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Landschaft im Wandel 2 – Kulturlandschaft im Spannungsfeld von Natur und Wirtschaft PdN-BioS 2/56. Jg. 2007
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1 ❙Einleitung
●Weit verbreitet ist die Meinung, dass
Industrieflächen – und selbst brach gefallene
Gelände – eher problematische Standorte
für Pflanzen darstellen: Schlagworte wie
Schwermetallbelastung oder Bodenkonta-
mination durch komplexe organische Ver-
bindungen lassen Nichtkundige oft daran
zweifeln, dass auf solchen Flächen außer
Allerwelts-„Un“Kräutern überhaupt etwas
dauerhaft wachsen kann.
Dass eine derartige Meinung nicht mehr als
ein Gerücht ist, belegen die umfangreichen
Studien zum Thema der industrietypischen
Flora und Vegetation, wobei im Fokus der
Untersuchungen insbesondere das Ruhr-
gebiet steht [z.B. 1, 2, 3, 4]. Nach dem
weitgehenden Rückzug von Bergbau und
Schwerindustrie (Eisen- und Stahlindustrie)
gibt es hier ausgedehnte Brachflächen
(< 10.000 ha), die überwiegend mittel- bis
langfristig in keine wirtschaftlich darstell-
bare Nutzung überführt werden können.
Hieraus leiten sich neue Chancen für eine
aus Sicht der Naherholung und des Biotop-
und Artenschutzes veränderte Flächennut-
zung ab.
Insbesondere für Flora und Vegetation stel-
len diese Brachflächen einen wertvollen Le-
bensraum dar, da hier oftmals kleinsträu-
mig unterschiedliche Wachstumsbedin-
gungen und Sukzessionsstadien nebenein-
ander existieren, wodurch z. T. beachtliche
Artenzahlen und Pflanzengesellschaften zu
beobachten sind. Viele der Arten, die in der
frühen Phase des Brachfallens solche Flä-
chen besiedeln, profitieren von den noch
offenen, meist nährstoffarmen Flächen, wie
sie in der bäuerlichen Kulturlandschaft
weitestgehend verschwunden sind. So ist
es nicht verwunderlich, dass sich hier eine
Vielzahl von Arten nachweisen lässt, die in
den Roten Listen der gefährdeten Tier- und
Pflanzenarten geführt werden. Besonders
interessant scheinen solche noch offenen
Flächen mit sehr jungen Sukzessionssta-
dien für Wärme liebende Tier- und Pflanzen-
arten zu sein, da gerade die „dunklen“ Sub-
strate wie Bergematerial und Schlacken oft
Bodentemperaturen in den Sommermona-
ten von über 60°C erreichen. Hiervon pro-
fitieren oftmals gebietsfremde Pflanzenar-
ten, die ähnliche Wuchsbedingungen aus
ihren Heimatarealen gewohnt sind, wie
z. B. Arten aus dem Mittelmeerraum (ein
typischer Vertreter ist der Klebrige Alant,
Dittrichia oder Inula graveolens, s. Informa-
tionsblatt 3; die Benennung der Arten im
vorliegenden Beitrag orientiert sich an [6]).
Mit fortschreitender Sukzession nehmen
zunächst Hochstauden und ausdauernde
Gräser (wie z. B. Goldruten: Solidago gigan-
tea (serotinoides), S. „canadensis“ (anthro-
pogena) oder das Land-Reitgras: Calama-
grostis epigejos) das Bild ein, diese werden
jedoch nach einigen Jahren von Gehölzen
(Sommerflieder: Buddleja davidii, verschie-
denen Weidenarten wie vor allem Salix alba,
S. caprea und schließlich Hänge-Birken, Be-
tula pendula) verdrängt.
Nachfolgend werden die charakteris-
tischen Standort- und Wachstumsbedin-
gungen auf Industriebrachen des Ruhr-
gebietes erörtert und die wichtigsten Suk-
zessionsstadien mit ihren typischen Pflan-
zengesellschaften und charakteristischen
Pflanzenarten vorgestellt.
2 ❙Kurze Industriegeschichte
des Ruhrgebietes
●Bereits in der vorindustriellen Phase wurde
vermutlich seit dem Mittelalter in kleinen
Tagebauen und in horizontalen Stollen vor-
nehmlich im Ruhrtal und seinen Seiten-
tälern Steinkohle abgebaut. Hauptenergie-
lieferant war die Wasserkraft der Ruhr und
ihrer Seitenbäche, die zahlreiche Korn-,
Öl-, Walk- und Lohmühlen antrieb. Mit dem
Einsatz der ersten Dampfmaschinen und
der Erschließung des Ruhrgebiets durch die
Eisenbahn beginnt ab ca. 1840 die Indus-
Auf lebendigen Brachen
unter extremen Bedingungen
Industrietypische Flora und Vegetation des Ruhrgebietes
P. Keil, R. Fuchs und G. H. Loos
Abb. 1. Typische Industriebrache mit Gebäuderesten, Sinteranlage in Duisburg
(Foto: BSWR)
Abb. 2. Primäres Sukzessionsstadium einer typischen Industriebrache in
Oberhausen (Foto: M. Tomec)
Landschaft im Wandel 2 – Kulturlandschaft im Spannungsfeld von Natur und Wirtschaft 21
PdN-BioS 2/56. Jg. 2007
trialisierung. Durch die nun nutzbare ver-
besserte Technik gelingt das vertikale Ab-
teufen der Schächte in größere Tiefen. Nun
beginnt mit dem Durchstoß durch die tief-
liegende Mergelschicht das Vorrücken des
Bergbaus in die Emscherregion. Zeitgleich
setzt mit der groß dimensionierten Ver-
hüttung von Eisen das Zeitalter der Schwer-
industrie ein. Mit der Kohle- und Stahlkrise
in der Nachkriegszeit des 20. Jahrhunderts
schließen zahlreiche Zechen und Stahlwerke.
Einige der Flächen finden durch den einset-
zenden Strukturwandel im Ruhrgebiet eine
Wiederverwertung. Hier entstehen Gewer-
beansiedlungen, Wohngebiete oder große
Einkaufszentren (Rhein-Ruhr-Zentrum in
Mülheim an der Ruhr, CentrO. in Oberhau-
sen). Im Rahmen der in den 1990er Jahren
durchgeführten Internationalen Bauaus-
stellung (IBA Emscher Park) lassen sich auf
einigen Flächen Parkideen verwirklichen,
die im Konzept die Industriekulisse und die
Brachflächenvegetation aufgreifen und so
eine neue Parkform, den Industriepark
schaffen (z.B. Landschaftspark Duisburg-
Nord, Zeche Zollverein in Essen oder Zeche
Hansa in Dortmund; als Ruhrgebietsüber-
sicht s. Abb. 2 im Beitrag von Gausmann et
al. in diesem Heft [2]).
3 ❚Industriebrachen als Lebensraum
für Pflanzen
3.1 Lebensbedingungen
und Lebensstrategien
Industriebrachen haben allesamt gemein-
sam, dass sich die Böden mehr oder weni-
ger ausschließlich aus technogenen Sub-
straten zusammensetzen. Natürliche bzw.
naturnahe Böden fehlen vollständig. Als
Ausgangssubstrate liegen je nach Indus-
trietyp (Zeche, Kokerei, Eisenhütte, Che-
miewerk u. a.) Bergematerial, Kohlenreste,
Schlacken, Stäube, unterschiedliche Schot-
ter oder auch Bauschutt vor. Da diese Sub-
strate unterschiedliche physikalische und
chemische Eigenschaften haben, wechseln
so kleinsträumig nebeneinander oder von
Industriebrache zu Industriebrache die
Wuchsbedingungen für Pflanzen (s. Tab. 1).
Diese „Standortdiversität“ ist typisch für
die Brachen und oftmals auch ein Grund für
die hohe Artenvielfalt.
Während z. B. Hochofenschlacken der Ei-
senverhüttung, verschiedene Aschen, Bau-
schutt und Kalkschotter hohe pH-Werte
aufweisen, die deutlich im alkalischen Be-
reich liegen, weist verwittertes Bergemate-
rial einen sehr niedrigen pH-Wert auf, der
das stark saure Milieu anzeigt. Unterschiede
liegen auch im Wasserspeichervermögen,
in der Nährstoffversorgung, im Wärme-
speichervermögen und in der Toxizität, die
von Altlasten ausgehen kann. Da alle diese
Faktoren direkten Einfluss auf das Pflanzen-
wachstum haben, bilden sie die Rahmen-
bedingungen für das Pflanzenleben auf
Industrieflächen (s. auch Tab. 1). Insbeson-
dere die Erstbesiedlung dieser technoge-
nen Substrate bereitet den meisten einhei-
mischen Pflanzenarten große Schwierig-
keiten. Extreme Nährstoffarmut bei noch
fehlender Humusauflage, extreme Boden-
temperatur bei dunklen Substraten (in den
Sommermonaten an Sonnentagen > 60 °C),
extreme Wasserarmut durch die oft poröse
oder großkörnige Struktur der Substrate
oder ein extremer Wechsel zwischen tro-
ckenen Wuchsbedingungen und nach
einem kräftigen Niederschlagsereignis oft
tagelange Überstauung durch Pfützenbil-
dung über dem verdichteten Material, las-
sen eine Erstbesiedlung nur durch Spezia-
listen, in der Regel gebietsfremde Pionier-
arten, zu. Die Eigenschaften, um solche ex-
tremen Lebensräume zu besiedeln, bringen
die Pflanzen aus ihrem Heimatareal (z.B.
dem Mittelmeergebiet) mit, wo sie unter
natürlichen Bedingungen ähnlich schwie-
rige Wuchsbedingungen meistern müssen.
So kann ein Verdunstungsschutz durch
ausgeprägte Wachsüberzüge (verdickte
Cuticula), starke und dichte Behaarung
(zur Reflexion von Strahlung), Reduktion
der Blattoberfläche durch Einrollen der
Blätter oder Ausbildung extrem schmaler
Blätter sowie durch Bildung von Polstern
gewährleistet werden. Eine Alternative
hierzu ist die Ausbildung von Wasserspei-
chergewebe, wodurch die betroffenen
Pflanzenteile verdickt sind (Sukkulenz).
Auch kann das Wurzelsystem weitläufig
sein, um so in Kapillaren des Bodens ein-
zudringen. Auf diese Weise kann zudem
eine günstigere Nährstoffversorgung be-
werkstelligt werden. Die einjährige Le-
bensweise bei vielen Pionierarten be-
schränkt die Vegetationsperiode nahezu
auf die klimatisch günstigeren Monate. Als
Anpassung gegen Überstauung weisen
einige Pflanzen stark zerteilte Blätter auf,
andere besitzen Lufttransport- und -spei-
chergewebe (Aerenchyme), wie sie bei vie-
len Sumpfpflanzen typisch sind, die an
regelmäßig überfluteten Standorten ste-
hen, an denen der Gasaustausch durch
wassergefüllte Poren im Boden erschwert
ist. Tatsächlich haben einige gewöhnlich in
Feuchtgebieten wachsende Arten ausge-
rechnet die extremen Industriebrachen als
Sekundärlebensräume besiedelt (s. auch
Informationsblatt 2, z. B. Wasserdost,
Eupatorium cannabinum, Ufer-Wolfstrapp,
Lycopus europaeus oder Sumpf-Rispengras,
Poa palustris).
Beispiele für Arten mit ausgeprägten
Einrichtungen zum Verdunstungsschutz
sind Klebriger Alant (Inula graveolens) und
Unterbrochener Windhalm (Apera inter-
rupta; beide s. Informationsblatt 3), die auf
vielen Brachflächen im Ruhrgebiet auf of-
fenen Rohböden und meist in großen Be-
ständen anzutreffen sind. Neben Blüten-
pflanzen leiten vor allem Moos- und Flech-
tenarten die Primärbesiedlung ein. Als
poikilohydrische Organismen sind sie aus-
trocknungstolerant, zusätzliche Sonder-
strukturen in der Morphologie (z. B. bei
Moosen Glashaare, Polsterwuchs) erleich-
tern zudem die Besiedlung der Extrem-
standorte. Typische Beispiele sind das Horn-
Tab. 1: Übersicht über die wesentlichen Substrate auf Industriebrachen und deren Eigenschaften
in der Bewertung für die Besiedlung mit Wärme liebenden Pflanzenarten
Bewertung: ++ sehr günstig; + günstig; 0 neutral; – ungünstig; – – sehr ungünstig
Substrat Eigenschaft
pH-Wert Wasser- Nährstoff- Wärme- Toxizität
speicher- versorgung speicher-
vermögen vermögen
Schlacke + + + ++ –
Bergematerial – 0 + ++ +
Kohle – – – – – ++ +
Bauschutt ++ + – – –
Sinter + 0 + + 0
Kalkschotter ++ – – 0 + 0
Basaltschotter + – – 0 + 0
Informationsblatt 1
Landschaft im Wandel 2 – Kulturlandschaft im Spannungsfeld von Natur und Wirtschaft PdN-BioS 2/56. Jg. 2007
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Das Vegetationsprofil zeigt verschiedene Stadien der Vege-
tationsentwicklung (Sukzession), ausgehend von den Pio-
nierfluren von rechts nach links bis zu einer Vorwaldgesell-
schaft, exemplarisch an der Industriebrache „Waldteichge-
lände“ in Oberhausen (zur Lage s. Abb. 2 bei Gausmann et al.
im vorliegenden Heft, S. 28). Bei der Fläche handelt es sich
um ein ehemaliges Lager der Nationalen Steinkohlenreserve,
d. h. hier waren Steinkohlenvorräte für Notzeiten in Form ei-
ner Halde gelagert. Aufgegeben wurde diese Kohlenreserve
in den 1980er Jahren, sodass die Vegetationsentwicklung auf
dieser Brache seit etwa 20 Jahren andauert. Die jeweiligen
Stadien müssen nicht unmittelbar auseinander hervor-
gegangen sein – wie auch andere Industriebrachen eine im
Detail abweichende Entwicklung aufweisen können. Die Sta-
dien können auch mosaikartig ineinander verzahnt sein und
teilweise Übergangsbereiche aufweisen.
Die Pionierfluren sind artenreich und umfassen zahlreiche,
volle Belichtung bevorzugende Pflanzenarten, auch Flech-
ten und Moose, die vorzugsweise an offenen Stellen vor-
kommen. Die Lebensformen sind vielfältig: Von Fluren ein-
jähriger, vor allem im Frühjahr blühender Arten reicht das
Spektrum über Zweijährige (im ersten Jahr Blattrosetten,
im zweiten blühende Sprosse) zu mehr oder weniger auf
den Standort spezialisierten Stauden wie dem Schmalblät-
trigen Greiskraut (Senecio inaequidens) und auch ersten Ge-
hölzkeimlingen. Das Land-Reitgras (Calamagrostis epigejos)
bildet eine der zeitlich darauf folgenden Staudengesell-
schaften in Form von Dominanzbeständen dieser Art, die
nur von wenigen weiteren Arten (hier der Behaarten Segge,
Carex hirta) durchzogen sind. Ein ausgedehntes, fast un-
durchdringliches Gebüsch entwickelt die Armenische
Brombeere (Rubus armeniacus), die wegen ihres zweijähri-
gen Entwicklungszyklus als Scheinstrauch einzustufen ist.
Eine echte Strauchgesellschaft wird durch den Sommer-
flieder (Buddleja davidii) bestimmt, an anderen Stellen oder
sich daraus entwickelnd finden sich Strauchweiden-Pappel-
Gesellschaften, bei denen keine Art wirklich vorherrscht,
sondern sich ein Mosaik an Gehölzarten einstellt, darunter
viele Produkte spontaner Kreuzungen. Die Hänge-Birken-Sal-
Weiden-Vorwaldgesellschaft schließlich leitet die eigent-
liche Waldentwicklung ein. Auf dem Waldteichgelände er-
scheinen die ersten Stiel-Eichen (Quercus robur) in diesen
Beständen. Die Entwicklung der Industriewälder und ihre
Physiognomie sind Gegenstand des nachfolgenden Beitra-
ges (s. S. 27–29).
Eine Besonderheit des Waldteichgeländes ist das Berg-
senkungsgewässer. Derartige Gewässer sind im Ruhr-
gebiet häufig. Sie entstehen in Folge des Abbaus der Stein-
kohlenlagerstätten, die nachfolgend nicht mehr aufgefüllt
werden, wodurch das Deckgebirge nachbricht und die
oberflächennahen Bodenschichten unter den Grundwas-
serspiegel geraten. Entsprechend entstehen an der Ober-
fläche Mulden, die sich mit Grundwasser füllen und so ste-
hende Gewässer bilden.
Dominant:
Hänge-Birke
Subdominant:
Sal-Weide
Bastard-Birke
Berg-Ahorn
Robinie (meist
ursprünglich angepflanzt)
Vorhanden:
Draht-Schmiele
Selten:
Stiel-Eiche
Rot-Eiche
Gewöhnlicher Wurmfarn
Subdominant:
Hybriden der Grau- und der Sal-Weide
Korb-Weide und ihre Hybriden
Zitter-Pappel
Hybriden unter Beteiligung von
Balsam-Pappel-Arten und -Kreuzungen
Vorhanden:
Silber-Weide
Pyramiden-Pappel-Hybride
Späte Traubenkirsche
Sommer-
flieder
Pflaumen-
blatt-
Weißdorn
Hybrid-
Stauden-
knöterich
Selten:
Mahonie
Dominant:
Land-Reitgras
Vorhanden:
Behaarte
Segge
Klebriger Alant
Schmalblättr. Greis-
kraut, Geruchlose
Kamille, Graugrüner
Gänsefuß
Weißes Straußgras
Raues Straußgras
Mittleres Fingerkraut
Mäuseschwanz-
Federschwingel
Gewöhnl. Säulen-
flechte, Gewöhnl.
Becherflechte
Schlammling
Kleines Flohkraut
Gewöhnlicher
Froschlöffel
Dreiteiliger Zweizahn
Sumpfquendel
Gewöhnliche Teichsimse
Strand-Ampfer
Dominant:
Armenische
Brombeere
Querprofil durch eine typische Industriebrache im Ruhrgebiet (vgl. auch Online-Ergänzung zu diesem Profil)
WWW
Vegetationsprofil durch die Industriebrache „Waldteichgelände“
in Oberhausen (westliches Ruhrgebiet)
NE
Informationsblatt 2_Pionierpflanzen auf Industriebrachen – Herkunft und Standortansprüche
Landschaft im Wandel 2 – Kulturlandschaft im Spannungsfeld von Natur und Wirtschaft 23
PdN-BioS 2/56. Jg. 2007
Erläuterungen des Schemas
Auf Industriebrachen siedeln sich Pionierpflanzen
unterschiedlicher Herkunft an. Ein Teil der Arten
stammt aus heimischen primär-natürlichen Le-
bensräumen wie Flusskiesbänken und Feucht-
gebieten. Als Apophyten haben sie Industriege-
lände als Sekundärlebensraum besiedelt. Weitere
Arten haben zuvor andere kulturbedingte Stand-
orte besiedelt: Äcker und Siedlungen. Von hier
aus sind sie auf Industriegelände gelangt, oftmals
entlang von Bahnstrecken.
Bei den Neophyten spielen neben den einge-
schleppten und eingewanderten Arten auch aus
Gärten verwilderte Arten eine bedeutende Rolle,
wenn auch mehr in den fortgeschrittenen Stadien.
Die bevorzugten
Standortfaktoren [hier ange-
geben, wenn bedeutsam: Belichtung (offen),
Feuchtegrad (trocken), Temperatur (warm)] der
Vertreter der jeweiligen Gruppen sind in der Ab-
bildung in Kästen angeführt. Grundsätzlich han-
delt es sich um Arten offener Standorte. Vor al-
lem die eingeschleppten und eingewanderten
Neophyten sind außerdem wärme- und tro-
ckenheitsliebend.
Zur Einteilung der Pflanzen eines Gebietes nach
Indigenat und standörtlichem Vorkommen
siehe den Neophytenbeitrag von Sukopp und
Gerhardt-Dircksen in diesem Heft [5].
Farbfotos der betreffenden Arten finden sich in
der Online-Ergänzung zu diesem Artikel.
WWW
offen
trocken
(warm)
offen
trocken
(warm)
offen
trocken
(warm)
offen
offen
offen
offen
Primär-natürlicher
Lebensraum
(Salzwiese)
Primär-natürlicher
Lebensraum
(Röhricht/Feuchtgebiet)
Primär-natürlicher
Flusslebensraum
(Kiesbank/Ufer)
offen
(warm)
offen
trocken
Eingeschleppter
Neophyt aus
anderen
Kontinenten
Eingeschleppter
und
eingewanderter
Neophyt aus
anderen Teilen
Europas
Dreifinger-
Steinbrech
Salzschwaden
Kleines Flohkraut
Wasserdost Gewöhnlicher
Beifuß
Spontane Siedlungsflora
Ackerbegleitflora
Geruchlose Kamille
Klebriger Alant
Rotkelchige
Nachtkerze
Aus Gärten verwilderter NeophytPrimär-natürlicher Lebensraum
(Felsflur)
Schmalblättriges
Greiskraut
Landschaft im Wandel 2 – Kulturlandschaft im Spannungsfeld von Natur und Wirtschaft PdN-BioS 2/56. Jg. 2007
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Tab. 2: Charakteristische Industriophyten im Ruhrgebiet und ihre Herkunft
Industriophyten sind Neophyten, die im Zuge der Industrialisierung mit dem Ausbau der Verkehrswege und Umschlagplätze sowie der Expansion der Siedlungs-,
Eisenbahn- und Industriebetriebsflächen seit etwa 1840 im Ruhrgebiet angekommen sind. Die Tabelle nennt charakteristische Arten mit Schwerpunkt der Vor-
kommen auf Industriebrachen. Einige der genannten Arten sind in der Online-Ergänzung abgebildet.
WWW
Wissenschaftlicher Deutscher Name Familie Erstmals in das Ruhr- Schwerpunkt Herkunftsraum
Name gebiet gelangt als … des Vorkommens
Apera interrupta Unterbrochener Süßgräser Eingeschleppt mit Industriebrachen Südosteuropa,
Windhalm der Eisenbahn? Naher Osten,
Zentralasien
Berteroa incana Graukresse Kreuzblütler Eingewandert mit Hafen- und Osteuropa
der Eisenbahn? Bahngelände
Bromus tectorum Dach-Trespe Süßgräser Eingeschleppt mit Bahngelände, Osteuropa,
der Eisenbahn Industriebrachen Mittelmeergebiet
Buddleja davidii Sommerflieder Schmetterlings- Verwilderter Bahngelände, Ostasien
blütler Zierstrauch Industriebrachen
Bunias orientalis Orientalische Kreuzblütler Eingewandert ent- Kanalufer Ost- und
Zackenschote lang der Eisenbahn Bahngelände Südeuropa
Carduus acanthoides Weg-Distel Korbblütler Eingeschleppt mit Industriebrachen Osteuropa
Schiffsverkehr? Hafengelände
Chenopodium Australischer Gänsefußgewächse Eingeschleppt mit Industriebrachen, Australien
pumilio Gänsefuß der Eisenbahn? Rheinufer
Diplotaxis tenuifolia Schmalblättriger Kreuzblütler Eingeschleppt mit Industriebrachen, Südeuropa
Doppelsame der Eisenbahn Bahngelände Mittelmeergebiet
Inula graveolens Klebriger Alant Korbblütler Eingeschleppt Industriebrachen Mittelmeergebiet
oder eingewandert?
Erigeron annuus Einjähriges Korbblütler Eingewandert mit Bahngelände, Nordamerika
i. w. S. Berufkraut der Eisenbahn, Industriebrachen
auch verwildert
Geranium Rundblättriger Storchschnabel- Eingewandert ent- Industriebrachen, südliches
rotundifolium Storchschnabel gewächse lang der Eisenbahn? Bahngelände Mitteleuropa
Hirschfeldia incana Grau-Senf Kreuzblütler Eingeschleppt mit Industriebrachen Mittelmeergebiet
der Eisenbahn?
Hordeum jubatum Mähnen-Gerste Süßgräser Verwilderte Industriebrachen Nordamerika,
Zierpflanze? Ostasien
Isatis tinctoria Färber-Waid Kreuzblütler Eingewandert ent- Industriebrachen, Ost- und
lang der Eisenbahn Bahngelände Südeuropa
Oenothera Chicago-Nachtkerze Nachtkerzen- Eingewandert mit Industriebrachen, Nordamerika
pycnocarpa gewächse der Eisenbahn? Bahngelände
Parthenocissus Fünfblättrige Weingewächse Verwilderte Industriebrachen, Nordamerika
inserta Jungfernrebe Zierpflanze Bahngelände
Potentilla Mittleres Rosengewächse Eingewandert mit Industriebrachen Osteuropa
intermedia Fingerkraut der Eisenbahn?
Potentilla Norwegisches Rosengewächse Eingewandert mit Industriebrachen Nordost- und
norvegica Fingerkraut der Eisenbahn? Osteuropa
Sisymbrium Ungarische Rauke Kreuzblütler Eingewandert mit Bahngelände, Osteuropa
altissimum der Eisenbahn? Industriebrachen
Sisymbrium loeselii Loesels Rauke Kreuzblütler Eingewandert mit Straßenränder, Ost- und östliches
der Eisenbahn? Hafengelände etc. Mitteleuropa
Solanum Argentinischer Nachtschatten- Eingeschleppt? Industriebrachen, Südamerika
nitidibaccatum Nachtschatten gewächse Rheinufer
Verbascum Windblumen- Rachenblütler Eingewandert ent- Industriebrachen Europa (zunächst
phlomoides Königskerze i. w. S. lang der Eisenbahn in Ostwestfalen?)
Landschaft im Wandel 2 – Kulturlandschaft im Spannungsfeld von Natur und Wirtschaft 25
PdN-BioS 2/56. Jg. 2007
zahnmoos (Ceratodon p urpureus) oder ver-
schiedene Becherflechtenarten (z.B. Cla-
donia furcata, C. gracilis).
3.2 Phasen der Besiedlung
3.2.1 Pionierphase
Die Erstansiedlung von Moos- und Flechten-
arten (Abb. U4.2 Heftrückseite), insbeson-
dere auf stark verdichteten Substraten, er-
leichtert durch die in den Polstern sedimen-
tierten Feinsubstrate die Entwicklung von
Rohhumus. Die Vegetation bleibt zunächst
lückig (Abb. U4.1). Erste Bodenbildungspro-
zesse setzen ein und bilden die Grundlage für
die weitere Vegetationsentwicklung. Es fol-
gen einjährige, recht unscheinbare und nie-
drigwüchsige Arten wie Dreifinger-Stein-
brech (Saxifraga tridactylites), Hügel-Vergiss-
meinnicht (Myosotis ramosissima), Frühlings-
Hungerblümchen (Erophila verna) oder Klei-
nes Filzkraut (Filago minima). Trockene Be-
reiche, sogar Asphaltdecken, werden von
Sukkulenten wie der Weißen Fetthenne
(Sedum album) und dem Scharfen Mauer-
pfeffer (Sedum acre) besiedelt. Solche Be-
stände erinnern in ihrer Zusammensetzung
an Sandtrockenrasen (Sedo-Scleranthetea).
Schließlich folgen Gräser wie Dach-Trespe
(Bromus tectorum) sowie Unterbrochener
Windhalm (Apera interrupta) und weitere
Blütenpflanzen wie Klebriger Alant (s. oben),
Gewöhnlicher Natternkopf (Echium vulgare)
und Schmalblättriges Greiskraut (Senecio
inaequidens; beide in Informationsblatt 3),
die den Übergang zur Hochstaudenphase
einleiten (Abb. U4.3 und 5).
3.2.2 Hochstaudenphase
Nach einigen Jahren gelangen ausdauernde
(mehrjährige) Hochstauden zur Dominanz
innerhalb der immer noch krautigen Vege-
tation, die dadurch deutlich artenärmer
wird. Hier treten häufig Dominanzbestände
von gebietsfremden Arten wie die beiden
nordamerikanischen Goldrutenarten (Soli-
dago gigantea u. S. „canadensis“), diverse
Nachtkerzen (Oenothera spp.) oder Flügel-
knöteriche (Fallopia spp.) auf, aber auch
Apophyten (s. Glossar auf S. 14) wie das
Land-Reitgras (Calamagrostis epigejos, Abb.
U4.4).
3.2.3 Verbuschungsphase
In dieser Phase ist ein erstes Aufkommen
von Pioniergehölzen wie Hänge-Birke (Be-
tula pendula), Sal-Weide (Salix caprea),
Sommerflieder (Buddleja davidii) u. a. zu
verzeichnen (Abb. U4.6). Lokal bilden sich
kleine Gebüsche; die einjährige Pionierve-
getation und die Hochstaudengesellschaf-
ten weichen örtlich zurück.
3.2.4 Vorwaldphase
Nach Jahren der Vegetationsentwicklung
(Zwischenstadium in Abb. U4.7) setzen sich
die Gehölze schließlich durch und bilden ei-
nen mehrere Meter hohen waldähnlichen
Bestand aus Hänge-Birke, Sal-Weide, ver-
schiedenen Pappeln (Populus spp.) sowie
Robinie (Robinia pseudoacacia; Abb. U4.8).
In der Krautschicht zeigen sich die ersten
„Waldarten“ wie der Gewöhnliche Wurm-
farn (Dryopteris filix-mas) oder die Draht-
Schmiele (Deschampsia flexuosa). Beim Ge-
hölzjungwuchs treten Stiel-Eiche (Quercus
robur), Hainbuche (Carpinus betulus) sowie
Eberesche (Sorbus aucuparia) auf und lassen
erahnen, in welche Richtung die Waldent-
wicklung einmal gehen wird. Die Gehölz-
entwicklung der Brachflächen wird im
nachfolgenden Artikel eingehend bespro-
chen (s. S. 27–32).
3.3 Sonderstandorte
Lokale Besonderheiten auf Industriebrachen
sind Standorte, die durch eine gewisse
„Salzbelastung“ gekennzeichnet sind. Dies
sind entweder Standorte, die unmittelbar
durch salzartige Industrieabfälle kontami-
niert sind – oder solche, an denen sich ver-
stärkt Salze aus dem abgelagerten Substrat,
z. B. Berg ematerial auswaschen u nd austre-
ten. Hier finden sich einige (fakultative) Salz-
pflanzen, so genannte Halophyten, wie
Strand -Aster (A ster tripolium), Gewöhnliche
Strandsimse (Bolboschoenus maritimus) oder
Gewöhnlicher Salzschwaden (Puccinellia
distans) neben solchen, die zumindest als
salzverträglich gelten, wie z.B. Mähnen-
Gerste (Hordeum jubatum) oder Ukraini-
sches Salzkraut (Salsola australis).
Es ist davon auszugehen, dass sich die aller-
meisten Pflanzenarten bereits schon wäh-
rend des Betriebes der Industrieanlage an-
gesiedelt haben und mehr oder weniger
durch die Dynamik des Betriebsablaufes
gefördert wurden oder sich mit diesem ar-
rangiert haben.
4 ❙Fazit
●Industriebrachen zählen zu den arten-
reichsten Lebensgemeinschaften in Deutsch-
land. Mit Artenzahlen von 500 und mehr
Pflanzenarten auf wenigen Hektar Fläche
besitzen sie eine enorme Bedeutung für die
Biodiversität des Landes. Zudem hat hier
eine Vielzahl von lokal seltenen bis gefähr-
deten Pflanzenarten einen Ersatzlebens-
raum gefunden, den es in der modernen
Agrarlandschaft in dieser Form nicht mehr
gibt. Vor allem das Nebeneinander unter-
schiedlichster Wuchsbedingungen und
Sukzessionsstadien begründet diese Ar-
tenvielfalt. Die Flächen stellen zudem auf-
grund ihrer Größe und Lage im Ballungs-
raum ein sehr wichtiges Bindeglied im
innerstädtischen Biotopverbund dar.
Im Ruhrgebiet ist die vielfältige Bedeutung
dieser Brachflächen längst erkannt und mit
Schlagwörtern wie IndustrieNatur und
IndustrieWald belegt worden. Da diese
komplexen Lebensräume durch die Jahr-
zehnte anhaltende eher als „lebensfeind-
lich“ eingeschätzte industrielle Nutzung
entstanden sind, greifen für deren Schutz
und Erhalt keine Methoden und Maßnah-
men des traditionellen/klassischen Natur-
schutzes. Ohne weitere Eingriffe wird sich
zweifellos eine Waldentwicklung einstel-
len, die viele interessante, insbesondere
Wärme liebende Pionierarten wieder zu-
rückdrängen wird.
Dank
Für Hinweise zum Manuskript danken wir recht herz-
lich den Herren Dr. W. Kricke (Mülheim an der Ruhr),
Dr. R. Kricke, Dipl.-Biologe M. Schlüpmann (beide Ober-
hausen) und Frau Prof. Dr. A. Gerhardt-Dircksen (Biele-
feld), bei der Gestaltung unterstützten uns Herr A. Spans
(Münster) und Frau L. Trein (Oberhausen/Bonn).
Literatur
[1] Dettmar, J.: Industrietypische Flora und Vegetation
im Ruhrgebiet. – Dissertationes Botanicae 191, 1992.
[2] Gausmann, P., Weiss, J., Keil, P. u. Loos, G. H.:
Wildnis kehrt zurück in den Ballungsraum – Die neuen
Wälder des Ruhrgebietes. – PdN-BioS, 56 (2/56) (2007),
S. 27–29.
[3] Keil, P . u. Loos, G. H.: Dynamik der Ephemerophy-
tenflora im Ruhrgebiet – unerwünschter Ausbreitungs-
pool oder Florenbereicherung? – Neobiota (Berlin) 1
(2002), S. 37–49.
[4] Rebele, F. u. Dettmar, J.: Industriebrachen –
Ökologie und Management. – Stuttgart 1996.
[5] Sukopp, H. u. Gerhardt-Dircksen, A.: Neophyten.
Ihre Rolle in Flora und Vegetation der Kulturland-
schaft. – PdN-BioS, 56 (2/56) (2007), S.13–19.
[6] Wisskirchen, R. u. Haeupler, H.: Standardliste der
Farn- und Blütenpflanzen Deutschlands. – Stuttgart
1998.
Eine ausführliche kommentierte Literaturliste finden
Sie in der Online-Ergänzung.
WWW
Anschriften der Verfasser
Dr. Peter Keil, Dipl.-Geogr. Götz H. Loos, Biologische
Station Westliches Ruhrgebiet, Ripshorster Str. 306,
46117 Oberhausen. Home: www.bswr.de, E-Mail:
peter.keil@bswr.de
Dipl.-Umweltwiss. Renate Fuchs, Ruhr-Universität
Bochum, Geographisches Institut, AG Landschafts-
ökologie, Universitätsstr. 150, 44780 Bochum
Informationsblatt 3_Steckbriefe wichtiger Industriepflanzen
Landschaft im Wandel 2 – Kulturlandschaft im Spannungsfeld von Natur und Wirtschaft PdN-BioS 2/56. Jg. 2007
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Inula graveolens L. Asteraceae (Korbblütler)
Klebriger Alant
syn.: Dittrichia graveolens,
Pulicaria graveolens
Merkmale: Einjährige
Pflanze, im Herbst
absterbend und sich
durch flugfähige Früchte
ausbreitend. Kleine gelbe
Blütenköpfchen. Stängel
und Blätter stark aroma-
tisch riechend
Wuchshöhe: Bis ca.
100 cm hoch; meist zwi-
schen 15 und 40 cm.
Giftigkeit:
(Wohl) ungiftig
Herkunft: Mittelmeergebiet
Erstnachweis im Ruhrgebiet: 1913, Essen-Kettwig
Einbürgerungszeitraum: Seit 1984
Wuchsort/Gesellschaftsanschluss: Lückige Ruderalgesellschaften,
schwerpunktmäßig auf offenem Bergematerial, oft verdichtet und
somit z. T. staunass. Namengebende Art der Inula graveolens-
Tripleurospermum perforatum-[Klebriger-Alant-Geruchlose-Kamille]-
Gesellschaft
Aktuelle Verbreitung/Häufigkeit: Im Ruhrgebiet zerstreut auf Indus-
triebrachen, sehr vereinzelt an Straßenrändern. Außerhalb des Ruhr-
gebietes vor allem in Süddeutschland an Autobahnen
Senecio inaequidens DC. Asteraceae (Korbblütler)
Schmalblättriges Greiskraut
Merkmale: Ausdauernde,
an der Basis häufig
verholzende Staude bis
Halbstrauch. Stark ver-
zweigt, mit zahlreichen
gelben Blütenköpfchen,
bis in den Winter hinein
blühend
Wuchshöhe: Bis 120 cm
Giftigkeit: Alle Pflanzen-
teile sind giftig
Herkunft: Südafrika
Erstnachweis im Ruhrgebiet: 1922, Essen-Kettwig
Einbürgerungszeitraum: Seit 1976
Wuchsort/Gesellschaftsanschluss: Trockene Ruderalgesellschaften auf
offenem Schotter, Sand, Kies und Bergematerial. Bestände des Schmal-
blättrigen Greiskrautes werden derzeit vegetationskundlich nicht als
eigenständige Gesellschaft benannt, sondern lediglich als Dominanz-
bestände gefasst
Aktuelle Verbreitung/Häufigkeit: Im Ruhrgebiet auf offenen Indus-
triebrachen, Bergehalden, Bahnanlagen, Bahnhöfen, Baustellen, Ver-
kehrsinseln, Straßenrändern und Autobahnen sehr häufig
Apera interrupta (L.) P. B. Poaceae (Süßgräser)
Unterbrochener Windhalm
Merkmale: Einjähriges,
(sehr) unscheinbares
Gras. Auffällig erst im
Dominanzbestand
Wuchshöhe: Bis 40 cm,
seltener höher, oft sehr
klein
Giftigkeit:
(Wohl) ungiftig
Herkunft: Mittelmeergebiet
Erstnachweis im Ruhrgebiet: Ca. 1985
Einbürgerungszeitraum: Seit 1985
Wuchsort/Gesellschaftsanschluss: Lückige Ruderalgesellschaften, vor
allem auf offenem Schottermaterial, z.B. auf aufgelassenen Bahnglei-
sen und in Pflasterfugen. Namengebende Art der Apera interrupta-
Arenaria serpyllifolia [Unterbrochener-Windhalm-Quendelblättriges-
Sandkraut]-Gesellschaft
Aktuelle Verbreitung/Häufigkeit: Im Ruhrgebiet oft massenhaft auf
offenen Industriebrachen, Bergehalden, Bahnanlagen, Bahnhöfen, Bau-
stellen und Verkehrsinseln
Echium vulgare L. Boraginaceae (Raublattgewächse)
Gewöhnlicher Natternkopf
Merkmale: Zweijährige
krautige Pflanze. Im
ersten Jahr wird eine
Blattrosette gebildet,
im zweiten Jahr erfolgt
die Blüte; danach stirbt
die Pflanze ab. Stängel
und Blätter sehr rau.
Blüten an den Kopf einer
Natter erinnernd
Wuchshöhe: Bis 80 cm
Giftigkeit: Nur die
Wurzel ist schwach
giftig, sonst ungiftig
Herkunft: Vermutlich Mittelmeergebiet
Erstnachweis im Ruhrgebiet: Vermutlich Alteinwanderer, bereits in der
Römerzeit
Einbürgerungszeitraum: Seit der Römerzeit
Wuchsort/Gesellschaftsanschluss: Trockene Ruderalgesellschaften,
auf offenem Schotter, Sand, Kies und Bergematerial. Namengebende
Art des Echio-Melilotetum (Natterkopf-Steinklee-Gesellschaft)
Aktuelle Verbreitung/Häufigkeit: Im Ruhrgebiet auf Bahnanlagen,
Bahnhöfen, offenen Industriebrachen, Bergehalden, Baustellen und an
Weg- und Straßenrändern zerstreut bis lokal häufig