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F 1.13
HQSL 2 40 12 12 1
Der Patient Akkreditierung zwischen Hospital und
Hospiz
Eine Evaluation des deutschen Akkreditierungssystems durch Analyse
von Akkreditierungsauflagen und Befragungen
Manuel Pietzonka
Der Beitrag präsentiert Untersuchungen des Autors, die auf dem Evaluationsprojekt „Bologna
(aus)gewertet“
1
aufbauen, in dem er als Projektkoordinator fungiert hat. Das Evaluationsdesign und
die wesentlichen Ergebnisse von „Bologna (aus)gewertet“ werden vorgestellt (Kapitel II): Neben
einer umfangreichen Dokumentenanalyse von 1380 Programmakkreditierungsverfahren wurden
Befragungen mit verantwortlichen Hochschulmitarbeitern sowie Studierenden zur Umsetzung der
Studienreform durchgeführt und ausgewertet; alle dabei gewonnenen akkreditierungsrelevanten
Ergebnisse werden zusammengefasst dargestellt. Überdies ergänzt der Autor diese Ergebnisse
durch eigene Auswertungen der nicht kodierbaren Auflagen sowie der Analyse der Inkonsistenzen
innerhalb und zwischen den Akkreditierungsagenturen (Kapitel III). Die Ergebnisse der Untersu-
chungen zeigen erhebliche Mängel und Schwächen des Akkreditierungssystems sowie bei der Ver-
fahrensdurchführung durch die Akkreditierungsagenturen. Die Daten veranlassen, grundsätzliche
Änderungen zu fordern. Aus den empirischen Befunden werden Anknüpfungspunkte für Interven-
tionen sowie Empfehlungen für zielführende Reformen abgeleitet.
Gliederung Seite
1.
Thema, Probleme und Projekt 2
2.
Zusammenfassung von „Bologna (aus)gewertet“ 4
3.
Auswertung der nicht kodierbaren Akkreditierungsauflagen und der
Inkonsistenzen innerhalb und zwischen Akkreditierungsagenturen 11
4.
Zusammenfassung der wesentlichen Befunde 18
5.
Schlussfolgerungen und Empfehlungen 20
1
Suchanek, Pietzonka, Künzel & Futterer (2012a)
F 1.13 Akkreditierung und weitere Formen der Qualitätszertifizierung
Grundlagen und Elementarzwecke der Akkreditierung
2 HQSL 2 40 12 12
1. Thema, Probleme und Projekt
„How can we assure and improve quality without ending up with un-
productive bureaucracy and how can stakeholders be provided with
adequate and relevant information on higher education quality?“
2
Die-
ses Zitat spiegelt zwei wesentliche Herausforderungen an Akkreditie-
rungsverfahren wider: Qualität von Studium und Lehre zu verbessern,
die Stakeholder mit relevanten Informationen über die Qualität zu
versorgen und dabei unproduktive Bürokratie zu vermeiden. Damit
wird sowohl das Thema der Effektivität als auch der Effizienz aufge-
worfen. Über die Wirksamkeit des Akkreditierungssystems als Re-
formlenkungssystem liegen indessen bislang kaum durch empirische
Studien abgesicherte Erkenntnisse vor.
3
Hierzu hätte es systematischer
Untersuchungen der Akkreditierungsentscheidungen und ihrer Wir-
kungen bedurft. Zwar wurden im Rahmen der Berlin-Konferenz 2003
die Mitglieder der „E4-Gruppe“
4
beauftragt, ein System von Normen,
Verfahren und Leitlinien zur Qualitätssicherung im Europäischen
Hochschulraum zu entwickeln,
5
aber bis heute gibt es keine die deut-
schen Hochschulen betreffenden Wirkungsanalysen („impact stu-
dies“), die zu beurteilen erlauben, ob die auf dieser Grundlage etab-
lierten Strukturen und Verfahren der externen Qualitätssicherung dazu
geeignet sind, die erhofften Qualitätsverbesserungen in der Hoch-
schulausbildung zu bewirken.
6
Das Projekt „Bologna (aus)gewertet“ sowie die vorliegende Veröffent-
lichung mit zusätzlichen Auswertungen sollen einen Beitrag zur Wir-
kungsanalyse externer Qualitätssicherung liefern. Das Projekt „Bo-
logna (aus)gewertet“ hat die Umsetzung der Studienreform an den
niedersächsischen Hochschulen untersucht. Dafür wurden alle nieder-
sächsischen Programmakkreditierungsverfahren im Rahmen einer
Dokumentenanalyse ausgewertet sowie Hochschulmitarbeiter und
Studierendenvertreter zu ihren Erfahrungen mit der Reformumsetzung
und dem Akkreditierungssystem befragt. Die vorliegende Veröffentli-
chung fasst die Evaluationsergebnisse hinsichtlich ihrer Implikationen
für das Akkreditierungssystem zusammen (Kapitel II). Im Rahmen der
Befragungen der Hochschulmitarbeiter wurde deutlich, dass das deut-
sche Akkreditierungssystem selbst häufig als ursächlich für Umset-
2
Kehm, Huisman & Stensaker (2009), Einleitung.
3
Erste Versuche hat der Akkreditierungsrat selbst durchgeführt (vgl. Akkredi-
tierungsrat, 2009 und 2010).
4
EUA (European University Association), EURASHE (European Association
of Institutions in Higher Education), ESU (European Students‘ Union) und
ENQA (European Association for Quality Assurance in Higher Education).
5
Toens (2009), S. 238f.
6
Suchanek, Pietzonka, Künzel & Futterer (2012a), S. 10.
Die Problematiken
Untersuchungs-
gegenstand
Akkreditierung und weitere Formen der Qualitätszertifizierung F 1.13
Grundlagen und Elementarzwecke der Akkreditierung
HQSL 2 40 12 12 3
zungsschwierigkeiten bewertet wird.
7
Die befragten Studierendenver-
treter machten z. T. auf massive Missstände in ihren Studiengängen
aufmerksam, obwohl diese im Vorfeld schon akkreditiert waren.
8
Diese Ergebnisse werden durch bisher unveröffentlichte Auswertun-
gen ergänzt. Der Autor hat die nicht kodierbaren Auflagen sowie die
Inkonsistenzen innerhalb und zwischen den Akkreditierungsagenturen
analysiert und daraus eigene Schlussfolgerungen abgeleitet (Kapitel
III). Insbesondere die Auswertung der nicht kodierbaren Akkreditie-
rungsauflagen verdeutlichte zentrale Probleme des Akkreditierungs-
systems.
Der vorliegende Beitrag hebt sich vom allgemeinen Klagen über die
Akkreditierung ab: Es geht um die Berücksichtigung von empirischen
Ergebnissen zum Zweck einer Reformierung des „Patienten Akkredi-
tierung“ in der Weise, dass aus dem Hinweis auf Schwächen und
Mängel Anknüpfungspunkte für „therapeutische“ Interventionen ge-
wonnen werden sollen. In den Ergebnisdarstellungen werden lediglich
die negativen Aspekte des Akkreditierungssystems beleuchtet, um
durch empirische Erhebungen Verbesserungspotentiale zu identifizie-
ren, auf deren Grundlage das Akkreditierungssystem weiterentwickelt
werden kann. Die nachweisbaren Erfolge und positiven Veränderun-
gen, die das Akkreditierungssystem als Lenker und Kontrolleur der
Studienreform in den deutschen Hochschulen bewirkt hat, bleiben
dabei unberücksichtigt.
Das deutsche Hochschulsystem hat seit der Jahrtausendwende einige
Schritte in Richtung Autonomie und Selbstständigkeit getan. So sind
verschiedene Entscheidungsrechte des Staates an die Hochschulen
übergegangen,
9
die sich u. a. und insbesondere auf den vormals staat-
lichen Bereich der Genehmigung von Studiengängen, insbesondere
von Prüfungs- und Studienordnungen erstreckten. Das etablierte deut-
sche Akkreditierungssystem übernimmt Zug um Zug gegen die Ent-
staatlichung insbesondere im Bereich Studium und Lehre teilweise
Funktionen, die zuvor traditionell der Staat innehatte, ohne – wie es
insbesondere zuerst explizit die Berliner Bologna-Konferenz 2003
formulierte – die Hochschulen aus ihrer primären Verantwortung für
Studienqualität zu entlassen.
Das Akkreditierungssystem geht auf einen mit der Hochschulrekto-
renkonferenz (HRK) abgestimmten Beschluss der Kultusministerkon-
ferenz (KMK) vom 3. Dezember 1998 zurück, der die Gründung des
Akkreditierungsrates (inzwischen „Stiftung zur Akkreditierung von
7
Ebd., S. 75.
8
Ebd., S. 87.
9
Meier (2009), S. 134; Hagmann (2010), S. 5.
Untersuchungsanliegen
Akkreditierung zwi
schen
Entstaatlichung und
Hochschulverantwortung
F 1.13 Akkreditierung und weitere Formen der Qualitätszertifizierung
Grundlagen und Elementarzwecke der Akkreditierung
4 HQSL 2 40 12 12
Studiengängen in Deutschland“) möglich machte.
10
Das 1999 in
Deutschland eingerichtete Akkreditierungssystem hat strukturelle Ver-
änderungen in Studium und Lehre erreicht und sich dabei permanent
weiterentwickelt.
11
Spezifisches Kennzeichen des Systems ist seine
Zweistufigkeit mit dem Akkreditierungsrat als Akteur auf der zentra-
len Ebene und den Agenturen auf dezentraler Ebene. Zu den wichtigs-
ten Aufgaben des Akkreditierungsrates gehört die Akkreditierung der
Akkreditierungsagenturen und die Operationalisierung und Weiter-
entwicklung der Vorgaben für die Akkreditierung. Außerdem kontrol-
liert der Akkreditierungsrat die Agenturen im Rahmen von Monito-
ringverfahren.
12
Die Kultusministerkonferenz (KMK) beschließt im
Zusammenwirken mit der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) allge-
meine Richtlinien und Kriterien für die Akkreditierung. Programm-
akkreditierungen lassen sich vereinfacht als „TÜV der Studiengänge“
darstellen. Studierende, die sich in einem akkreditierten Studiengang
immatrikulieren, können definierte Mindeststandards hinsichtlich der
Programmqualität erwarten. Das gleiche gilt für Arbeitgeber sowie
andere Hochschulen, die Absolventen aus einem akkreditierten Stu-
diengang aufnehmen. Durch das Akkreditierungssystem findet in
Deutschland ein gewisses Maß an Lenkung und Kontrolle des Stu-
dienreformprozesses im Rahmen des Bologna-Prozesses statt.
2. Zusammenfassung von „Bologna
(aus)gewertet“
Die Basis der Studie „Bologna (aus)gewertet“ bildete eine Dokumen-
tenanalyse, in deren Rahmen die Programmakkreditierungsentschei-
dungen für niedersächsische (Teil-) Studiengänge in der Zeit von Juli
2004 bis Dezember 2009 ausgewertet wurden. Die Entscheidung,
diese Untersuchung auf die Akkreditierungsverfahren in Niedersach-
sen zu stützen, resultierte primär aus der guten Datenlage, da die Ver-
fahrensdokumentationen für den genannten Zeitraum fast vollständig
vorlagen. Ferner hatte Niedersachsen die Umsetzung der Studienre-
form frühzeitig eingeleitet, sodass 2004 bereits zahlreiche Hochschu-
len weitgehend auf die Struktur der Bachelor- und Masterstudiengänge
umgestellt hatten. Insgesamt konnten in 1286 von 1380 akkreditierten
10
Kultusministerkonferenz (1998), S. 2.
11
Grimm (2009), S.11ff.
12
Akkreditierungsrat (2009b); Kultusministerkonferenz (2004).
13
Die Darstellungen wurden in gekürzter Form aus Suchanek, Pietzonka,
Künzel & Futterer (2012a) übernommen. Sie sind für das Verständnis der
weiteren Untersuchungen von Bedeutung.
Methodik der
Untersuchung
13
Akkreditierung und weitere Formen der Qualitätszertifizierung F 1.13
Grundlagen und Elementarzwecke der Akkreditierung
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Studien- bzw. Teilstudiengängen die Angaben zu den Auflagen identi-
fiziert werden, was einem Anteil von 93,2 % entspricht.
14
Die Akkreditierungsauflagen wurden einem Kodierkonzept zugeord-
net, welches das komplexe System aus Reformvorgaben, Akkreditie-
rungskriterien und Beanstandungen berücksichtigt. Es enthält ein Ka-
tegorienschema, das die Kodierung der Merkmalsausprägungen be-
stimmt sowie Kodieranweisungen enthält, die festlegen, wie die zu
erhebenden Befunde, die sich aus den herangezogenen Dokumenten
ersehen lassen, in Hinsicht auf die bestimmten Merkmalsausprägun-
gen zu „übersetzen“ sind. Das Kodierkonzept gliederte sich in zwei
Teile: Im ersten Teil wurden Strukturvariablen erfasst, die die Hoch-
schule und ihre Studiengänge betreffen. Es wurden Informationen
über Art, Trägerschaft und Größe der Hochschule sowie Informatio-
nen zu ausgewählten Merkmalen der Studiengänge und deren Akkre-
ditierung kodiert. Im zweiten Teil wurden die Auflagen der bedingten
Akkreditierungsentscheidungen kodiert. Dem Kodierkonzept wurden
die im Dezember 2009 gültigen Akkreditierungsvorgaben zur Pro-
grammakkreditierung zu Grunde gelegt. Aus den Auflagen, die zu-
meist aus mehreren Beanstandungen bestanden, wurden alle empirisch
vorkommenden und theoretisch möglichen Beanstandungen als Kate-
gorien für das Kodierkonzept gewonnen und so trennscharf wie mög-
lich den Standards des Akkreditierungsrats zugeordnet. Allerdings
wurde schnell ersichtlich, dass die Vorgaben auf unterschiedlichen
Abstraktionsniveaus formuliert wurden und teilweise nicht trennscharf
voneinander abgegrenzt werden können. Dies erschwerte eine metho-
disch korrekte und eindeutige Kategorienbildung. Zur Optimierung
wurden die Vorgaben im Kodierkonzept entlang dreier Differenzie-
rungsniveaus kodiert (s. Abbildung 1). Absolute Trennschärfe konnte
jedoch auch hier nicht realisiert werden.
14
Die Ergebnisse wurden anschließend mit einer Stichprobe nicht-nieder-
sächsischer Hochschulen verglichen, um einen landesspezifische Bias aus-
schließen zu können.
Datenevaluatio
n und
Kodierung
F 1.13 Akkreditierung und weitere Formen der Qualitätszertifizierung
Grundlagen und Elementarzwecke der Akkreditierung
6 HQSL 2 40 12 12
Kriterien des Akkreditierungsrats
AR-Kriterium 1: Systemsteuerung
AR-Kriterium 2: Qualifikationsziele
AR-Kriterium 3: Konzeptionelle Einordnung ...
AR-Kriterium 4: Studiengangskonzept
Vorgabe 1: Regelstudienzeit und Umfang der Studienprogramme
Vorgabe 2: Abschlussarbeit
Vorgabe 8: Modulbeschreibungen
Beanstandung 1: Best. Modulbeschreibungen fehlen
Beanstandung 2: In den Modulbeschreibungen fehlen die Lernformen
Beanstandung 3: Es wird nicht zw. Selbststudium u. Präsenzzeit differenziert
Abb. F 1.13-1 Dreistufiges Differenzierungsschema des Ko-
dierkonzepts: Zusammenhang zwischen AR-
Kriterien, AR-Vorgaben und Beanstandungen
15
Relativ häufig konnte allerdings keine Zuordnung der Auflage bzw.
der darin enthaltenen Beanstandung zu einem Kriterium durchgeführt
werden (in 376 Fällen aus 1380 Akkreditierungsverfahren). Auflagen
sollten primär als Indikatoren von Umsetzungsmängeln fungieren, da
sie die Reformbereiche indizieren, in denen die Vorgaben für die Stu-
dienreform verletzt wurden; sind Auflagen allerdings unkodierbar, ist
dies – bei angenommener Richtigkeit des Kodierungssystems – ein
Fingerzeig für Mängel im Akkreditierungssystem bzw. im Akkreditie-
rungsverfahren, da im vorgenannten Sinne nicht Relevantes beanstan-
15
Suchanek, Pietzonka, Künzel & Futterer (2012), S. 31.
Akkreditierung und weitere Formen der Qualitätszertifizierung F 1.13
Grundlagen und Elementarzwecke der Akkreditierung
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det wurde. Die Auswertung dieser nicht kodierbaren Auflagen findet
sich in Kapitel III. Sie sind als Hinweis auf Mängel und Schwierigkei-
ten des Akkreditierungssystems dienlich.
Die Dokumentenanalyse wurde um eine Online-Befragung von Hoch-
schulmitarbeitern ergänzt.
16
Ein Fragebogen wurde zwischen Januar
und März 2011 an 146 Studiendekane, 15 Vizepräsidenten für Studium
und Lehre, 330 Programmverantwortliche und 18 Qualitäts- und Bo-
logna-Beauftragte online versandt. An der Onlinebefragung haben sich
189 Personen beteiligt, sodass eine Rücklaufquote von 37 % realisiert
wurde. Die Fragebögen mit offenen und geschlossenen Items erfassten
neben Einschätzungen zur Umsetzung der Studienreform auch explizi-
te Fragen zum Akkreditierungswesen. Des Weiteren stellte sich her-
aus, dass Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Studienreform häu-
fig mit Mängeln im Akkreditierungssystem in Verbindung gebracht
wurden. Die Auswertung der geschlossenen Antwortkategorien erfolg-
te mittels deskriptiver Statistik sowie Inferenzstatistik mit dem Ziel,
gesicherte Informationen über die Zusammenhänge und Unterschiede
innerhalb der Stichprobe zu gewinnen. Die Auswertung der offenen
Antworten erfolgte mittels qualitativer Inhaltsanalyse.
17
Die Online-
Befragung wurde durch Interviews von 24 Studierendenvertretern aus
zehn verschiedenen Hochschulen ergänzt, um vertiefte Informationen
zu Mechanismen, Bedingungen und Ursachen von Umsetzungsprob-
lemen zu erhalten. Die Befragten repräsentierten fast alle Hauptstu-
dienbereiche; alle Interviewpartner studierten in akkreditierten Stu-
diengängen. Die Gespräche wurden durch den Interviewer strukturiert,
zugleich jedoch offen geführt. Die Ergebnisse und Erkenntnisse aus
den Befragungen werden im Folgenden zusammengefasst. Dabei wird
primär auf die Mängel, Schwierigkeiten und Probleme des Akkreditie-
rungssystems fokussiert:
Die Ergebnisse von „Bologna (aus)gewertet“ machen deutlich, dass
das Akkreditierungssystem innerhalb der Hochschulen stark kritisiert
wird und auf wenig Akzeptanz stößt.
18
Die meisten Befragten sprachen sich bei der Frage nach der favorisier-
ten Lenkung der Reform für hochschulinterne Verfahren der Steuerung
und Kontrolle des Reformprozess aus. Hochschulinterne Zielvereinba-
rungen (22,8 %), die Studiengangsevaluation (18 %) sowie Ziel- und
Leistungsvereinbarungen zwischen Hochschulträger und Hochschule
(17,5 %) stießen auf verhältnismäßig große Akzeptanz. Ungefähr jeder
16
Suchanek, Pietzonka, Künzel & Futterer (2012a), S. 52 − 80.
17
Mayring (2008).
18
Die Darstellungen der Ergebnisse wurden gekürzt übernommen aus Su-
chanek, Pietzonka, Künzel & Futterer (2012a), S. 51 − 87.
Befragung von Hoch-
schulmitarbeitern und
Studierendenvertretern
Wunsch nach
h
ochschulinterner
Reformlenkung
F 1.13 Akkreditierung und weitere Formen der Qualitätszertifizierung
Grundlagen und Elementarzwecke der Akkreditierung
8 HQSL 2 40 12 12
siebte Befragte äußerte den Wunsch nach Wiederherstellung des tradi-
tionellen Zusammenwirkens von Hochschule und Staat (13,8 %).
Die Programmakkreditierung (6,9 %), die Systemakkreditierung
(12,7 %), die institutionellen Evaluationen (7,4 %) und die Auditie-
rung des Qualitätsmanagements (7,9 %) wurden eher als ungeeignete
Alternativen zur Lenkung des Reformprozesses angesehen. Die nega-
tive Bewertung der Programmakkreditierung deckt sich im Übrigen
mit anderen Untersuchungen.
19
Das Projekt „Bologna (aus)gewertet“
hat außerdem nach Ursachen von Schwierigkeiten bei der Umsetzung
der Reform gefragt. Die Befragten gaben an, dass die Vorgaben des
Akkreditierungsrats bzw. der KMK teilweise nicht mit den externen
Rahmenbedingungen oder mit hochschulinternen Zielen und Vorgaben
vereinbar waren. Außerdem habe die Agentur die Vorgaben des Akk-
reditierungsrats falsch oder anders interpretiert als die Hochschule.
Des Weiteren seien Verfahrenssteuerung und Beratung durch die
Agentur nicht immer hinreichend. Die offene Frage nach den Ursa-
chen für Umsetzungsschwierigkeiten wurde häufig dazu genutzt, auf
Mängel, Schwächen und schlechte Erfahrungen mit der Programm-
akkreditierung hinzuweisen. Dabei sind im Besonderen die folgenden
Befunde häufig genannt worden:
Viele Befragte sprachen sich für Lenkungsinstrumente aus, die weni-
ger Prüfungscharakter haben und die Autonomie der Hochschule nicht
einschränken. Die Befragten wünschten sich, dass den Hochschulen
mehr Vertrauen entgegengebracht würde: „Die meisten Hochschulen
sind nicht gestern auf der grünen Wiese entstanden, sondern existieren
schon seit sehr langer Zeit, dementsprechend gibt es ein hohes Maß an
Erfahrungen, wie ein erfolgreiches Studium aussehen muss. […] In
den wenigen Fällen, wo das nicht der Fall ist, müsste das Ministerium
steuernd eingreifen.“
Verschiedene Befragte kritisierten, dass dem Akkreditierungssystem
die Umsetzungskontrolle fehlt: „Den Agenturen werden hochschul-
seits Zulassungs-, Prüfungs- und Qualitätssicherungsrichtlinien vorge-
legt, an die sich in der Praxis häufig keiner hält. Die Umsetzungskon-
trolle fehlt.“ Ein anderer Befragter machte deutlich, dass „lediglich
Papiertiger extra für die Akkreditierung produziert“ würden. Von den
Befragten wurde zugestanden, dass Modulteilprüfungen für die Akk-
reditierung teilweise unterschlagen und der Kontrolle unterzogen wur-
den: Sie wurden in der Prüfungsordnung nicht erwähnt, da die Ver-
antwortlichen nicht auf sie verzichten wollten.
19
Zum Beispiel Nickel (2010), die 5589 Professorinnen und Professoren zur
Nützlichkeit von QM-Instrumenten befragt hat: Das mit Abstand am wenigsten
nützlich eingestufte Verfahren ist die Programmakkreditierung.
Allgemeine Ablehnung
der Programm-
akkreditierung
Beschneidung der
Hochschulautonomie
Fehlende Umsetzungs-
kontrolle bei der
Akkreditierung,
Inkonsistenzen
zwischen Antrag und
realem Studiengang
Akkreditierung und weitere Formen der Qualitätszertifizierung F 1.13
Grundlagen und Elementarzwecke der Akkreditierung
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Verschiedene Befragte wiesen darauf hin, dass es teilweise große Un-
terschiede zwischen den Akkreditierungsagenturen gebe. Dieses sei
z. B. bei einem Agenturwechsel deutlich geworden. Dabei sind „unter-
schiedliche Interpretationen je nach Agentur“ offensichtlich geworden.
Dieser Befund deckt sich mit den Ergebnissen der Dokumentenanaly-
se, wonach gleiche Qualitätsmängel von unterschiedlichen Agenturen
– aber auch innerhalb einer Agentur – häufig auf unterschiedliche
Weise beanstandet wurden.
Die Befragten äußerten die Kritik, dass das „System der externen
Steuerung keine einheitlichen Strukturen sicher [stellt]“ [und auf]
„uneinheitliche BA- und Masterstrukturen allein im Land Niedersach-
sen [verweist].“ Die Strukturen seien nicht nur innerhalb, sondern
auch zwischen den Bundesländern uneinheitlich. Die Existenz von
landesspezifischen Vorgaben wurde in diesem Zusammenhang kriti-
siert.
Der Ressourcenaufwand der Hochschulen für die Akkreditierung wur-
de als sehr hoch angesehen: „Die Akkreditierungsverfahren als
(G)anze sehe ich als eine maßlose Überbürokratisierung, die endlos
viel Blindleistungs-Arbeitszeit kostet […].“ Die Akkreditierung
„schluckt viel Zeit und ist dabei trotzdem wenig effektiv.“
Die offenen Fragen machten deutlich, dass die Durchführung der Akk-
reditierungsverfahren zu Problemen geführt hat: Schlecht geschultes
Personal der Agentur „insbesondere in fachlichen Fragen“, ein man-
gelhafter Leitfaden zur Akkreditierung und ein schlecht organisierter
und unstandardisierter Akkreditierungsprozess haben zu Problemen
bei der Umsetzung der Studienreform geführt. Gewünscht wurde eine
„bessere Kommunikation zwischen Agentur und Fakultät (Informatio-
nen bleiben auf oberer Hochschulebene hängen und erreichen nicht
die Betroffenen).“ Die Agentur müsse „deutlich professioneller arbei-
ten, keine Unterlagen verschlampen oder durcheinanderbringen und
Aufgaben zeitnah erledigen.“ Es wurde mehr „Qualitätssicherung bei
den Akkreditierungsagenturen“ gefordert.
Die Güte der gutachtlichen Expertise ist abhängig vom Grad des indi-
viduellen Vorwissens bzw. der Vorerfahrungen mit dem Thema Stu-
dienreform sowie der ideologischen Einstellung gegenüber der Re-
form und des individuellen Rollenverständnisses. Es kam vor, dass
Gutachter sich scheuten, die Arbeit und Mühen ihrer Fachkollegen zu
kritisieren, sodass sie Mängel durchgehen ließen. Andere Befragte
wünschten sich eine „dramatische Verbesserung der Qualität der Gut-
achter/-innen (hinsichtlich ihrer Informiertheit, was sie da tun, nach
welchen Kriterien und wieso).“
Insbesondere beratende Elemente wurden bei der Programmakkredi-
tierung vermisst. In einigen Fällen gingen die Verantwortlichen in den
Hochschulen davon aus, die Vorgaben bereits erfüllt zu haben, sodass
Unterschiede zwischen
den Akkreditierungs-
agenturen
Unterschiede zwischen
den Bundesländern
Schlechtes Aufwand-
Nutzen-Verhältnis
Ineffektive Durchfüh
rung
der Akkreditierungs-
verfahren
Kompetenzunterschie
de
bei den Gutachtern
Fehlende Beratung
F 1.13 Akkreditierung und weitere Formen der Qualitätszertifizierung
Grundlagen und Elementarzwecke der Akkreditierung
10 HQSL 2 40 12 12
sie während der Akkreditierung davon überrascht waren, dass ihre
Interpretation der Vorgaben nicht zutreffend war. Die fehlende Bera-
tung wurde häufig auch als mangelnde Kommunikation zwischen
Agentur und Hochschule moniert.
Die Studierendenvertreter – sämtlich aus akkreditierten Studiengängen
– klagten in den Interviews über Mängel, die im Rahmen der Akkredi-
tierungsverfahren nicht moniert worden waren. Die Mehrzahl der Stu-
dierendenvertreter kritisierten u. a. die unrealistischen Annahmen zum
Workload, die mangelnde Studierbarkeit durch Prüfungsbelastungen,
die Folgenlosigkeit der Lehrveranstaltungsbewertungen sowie den
Mangel an Kompetenzorientierung der Prüfungen. Es liegt die Vermu-
tung nahe, dass die o. g. Bereiche in den Akkreditierungsverfahren
nicht hinreichend geprüft worden sind. Andererseits könnten die ent-
sprechenden Sachverhalte auch in den Akkreditierungsanträgen der
Hochschulen unrealistisch oder unvollständig dargestellt worden sein.
Ein zentrales Problem, das von zahlreichen Interviewpartnern ange-
sprochen wurde, betraf die Verschulung besonders der Bachelorstu-
diengänge. Die Gewährleistung von Wahlfreiheit schien die Ausnahme
zu sein. Die Curricula waren inhaltlich überfrachtet, sodass individuel-
le Spielräume und Gestaltungsmöglichkeiten nicht bestanden. Zusätz-
lich klagten die interviewten Studierenden über Anwesenheitspflichten
und Zwangsanmeldungen zu Prüfungen. Die Akkreditierungsverfah-
ren waren nicht in der Lage, diese Verschulungstendenzen als Problem
zu erkennen und Optimierungen anzubieten. Es liegt die Vermutung
nahe, dass die Lenkung und Kontrolle der Reform durch das Akkredi-
tierungssystem teilweise nur oberflächlich und formal erfolgt ist. Als
anschauliches Beispiel kann hier die Modularisierung der bereits akk-
reditierten Studiengänge angeführt werden: Die Studierendenvertreter
bestätigten, dass Modulprüfungen eher die Ausnahme waren, Modul-
teilprüfungen hingegen der Regelfall. Die einzelnen Modulteilprüfun-
gen wurden inhaltlich nicht modulbezogen ausgestaltet und orientier-
ten sich nicht immer an den Modulzielen. In der Zusammenschau
handelte es sich bei vielen Modulen also eher um zusammengelegte
Lehrveranstaltungen und Einzelprüfungen, deren Durchführung in
derselben Art und Weise erfolgte wie vor der Einführung der Modul-
arisierung. Dass Studiengänge nur auf dem Papier modularisiert wa-
ren, konnten die Akkreditierungsagenturen offensichtlich nicht aufde-
cken oder beheben.
Ergebnisse der
Interviews mit
Studierendenvertretern
Verschulung und
fehlende Wahlfreiheit
Akkreditierung und weitere Formen der Qualitätszertifizierung F 1.13
Grundlagen und Elementarzwecke der Akkreditierung
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3. Auswertung der nicht kodierbaren
Akkreditierungsauflagen und der
Inkonsistenzen innerhalb und zwischen
Akkreditierungsagenturen
20
Vorauszuschicken ist: Das Konvolut akkreditierungsrelevanter Vorga-
ben ist hoch komplex. Die Akkreditierungskriterien verweisen auf
weitere Vorgabenpapiere,
21
die wiederum auf andere Dokumente ver-
weisen, was einen strukturierten und systematischen Überblick über
alle relevanten Vorgaben nicht nachvollziehbarer macht. Zusätzlich
dazu müssen landesspezifische Vorgaben beachtet werden. In diesen
Vorgabenpapieren gibt es außerdem an verschiedenen Stellen Redun-
danzen. Im Folgenden werden die zentralen Ergebnisse aus der Aus-
wertung der nicht kodierbaren Akkreditierungsauflagen sowie die
Analyse der Inkonsistenzen innerhalb und zwischen Akkreditierungs-
agenturen vorgestellt. Die untersuchten Auflagen konnten im Rahmen
der Dokumentenanalyse von „Bologna (aus)gewertet“ mit Hilfe des
auf den Vorgaben beruhenden Kodierkonzepts nicht zugeordnet wer-
den. Es handelt sich um 376 Auflagen aus 1380 Akkreditierungsver-
fahren, in denen insgesamt 3947 Auflagen ausgesprochen wurden. Sie
wurden anhand eines eigenen Kodierkonzepts in verschiedene Grup-
pen klassifiziert. Die Gruppen differenzieren die Ursachen für die
ausgebliebene Zuordnung und liefern Hinweise für Mängel und
Schwächen im deutschen Akkreditierungssystem:
22
Es finden sich Inkonsistenzen in den Akkreditierungsentscheidungen
sowohl innerhalb der einzelnen Agentur als auch zwischen den Agen-
turen. Bezüglich der Interpretation der Vorgaben gibt es zu wenige
Abstimmungsprozesse, die konsistente Entscheidungen ermöglichen
20
Diese Ergebnisse im folgenden Kapitel sowie die daraus abgeleiteten
Schlussfolgerungen sind nicht Gegenstand der Publikation von Suchanek,
Pietzonka, Künzel & Futterer (2012a), sondern sind persönliche Feststellun-
gen des Autors.
21
z. B. die Anforderungen des Qualifikationsrahmens für deutsche Hoch-
schulabschlüsse vom 21.04.2005 (Kultusministerkonferenz, 2003), die Anfor-
derungen der Ländergemeinsamen Strukturvorgaben für die Akkreditierung
von Bachelor- und Masterstudiengängen vom 10.10.2003 (Kultusministerkon-
ferenz; Hochschulrektorenkonferenz & Bundesministerium für Bildung und
Forschung, 2005) sowie die landesspezifischen Strukturvorgaben für die Akk-
reditierung von Bachelor- und Masterstudiengängen (Akkreditierungsrat,
2009c) in den jeweils gültigen Fassungen. Dazu kommen noch zahlreiche
Handreichungen, Abschlussberichte, Empfehlungen sowie Standards vom
Akkreditierungsrat.
22
Bei der Bewertung der Daten sollte beachtet werden, dass nicht in allen
Fällen die Bewertungsberichte aus den Akkreditierungsverfahren vorgelegen
haben. Teilweise wurden die Auflagentexte aus den Datenbanken des Akkre-
ditierungsrats übernommen.
Inkonsistenzen
innerhalb und zwischen
Agenturen
F 1.13 Akkreditierung und weitere Formen der Qualitätszertifizierung
Grundlagen und Elementarzwecke der Akkreditierung
12 HQSL 2 40 12 12
würden. Dieses soll an den folgenden Beispielen exemplarisch ver-
deutlicht werden:
• 2008 wurde von einer Agentur eine Lehrkapazität von 16 Semes-
terwochenstunden als Untergrenze akzeptiert. Im selben Jahr wur-
den 18 Semesterwochenstunden für einen identischen Studiengang
von der gleichen Akkreditierungsagentur in einem anderen Verfah-
ren nicht mehr akzeptiert und im Rahmen einer Auflage beanstan-
det.
• Eine Agentur monierte, dass sich die ECTS-Punkte nicht gleich-
mäßig auf die Semester verteilen. Eine andere Agentur tolerierte
mehrfach Schwankungen bis 8 ECTS zwischen den Semestern.
• Eine Agentur forderte von einer Hochschule im Rahmen einer Auf-
lage, „die Einführung der relativen ECTS-Note und die entspre-
chenden Änderungen der Prüfungsordnung“ nachzuweisen, wäh-
rend sie einer anderen Hochschule lediglich die Empfehlung zur
Etablierung dieses Systems aussprach.
• Teilweise wurde von den Agenturen empfohlen, dass die Prüfungs-
formen nicht festgelegt werden dürfen, damit die Lehrenden die
Prüfungsform abhängig von der Anzahl der Veranstaltungsteilneh-
mer festlegen können. In anderen Akkreditierungsverfahren wurde
das Gegenteil gefordert, nämlich die generell-normative Festle-
gung der Prüfungsformen.
Ähnliche Inkonsistenzen zeigen sich auch für den Umgang mit dem
studentischen Workload sowie hinsichtlich der Zulassungsvorausset-
zungen für Master-Programme.
Besonders ausgeprägte und häufige Inkonsistenzen ergaben sich hin-
sichtlich der Frage nach der Modularisierung der Studiengänge. Zahl-
reiche inkonsistente Entscheidungen waren hier feststellbar, was fol-
gende Beispiele verdeutlichen sollen:
• Moduluntergrenzen: Teilweise wurden einfache Lehrveranstaltun-
gen im Umfang von zwei ECTS als Module akzeptiert, während
von der gleichen Agentur beauflagt wurde, fünf ECTS große Mo-
dule zu größeren Modulen zusammenzufassen. Eine Agentur
schrieb der Hochschule vor, dass Module i. d. R. zwischen drei und
zehn ECTS umfassen sollen; eine andere Agentur hingegen kriti-
sierte bei verschiedenen Institutionen Module, die weniger als fünf
ECTS umfassen, da diese keinen Modulcharakter hätten und zu
größeren Modulen zusammengefasst werden müssten. Eine dritte
Agentur forderte, dass Module von zwei bis drei ECTS „in thema-
tischen Verbünden zusammenzufassen [sind], die aus mehreren
Lehrveranstaltungen bestehen“. An anderen Hochschulen akzep-
tiert Agentur C allerdings Module, die lediglich aus einer Lehrver-
Inkonsistenzen
insbesondere bei der
Modularisierung
Akkreditierung und weitere Formen der Qualitätszertifizierung F 1.13
Grundlagen und Elementarzwecke der Akkreditierung
HQSL 2 40 12 12 13
anstaltung bestehen und zahlreiche Module im Umfang von zwei
oder drei ECTS umfassten („Die Inhalte und Kompetenzbeschrei-
bungen der Module müssen konkreter und aussagefähiger formu-
liert werden, (…) Dies betrifft insbesondere Module, die nur aus
einer Veranstaltung bestehen“).
• Modulobergrenzen: Teilweise wurden Module aus vier Veranstal-
tungen mit einem Gesamtumfang von 12 ECTS als zu groß moniert
(„weder studierbar noch mit der Modularisierung vereinbar“), auf
der anderen Seite forderte die gleiche Agentur von der gleichen
Hochschule nur die Module zu revidieren, die mehr als 18 ECTS
aufwiesen. Eine Agentur akzeptierte sogar Module, die einen Um-
fang von 24 ECTS umfassten.
• Moduldauer: Eine Agentur monierte, dass sich die Dauer eines
Moduls auf zwei Semester bezieht. Von der entsprechenden Hoch-
schule wurde gefordert, „einzelne Module, die zu einer übergeord-
neten zweisemestrigen Einheit zusammengefasst worden sind“,
neu zu modularisieren. Die gleiche Agentur machte in einer ande-
ren Hochschule zur Auflage, dass die Moduldauer von drei Semes-
tern „nur in Ausnahmefällen“ überschritten werden dürfe. Die eine
Hochschule musste also ihren gesamten Studiengang bedingt durch
die Moduldauer von zwei Semestern umgestalten, während der an-
deren Hochschule sogar über vier Semestern erstreckte Modulum-
fänge genehmigt wurden. Die Agentur akzeptierte in Ausnahmefäl-
len sogar Module, die einen Umfang von vier Semestern über-
schritten.
• Eine Agentur schien das Thema „Modularisierung“ bei ihren Akk-
reditierungen vollständig zu ignorieren: In keinem der niedersäch-
sischen Akkreditierungsverfahren finden sich von dieser Agentur
Auflagen im Bereich der Modularisierung, was darauf hindeuten
könnte, dass dieser Reformbereich in den gesamten Verfahren un-
genügend berücksichtigt wurde. Diese Tendenz zur Ausklamme-
rung bestimmter Reformbereiche deckt sich mit eigenen Erhebun-
gen des Akkreditierungsrats.
23
Fast alle Agenturen, die in Niedersachsen akkreditiert haben, sprachen
Auflagen aus, die sich nicht auf die Vorgaben des Akkreditierungsrats
bezogen, sondern agentureigene Vorgaben darstellten. Diese Beobach-
tung deckt sich mit dem „Bericht zu den Inkonsistenzen in der Pro-
grammakkreditierung“ des Akkreditierungsrats.
24
Diese eigenen Stan-
dards ließen sich nicht aus den Vorgaben des Akkreditierungsrats ab-
23
Akkreditierungsrat (2009a), S. 4.
24
Akkreditierungsrat (2010a), S. 11 ff.
Akkreditierung unter
Zugrundelegung von
agentureigenen
Vorgaben sowie
Forschungsaspekten
F 1.13 Akkreditierung und weitere Formen der Qualitätszertifizierung
Grundlagen und Elementarzwecke der Akkreditierung
14 HQSL 2 40 12 12
leiten. Sie sind damit unzulässig, was an den folgenden Beispielen
exemplarisch verdeutlicht werden soll:
• In den Kriterien für die Akkreditierung von Studiengängen ist sehr
konkret beschrieben, welche Voraussetzungen Modulbeschreibun-
gen erfüllen müssen. Es waren zahlreiche Auflagen festzustellen, in
denen das Fehlen zusätzlicher Voraussetzungen moniert wurde
(z. B. das Fehlen von Literaturangaben). In diesen Fällen haben die
Agenturen die Vorgaben also verschärft.
• Eine bestimmte Agentur forderte von Hochschulen in zahlreichen
niedersächsischen Akkreditierungsverfahren ein „Internationalisie-
rungskonzept“, obwohl es nach den Vorgaben dazu keine Veranlas-
sung gab. Beispielsweise heißt es: „In diesem sind zu bestehende
und zeitnah geplante Maßnahmen auf curricularer, studienorganisa-
torischer und personeller Ebene darzulegen. Gleichzeitig sind der
Umsetzungszeitrahmen und die Form der Implementierung in den
Studiengang transparent zu machen“.
• Obwohl sich die Programmakkreditierung lediglich auf Studium
und Lehre bezieht, waren verschiedene Auflagen festzustellen, die
sich auf die Implementierung oder Modifizierung von Forschungs-
aspekten bezogen. Außerdem wurden Promotionsordnungen, For-
schungsevaluationen oder die Arbeit des Promotionsausschusses
moniert.
Es gibt keine Vorgaben, die Wahlfreiheit im Curriculum gewährleis-
ten. Rein formal gesehen können also auch Studiengänge ohne Wahl-
pflichtangebote akkreditiert werden. Nur in Ausnahmefällen haben
Agenturen im Rahmen von Auflagen Wahlpflichtangebote eingefor-
dert, bzw. das Fehlen von ausreichenden Wahlmöglichkeiten moniert.
Wesentlich häufiger wurde von den Agenturen ein Zuviel an Auswahl
und Wahlmöglichkeiten bemängelt. So heißt es etwa: „Der Katalog an
Wahlmodulen muss im Hinblick auf Arbeitsbelastung und Studierbar-
keit gestrafft werden“.
Die Einhaltung und Beachtung von landesspezifischen Vorgaben wur-
den im Rahmen der Akkreditierung kaum beauflagt. Lediglich in fünf
von 1380 Studien- bzw. Teilstudiengängen wurden niedersächsische
Strukturvorgaben im Sinne von verbindlichen Vorgaben für die Akk-
reditierung von Studiengängen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 Akkreditie-
rungs-Stiftungsgesetz als verletzt angesehen. Es bedarf weiterer Un-
tersuchungen, ob die Agenturen landesspezifische Vorgaben genauso
kennen prüfen wie andere akkreditierungsrelevante Vorgaben.
Teilweise machten Agenturen die Akkreditierung von Sachverhalten
abhängig, die in keinem erkennbaren Zusammenhang zur Qualität von
Studium und Lehre standen. In den Auflagen wurde z. B. gefordert,
dass Module für die Studierenden nicht nur in Word, sondern auch im
Akkreditierungen
legitimieren Verschulung
der Studiengänge
Unzureichende Prüfung
landesspezifischer
Vorgaben
Unwichtige und
bürokratische Auflagen
Akkreditierung und weitere Formen der Qualitätszertifizierung F 1.13
Grundlagen und Elementarzwecke der Akkreditierung
HQSL 2 40 12 12 15
PDF-Format vorzuliegen haben. Die gesamte Akkreditierung wurde
von diesen unwichtigen Auflagen abhängig gemacht. Zusätzlich dazu
musste die Auflagenerfüllung geprüft und bescheinigt werden, was
erneuten Aufwand für Agentur und Hochschulen bedeutete.
Auflagen wurden in bestimmten Fällen aufgrund falsch interpretierter
Vorgaben erhoben. Die Agenturen haben die Vorgaben also nachweis-
lich falsch interpretiert oder angewandt. Folgende Beispiele dienen
der Verdeutlichung:
• Eine bemerkenswerte Unklarheit auf Agenturseite begleiteten die
Fragen bezüglich der Anerkennung extern erbrachter Leistungen.
So wurde teilweise moniert, dass extern erbrachte Leistungen nur
angerechnet werden können, wenn sie durch eine „Hochschulprü-
fungsleistung“ nachgewiesen werden konnten. Leistungen, die au-
ßerdem des akademischen Rahmens erworben wurden, wurden
nicht als Leistungs- oder Kompetenznachweis anerkannt. Eine an-
dere Agentur hat der Hochschule die Anrechnung extern erbrachter
Leistungen auf Praxisphasen sogar untersagt.
• In einer niedersächsischen Universität wurde mehrfach von einer
Agentur ein Konzept eingefordert, „das das obligatorische Aus-
landssemester (nach Landesgesetz) ermöglicht.“ Das niedersächsi-
sche Landesgesetz sieht ein derartiges obligatorisches Auslandsse-
mester nicht vor; auch hier wurden die Auflagen an falsche Vorga-
ben geknüpft.
• Die HRK empfiehlt den Hochschulen lediglich, das „Diploma
Supplement“ sowohl in deutscher als auch in englischer Sprache
anzubieten. Aus dieser Empfehlung lässt sich keinesfalls eine ver-
bindlich einzuhaltende Maßgabe ableiten. Eine Agentur machte die
Akkreditierung dennoch systematisch vom Vorliegen eines eng-
lischsprachigen Diploma Supplements abhängig, indem sie ent-
sprechende Auflagen formulierte anstatt die Einführung zu emp-
fehlen.
Die Dokumentenanalyse zeigt, dass sich bestimmte Agenturen wesent-
lich in die Hochschulautonomie einmischten und interne Entscheidun-
gen beeinflussten. Anstatt in den Auflagen die abzustellenden Quali-
tätsmängel zu benennen, werden „in Gutsherrenart“ konkrete und
elaborierte Lösungswege bereits in der Auflagenformulierung vorge-
geben. Die ausgesprochene Akkreditierung wurde von der Umsetzung
der vorgegebenen Lösung abhängig gemacht, auch wenn andere Lö-
sungen denkbar gewesen wären. Verschiedene Agenturen wiesen in
ihren Auflagen nicht auf Personalmängel hin, sondern sie gaben genau
vor, in welcher Weise Personalentscheidungen bzw. Besetzungen aus-
zusprechen und zu vollziehen sind. So wird die Art der zu berufenen
Professoren („3 Professuren, davon eine W1“) oder den Wortlaut der
Denomination („Besetzung der Professur für die Fachdidaktik mit der
Vorgabenunkenntnis
von Agenturen
Üb
ermäßige Eingriffe in
Hochschulautonomie
F 1.13 Akkreditierung und weitere Formen der Qualitätszertifizierung
Grundlagen und Elementarzwecke der Akkreditierung
16 HQSL 2 40 12 12
Denomination „xy“ der beruflichen Fachrichtung „XY“ durch Einlei-
tung eines Berufungsverfahrens“) vorgegeben. Die Vorgabe von kon-
kreten Lösungen ist an verschiedenen Stellen als unzulässige Einmi-
schung in die Hochschulautonomie zu bewerten. Die Hochschule soll-
te selbst entscheiden dürfen, wie sie festgestellte Qualitätsmängel
beseitigt.
Verschiedene Auflagen machten deutlich, dass bestimmte Agenturen
systematisch Studiengänge akkreditiert haben, die wesentliche Quali-
tätsanforderungen nicht erfüllt haben. Insbesondere eine Agentur hat
sich hervorgetan, qualitativ minderwertige Studiengänge zu akkredi-
tieren. So wurde z. B. ein Studiengang mit Auflagen akkreditiertet,
dessen Qualifikationsziele und Modulbeschreibungen fehlten, da der
Studiengang komplett nicht modularisiert war. Außerdem wurden die
Prüfungsleistungen nicht definiert, ECTS falsch angewendet sowie die
Arbeitslast ungleichmäßig verteilt, und − last but not least − wurden
die Bachelorarbeiten fast ausschließlich von Lehrbeauftragten betreut.
Dieses Beispiel verdeutlicht, dass der akkreditierte Studiengang we-
sentliche Qualitätsmängel aufweist und eine nicht zumutbare Belas-
tung für die Studierenden darstellt. Es scheint sich dabei nicht um
Einzelfälle zu handeln. Das Akkreditierungssystem nahm hier seine
zentrale Aufgabe als Verbraucherschutz nicht den Anforderungen ent-
sprechend wahr. Man könnte denken, dass dieses Problem ein Prob-
lem der Anfangszeit des Akkreditierungswesens gewesen ist. Dass
dem nicht so ist, wird durch aktuellere Beispiele deutlich. Wenn man
bedenkt, wie viele Qualitätsregelkreise etabliert wurden, um die Akk-
reditierungsentscheidung abzusichern, drängt sich der Eindruck auf,
dass die Agentur hier bewusst ein qualitativ minderwertiges Studien-
gangskonzept „durchgewinkt“ hat, um den zahlenden „Kunden Hoch-
schule“ nicht zu verärgern.
Das Sinnverständnis von Akkreditierungsgutachten sowie der entspre-
chenden Auflagen setzt Wissen und Erfahrung mit der teilweise kom-
plizierten und spezifischen Akkreditierungsterminologie voraus. Es
war teilweise nicht möglich, durch Lesen mancher Akkreditierungsbe-
schlüsse die schriftsprachlich formulierten Intentionen der Auflagen
zu verstehen. Ohne langjährige Akkreditierungserfahrungen als Vor-
aussetzung für die Kodierer der Dokumentenanalyse konnten viele
Auflagen nicht eindeutig nachvollzogen und zugeordnet werden. Die
Akkreditierungsauflagen wiesen nicht selten größere sprachliche und
orthographische Mängel auf, wie z. B.: „Die Gutachter bitten um die
Vorlage des im Auditgespräch erwähnter Protokolls des Industrie-
Workshops (…). Die Gutachter bitte um die Vorlage des im Audit-
gespräch zitierten Evaluationsbericht“. Des Weiteren orientieren sich
die Darstellungen zu wenig an bewährten Standards, was dann die
Vergleichbarkeit untereinander erschwert: Ein Mangel, z. B. das Feh-
len bestimmter Aspekte im Rahmen der Modulbeschreibungen, wird
in einer Auflage moniert, die aus acht Wörtern besteht; teilweise wird
der identische Mangel von der gleichen Agentur aber auch in mehre-
Akkreditierung trotz
Nichterfüllung zentraler
Qualitätsanforderungen
Formale, sprachliche
und orthographische
Mängel
Akkreditierung und weitere Formen der Qualitätszertifizierung F 1.13
Grundlagen und Elementarzwecke der Akkreditierung
HQSL 2 40 12 12 17
ren Auflagen mit umfangreichen Erläuterungen dargestellt. Auch die
Verbindlichkeit der Auflagen kam in der Formulierung nicht immer
klar zum Ausdruck: Manche Formulierungen suggerierten, es handele
sich hier um eine Bitte, eine Empfehlung oder um einen Vorschlag.
Die Notwendigkeit einer substantiellen Überprüfung reduzierte sich
somit auf eine beliebig zu vollziehende Korrektur. Zahlreiche Aufla-
gen haben auch inhaltlich eher Empfehlungscharakter: Erfolgreiche
Umsetzungen, die den Akkreditierungsmindeststandards genügten,
sollten mit diesen Auflagen noch weiter verbessert werden. Die erfolg-
reiche Akkreditierung wurde somit unzulässigerweise von diesen
„Auflagenempfehlungen“ abhängig gemacht.
Wie schon erwähnt, blieben Auflagen in ihren inhaltlichen Bezügen
oftmals unverständlich oder gar unsinnig, zumindest problematisch.
Dieses Versagen ist besonders überraschend, da – wie schon erwähnt–
da vielfältige agenturinterne Qualitätsregelkreise die Akkreditierungs-
entscheidung absichern sollten, indem sie von mehreren Verantwortli-
chen kommentiert, begründet und autorisiert werden (Akkreditie-
rungsreferent, Gutachtergruppe, Akkreditierungskommission, Hoch-
schule im Rahmen von Stellungnahmen, evtl. Revisionskommission
und Akkreditierungsrat). Hier seien zur Illustration einige ausgewählte
„Stilblüten“ präsentiert:
25
• „In den Modulbeschreibungen ist der Grad der Integration, d. h. die
reale Modularisierung, herauszuarbeiten.“
• „Es ist sicherzustellen, dass Lehramtsstudierende die Übungen der
Architekten besuchen können.“
• „Zur Erleichterung der Orientierung im Studium sind Maßnahmen
für eine größere Transparenz zu ergreifen: Homogenisierung der
formal zu unterschiedlichen Qualität in der Darstellung von Modu-
len und Ergänzung fehlender Inhalte im Modulkatalog.“
• „Sicherstellung der Gültigkeit und Transparenz der Bezeichnung
des Trägers des angebotenen Studiengangs.“
• „Der Erwerb der fachbezogenen Lateinkenntnisse für zukünftige
Realschullehrer muss universitär geregelt werden.“
• „Der Studiengang muss zusätzlich zur Vollzeitoption für berufstä-
tige Studierende als Teilzeitstudiengang mit angemessenen Prä-
senzzeiten und angepassten Studiengebührenregelungen angeboten
25
Es ist nicht jedes Mal eindeutig zu klären gewesen, ob die Auflagen auch in
den Akkreditierungsgutachten so aufgeführt wurden oder ob die Fehler ledig-
lich bei der Veröffentlichung der Gutachten im Internet aufgetreten sind.
Unverständliche
Auflagen
F 1.13 Akkreditierung und weitere Formen der Qualitätszertifizierung
Grundlagen und Elementarzwecke der Akkreditierung
18 HQSL 2 40 12 12
werden. Als Vollzeitstudiengang ist er in der Regel nicht studierbar.
Das Teilzeitkonzept ist vorzulegen.“
• „Zurechnung der Bachelorarbeit wird zurzeit den theoretischen
Lehrinhalten des Studiums.“
• „Wenn die Fachhochschule XY sicherstellen kann, dass die Eintei-
lung der Studiengänge in zwei Studienabschnitte dazu dient, für
das Studium nicht geeignete Studierende rechtzeitig exmatrikulie-
ren zu können, dann kann diese Praxis beibehalten werden; andern-
falls sind die zwei unterschiedlichen Studienabschnitte abzuschaf-
fen.“
4. Zusammenfassung der wesentlichen
Befunde
Der Wissenschaftsrat hat in seinen Empfehlungen zur Akkreditierung
aus dem Jahr 2012 festgestellt, dass es aus mehreren Gründen nicht
geboten ist, grundlegende Änderungen am Regulierungsgefüge oder
an den Verfahrensarten bzw. -regeln der Akkreditierung herbeizufüh-
ren, schließlich sei „vor einer eventuellen Neujustierung des Systems
(...) die Ergebnisse einer größeren Zahl von Studiengangs-
Reakkreditierungen (...) abzuwarten.“
26
Die Ergebnisse von „Bologna
(aus)gewertet“, auf die in diesem Beitrag verwiesen werden, sowie die
zusätzlichen Erhebungen des Autors liefern einen entsprechenden
Beitrag. Die nicht kodierbaren Auflagen dienen als Indikatoren für
Mängel und Schwierigkeiten im System. Die Art und Häufigkeit der
Mängel machen deutlich, dass es sich dabei nicht um Einzelfälle han-
delt bzw. um eine Ansammlung individuellen Versagens, sondern um
systematische Fehlleistungen. Zusammenfassend können insbesondere
die folgenden Mängel und Schwächen des Akkreditierungssystems
konstatiert werden:
1. Es gibt große Inkonsistenzen innerhalb und zwischen den Agentu-
ren bei der Bewertung von Mängeln. Die Agenturen haben sich in-
nerhalb ihrer Institution − aber auch im Zusammenspiel mit ande-
ren Agenturen zu wenig abgestimmt. Eine weitere Ursache für die
großen Inkonsistenzen wird in den unzureichend durchgeführten
Monitoringverfahren durch den Akkreditierungsrat gesehen. Der
Akkreditierungsrat ist personell nicht in der Lage, das komplexe
Akkreditierungswesen zu überwachen und zu steuern. Ferner imp-
liziert das Wettbewerbssystem zwischen den einzelnen Agenturen
das systematische Auftreten von inkonsistenten Entscheidungen, da
26
Wissenschaftsrat (2012), S. 10.
Inkonsistenzen
Akkreditierung und weitere Formen der Qualitätszertifizierung F 1.13
Grundlagen und Elementarzwecke der Akkreditierung
HQSL 2 40 12 12 19
jede Agentur abhängig ist von ihren derzeitigen und zukünftigen
Auftraggebern und sich demzufolge „hochschulfreundlich“ präsen-
tieren und profilieren möchte. Es wird deutlich, dass die Ursache
für die Inkonsistenzen auch in den akkreditierungsrelevanten Vor-
gaben zu sehen ist. Die Vorgaben lassen einen zu unbestimmten In-
terpretationsspielraum zu. Es fehlen verbindliche Interpretationen
der Vorgaben durch den Akkreditierungsrat, wie sie z. B. bei der
Verabschiedung von Gesetzen üblich sind. Die Vorgaben sind zu
unkonkret und beliebig, aber auch wenig operationalisierbar.
2. Fast alle Agenturen, die in Niedersachsen Akkreditierungsverfah-
ren durchführten, haben unzulässigerweise agentureigene Vorgaben
zum Standard erhoben. Teilweise sind in den Auflagen Verschär-
fungen von bestehenden Vorgaben festzustellen, teilweise wurden
Sachverhalte behandelt, die sich nicht auf akkreditierungsrelevante
Bereiche beziehen; das gilt etwa für Forschungsaspekte. Eine adä-
quate Durchführung von Monitoringverfahren durch den Akkredi-
tierungsrat hätte diese Fehlerquelle vermeiden können.
3. Die akkreditierungsrelevanten Vorgaben sind hoch komplex und
unübersichtlich. Die Akkreditierungskriterien verweisen auf weite-
re Vorgabenpapiere, die wiederum auf andere Dokumente verwei-
sen, was einen strukturierten Überblick und eine gezielte Orientie-
rung über alle relevanten Vorgaben erschwert. Redundanzen und
Widersprüche erschweren zusätzlich das Verständnis und die Les-
barkeit.
4. Einzelne Agenturen beeinflussen durch die Formulierung von über-
flüssigen und nicht der Qualitätssicherung dienenden Auflagen die
internen Entscheidungsebenen der Hochschulen wesentlich und
greifen unzulässig in die Hochschulautonomie ein. Anstatt sich auf
die Nennung der abzustellenden Qualitätsmängel zu beschränken,
wurden häufig auch konkrete Lösungen bereits durch die Auflagen-
formulierung vorgegeben. Die Akkreditierung wurde von der Rea-
lisierung der vorgegebenen Lösung abhängig gemacht, auch wenn
andere Lösungen denkbar gewesen wären. Das Vorgeben von kon-
kreten Lösungen ist an verschiedenen Stellen als unzulässige Ein-
mischung in die Hochschulautonomie zu bewerten. Die Hochschu-
le sollte selbst entscheiden dürfen, wie sie festgestellte Mängel be-
seitigt.
5. Es zeigen sich durch die Auswertung der nicht kodierbaren Aufla-
gen massive Qualitätsdefizite bei der Durchführung der Akkreditie-
rungsverfahren. Das zeigt sich z. B. bei den ausgesprochenen Auf-
lagen, die auf falsch interpretierten Vorgaben beruhen sowie forma-
le, sprachliche und orthographische Mängel aufweisen. Die Unver-
ständlichkeit mancher Auflagen wird teilweise durch die sehr kom-
plexe und spezifische Akkreditierungsterminologie hervorgerufen.
Die dokumentierten Systemmängel in den Auflagen sind besonders
Agentureigene Vorgaben
Unübersichtliche
Vorgaben
Unzulängliche
Auflagenformulierungen
Defizite bei der
Verfahrensdurchführung
F 1.13 Akkreditierung und weitere Formen der Qualitätszertifizierung
Grundlagen und Elementarzwecke der Akkreditierung
20 HQSL 2 40 12 12
überraschend und auch unverständlich, da vielfältige agenturinter-
ne Qualitätsregelkreise die Akkreditierungsentscheidungen absi-
chern sollen und diverse Personen bzw. Personengruppen die Akk-
reditierungsentscheidung kommentieren bzw. autorisieren (Akkre-
ditierungsreferent, Gutachtergruppe, Akkreditierungskommission,
Hochschule im Rahmen von Stellungnahmen, evtl. Revisions-
kommission und Akkreditierungsrat).
6. Studiengänge wurden akkreditiert, obwohl zentrale Qualitätsanfor-
derungen nicht erfüllt wurden. Die Akkreditierung verfehlt in die-
sem Beispiel ihre zentrale Aufgabe des Verbraucherschutzes für
Studierende; der akkreditierte Studiengang ist für die Studierenden
nur bedingt zumutbar.
5. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
Grundlage jeder erfolgreichen Therapie ist eine gute Diagnostik. Die
präsentierten empirischen Ergebnisse sollen für die Akkreditierung
einen diagnostischen Beitrag liefern, um Anknüpfungspunkte für ziel-
führende Interventionen zu liefern. Bei der langen Liste von Sympto-
men des „Patienten Akkreditierung“ stellt sich allerdings die Frage:
„Hospital oder Hospiz?“ Ist eine „Therapie“ der Akkreditierung im
Sinne einer Reform möglich und sinnvoll oder sollte im deutschen
Hochschulsystem eine alternative Form der Reformlenkung und Qua-
litätssicherung etabliert werden? In der Zusammenschau kann diese
Frage nur durch die eindeutige Forderung nach der Reform bzw. The-
rapie der Akkreditierung beantwortet werden, da die festgestellten
Leiden heilbar sind und die deutsche Hochschullandschaft mit Blick
auf den Verbraucherschutz und der zahlreichen Herausforderungen der
Studienreform auf diese externe und summative Komponente der
Kontrolle und Reformlenkung nicht verzichten kann.
27
Dieses stellen
auch die Empfehlungen des Wissenschaftsrat heraus, der bezüglich der
Zukunft der Akkreditierung zum selben Urteil kommt: „Hochschulen
sind (...) der Politik, der Öffentlichkeit und den Studierenden in einem
höheren Maß rechenschaftspflichtig, woraus sich unter anderem die
Verpflichtung ergibt, die eigene Qualität regelmäßig begutachten und
zertifizieren zu lassen.“
28
Trotz der aufgezeigten Mängel und Schwächen kann das Akkreditie-
rungssystem auf zahlreiche Stärken und Erfolge verweisen: Die Akk-
reditierung führte in den meisten Fällen zu ausdifferenzierten Studien-
27
Diese Aussage weicht von den Schlussfolgerungen in Suchanek, Pietzon-
ka, Künzel & Futterer (2012a) ab.
28
Wissenschaftsrat (2012), S. 8.
Akkreditierung trotz
erheblicher Qualitäts-
mängel
„Hospital oder Hospiz?“
Stärken und Erfolge der
Akkreditierung
Akkreditierung und weitere Formen der Qualitätszertifizierung F 1.13
Grundlagen und Elementarzwecke der Akkreditierung
HQSL 2 40 12 12 21
gangsbeschreibungen, vergleichbaren und transparenten Studienstruk-
turen und -inhalten, explizit definierten Qualifikationszielen sowie
personenbezogenen Studienprofilen in Diploma Supplements. Der
Absolventenverbleib, die Studierbarkeit der Studiengänge sowie die
Ursachen für Studiengangswechsel und Studienabbruch wurden Ge-
genstand von Untersuchungen und haben kontinuierlich mehr Bedeu-
tung erlangt.
29
Die institutionelle Qualitätssteuerung und -verantwor-
tung drückt sich darüber hinaus in wesentlich verbesserten Beratungs-
und Berichtssystemen, klaren Kompetenzzuweisungen, verbesserten
Beteiligungsregelungen und ersten Versuche zur Etablierung von An-
reizsystemen aus. Künzel sieht den Keim einer „Kulturrevolution“ in
der Tatsache, dass nicht nur externe Fachkollegen, sondern sogar Ver-
treter der Studierenden und der Berufspraxis sowie Experten für Qua-
litätssicherung die Qualität der Studiengänge begutachten.
30
Ein gut
konzipiertes und adäquat umgesetztes Akkreditierungssystem gewähr-
leistet Mobilität und ermöglicht die Gestaltung von vergleichbaren,
studierbaren und transparenten Studiengängen, ohne die seit Jahrhun-
derten bewährte Hochschulautonomie und Freiheit von Studium und
Lehre zu gefährden. Dieses wird auch durch langjährige und gute Er-
fahrungen ausländischer Hochschulsysteme mit Akkreditierungsver-
fahren veranschaulicht, z. B. in den Niederlanden.
Die 2007 im deutschen Akkreditierungssystem etablierte Systemakk-
reditierung überträgt ein gewisses Maß an Autonomie an die Hoch-
schulen zurück. Sie stellt heraus, dass die Hochschulen selbst die Ver-
antwortung für die Qualität von Studium und Lehre besitzen, nicht das
Akkreditierungssystem. Die Durchführung der Systemakkreditierung
ermöglicht im Gegensatz zur Programmakkreditierung in stärkerem
Ausmaß formative, unterstützende und beratende Elemente zwischen
Agentur und Hochschule und bietet für viele Hochschulen eine sinn-
volle Alternative zur Programmakkreditierung.
Die meisten der beschriebenen Systemunzulänglichkeiten der Auswer-
tungen des Autors sind „Kinderkrankheiten“, die durch relativ einfa-
che Interventionen behoben werden könnten: Die Probleme hinsicht-
lich der Inkonsistenzen der Akkreditierungsentscheidungen, der mas-
siven Qualitätsdefizite der Agenturen bei der Verfahrensdurchführung,
der unzulässigen agentureigenen Vorgaben sowie der erfolgreichen
Akkreditierung von qualitativ unzureichenden Studiengängen könnten
durch effektiveres Monitoring behoben werden.
Dieses berührt allerdings die fundamental schlechten finanziellen und
personellen Ressourcen des Akkreditierungsrats. Die Geschäftsstelle
des Akkreditierungsrats besteht neben der Stelle des Geschäftsführers
29
Künzel (2009), S. 12f.
30
Ebd.
Systemakkreditierung
„Kinderkrankheiten“
B
isher unzureichendes
Monitoring
F 1.13 Akkreditierung und weitere Formen der Qualitätszertifizierung
Grundlagen und Elementarzwecke der Akkreditierung
22 HQSL 2 40 12 12
aus 2,5 Referentenstellen sowie einer halben Stelle Sachbearbeitung.
31
Der Akkreditierungsrat hat die Arbeit von zehn in Deutschland zugelas-
senen Akkreditierungsagenturen zu steuern und zu überwachen und ist
mit der adäquaten Durchführung der Monitoringverfahren überfordert.
Ein weiteres Grundproblem des deutschen Akkreditierungssystems
liegt in seiner Konstruktion aus Agenturen, die im Wettbewerb gegen-
einander stehen. In Anbetracht dieser Wettbewerbssituation und den
sehr unterschiedlich interpretierbaren und operationalisierbaren Vorga-
ben evoziert das unzureichende Monitoring des Akkreditierungsrats
einen „Qualitätswettbewerb nach unten”, da − etwas vereinfacht aus-
gedrückt − diejenige Agentur, die am wenigsten Qualitätsmängel fin-
det, für den Kunden Hochschule, sofern sie nur an der Zertifizierung
Interesse hat, am attraktivsten ist.
32
Die meisten Mängel hinsichtlich
der Güte der Begutachtungen sind eine logische Konsequenz aus der
seltsamen Konstruktion des Akkreditierungssystems sowie der man-
gelhaften Finanzausstattung des Akkreditierungsrats und könnten durch
Systemmodifikationen verhältnismäßig einfach behoben werden.
Andere festgestellte Mängel und Schwächen sind kontrollimmanent
und würden auch alternative Formen der Reformlenkung betreffen.
Exemplarisch sei das Problem genannt, dass Studiengangsbeschrei-
bungen und die tatsächliche Durchführung der Studiengänge inkon-
gruent sein können (Stichwort „Papiertiger“).
33
Auch bei anderen Ar-
ten der Reformlenkung und Qualitätssicherung kann dieses nicht aus-
geschlossen werden. Auch birgt das System des Peer Review immer
die Gefahr, dass Gutachter ihre Rolle und ihren Auftrag falsch verste-
hen und die Hochschulautonomie einschränken. Außerdem ist jedes
mehrstufige Peer Review Verfahren aufwändig und teuer. Selbst wenn
man durch transparentere Vorgaben sowie effizientere Verfahren die
Akkreditierung entbürokratisiert würde, bleiben die Verfahren kosten-
intensiv. Die Frage, wie viel Geld das deutsche Hochschulsystem in
ihre eigene Qualitätssicherung stecken sollte, wird kontrovers disku-
tiert, da die Kosten für hochschulinterne und -externe Qualitätssiche-
rung in den letzten Jahren immer größer wurden. Obwohl der Wissen-
31
Hier werden Vollzeitäquivalente berücksichtigt. Telefonische Auskunft von
Franz Börsch (Akkreditierungsrat) vom 29.05.2012.
32
Auf diese Tendenzen hat auch Künzel (2009, S.27) hingewiesen. Spiegel
Online zeigt exemplarisch, zu welch abwegigen Situationen die Wettbewerbs-
situation zwischen den Agenturen kommt: „Aufgrund der Wahlfreiheit zwi-
schen den Agenturen schrieb beispielsweise die Technische Universität Dres-
den im Juni 2008 die Akkreditierung ihrer Biologie-Studiengänge gar als Be-
werbungsverfahren aus. Dabei verlangte sie von den potentiellen Auftrag-
nehmern ‚Nachweise’ zur ‚Auswahl und Zusammensetzung des Gutachter-
teams’ (Spiegel Online, 2009), was einer indirekten Selbstauswahl der Gut-
achter gleich kommt.
33
Suchanek, Pietzonka, Künzel & Futterer (2012a), S. 76f.
Agenturen im
„Qualitätswettbewerb
nach unten“
Mängel und Schwächen
sind kontrollimmanent
Akkreditierung und weitere Formen der Qualitätszertifizierung F 1.13
Grundlagen und Elementarzwecke der Akkreditierung
HQSL 2 40 12 12 23
schaftsrat feststellt, dass „die direkten Kosten in Gestalt der Zahlun-
gen an die Agenturen (...) im Vergleich zu den Gesamtausgaben für die
Hochschulen (...) kaum ins Gewicht fallen“,
34
kommt es nicht auf eine
isolierte Kostenbetrachtung an, sondern auf das Verhältnis der Kosten
zum Nutzen. Dabei ist „Produktion“, verstanden als Quantum, nicht
allein entscheidend; die Qualität spielt eben auch eine Rolle. In die-
sem Zusammenhang sei ein gewagter Vergleich gestattet: Wo stünde
die deutsche Automobilindustrie, wenn sie nicht erhebliche personelle
Ressourcen für die Qualitätssicherung zulasten der Produktionskapazi-
tät vorhalten würde? Das Klagen der öffentlichen Hochschulen über
Ressourcenprobleme ist systemimmanent und so alt wie die Hoch-
schulen selbst. Es sollte daher eher unabhängig von Studienreform
und Akkreditierungssystem diskutiert werden.
Die Erkenntnisse aus „Bologna (aus)gewertet machen deutlich, dass
die akkreditierungsrelevanten Vorgaben in bestimmten Aspekten zu
revidieren sind.
35
Dieses betrifft insbesondere die Themen „Verschu-
lung“ und „Wahlfreiheit“, die in den Vorgaben bisher unberücksichtigt
bleiben. Ferner bereitet die Darstellungsform der Vorgaben Probleme:
Sie sind auf verschiedene Papiere verteilt. Die unterschiedlichen Pa-
piere sind komplex, teilweise redundant und widersprüchlich, was den
Überblick über die Vorgaben schwierig gestaltet. Die aus dem Bil-
dungsföderalismus hervorgegangenen landesspezifischen Vorgaben
sind zu kritisieren, da sie die Systemkonvergenz mindern, in dem sie
die Transparenz und Vergleichbarkeit der Hochschulbildung und Stu-
dienabschlüsse verringern. Der Tendenz, die Unterschiede zwischen
den Bundesländern durch landesspezifische Gesetze und Vorgaben
weiter zu vergrößern, muss entgegengewirkt werden.
Dass es notwendig ist, einen akkreditierten Studiengang nach einer
gewissen Zeit erneut zu akkreditieren, kann kontrovers diskutiert wer-
den. Die Kosten und der Aufwand stehen in keiner Relation zum Nut-
zen, den eine erneute Prüfung des gesamten Studiengangs mit sich
brächte. Das Instrument der Re-Akkreditierung ist aus Sicht des Au-
tors eine Misstrauensbekundung an die Hochschule und an das Akkre-
ditierungswesen. Es wird empfohlen, der erneuten Begutachtung eher
den Charakter einer externen Evaluation zu geben, im Rahmen derer
die Gutachter die „Früchte“ des bereits akkreditierten Studiengangs
(Absolventenverbleibsstudien, studentische Evaluationen usw.) auf
Grundlage vorher festgelegter Standards evaluieren, die Hochschule
beraten und Empfehlungen zur Weiterentwicklung machen. Dieser
Vertrauensvorschuss an die Hochschule ist allerdings nur zu legitimie-
ren, insofern die Erstakkreditierung professionell durchgeführt wurde.
34
Wissenschaftsrat (2012), S. 9.
35
Suchanek, Pietzonka, Künzel & Futterer (2012a), S. 62f.
Vorgaben revidieren
Evaluation anstatt
erneuter Akkreditierung
F 1.13 Akkreditierung und weitere Formen der Qualitätszertifizierung
Grundlagen und Elementarzwecke der Akkreditierung
24 HQSL 2 40 12 12
Künftig kommt es darauf an, das Thema Qualitätsmanagement im
Allgemeinen stärker zur ureigenen Aufgabe der Hochschulen zu ma-
chen („tua res agitur“). Die Hochschulen sollten Qualitätsmanagement
im Wesentlichen als Werkzeug verstehen, sich im Wettbewerb mit
anderen Institutionen zu profilieren. Bislang ist dieses Umdenken
nicht gelungen: Noch ist es so, dass mit Wehklagen über die Qualitäts-
sicherung und die Akkreditierung leicht die Lufthoheit über die aka-
demischen Stammtische zu gewinnen ist. Der Patient „Akkreditie-
rung“ kann nur auf Grundlage empirischer Daten zielführend und
nutzbringend reformiert werden, nicht auf Basis subjektiver Unzufrie-
denheitsbekundungen. Dass die Akkreditierung sich keiner allgemei-
nen Beliebtheit erfreut, liegt in der Natur der Sache, denn niemand
liebt den Qualitätssicherer und „Kontrolleur“. Die ungeliebten Akkre-
ditierungsagenturen machen dabei dieselben Erfahrungen wie die Fi-
nanzämter, die Rechnungshöfe oder auch die TÜV-Stellen für Kraft-
fahrzeuge. Die Ablehnung wird durch gravierende Mängel des Akkre-
ditierungssystems noch weiter geschürt. Die vorgestellten Evaluati-
onsergebnisse bilden einen Überblick über die wichtigsten Systemun-
zulänglichkeiten. Die daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen und
Empfehlungen sollen einen Beitrag zur Weiterentwicklung des Sys-
tems liefern. Die Zeit ist reif, das System zu reformieren und die
„Kinderkrankheiten“ der Akkreditierung zu überwinden.
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26 HQSL 2 40 12 12
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Informationen zum Autor:
Manuel Pietzonka (M.Sc.) studierte Psychologie und Anthropologie. Seit 2006 ist er als
Wissenschaftlicher Referent bei der Zentralen Evaluations- und Akkreditierungsagentur Hannover
(ZEvA) beschäftigt; bis 2009 im Referat Programmakkreditierung. Von 2009-2011 fungierte er im
Referat Evaluation als Projektkoordinator der Evaluation der Studienreform an den niedersäch-
sischen Hochschulen („Bologna [aus]gewertet“). Seit 2012 ist er Verantwortlicher für das Referat
Systemakkreditierung. Seit 2010 promoviert er an der Universität Kassel im Internationalen Zentrum
für Hochschulforschung („INCHER“) bei Professor Teichler über die Gestaltung von Studiengängen
im Rahmen der Studienreform.