahlreiche Faktoren: Auf Pandora scheint es keinen
Mangel an Rohstoffen zu geben, Verteilungsfragen stellen sich demnach nicht.
Auch handelt es sich bei den Na’vi um ein weitestgehend werthomogenes Volk:
Zwar gibt es hier und da kleinere Auseinandersetzungen, dennoch scheint ein
Konsens über die generelle Lebensweise und den Umgang miteinander und
mit der Natur zu herrschen. Keiner der Na’vi hat ein Bedürfnis nach Verände-
20
rung, mehr als rudimentäre Technik ist nicht nötig. Diese sehr naive Vorstel-
lung verkennt die Komplexität menschlicher Bedürfnisse und multikultureller,
globalisierter Gesellschaften. Und auch hier kann letztlich nur der technisierte
Mensch den Konflikt lösen – die Na’vi sind auf einen menschlichen Erlöser
10
angewiesen, der im Finale des Films mit menschlicher Technik gegen die ko-
lonialisierenden Menschen antritt und schließlich gewinnt.
10
Jake Sully (Sam Worthington), der hier als weißer Erlöser auftritt, verführt übrigens auch
die Prinzessin der Na’vi, bändigt den größten und gefährlichsten aller Vögel und gewinnt den
Wettstreit mit den erfahrensten einheimischen Kämpfern – so reproduziert Cameron letztlich
das Bild des zivilisierten Menschen, der dem Naturmenschen überlegen ist, obwohl er genau
das offensichtlich versucht hat zu kritisieren.
TA in Science-Fiction-Filmen Hans Lietz
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Der Wert von Natur wird in vielen Science-Fiction-Filmen kommentiert, so
auch in INTERSTELLAR:
Rom sitzt auf seinem Bett in einem Raumschiff, Cooper betritt den Raum.
ROM: “This gets to me, Cooper. This. This.” Rom schlägt auf die Raumschiff-
wand. “Millimeters of aluminum, that’s it, and then nothing… out there for milli-
ons of miles won’t kill us in seconds.” – COOPER: “You know that some of the
finest solo yachtsmen in the world don’t know how to swim? They don’t know
how. And if the go overboard, psst, they’re done. We’re explorers, Rom. This is
our boat. Here.”
Cooper gibt Rom Kopfhörer, dieser setzt sie auf. Regen, Vögel und Gewitter sind
10
zu hören. In der nächsten Einstellung ist eine sehr weite Aufnahme des Raum-
schiffs zu sehen, das dicht am Saturn vorbeifliegt – dazu erklingen weiter die Ge-
räusche und es ist sonst still.
Szene aus INTERSTELLAR (2014. R: CHRISTOPHER NOLAN)
Diese Szene zwischen Rom und Cooper thematisiert den Verlust des Kontaktes
zur Natur und wie die Menschen damit umgehen könnten. Donner, der zu Be-
unruhigung führen kann und oftmals Gefahr bedeutet, wirkt in dieser fremden
Weite vertraut und heimisch. Die Einzigartigkeit und Vielfalt der Erde soll in
solchen Momenten deutlich werden. Der Mensch wird heimatlos. Dies wird
ebenfalls im großen Finale von PASSENGERS thematisiert – als die Crew der
20
Raumfähre erwacht und ein komplett begrüntes Raumschiff vorfindet, dass
die beiden gestrandeten Passagiere geschaffen haben, die ihr gesamtes Leben
zu zweit auf diesem Schiff verbracht haben. Auch in WALL·E - DER LETZTE
RÄUMT DIE ERDE AUF ist die Pflanze der MacGuffin der Geschichte: Erst als der
Roboter EVE auf der Erde eine Pflanze entdeckt, kehrt er zum Raumschiff zu-
rück, auf das sich die Menschheit geflüchtet hat – und löst so die Rückkehr zur
Erde aus.
THE DAY AFTER TOMORROW (2004. R: ROLAND EMMERICH) ist einer der wenigen
Filme, der direkt den Klimawandel thematisiert. Allerdings ist er ein gutes Bei-
spiel für eines der Katastrophenspektakel, die Sontag kritisiert: Die wenigen
30
Stellen, an denen Emmerich versucht, Philosophie zu betreiben, sind ober-
flächlich und werden schnell durch das nächste Spektakel gigantischen Aus-
maßes abgelöst. Eine Welt nach dem Klimawandel wird in WATERWORLD
(1995. R: KEVIN REYNOLDS) präsentiert: Die Polkappen sind geschmolzen und
die Erde ist von einem riesen Ozean bedeckt, die Menschen leben auf Booten.
TA in Science-Fiction-Filmen Hans Lietz
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Der Film nutzt das Szenario, um ein Drama zu erzählen, hält sich aber sonst
mit philosophischen oder politischen Wertungen zum Klimawandel zurück.
Ähnlich ist es in den Filmen THE ROAD (2009. R: JOHN HILLCOAT) und HELL
(2011. R: TIM FEHLBAUM): Beide zeigen eine Welt nach einer Katastrophe, ohne
diese selbst darzustellen oder zu erklären.
Der gesellschaftliche Nutzen solcher apokalyptischen Filme ist einerseits ihr
umstrittener Vergnügungscharakter, andererseits gelingt es ihnen aber, gesell-
schaftliche Diskurse über Umwelt- und Naturethik anzustoßen. Meist trans-
portieren sie dabei eine holistische Idee des Wertes der Natur und stellen diese
oft im Konflikt mit Technik dar. Dennoch wird in letzter Instanz meist Technik
10
genutzt, um vorhandene Konflikte zu überwinden und die Erlösung herbeizu-
führen – so findet der Science-Fiction-Film also im Widerspruch zu sich selbst
keine klare Position.
4.4.4 De-Extinction
Als der Autor MICHAEL CRICHTON 1990 den Roman Jurassic Park verfasste,
rechnete er sicher nicht damit, dass seine Idee zunächst gleichnamigen Film
inspirieren und schließlich daraus eine Filmreihe entstehen würde, die mit JU-
RASSIC WORLD: DAS GEFALLENE KÖNIGREICH (2018. Jurassic World: Fallen
Kingdom. R: J. A. BAYONA) fast dreißig Jahre später noch kein Ende zu nehmen
scheint. Die Geschichte, die von der Wiederbelebung der Dinosaurier erzählt,
20
fasziniert die Menschen.
Auch wenn die Prämisse des Films, urzeitliche DNA könne die Zeiten überdau-
ert haben, falsch ist (ALLENTOFT u. a., 2012), so ist eine Rückzüchtung oder gar
künstliche Züchtung ausgestorbener Arten nicht unmöglich, auch das Klonen
kürzlich ausgestorbener Arten ist prinzipiell möglich (COHEN, 2014). Zahlrei-
che ethische Probleme ergeben sich aus dieser Möglichkeit: Besteht eine Ver-
pflichtung des Menschen, ausgestorbene Tierarten wiederzubeleben? Gerade,
wenn sie durch Menschenhand ausgestorben sind? Hier könnten durch Tech-
nik die Technikfolgen vergangener (und andauernder) Technik umgekehrt
TA in Science-Fiction-Filmen Hans Lietz
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werden. Darf der Mensch in solchem Ausmaß „Gott spielen“?
11
Welcher Nut-
zen für die Gesellschaft könnte aus einer solchen Praxis entstehen – und wel-
che Gefahr?
Die in JURASSIC PARK und folgenden Filmen präsentierten möglichen Folgen
einer solchen Praxis bilden nur einen Teil der antizipierbaren Folgen ab.
CRICHTON und SPIELBERG erzählen aber einen entscheidenden Punkt: Ökosys-
teme sind so verwoben und kompliziert, dass der Mensch unmöglich vorher
absehen kann, welche Auswirkungen eine solche Wiederbelebung auf die Welt
haben. Aus diesem Grund wird der Park auf einer Insel errichtet (auch, um die
wertvollen Dinosaurier zu beschützen) – von der die Tiere später aber entkom-
10
men. Neben den offensichtlichen direkten Gefahren durch den Umgang mit
deutlich größeren und stärkeren Tieren, offenbart der Film ein weiteres Prob-
lem der Wiederbelebung: Die Auswirkungen einer solchen Praxis auf existente
Tiere und Pflanzen sind verheerend und unvorhergesehen. Urzeitliche Tiere
und Pflanzen haben in kurzer Zeit die absolute Dominanz auf der Isla Nublar,
der Insel des Parks – und in den folgenden Teilen entkommen sie von der Insel
und bringen so das Ökosystem anderer Orte durcheinander.
11
Es stellt sich hier allerdings die Frage nach der Bedeutung einer solchen Aussage. Bei ge-
nauer Betrachtung ist sie nicht theologisch zu interpretieren, sondern ist eine Metapher der
Frage nach den Grenzen der Macht, die der Mensch sich (nicht) setzt. Sie findet ihren Ur-
sprung in der unzensierten Fassung des Skriptes von FRANKENSTEIN (1931. R: JAMES WHALE),
als Henry Frankenstein „Now I know what it feels like to be God!“ ausruft. Vgl. BALL, P. 2010,
"Playing God" is a meaningless, dangerous cliché.
TA in Science-Fiction-Filmen Hans Lietz
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Hammond, Malcolm und Wu sind in einem Labor und stehen um einen Tisch
voller Dinosauriereier, eines ist soeben geschlüpft.
MALCOLM: "How do you know they can’t breed?” – WU: “Because all the animals
in Jurassic Park are female. We’ve engineered them that way.” – MALCOLM: “It’s
not possible, listen, if there’s one thing the history of evolution has taught us, it’s
that life will not be contained. Life breaks free. Expands to new territories and
crashes through barriers. Painfully, perhaps even dangerously. But… there it is.”
– HAMMOND: “There it is.” – WU: “You’re implying that a group composed en-
tirely of females will… breed?” – MALCOLM: “No, I’m simply saying that life… uh,
finds a way.”
10
Szene aus JURASSIC PARK (1993. R: STEVEN SPIELBERG)
In dieser berühmten Szene fällt der Satz, der später zur Unterschrift für das
ganze Franchise werden wird: “Das Leben findet einen Weg.” – Ein einfacher
Satz, der zugleich eine starke Bedeutung hat und in diesem Kontext eine offen-
bare Mahnung an den Menschen sein sollte, im Angesicht der vielen Möglich-
keiten, die moderne Forschung bietet, demütig zu bleiben. Auch dies ist ein
Kommentar gegenüber der Fehlbarkeit der Technikfolgenabschätzung.
4.5 Expedition ins All
Kaum ein Thema wird so stark mit Science-Fiction verbunden wie das der
Raumfahrt. Seit DIE REISE ZUM MOND 67 Jahre vor der ersten Mondlandung
20
die Reise zum Erdtrabanten zum Thema eines sehr fantasievollen Kurzfilms
machte, sind stets neue Filme rund um das Thema Weltraum und Raumfahrt
entstanden. Gerade in den 1960er Jahren erfuhr das Genre durch die techni-
schen und gesellschaftlichen Entwicklungen einen Boom und etablierte sich
spätestens zu Kubricks 2001: ODYSSEE IM WELTRAUM zu einem ernstzuneh-
menden Bestandteil der Filmkultur. In den 1980er Jahren wurde der Grund-
stein für viele noch heute aktuelle Franchisen gelegt: Sowohl KRIEG DER STERNE
als auch ALIEN - DAS UNHEIMLICHE WESEN AUS EINER FREMDEN WELT (1979. A-
lien. R: RIDLEY SCOTT) erschienen, selbst der damalige JAMES BOND 007 -
MOONRAKER - STRENG GEHEIM (1979. Moonraker. R: LEWIS GILBERT) themati-
30
siert die Reise zum Mond. Doch auch in jüngster Zeit hat die Raumfahrtthe-
matik einen erneuten Aufschwung erfahren: Mit GUARDIANS OF THE GALAXY
(2014. R: JAMES GUNN) hat das riesen Franchise rund um MARVEL einen Kas-
senschlager gelandet, INTERSTELLAR gilt jetzt schon als Filmklassiker und auch
DER MARSIANER - RETTET MARK WATNEY thematisiert auf witzige und dramati-
sche Art die tatsächlich schon in der Planung befindliche Reise zum Mars. Mit
TA in Science-Fiction-Filmen Hans Lietz
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AVATAR - AUFBRUCH NACH PANDORA lockte Cameron Millionen von Besuchern
in neu eingerichtete 3D-Kinos (Sequels sind bereits in Produktion) und STAR
WARS: DAS ERWACHEN DER MACHT belebte mit einer neuen Trilogie die alte
Franchise rund um Jedi-Ritter und Todessterne neu.
So interessant und angehäuft solche und andere Science-Fiction-Filme von
philosophischen, mythischen und religiösen Motiven sind, so selten sind sie
doch für Technikfolgenabschätzungen interessant. Raumfahrt-Szenarien sind
angehäuft von Fantasien und Gedankenspielereien, nur wenige davon sind
plausibel und noch weniger sind gut durchdacht. Raumfahrt wie im STAR-
WARS oder MARVEL-Universum ist physikalisch unmöglich und auch nur sel-
10
ten auf wissenschaftlicher oder pseudowissenschaftlicher Basis dargestellt, als
dass eine vernünftige technikphilosophische Diskussion sinnvoll wäre. Es gibt
nur wenige Filme, in denen tatsächlich die Raumfahrt an sich thematisiert
wird: INTERSTELLAR, WALL·E - DER LETZTE RÄUMT DIE ERDE AUF und PASSEN-
GERS sollen im Folgenden genauer untersucht werden. Auch ELYSIUM und
2001: ODYSSEE IM WELTRAUM werden Erwähnung finden.
4.5.1 Rettung der Menschheit
Die Frage nach dem Sinn und Wert von Raumfahrt ist sowohl in der Philoso-
phie als auch in der Gesellschaft umstritten. Die Kosten für Raumfahrt sind
immens und der Gewinn hält auf den ersten Blick wenig praktischen Nutzen
20
bereit. Prominente Wissenschaftler halten jedoch stets dagegen, es gebe für
das Überleben der Menschheit auf lange Sicht keine Alternative:
❝I don't think the human race will survive the next 1,000 years, unless we spread
into space. There are too many accidents that can befall life on a single planet.
But I'm an optimist. We will reach out to the stars.❞ (Stephen Hawking im Inter-
view mit the Daily Telegraph, October 2001, zitiert nach: BBC, 2018)
Sowohl INTERSTELLAR als auch WALL·E - DER LETZTE RÄUMT DIE ERDE AUF the-
matisieren genau diesen Konflikt. In INTERSTELLAR steht die Menschheit am
Rande ihrer Existenz: Die Nahrungsmittelproduktion ist aufgrund von Fäule
so gut wie komplett zusammengebrochen und die Massen an Fäule produzie-
30
ren so viel Stickstoff, dass das Ende sauerstoffreicher Luft auf der Erde droht.
Die NASA muss im Geheimen agieren, denn die hungernde Bevölkerung
würde die vielen Ressourcen, die für die weitere Weltraumforschung benötigt
TA in Science-Fiction-Filmen Hans Lietz
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werden, nicht zur Verfügung stellen.
12
„We’re not meant to save the world.
We’re meant to leave it“, sagt Professor John Brand (Michael Caine) zu dem
Protagonisten Joseph A. Cooper (Matthew McConaughey), nachdem dieser
ihm nach seinem Weltrettungsplan fragt. Es folgt ein zweistündiges Drama, in
dem Cooper seine Kinder und die Welt zurücklässt, um eine zweite Heimat zu
finden. Es gibt zwei Pläne, die schlussendlich beide aufgehen: Plan A beinhal-
tet das Lösen einer schwierigen mathematischen Aufgabe, um ein gigantisches
Raumschiff die große Masse an Menschen von der Welt abheben zu lassen, um
auf einer Raumstation zu leben; Plan B ist eine Bevölkerungsbombe
13
beste-
hend aus tausenden befruchteten und tiefgekühlten Eiern, die einen fremden
10
Planeten bevölkern soll.
Plan A scheint aus technikphilosophischer Sicht uninteressanter als Plan B.
Die nötigen Ressourcen, um die gesamte Menschheit ins All zu schicken, wä-
ren so immens, dass auch das Lösen einer mathematischen Gleichung wenig
Abhilfe schaffen würde. Auch stellt sich die hier nicht diskutierte Frage der
Pluralität der Menschheit – es ist kaum vorstellbar, mit einer Menschheit, die
aus unzählig verschiedenen Kulturen, Weltanschauungen und Menschen be-
steht, einen Konsens über das Verlassen des Planeten zu schaffen. Ungeachtet
dessen könnte man sich vorstellen, dass all jene Menschen, die nicht gehen
möchten oder könnten, stürben – und somit die Menschheit den Planeten tat-
20
sächlich hinter sich ließe. Dieses Szenario ist gewissermaßen die Prämisse für
WALL·E - DER LETZTE RÄUMT DIE ERDE AUF.
Plan B dagegen ist nicht nur technikphilosophisch, sondern auch moralisch
höchst interessant: Eine Bevölkerungsbombe, um fremde Planeten zu beleben,
ist eine plausible Vorstellung. Die Idee besticht durch ihre Einfachheit: Es
12
Diese im Prinzip sehr antidemokratische und elitäre Grundhaltung wird im Film nicht re-
flektiert und bietet ausreichend Stoff für eine politikphilosophische Diskussion – aber nicht in
dieser Arbeit.
13
Eine andere Bedeutung des Begriffes, durch Paul R. Ehrlich geprägt, bezeichnet das Wachs-
tum der Menschheit im Angesicht begrenzter Ressourcen als „Bevölkerungsbombe“. Dies ist
hier nicht gemeint.
TA in Science-Fiction-Filmen Hans Lietz
Seite 68 von 76
muss keine große Masse transportiert werden – das erfordert viele Ressour-
cen – und der Genpool wäre dennoch divers genug, um eine gesunde Popula-
tion zu erzeugen. So könnte mit vergleichsweise geringem Ressourcenaufwand
eine Multiplanetarität geschaffen werden – also das parallele Leben der
Menschheit auf verschiedenen Planeten. Zweifellos fehlt es diesem Plan am
entscheidenden Punkt: Ein zweiter Planet, auf dem Menschen leben könnten,
wurde bis dato nicht entdeckt. Das Leben müsste sich, da die Atmosphäre den
menschlichen Anforderungen vermutlich nicht genügen würde, in verschlos-
senen Gebäuden oder Silos abspielen; Zugleich müsste es komplett erneuerbar
und eigenständig funktionieren, um unabhängig der Ressourcen der Erde zu
10
sein. Zwar sind diese Probleme prinzipiell lösbar, jedoch sind noch einige In-
novationen nötig, um sie tatsächlich in greifbare Nähe rücken zu lassen. Auch
würde eine solche Lösung zwar den Menschen als Spezies retten, nicht jedoch
die einzelnen Individuen, auch würden Sprachen, Kunst und Kultur auf solche
Weise verloren gehen.
4.5.2 Leben im All
Wie könnte sich das Leben der Menschen im Weltraum auf die Menschheit
auswirken? Welche Folgen sind sowohl für die Menschen als auch für die Ge-
sellschaft zu erwarten? Sowohl der kurzfristige als auch der längerfristige Auf-
enthalt im Weltraum kann als „Leben im All“ bezeichnet werden. So leben etwa
20
Astronauten auf dem Weg zum Mond für einige Tage im All, aber ebenfalls
jene, die ein Jahr lang auf der ISS um die Welt kreisen. Im Science-Fiction
findet man beide Varianten: In DER MARSIANER - RETTET MARK WATNEY etwa
lebt eine kleine Crew für mehrere Jahre in der Raumfähre zum Mars, genau
wie in INTERSTELLAR. In PASSENGERS werden zunächst der Mechaniker Jim
Praston (Chris Pratt) und schließlich auch die Journalistin Aurora Lane (Jen-
nifer Lawrence) gezwungen, den Rest ihres Lebens in trauter Zweisamkeit auf
einer Raumfähre zu verbringen, die auf ihrer 90-jährigen Reise durchs Weltall
durch einen Defekt Passagiere weckt. Andere Filme, wie z. B. ELYSIUM oder
WALL·E - DER LETZTE RÄUMT DIE ERDE AUF zeigen eine ganze Gesellschaft, die
30
über Generationen hinweg ein Leben auf einer Raumstation / -fähre führt.
TA in Science-Fiction-Filmen Hans Lietz
Seite 69 von 76
Welche Folgen hat das Leben im All für den Menschen und für die Gesell-
schaft? WALL·E - DER LETZTE RÄUMT DIE ERDE AUF liefert eine gleichermaßen
amüsante und beängstigende Antwort auf diese Frage. Andrew Stanton zeich-
net das Bild einer unbeweglichen, konsumgesteuerten und stumpfen Gesell-
schaft, die auf rollstuhlähnlichen Gefährten von einem Konsum in den nächs-
ten gleiten – und dabei rund um die Uhr medial bespaßt werden. Sie kommu-
nizieren nicht, bewegen sich nicht, folgen alle den gleichen Impulsen und lösen
sich nur unter widrigsten Umständen von ihren Monitoren. So ist Stantons Vi-
sion nicht zwingend als Folge des Lebens im All zu verstehen, vielmehr ist es
eine Konsum- und Kapitalismuskritik, die Technik als Grundlage der Ver-
10
stumpfung der Menschheit in den Blick nimmt. Letztlich präsentiert er Tech-
nik aber auch als die Lösung für alle Probleme: Vermenschlichte Roboter sor-
gen schließlich dafür, dass die Menschheit zur Erde zurückkehren kann.
INTERSTELLAR präsentiert gegen Ende des Films eine andere Vision des Lebens
im All. Auf großen, kreisförmigen Raumstationen sind begrünte Städte ent-
standen, die an amerikanische Vororte erinnern. Ein ähnliches Bild findet sich
in ELYSIUM: Eine große, kreisförmige und begrünte Stadt im All, die als Rück-
zugsort für die reiche Elite dient. Die kreisförmigen Strukturen sind tatsäch-
lich eine Möglichkeit, Gravitation zu simulieren – daher ist eine solche Bauart
für Stationen, die Menschen dauerhaft im Weltraum beherbergen sollen,
20
durchaus plausibel. Interessant ist, dass sämtliche Zukunftsvisionen, die ein
gutes Leben im All darstellen sollen, begrünte Stationen zeigen. Natur scheint
für die Filmemacher*innen ein Symbol für Lebensqualität zu sein (siehe dazu
auch Kapitel 4.4.2 ). Gleichzeitig wird Technik auf diese Weise zur Erlösung:
Nur, weil die Menschheit über das nötige Wissen und die nötigen Fähigkeiten
verfügt, eine Raumstation als dauerhaften Lebensraum zu bauen, gelingt die
Rettung der Menschheit.
4.5.3 Das Motiv Raumfahrt
Raumfahrt wird oft verbunden mit technischem Fortschritt und Zukunftsglau-
ben und gilt als eine der höchsten Errungenschaften der menschlichen Zivili-
30
sation. DER MARSIANER - RETTET MARK WATNEY etwa zeugt vom Fortschritts-
glauben der Filmemacher*innen: Durch ein cleveres Manöver gelingt es, einen
TA in Science-Fiction-Filmen Hans Lietz
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durch unglückliche Umstände auf dem Mars vergessenen Astronauten zu ret-
ten. Dieser muss in den Jahren, die er unvorbereitet allein auf dem Mars ist,
zurechtkommen – erfolgreich, wie sich gegen Ende herausstellt. Der Film ist
eine Zelebration der Wissenschaft und des technischen Fortschritts – denn nur
durch ausgeklügelte Tricks, viel angewandte Wissenschaft und Ingeni-
eurskunst, gelingt es Mark Watney (Matt Damon), in der lebensfeindlichen
Welt des Mars zu überleben, Kontakt zur NASA herzustellen und schließlich
die Rettungsmission zu erreichen. So stellt er, nach eindrucksvoller Analyse
seiner Lage und seiner Überlebenswahrscheinlichkeit fest:
„So, in the face of overwhelming odds, I’m left with only one option: I’m going to
10
have to science the shit out of this.”
Mark Watney in: DER MARSIANER - RETTET MARK WATNEY (2015. The Martian. R:
RIDLEY SCOTT)
Auf der Erde fiebert die vereinte Menschheit dem Ende des Dramas entgegen
und, allen Widrigkeiten zum Trotz, gelingt es ihm schließlich, die Erde zu er-
reichen. So erleben wir ihn am Ende des Films als Professor – es wird klar,
dass der Fortschritt mit Watney nicht aufhört. Er gibt sein Wissen weiter und
die Menschheit wird sich auch nach Ende des Films weiterentwickeln. So wird
Raumfahrt auch in DER MARSIANER - RETTET MARK WATNEY zum Sinnbild für
technischen Fortschritt.
20
Auch in 2001: ODYSSEE IM WELTRAUM findet sich dieses Motiv wieder: In der
berühmten Überblendung vom Tierknochen, der durch die Luft geschleudert
wird, in eine sich rotierende Raumfähre. „Indem die Metamorphose sich quasi
magisch vollzieht, wird die gesamte Geschichte gesellschaftlicher Arbeit ne-
giert“ (GIESEN, 1983, S. 104), so interpretiert Giesen diesen Schnitt.
„’Es ist einfach eine erkennbare Tatsache‘, sagte Kubrick, ’dass die gesamte Tech-
nologie des Menschen aus der Entdeckung der Werkzeug-Waffe erwuchs.‘“ (zi-
tiert nach: KUBRICK UND CASTLE, 2016, S. 461, PHILLIPS, 1999, S. 136)
Andeutungen an Nietzsches Übermenschen finden sich in der Musikwahl: Also
sprach Zarathustra (Richard Strauss) ist inspiriert von Nietzsches Erzählun-
30
gen über den Philosophen Zoroaster, der in jenen Erzählungen die These des
Übermenschen verkündet, der vom Menschen so weit entfernt sei, wie dieser
vom Affen (KUBRICK UND CASTLE, 2016, S. 461). In 2001: ODYSSEE IM WELTRAUM
TA in Science-Fiction-Filmen Hans Lietz
Seite 71 von 76
begibt sich der Mensch bei seiner Reise in den Weltraum auch auf die Suche
nach Erkenntnis, die ihm schließlich verwehrt bleibt. In den Schlusssequenzen
des Films, in denen sich Protagonist David Bowman (Keir Dullea) nach einer
abstrakten Reise durch Raum und Zeit in einem eleganten, aber sterilen Zim-
mer befindet, bricht ihm zunächst ein Kelch und schließlich stirbt er als alter
Mann. Abgelöst wird der Tod mit einem gigantischen, durch den Weltraum
schwebenden Fötus – der Wiedergeburt repräsentieren könnte. Zwar existiert
offensichtlich eine Entität, die fortschrittlicher als der Mensch ist – man
könnte also eine technikposivistische Position Kubricks vermuten – aber ob
der Mensch diesen Zustand jemals erreichen könnte, wird im Film nicht deut-
10
lich.
Kommerzieller Weltraumflug, wie er in 2001: ODYSSEE IM WELTRAUM darge-
stellt wird, ist allerdings eine plausible Vorstellung der Zukunft von Raum-
fahrt. Passenderweise flog 2001 der erste Weltraumtourist Dennis Tito zur ISS
(COLE, 2015, S. 132). Künftige Entwicklungen bleiben abzuwarten, noch sind
die Kosten für einen regulären Touristenbetrieb zu hoch. Dennoch träumen
Visionäre wie Elon Musk bereits von Kolonien auf Mond und Mars und arbei-
ten an der Umsetzung ihrer Vision (MUSK, 2017).
4.6 Reise durch die Zeit
Zeitmaschinen: ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT (1985. Back to the Future. R: ROBERT
20
ZEMECKIS) spielt mit dem Gedanken, genau wie DIE ZEITMASCHINE (1960. The
Time Machine. R: GEORGE PAL) oder TERMINATOR. An dieser Stelle kann und
soll keine Diskussion über die prinzipielle Realisierbarkeit einer Zeitmaschine
geführt werden oder wie eine solche auszusehen hätte. Auch andere Reisen
durch die Zeit sind denkbar, wie z. B. durch die Wirkung starker Gravitation
wie in INTERSTELLAR oder auch die Überbrückung von viel Zeit durch Hiberna-
tion o. ä. wie in PASSENGERS oder ALIEN - DAS UNHEIMLICHE WESEN AUS EINER
FREMDEN WELT. Reisen in die Zukunft oder Vergangenheit sind nach keiner
aktuell geltenden wissenschaftlichen Theorie unmöglich sind, auch wenn sie
zum Teil komplizierte Bedingungen voraussetzen (AL-KHALILI, 2002).
30
Zeitreisefilme erzählen von Menschen, die mit ihnen nicht vertrauten Zeiten
konfrontiert werden. Eine solche Erzählung lässt sich als Metapher für den
TA in Science-Fiction-Filmen Hans Lietz
Seite 72 von 76
Science-Fiction-Film-Schauenden verstehen, der ebenfalls mit einer fremden
Zeit konfrontiert wird: Der Zukunft. Die Zeit wird dabei häufig über Technik
erzählt – hier zeigt sich der Fortschrittsglaube der Filmemacher*innen sehr
deutlich. In der Zukunft wird sich demnach Technik weiterentwickeln und es
werden neue, fantastische Dinge entstehen. So sind beispielsweise die Andro-
iden aus TERMINATOR weit fortgeschritten und in ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT II
wird eine technisierte Welt präsentiert.
Eine mögliche Folge der Reise in die Vergangenheit sind Paradoxien. In ZU-
RÜCK IN DIE ZUKUNFT z. B. verhindert Marty McFly (Michael J. Fox) beinahe
seine eigene Geburt – doch damit hätte er auch verhindert, dass es einen Marty
10
geben würde, der in die Vergangenheit reist, und somit wäre seine Geburt wie-
derum nicht verhindert worden, etc. In anderen Filmen zeigt sich jedoch, dass
der Gang in die Vergangenheit stets Teil derselben war und sich am Gesamt-
gefüge nichts ändert: In INTERSTELLAR wirkt Cooper durch die Zeit zurück und
erklärt so die anfangs unerklärlichen Vorgänge im Zimmer von Murphy (Ma-
ckenzie Foy), er schickt sich sogar selbst auf die Reise. Die hier präsentierte
Welt ist in sich schlüssig, auch wenn sie paradox wirkt: Da Cooper sich selbst
in den Weltraum schickt, ist er später dazu in der Lage, sich selbst in den Welt-
raum zu schicken. Paradox wird der Gedanke daran erst, wenn nach einer ers-
ten Ursache gesucht wird, die nicht aus einer gleichdimensionalen Betrach-
20
tung stammen kann – erst in einer höheren Ebene lässt sich eine Ursache fin-
den, in INTERSTELLAR sind das mysteriöse vierdimensionale Wesen, die Cooper
diese Reise ermöglichen. Paradoxien zeigen dem Filmschauenden die Grenzen
seiner kognitiven Fähigkeiten und sind so Teil einer Antwort auf die erkennt-
nistheoretische Frage über das Wesen menschlicher Erkenntnismöglichkeiten.
Die möglichen Folgen kürzerer Reisen (maximal mehrere Jahrzehnte) in die
Zukunft werden in INTERSTELLAR an mehreren Stellen deutlich, besonders aber
durch die Figur der Tochter Coopers. Murphy erlebt man in verschiedenen Sta-
dien ihres Lebens: Als kleines Mädchen (Mackenzie Foy), als erwachsene Frau
(Jessica Chastain) oder als Großmutter (Ellen Burstyn) – die Geschichte eines
30
Mädchens, das ohne ihren Vater aufwächst. Der wird am Ende seiner Reise mit
seiner Tochter konfrontiert, die nun älter ist als er und im Arm ihrer Familie –
TA in Science-Fiction-Filmen Hans Lietz
Seite 73 von 76
die Cooper unbekannt ist – im Sterben liegt. Sie verzeiht Cooper und schickt
ihn fort, dieser besinnt sich wieder auf sich und verlässt die Raumstation und
seine sterbende Tochter. Zeitreisen isolieren den Menschen von der Gesell-
schaft und er wird zum Fremden in ihr. In PASSENGERS reisen alle Passagiere
fast hundert Jahre in die Zukunft – so lange benötigt das Schiff für die Reise –
und genau das wird für Aurora (Jennifer Lawrence) zum Motiv, die Reise an-
zutreten. Sie möchte als erste Reporterin auch die Rückreise antreten und so
in ihrer ursprünglichen Heimat über die Vergangenheit berichten können. Ein
solches Szenario ist durchaus denkbar – allerdings wäre auch hier die Isolation
des*der Reisenden die Folge. Die emotionalen Implikationen einer solchen
10
zeitlichen Isolation sind dabei kaum abzuschätzen.
Längere Zeitreisen ermöglichen den Filmemacher*innen, einen Menschen als
Vertreter gegenwärtiger Anschauungen und Werte mögliche zukünftige oder
alte Gesellschaften kommentieren zu lassen. In DIE ZEITMASCHINE reist der
Wissenschaftler George (Rod Taylor) weit in die Zukunft, dabei erlebt er nicht
nur die beiden Weltkriege, sondern auch einen Atomkrieg – und beendet
schließlich seine Reise in einer paradiesischen Natur im Jahre 802.701. Dort
stellt er schließlich nicht nur den Verlust des Wissens der Menschheit fest, son-
dern wird auch zum Erlöser für die apathischen Eloi, die als Nutztiere von
Morlocks gehalten werden. Als Vertreter der Zivilisation aus dem 19. Jahrhun-
20
dert erkennt und wertet George die Gesellschaftsstruktur der Zukunft und ver-
ändert sie. Das kann als Plädoyer gegen Werteverfall gedeutet werden – alte
Werte werden in der Figur Georges konserviert und durch ihn in der Zukunft
wirksam. Das Ende technischen Fortschritts scheint für George unvorstellbar
zu sein, darum reagiert er äußerst verärgert, als bei seinem Besuch der Biblio-
thek die Bücher zu Staub zerfallen:
„What have you done? Thousands of years of building and rebuilding, creating
and re-creating so you can let it crumble to dust! A million years of sensitive men
dying for their dreams. For what? So you can swim and dance and play!”
George in DIE ZEITMASCHINE (1960. The Time Machine. R: GEORGE PAL)
30
Auch technischer Fortschritt muss einmal ein Ende finden, wie Regisseur
George Pal hier unmissverständlich kundtut. Gleichzeitig vertritt er die Auf-
fassung, wissenschaftliche Forschung gehöre zum Wesen des Menschen und
Fazit Hans Lietz
Seite 74 von 76
sei für ihn daher unverzichtbar: „You may have an economy so well developed
so that you can spend all your time studying and experimenting? Is that right?”
(DIE ZEITMASCHINE), fragt George bei einem Festmahl, dessen Ursprung ihm
niemand erklären kann.
5 Fazit
Film ist ein Medium, das zur Kommunikation verschiedener, auch philosophi-
scher, Inhalte genutzt werden kann. Auch fiktionale Werke können dabei phi-
losophische Inhalte oder Ansichten vermitteln – der Science-Fiction-Film
wird somit zum möglichen Kommunikationsmedium für Beiträge zu philoso-
phischen Diskursen. Filmemacher wie Stanley Kubrick oder Christopher No-
10
lan werden so zu Philosophen, die sich durch fiktionale Beiträge an philoso-
phischen Diskursen beteiligen und diese kommentieren. Dabei werden unter-
schiedliche Bereiche der Philosophie in den Blick genommen: Beispielsweise
Erkenntnistheorie, wie am Beispiel der Paradoxien in Zeitreisefilmen gezeigt
wurde, Anthropologie, wie in GATTACA, oder auch die verschiedenen werten-
den Kommentare zum technischen Fortschritt der Menschheit, die sich der
Technikphilosophie zuschreiben lassen.
Der Science-Fiction-Film ist bestimmten Grenzen unterworfen: Einerseits ist
er durch seinen fiktionalen Charakter an das Erzählen einer Geschichte gebun-
den, der er verpflichtet ist. Dadurch kann es zu Kompromissen gegenüber den
20
philosophischen oder anderen wissenschaftlichen Inhalten kommen, etwa der
schlechten Darstellbarkeit einer leblosen Welt. Auch können unwissenschaft-
liche oder gar falsche Bilder der Welt vermittelt werden, etwa das der Möglich-
keit riesiger Spinnen, wie in TARANTULA. Es kann vorkommen, dass philoso-
phische Themen nicht ausreichend dargestellt werden, wie das Leib-Seele-
Problem in GAMER. Auch ist es wohl wahr, dass viele Science-Fiction-Filme
primär über das Spektakel funktionieren, wie etwa THE DAY AFTER TOMORROW
oder INDEPENDENCE DAY und es ist möglich, dass durch die stete spektakuläre
Darstellung von Katastrophen sich die Einstellung der Gesellschaft gegenüber
solchen Katastrophen in eine apathische Richtung verschiebt.
30
Fazit Hans Lietz
Seite 75 von 76
Andererseits stehen dem Science-Fiction-Film Mittel zur Verfügung, die über
die Möglichkeiten eines Textes hinausgehen: Der visuelle und auditive Ein-
druck einer Sache kann (und muss) im Film vermittelt werden. Dies ist beson-
ders mit Blick auf Technikfolgenabschätzung relevant – denn im Film präsen-
tierte Technik muss gezeigt und ggf. hörbar gemacht werden. Damit müssen
die Filmemacher*innen die Frage nach Aussehen und Klang der Technik be-
antworten, auch wenn diese nicht existiert – das führt zu einer genaueren Aus-
einandersetzung mit der darzustellenden Technik. So betreiben Filmema-
cher*innen, die Science-Fiction-Filme drehen, Technikfolgenabschätzung:
Denn sie müssen sich mit den möglichen Folgen der Technik, die sie darstellen
10
wollen, auseinandersetzen.
Freilich ist hier Vorsicht geboten, denn Filmemacher*innen können der Au-
thentizität präsentierter Technik unterschiedliche Relevanz zumessen. Auch
sind Filmemacher*innen der Wissenschaftlichkeit der Abschätzung nicht der-
art verpflichtet, wie es etwa philosophische Institute sind. Doch diese Freiheit
bedeutet auch, dass Filmemacher*innen deutlich mehr Ideen und Möglichkei-
ten als philosophische Institute erforschen und darstellen können. Utopische
oder dystopische Visionen wie in A WORLD BEYOND oder METROPOLIS werden
sich in wissenschaftlichen TA genauso wenig finden wie Darstellungen über
den Kontakt zu Außerirdischen wie in ARRIVAL oder DISTRICT 9. Auch wenn
20
amouröse Beziehungen zwischen Mensch und Maschine im TAB schon ein
Thema waren (FERDINAND UND JETZKE, 2017), in ihrer Gänze durchgespielt wie
in HER haben die Philosophen, die diesen Film in ihrer Arbeit sogar diskutie-
ren, nicht. Eine Gesellschaft, die sich in VR flüchtet oder eine, die moderne
Eugenik betreibt, kann in fiktionalen Werken wie READY PLAYER ONE oder GAT-
TACA grenzenloser erzählt werden, als im Arbeitsbericht eines Institutes. Auch
apokalyptische Szenarien wie in THE DAY AFTER - DER TAG DANACH werden im
Film detailreich, oft spektakulär inszeniert – genau wie Expeditionen ins All,
etwa in INTERSTELLAR oder PASSENGERS, oder Reisen durch die Zeit wie in DIE
ZEITMASCHINE. Die Freiheit von wissenschaftlichen Vorgaben und Anforderun-
30
gen ermöglicht dem Science-Fiction-Film eine breitere und weitere Explora-
tion möglicher Zukünfte, damit spielt er auch im Bereich der TA eine beson-
dere Rolle: Er erkundet mögliche Ideen und Gefahren, ohne dabei in der Weise
Fazit Hans Lietz
Seite 76 von 76
an Erkenntnisse aus der Gegenwart gebunden zu sein, wie es die wissenschaft-
liche TA ist.
Der Science-Fiction-Film erzählt auch über Emotionen mögliche Technikfol-
gen, das ist ein weiterer Unterschied zur wissenschaftlich betriebenen TA. Die
im Film präsentierten Zukunftsentwürfe werden durch Filmemacher*innen
und Zuschauer*innen gewertet. Dabei kann, besonders nach populären Fil-
men, eine gesellschaftliche Debatte über die Thematik des Films entstehen.
Auch hier liegt eine der Stärken des Mediums: Philosophische Inhalte werden
auf diese Weise in die Gesellschaft transportiert und zum Diskurs präsentiert.
Dabei sind sie an der Bildung des Zukunftsbildes der Gesellschaft beteiligt, so-
10
mit kann die Kunst die Realität verändern und beeinflussen. Insofern wirkt
sich Science-Fiction-Film nicht nur auf Technikfolgenabschätzung aus, son-
dern beeinflusst schon Technik und damit auch Technikfolgen.
Letztlich ergänzt Technikfolgenabschätzung in Science-Fiction-Filmen wis-
senschaftliche Technikfolgenabschätzung: In der Exploration diverser Ideen
und Möglichkeiten, der Inspiration, der Öffentlichkeitsarbeit und in der kon-
kreten visuellen Darstellung. Sie kann (und soll) wissenschaftliche Betrach-
tungen jedoch nicht ersetzen.
Anhang Hans Lietz
6 Anhang
Abbildung 1: Schaubild nach Hahn/Jansen
Quelle: HAHN, R.M., JANSEN, V. 1992, Lexikon des Science-fiction-Films. 1500 Filme von 1902 bis heute.
Neuausg., 5. Aufl., 1. Ausg. dieser Aufl. München: Heyne, S. 16–17
Anhang Hans Lietz
7 Literatur
7.1 Gedruckte Quellen
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Journal of Tourism Futures. 1/2015, H: 2, S. 131-140.
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201/1998, H: 8, S. 1043.
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ENGELS, H. 2004: "Nehmen wir an …". Das Gedankenexperiment in didakti-
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FERDINAND, JAN-PETER; JETZKE, TOBIAS 2017: Voice Computing – allgegen-
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folgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag. 2017, H: 15.
GIESEN, R. 1983: Der phantastische Film. Ebersberg/Obb.: Edition Achtein-
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POLITISCHE BILDUNG (Hg.). Technik, Folgen, Abschätzung. Bonn, S. 17-
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HAHN, R.M., JANSEN, V. 1992: Lexikon des Science-fiction-Films. 1500 Filme
von 1902 bis heute. Neuausg., 5. Aufl., 1. Ausg. dieser Aufl. München: Heyne.
HELLMANN, C. 1983: Der Science-Fiction-Film. Orig.-Ausg. München: Heyne.
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