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Hohenheim Entrepreneurship
Research Brief
Nr. 6 – Februar 2019 – ISSN 2568-4388
Konzeption und Potenziale eines
Gründungsklimaindex
Von Andreas Kuckertz
Gründungsaktivität ist nicht allein davon abhängig, ob Unternehmensgründer potenzielle
Chancen zur Etablierung neuer Geschäftskonzepte wahrnehmen. Denn genauso bestim-
men generell hemmende und fördernde Faktoren des Umfelds, ob eine potenziell interes-
sante Geschäftsidee in die Tat umgesetzt wird. Wie Unternehmensgründer ihr Umfeld be-
werten, lässt sich als Gründungsklima bezeichnen. Kenntnis darüber, wie das Gründungs-
klima konkret ausgeprägt ist, kann nicht nur eine wertvolle Information für angehende Un-
ternehmensgründer sein, sondern auch für politische Entscheidungsträger und die Wissen-
schaft. Dieser Research Brief stellt daher die Konzeption eines geeigneten Index zur Mes-
sung des Gründungsklimas vor.
Unternehmensgründer stehen im Fokus der öffent-
lichen Aufmerksamkeit, der Wissenschaft und nicht
zuletzt der Wirtschaftspolitik. Die Anzahl der Unter-
nehmensgründungen in einer Region oder auch ei-
ner Volkswirtschaft ist ein Signal für deren potenzi-
elle Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit. Unter-
nehmensgründungen versprechen Innovativität
und neue Arbeitsplätze und werden daher als un-
terstützenswerte Vorhaben gesehen.
Nicht zuletzt aus diesem Grund legt die Politik da-
her regelmäßig neue Förderprogramme auf und
unternimmt vielfältige – stellenweise unüberschau-
bare – Maßnahmen, um mehr und bessere Unter-
nehmensgründungen in ihrem jeweiligen Einfluss-
bereich zu ermöglichen. Ob derartige Maßnahmen
jedoch erfolgreich sind, steht oftmals zur Diskus-
sion. Häufig wird die Evaluation der getroffenen
Maßnahmen eher inputorientiert vorgenommen,
sodass das Maß des Erfolgs beispielsweise die An-
zahl der unterstützten Unternehmer ist oder auch
der monetäre Umfang eines Förderprogramms im
Vergleich zu konkurrierenden Regionen.
Mitnahmeeffekte sind vor diesem Hintergrund nicht
ausgeschlossen und es steht die Frage im Raum,
ob die bisherige wirtschaftspolitische Förderung
wirklich dazu beigetragen hat, das Umfeld für
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Research Brief
Nr. 6 – Februar 2019 – ISSN 2568-4388 Seite 2
Unternehmensgründungen positiv zu gestalten.
Gleichzeitig entziehen sich viele, das Gründungs-
klima beeinflussende Faktoren der politischen Ge-
staltung. So können beispielsweise kulturelle Fak-
toren, wie der jeweils dominierende gesellschaftli-
che Umgang mit Unsicherheit oder auch mit dem
Scheitern, durchaus mitbestimmen, ob Unterneh-
mensgründungen in einem eher fördernden oder
eher hemmenden Klima stattfinden.
Schritte der Ermittlung eines Gründungs-
klimaindex
1. Befragung von Unternehmensgründern in
einer klar abgegrenzten Region hinsichtlich
ihrer Einschätzung des Umfelds für Unter-
nehmensgründungen.
2. Berechnung des Gründungsklimas als
Saldo von positiven und negativen Einschät-
zungen des Umfelds für Unternehmens-
gründungen.
3. Berechnung des Gründungsklimaindex nor-
miert auf einen fiktiven Basiszeitpunkt mit
ausgeglichener Bewertung von positiven
und negativen Einschätzungen.
Vor diesem Hintergrund macht es Sinn, das Umfeld
für Unternehmensgründungen in eine prägnante
Kennzahl zu überführen, die das Gründungsklima
einer Region regelmäßig und umfassend abbildet.
Diese Kennzahl wäre ein Index, welcher zügig
Rückmeldung auf gesellschaftliche Veränderun-
gen und neu eingeführte wirtschaftspolitische Maß-
nahmen geben kann. Ein positiv ausgeprägtes
Gründungsklima verspricht dabei mittelfristig eine
erhöhte Gründungsaktivität.
Umsetzung
Die Vorgehensweise des in Wissenschaft, Politik
und Öffentlichkeit gut etablierten Ifo-Konjunktur-
klimaindex kann als Inspiration zur Konzeption ei-
nes Gründungsklimaindex dienen. Die Ermittlung
eines Gründungsklimaindex erfolgt darauf aufbau-
end in drei Schritten. Im ersten Schritt gilt es Unter-
nehmensgründer in einer klar abgegrenzten Re-
gion, sei es eine Stadt, ein regionales Ökosystem
oder ein Bundesland, möglichst repräsentativ um
ihre Einschätzung des Umfelds für Unternehmens-
gründungen zu bitten.
Dazu bietet sich folgende Frage an:
„Ich beurteile das Umfeld für Unternehmensgrün-
dungen in [Region xyz] aktuell als gut/befriedi-
gend/schlecht.“
Diese Frage gilt es regelmäßig zu erheben; ein
Rhythmus von vier Monaten kann dabei als ange-
messen angesehen werden. Die Unternehmen der
befragten Unternehmer sollten dabei nicht älter als
fünf Jahre sein, um immer noch hinreichend gut
über die hemmenden und fördernden Faktoren ei-
ner Unternehmensgründung informiert zu sein.
Der zweite Schritt beschreibt das Gründungsklima
als Saldo aus der Differenz der Prozentanteile der
Antworten „gut“ und „schlecht“ zur gestellten Frage
und ergibt damit die Einschätzung der aktuellen
Lage in Bezug auf Unternehmensgründungen
durch die Unternehmer:
𝐺𝑟ü𝑛𝑑𝑢𝑛𝑔𝑠𝑘𝑙𝑖𝑚𝑎(𝐺𝐾)
= 𝑃𝑟𝑜𝑧𝑒𝑛𝑡𝑎𝑛𝑡𝑒𝑖𝑙 𝑔𝑢𝑡𝑒𝑟 𝐸𝑖𝑛𝑠𝑐ℎä𝑡𝑧𝑢𝑛𝑔𝑒𝑛
− 𝑃𝑟𝑜𝑧𝑒𝑛𝑡𝑎𝑛𝑡𝑒𝑖𝑙 𝑠𝑐ℎ𝑙𝑒𝑐ℎ𝑡𝑒𝑟 𝐸𝑖𝑛𝑠𝑐ℎä𝑡𝑧𝑢𝑛𝑔𝑒𝑛
Das Gründungsklima schwankt damit zwischen
den Extremwerten +100 für den Fall, dass alle Be-
fragungsteilnehmer das Gründungsumfeld als gut
bewerten und -100 für den Fall, dass alle befragten
Unternehmensgründer das Umfeld als schlecht
einstufen.
Im dritten Schritt wird der Gründungsklimaindex
berechnet, indem dieser auf 100 und einen fiktiven
Basiszeitpunkt mit ausgeglichener Wahrnehmung
normiert wird. Nach dem Rollenmodel des Ifo-Kon-
junkturklimaindex berechnet sich der Gründungs-
klimaindex daher wie folgt:
𝐺𝑟ü𝑛𝑑𝑢𝑛𝑔𝑠𝑘𝑙𝑖𝑚𝑎𝑖𝑛𝑑𝑒𝑥
= 𝐺𝐾 𝑧𝑢𝑚 𝐵𝑒𝑟𝑖𝑐ℎ𝑡𝑠𝑧𝑒𝑖𝑡𝑝𝑢𝑛𝑘𝑡 + 200
𝐺𝐾 𝑧𝑢𝑚 𝑓𝑖𝑘𝑡𝑖𝑣𝑒𝑛 𝐵𝑎𝑠𝑖𝑠𝑧𝑒𝑖𝑡𝑝𝑢𝑛𝑘𝑡 + 200 𝑥 100
Der Gründungsklimaindex weist damit eine
Schwankungsbreite von +50 bis +150 auf, wobei
Werte über 100 ein Gründungsklima anzeigen,
welches mehrheitlich als gut oder neutral gesehen
wird, und Werte unter 100 andeuten, dass Unter-
nehmensgründer ihr Umfeld mehrheitlich neutral
oder schlecht einschätzen.
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Fazit
Der Gründungsklimaindex stellt ein einfaches Instrument dar, um regelmäßig Feedback von Unternehmens-
gründern im Hinblick auf ihr Umfeld in einer Region einzuholen. Ein solcher Index birgt nicht nur das Potenzial,
wirtschaftspolitische Maßnahmen zur Förderung der Gründungsaktivität im Hinblick auf ihre Effektivität zu
überprüfen. Er kann auch potenziellen Unternehmensgründern Orientierung bieten und – im Falle einer posi-
tiven Ausprägung – als Motivator dienen, den ersten Schritt in Richtung einer Unternehmensgründung zu wa-
gen. Für die Wissenschaft stellt sich die Frage, wie das konjunkturelle Umfeld und das Gründungsumfeld
zusammenhängen und welche Stellschrauben zukünftig identifiziert werden können, um beispielsweise die
Aktivität von Unternehmensgründern von der allgemeinen Konjunktur zu entkoppeln.
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Research Brief
Nr. 6 – Februar 2019 – ISSN 2568-4388 Seite 4
Autor
Univ.-Prof. Dr. Andreas Kuckertz
andreas.kuckertz@uni-hohenheim.de
Impressum
Universität Hohenheim
Fachgebiet Unternehmensgründungen und
Unternehmertum (570c)
Wollgrasweg 49
70599 Stuttgart
Tel.: +49 711 459 24821
Bildmaterial: Universität Hohenheim (Felix Pilz).
V.i.S.d.P.: Univ.-Prof. Dr. Andreas Kuckertz
www.entrepreneurship.uni-hohenheim.de
Bislang erschienen
Das Beste aus zwei Welten – Key Learnings aus dem ACTIVATR-Programm. Leif Brändle, C. Arturo Morales
Reyes und Andreas Kuckertz. Hohenheim Entrepreneurship Research Brief, Nr. 5, August 2018. Stuttgart:
Universität Hohenheim.
What’s Hot in Entrepreneurship Research 2018? Andreas Kuckertz und Alicia Prochotta. Hohenheim Entre-
preneurship Research Brief, Nr. 4, Februar 2018. Stuttgart: Universität Hohenheim.
Kreative Gründungsförderung – wo Startups die Politik in der Pflicht sehen. Andreas Kuckertz und Alicia
Prochotta. Hohenheim Entrepreneurship Research Brief, Nr. 3, September 2017. Stuttgart: Universität Ho-
henheim.
Jeder für sich oder alle zusammen? Das Stuttgarter Startup Ökosystem. Andreas Kuckertz, Elisabeth S.C.
Berger und Tobias Pommer. Hohenheim Entrepreneurship Research Brief, Nr. 2, Juni 2017. Stuttgart: Uni-
versität Hohenheim.
Den „Generationenkonflikt“ durch richtige Kooperation überwinden – was Startups von Großunternehmen
erwarten. Andreas Kuckertz und Martin Allmendinger. Hohenheim Entrepreneurship Research Brief, Nr. 1,
Januar 2017. Stuttgart: Universität Hohenheim.
Alle bislang erschienenen Hohenheim Entrepreneurship Research Briefs sind auf der Internetpräsenz des
Hohenheimer Fachgebiets Unternehmensgründungen und Unternehmertum verfügbar:
https://entrepreneurship.uni-hohenheim.de/researchbrief