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Kommunikation
Recht
&
Betriebs-Berater für
Medien Telekommunikation Multimedia
K&R
·
22. Jahrgang Januar 2019 Seiten 1 – 72
Editorial: 2019 – Pressefreiheit in Gefahr? – 8. Presserechtsforum
Prof. Dr. Roger Mann
1 Chatbots im praktischen Einsatz: Grundbegrie, Rechtsfragen und
Anwendungsszenarien · Luisa Lorenz
8 Geltungsdauer einer Einwilligung in die Werbeansprache
Nadine Schneider
13 Das Ansehen der Behörde – Zivilrechtlicher Ehrschutz
von juristischen Personen des öentlichen Rechts
Dr. Christian Conrad und Dr. Lucas Brost
15 Kratzen und Schürfen im Datenmilieu – Web Scraping in sozialen
Netzwerken zu wissenschaftlichen Forschungszwecken
Dr. Sebastian J. Golla und Dr. Max v. Schönfeld
22 Sachmangelhaftigkeit von Software bei nicht DSGVO-konformer
Entwicklung · Malte Dümeland
25 Länderreport Schweiz · Dr. Ursula Widmer
34 BVerfG: Verletzung der prozessualen Waengleichheit wegen
Verpichtung zur Gegendarstellung ohne rechtliches Gehör
mit Kommentar von Dr. Axel von Walter
43 BGH: Unerlaubte Werbung durch Bitte um positive Bewertung
in Rechnungs-E-Mail
mit Kommentar von Dr. Dennis Voigt
52 Hanseatisches OLG Hamburg: Datenschutzverletzung kann
Wettbewerbsverstoß darstellen
mit Kommentar von Sebastian Laoutoumai und Patrick Baumfalk
61 LG Berlin: Unterlassungsanspruch gegen Wikipedia-Eintrag
mit Kommentar von Dr. Ansgar Koreng
70 OGH: Fahrverbot für Uber in Wien
mit Kommentar von Prof. Dr. Clemens Thiele
1
Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB handelt.24
Diese Ansicht berzeugt, da der Gesetzgeber in § 90 a
StGB eine abschließende Sonderregelungen getroffen hat,
die keinen Raum lsst fr eine vergleichbare Herleitung
des Ehrschutzes wie unter II. erlutert – zumal durch die
Abschaffung des § 103 StGB generell der Wille gezeigt
wurde, dass ein weitreichender Ehrschutz zugunsten staat-
licher Institutionen nicht mehr zeitgemß ist.
Gleichwohl vertritt die Rechtsprechung die Ansicht, dass
auch die Bundesrepublik Deutschland sowie die Bundes-
lnder Unterlassungsansprche in den Fllen geltend ma-
chen kçnnen. Auch hierzu stellt sie aber auf das Erforder-
nis der schwerwiegenden Funktionsbeeintrchtigung ab;
der BGH fhrt insofern aus:25
„Soweit im Schrifttum die Auffassung vertreten wird, ‚der
Bund‘ bzw. die Bundesrepublik sei auf den strafrecht-
lichen Sonderschutz des § 90 a StGB beschrnkt und daher
zur Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprche als Folge
von Medienberichterstattung nicht befugt (...), trifft dies
jedenfalls dann nicht zu, wenn die konkrete ußerung
geeignet ist, die Behçrde schwerwiegend in ihrer Funktion
zu beeintrchtigen.“
V. Ergebnis
Der Staat und seine Behçrden mssen kritisiert werden
drfen – auch scharf. Selbst Kritik an der Verfassung und
ihren wesentlichen Elementen ist ebenso erlaubt wie die
ußerung der Forderung, tragende Bestandteile der frei-
heitlichen demokratischen Grundordnung zu ndern.26
Nur in absoluten Ausnahmefllen kçnnen Behçrden daher
aktivlegitimiert sein, um ußerungsrechtliche Ansprche
gegen Medien oder Privatpersonen geltend zu machen.
Das Merkmal der schwerwiegenden Funktionsbeeintrch-
tigung ist hierfr ein geeignetes Kriterium, um derartige
Ausnahmekonstellationen bestimmen zu kçnnen. Eine sol-
che liegt nur vor, wenn eine schwerwiegende Funktions-
beeintrchtigung konkret eingetreten ist.
24 Burkhardt/Peifer, in: Wenzel (Fn. 5), Kap. 5 Rn. 126; vgl. auch LG
Hamburg, 17. 5. 2002 – 324 O 780/01, ZUM-RD 2003, 48, 49.
25 BGH, 22. 4. 2008 – VI ZR 83/07, NJW 2008, 2262, 2265.
26 So BVerfG, 24. 5. 2005 – 1 BvR 1072/01, NJW 2005, 2912, 2915.
Dr. Sebastian J. Golla, Mainz und Dr. Max v. Schçnfeld, Berlin
*
Kratzen und Schrfen im Datenmilieu – Web Scraping
in sozialen Netzwerken
zu wissenschaftlichen Forschungszwecken
Web Scraping-Verfahren sind ein attraktives Mittel, um
soziale Netzwerke zu Forschungszwecken auszuwerten.
Dies gilt besonders seit Facebook die Nutzung seiner Ent-
wicklerschnittstelle infolge des Cambridge Analytica-
Skandals eingeschrnkt hat. Aus rechtlicher Perspektive
wirft Web Scraping komplexe Probleme auf. Hierbei spie-
len vertragsrechtliche, urheberrechtliche und datenschutz-
rechtliche Aspekte zusammen.
I. Web Scraping als Forschungsinstrument
Soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter bieten fr
Forscher einen hçchst interessanten Informationspool.
1
Die dort nachvollziehbare Kommunikation der Nutzerin-
nen untereinander bietet eine breite Datenbasis und pro-
voziert auch neue Forschungsvorhaben. Web Scraping-
Verfahren eignen sich dazu, diesen Informationspool aus-
zuschçpfen. Verkrzt gesagt ermçglichen sie es, Informa-
tionen aus der Weboberflche von sozialen Netzwerken
(und anderen Webprsenzen) automatisiert abzurufen und
auszulesen.
Prinzipiell steht fr die Datenerhebung zu Forschungs- und
anderen Zwecken auch die Entwicklerschnittstelle eines
sozialen Netzwerks (Application Programming Interface/
API) bereit. Allerdings schrnkte insbesondere Facebook
die Mçglichkeiten des Datenzugriffs ber seine API in
Folge des Cambridge Analytica-Skandals stark ein. Im
Fall Cambridge Analytica waren – teils unter dem Vor-
wand wissenschaftlicher Forschung – massenhaft Daten
ber die API von Facebook zu Wahlkampfzwecken aus-
gelesen worden.
2
Die von Facebook vorgenommenen Ein-
schrnkungen fhrten zu internationalen Protesten von
Wissenschaftlern, die hierdurch ihre Forschungsmçglich-
keiten unverhltnismßig eingeschrnkt sehen.
3
1. Die technische Funktionsweise
Um die rechtliche Bewertung nachvollziehen zu kçnnen,
wird hier kurz die technische Funktionsweise von Web
Scraping-Prozessen anschaulich gemacht.
4
Bei Web Scra-
ping geht es im Kern um die Extraktion von Informationen
und Daten aus einer Webprsenz bzw. der dahinterstehen-
K&R1/2019 Golla/v. Schçnfeld, Web Scraping in sozialen Netzwerken 15
* Der Autor Golla bedankt sich bei Prof. Dr. Matthias Bcker, Dr. Linda
Kuschel, Prof. Dr. Anne Lauber-Rçnsberg und Prof. Dr. Benjamin Raue
fr die anregenden Diskussionen zu der Thematik des Beitrags. v. Schçn-
feld ist Autor der Dissertation „Screen Scraping und Informationsfreiheit“,
erschienen 2018. Mehr ber die Autoren erfahren Sie auf S. VIII. Alle
zitierten Internetquellen wurden zuletzt abgerufen am 6. 11. 2018.
1 Vgl. zu sozialen Netzwerken als Datenquellen fr die Forschung Golla /
Hofmann/Bcker, DuD 2018, 89 f. m. w. N.
2 Dazu https://www.theverge.com/2018/3/21/17148726/facebook-develo
per-data-crackdown-cambridge-analytica.
3 Vgl. den hierzu von Axel Bruns verçffentlichten und von diversen nam-
haften Wissenschaftlern unterzeichneten offenen Brief, abrufbar unter:
https://medium.com/@Snurb/facebook-research-data-18662cf2cacb.
4 Hierzu ausfhrlich v. Schçnfeld, Screen Scraping und Informationsfreiheit,
2018, S. 49 ff.
den Datenbank. Die technische Herausforderung liegt im
Wesentlichen darin, dass eine Information auf einer Web-
seite prinzipiell fr menschliche Nutzerinnen bestimmt ist
und nicht fr maschinelle „Augen“.
5
Dies gilt vor allem
mit Blick auf die visuellen Merkmale einer Webseite wie
Anordnung, Ausrichtung und Layout. Im Regelfall gibt es
keine speziellen, maschinenauslesbaren Ausgaben von
Webprsenzen, sodass die Extraktion von spezifischen
Daten und Informationen durch Web Scraping und die
anschließende Folgeverwendung eine technisch durchaus
fordernde Aufgabe ist.
Web Scraping erfolgt im Wesentlichen in zwei techni-
schen Arbeitsschritten: Zunchst wird mithilfe eines Web-
bots eine Webseite abgerufen. Im Anschluss werden In-
formationen und Daten analysiert sowie je nach Bedarf
extrahiert. Dies geschieht im Rahmen eines automatisier-
ten Vorgangs und ermçglicht damit ein hohes Maß an
Effizienz.
Bei Webbots
6
handelt es sich um Software, die automati-
sierte Anwendungen verschiedener Art im Internet aus-
fhren. Die wohl bekanntesten Bots sind die Webcrawler
des marktfhrenden Suchindex von Google.
7
Fortgeschrit-
tene Bots sind sogar in der Lage, mit Webprsenzen zu
kommunizieren und zu interagieren, etwa durch das Aus-
fllen von Formularen (Robotic Process Automation).
8
Diese Bots greifen ber den HTML-Code einer Webpr-
senz auf die dahinterstehende Datenbank zu und lesen die
gewnschten Informationen und Daten aus. Die spezifi-
sche Informationsextraktion stellt dabei den – sowohl tech-
nisch als auch rechtlich – entscheidenden Punkt dar.
9
Dabei wird sich hufig des sog. Parsing bedient, ein Pro-
zess, der zwischen den im Einzelfall relevanten respektive
irrelevanten Informationen unterscheidet.
10
Das Web Scraping ist die wohl aktuell technisch profans-
te – wenn auch nicht „sauberste“ – Lçsung, um frei zu-
gngliche Informationen und Daten im Web automatisiert
abzurufen. So ist der Zugang zu einer Datenbank ber eine
standardisierte Entwicklerschnittstelle (API) deutlich
komfortabler, muss allerdings durch den Administrator
einer Datenbank eingerichtet und freigeschaltet werden.
11
Im Ergebnis lsst sich eine Web Scraping-Anwendung als
Algorithmus-basiertes Verfahren definieren, das dazu be-
stimmt ist, çffentlich zugngliche Informationen und Da-
ten von Webprsenzen abzurufen und auszulesen.
2. Die rechtliche Komplexitt
Web Scraping-Verfahren werfen unterschiedlichste
Rechtsfragen auf. Lange wurden sie vor allem unter wett-
bewerbsrechtlichen Gesichtspunkten diskutiert. Anstoß
dazu gab u. a. die Praxis von Online-Flugvermittlungen,
Informationen ber Flugverbindungen von den çffentlich
zugnglichen Websites von Fluglinien auszulesen.
12
Al-
lerdings spielten auch urheberrechtliche Aspekte in dieser
Diskussion frh eine Rolle.
13
Der vorliegende Beitrag betrachtet das Web Scraping zu
wissenschaftlichen Forschungszwecken unter den Blick-
winkeln von Vertragsrecht (II.), dem sog. virtuellen Haus-
recht (III.), Datenschutzrecht (IV.), Urheberrecht (V.) und
Strafrecht (VI.). Dabei kommt es in der Bewertung der
rechtlichen Zulssigkeit von Web Scraping-Verfahren zu
komplexen Wechselwirkungen zwischen den einzelnen
Rechtsgebieten. Dies gilt insbesondere fr vertraglichen
Schutz und den sui generis-Datenbankschutz nach dem
UrhG.
14
Neben den einfachgesetzlichen Regelungen sind auch die
grundrechtlichen Belange der beteiligten Akteure zu be-
rcksichtigen. Anzufhren sind dabei insbesondere die
Wertungen der Wissenschaftsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 3
GG und der Informationsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 S. 1
Var. 2 GG auf Seiten der forschenden Scraping-Anwender
und die vermçgensrechtlichen Interessen der Websitebe-
treiber sowie die persçnlichkeitsrechtlichen Belange der
Nutzerinnen auf der anderen Seite.
II. Vertragsrecht
Sofern der Einsatz eines Scraping-Verfahrens nach einer
Anmeldung bei einem sozialen Netzwerk erfolgt, sind
dessen Nutzungsbedingungen zu beachten. Mit der Regis-
trierung schließt die Nutzerin einen Nutzungsvertrag mit
dem Anbieter des sozialen Netzwerks.
15
Erfordert der
Einsatz des Scraping-Verfahrens nicht die Anmeldung zu
einem Dienst, sondern nur den Besuch einer offen zugng-
lichen Website, hat dies keine tiefergehenden vertrags-
rechtlichen Implikationen.
16
Stellt der Websitebetreiber
in diesem Fall Nutzungsbedingungen, handelt es sich re-
gelmßig um einseitige und mangels Rechtsbindungswil-
len unverbindliche Bedingungen.
17
Die Nutzungsbedingungen sozialer Netzwerke sind ihrer
Rechtsnatur nach AGB im Sinne von §§ 305 ff. BGB.
18
Die Frage, ob und inwieweit sie gegenber den Nutze-
rinnen wirksam den Einsatz von Web Scraping-Verfahren
ausschließen kçnnen, wird im Folgenden anhand der Nut-
zungsbedingungen von Facebook untersucht. Diese wer-
den hierbei exemplarisch herangezogen. Die Nutzungsbe-
dingungen anderer sozialer Netzwerke enthalten hnliche
Passagen, die den automatisierten Zugriff auf die Websites
verbieten und zum Teil explizit auf Scraping Bezug neh-
men.
19
16 Golla/v. Schçnfeld, Web Scraping in sozialen Netzwerken 1/2019 K&R
5 Zur technischen Gestaltung von HTML-Webprsenzen Ernst /Schmidt/
Beneken, Grundkurs Informatik, 2015, S. 707; Gumm/Sommer, Einfh-
rung in die Informatik, 2012, S. 663 ff.
6 Auch bekannt als „Webrobots“, „Webcrawler“, „Webspider“ oder schlicht
„Bots“.
7Schrenk, Webbots, Spiders and Screen Scrapers – A guide to developing
internet agents with PHP /Curl, 2. Aufl. 2012, S. 173; daz u fe rner di e
Erluterung von Google selbst: https://support.google.com/webmasters/
answer/182072?hl=de.
8 Im Kontext von Web Scraping Schrenk (Fn. 7), S. 63 f.; weiterfhrend
Casale et al., Introduction to Robotic Process Automation, v. a. S. 5 ff.,
21 ff., abrufbar unter: http://irpaai/wp-content/uploads/2015/05/Robotic-
Process-Automation-June2015.pdf.
9Din, 81 Brook. L. Rev. 405, 410 (2015).
10 Schrenk (Fn. 7), S. 38.
11 Mitchell, Web Scraping, 2015, Vorwort, S. VIII, S. 49 f.; im rechtlichen
Kontext Hirschey, 29 Berkeley Tech. L.J. 897, 897 f. (2014).
12 Vgl. Deutsch, GRUR 2009, 1027 ff.; Czychowski, NJW 2014, 3277 ff.;
umfassend v. Schçnfeld (Fn. 4), S. 281 ff.
13 Vgl. BGH, 22. 6. 2011 – I ZR 159/10, GRUR 2011, 1018 ff.; OLG Frank-
furt a. M., 5. 3. 2009 – 6 U 221/08, MMR 2009, 400 ff.; ausfhrlich
v. Schçnfeld (Fn. 4), S. 178 ff.
14 v. Schçnfeld (Fn. 4), S. 139 ff.; insb. 167 ff.
15 Vgl. zur Typologie einer solchen Abrede Berberich, Virtuelles Eigentum,
2010, S. 403.; Preuß, Rechtlich geschtzte Interessen an virtuellen Gtern,
2009, S. 126 f.
16 Ebenso Elteste, CR 2015, 447, 450.
17 BGH, 12. 6. 2014 – X ZR 121/13, NJW 2014, 3303, 3307 ff.; BGH, 22. 6.
2011 – I ZR 159/10, NJW 2011, 3443, 3448 f.; ausdrcklich auch OLG
Hamburg, 24. 10. 2012 – 5 U 38/10, BeckRS 2012, 22946; dazu Lorenz,
jurisPR-ITR 16/201 4 Anm. 3; auch Maume, MMR 2007, 620, 621;
Deutsch, GRUR 2009, 1027, 1028; Berberich (Fn. 15), S. 403.
18 Nur OLG Dresden, 8. 8. 2018 – 4 W 577/18, BeckRS 2018, 18249; vgl.
Deutsch, K&R 2015, 181, 182.
19 So etwa die Nutzungsbedingungen von Twitter (https://help.twitter.com/
de/rules-and-policies/twitter-rules), Snapchat (https://www.snap.com/de-
DE/terms/, unter „8. Sicherheit“) und LinkedIn: (https://www.linkedin.
com/legal/user-agreement?_l=de_DE#rights; unter „8. 2 Was Sie nicht tun
drfen“).
1. Die Nutzungsbedingungen von Facebook
In den Nutzungsbedingungen von Facebook
20
heißt es:
„2. Was du auf Facebook teilen und tun kannst: Wir
mçchten, dass Menschen Facebook nutzen, um sich aus-
zudrcken und Inhalte zu teilen, die ihnen wichtig sind.
Dies darf jedoch nicht auf Kosten der Sicherheit und des
Wohlergehens anderer oder der Integritt unserer Gemein-
schaft erfolgen. Du stimmst deshalb zu, dich nicht an den
nachfolgend beschriebenen Verhaltensweisen zu beteili-
gen (oder andere dabei zu fçrdern oder zu untersttzen):
[...] Du darfst (ohne unsere vorherige Genehmigung) nicht
mittels automatisierter Methoden auf Daten unserer Pro-
dukte zugreifen, solche Daten erfassen oder versuchen, auf
Daten zuzugreifen, fr die du keine Zugriffsberechtigung
hast.“
Das hier enthaltene Verbot, auf Daten von Facebook mit-
tels automatisierter Methoden zuzugreifen, erfasst auch
Verfahren des Web Scraping.
21
In einer frheren Fassung
der Nutzungsbedingungen waren „Scraper“ hier ausdrck-
lich als erfasste automatisierte Mechanismen bezeichnet.
22
2. Wirksamkeit
a) Vereinbarkeit mit § 60 g Abs. 1 UrhG
Die einschlgige Passage aus den Nutzungsbedingungen
kçnnte wegen eines Verstoßes gegen § 60g Abs. 1 UrhG
unwirksam sein. Nach § 60 g Abs. 1 UrhG ist die Schranke
aus § 60 d UrhG nicht vertraglich abdingbar. § 60 d UrhG
gestattet u. a. die Vervielfltigung von Werken zu Zwe-
cken des wissenschaftlichen Text und Data Mining.
§ 60 d Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UrhG erlaubt es, eine Vielzahl von
Werken fr die wissenschaftliche Forschung automatisiert
und systematisch zu vervielfltigen, um daraus insbeson-
dere durch Normalisierung, Strukturierung und Kategori-
sierung einen auszuwertenden Korpus zu erstellen. Dabei
drfen nur nicht kommerzielle Zwecke verfolgt werden
(§ 60 d Abs. 1 S. 2 UrhG). Nach diesen Maßgaben ist auch
die Nutzung von Datenbanken zulssig. Nach § 60 d Abs. 2
S. 2 UrhG gilt es mit der normalen Auswertung der Daten-
bank sowie mit den berechtigten Interessen des Daten-
bankherstellers im Sinne von § 87 b Abs.1 S. 2 UrhG und
§ 87e UrhG als vereinbar, wenn nur unwesentliche Teile
von Datenbanken nach Maßgabe des Abs. 1 genutzt wer-
den.
Die Regelung ermçglicht allerdings nur die Vervielflti-
gung von Inhalten, zu denen bereits ein rechtmßiger
Zugang besteht.
23
§ 60 d Abs. 1 UrhG schafft „keinen An-
spruch auf Zugang zu geschtztem Ursprungsmaterial.“
24
In der Gesetzesbegrndung heißt es hierzu weiter: „Die
Norm setzt diesen Zugang vielmehr voraus. Sie gestattet
beispielsweise also, im Bestand der Institutsbibliothek vor-
handene Texte oder ber Fernleihe beschafftes Schrifttum
zu scannen und durchsuchbar zu machen, um so das soge-
nannte Text und Data Mining durchzufhren. Sie erlaubt
auch die Verwendung von digitalem Ursprungsmaterial,
z. B. soweit der Rechtsinhaber es jedermann im Internet
zur Verfgung stellt.“
25
In dem vorliegenden Fall besteht zwar durch die Anmel-
dung bei Facebook ein in inhaltlicher Hinsicht ordnungs-
gemßer Zugang zu den Daten, auf die das Web Scraping-
Verfahren angewendet werden soll. Allerdings ist der Zu-
griff mit automatisierten Hilfsmitteln durch die Nutzungs-
bedingungen von Facebook grundstzlich in prozedural-
technischer Hinsicht ausgeschlossen. Fraglich ist, ob der
Zugang dadurch bereits mit der Folge ausgeschlossen ist,
dass § 60 d Abs. 1 UrhG keine Anwendung finden kann.
Dann lge in den Nutzungsbedingungen von Facebook
auch keine Abbedingung der Schranke aus § 60 d Abs. 1
UrhG.
Der Zugang wre im vorliegenden Fall allerdings nicht
ausgeschlossen, wenn die Anwendung von § 60 d Abs. 1
UrhG allein einen materiell-inhaltlich ordnungsgemßen
Zugang voraussetzt. Dafr spricht, dass die Regelung in
§ 60 g Abs. 1 UrhG zur Unabdingbarkeit der Schranke
wenig Sinn ergeben wrde, wenn sich ber eine vertrag-
liche Einschrnkung des Zugangs zu Daten letztlich das
gleiche Ergebnis erzielen ließe wie durch ihre direkte
Abbedingung. Andererseits enthlt die Gesetzesbegrn-
dung keinen Anhaltspunkt dafr, dass ein in materiell-in-
haltlicher Hinsicht eingerumter Zugang fr die Anwen-
dung der Schranke ausreichend ist. Dass § 60 d Abs. 1
UrhG fr Werke greift, die „jedermann im Internet zur
Verfgung“
26
gestellt wurden, spricht weder eindeutig fr
noch gegen das Erfordernis eines auch in prozedural-tech-
nischer Hinsicht ordnungsgemßen Zugriffs. Fr ein enges
Verstndnis der Voraussetzung des rechtmßigen Zugangs
und seine Beschrnkung auf die inhaltliche Ebene lsst
sich anfhren, dass das Merkmal nicht im Wortlaut von
§ 60 d Abs. 1 UrhG verankert ist. So sollte sich das Ver-
stndnis dieser ungeschriebenen Voraussetzung besonders
stark an Sinn und Zweck der Vorschrift orientieren. Dieser
ist die Ermçglichung des Einsatzes neuartiger technischer
Methoden zu Forschungszwecken,
27
die gerade auch fr
den digitalen und Online-Bereich interessant sind. Eine
zentrale berlegung hinter der Einfhrung von Schranken
zum Text und Data Mining ist zudem, dass aus dem
berechtigten Zugriff auch das Recht folgen soll, Inhalte
automatisiert auszuwerten („The Right to Read is the Right
to Mine“).
28
Ließen sich hier die Mçglichkeit des Text und
Data Mining leicht durch einschrnkende Nutzungsbedin-
gungen ausschließen, so wren Sinn und Zweck der
Schranke kaum sinnvoll erfllbar.
Damit sprechen die berzeugenderen Grnde dafr, dass
§ 60 d Abs. 1 UrhG im Ergebnis im vorliegenden Fall
anwendbar und seine Anwendung nicht durch die Nut-
zungsbedingungen von Facebook von vornherein ausge-
schlossen ist. Die Nutzungsbedingungen enthalten keine
Einschrnkung des Zugangs, die die Anwendung von
§ 60 d Abs. 1 UrhG ausschließt. Sie verstoßen damit gegen
§ 60 g Abs. 1 UrhG, da eine Nutzung von Text und Data
Mining-Verfahren den automatisierten Zugriff auf Daten
von Facebook voraussetzt.
Aus § 60 g Abs. 1 UrhG folgt allerdings nicht eine diesbe-
zgliche Unwirksamkeit der Nutzungsbedingungen. Dies
wird aus der Formulierung „kann sich der Rechtsinhaber
nicht berufen“ deutlich.
29
Die entsprechende Passage der
K&R1/2019 Golla/v. Schçnfeld, Web Scraping in sozialen Netzwerken 17
20 Abrufbar unter https://www.facebook.com/legal/terms.
21 Siehe hierzu auch die Automated Data Collection Terms, abrufbar unter
https://de-de.facebook.com/apps/site_scraping_tos_terms.php.
22 Libertus, ZUM 2018, 20, 21.
23 Raue, CR 2017, 656, 658.
24 BT-Drs. 18/12329, S. 41; Dreier, in: Dreier /Schulze, UrhG, 6. Aufl. 2018,
§ 60 d Rn. 4; vgl. auch Specht, OdW 4 (2018), 285, 286; Schack, Urheber-
und Urhebervertragsrecht, 8. Aufl. 2017, Rn. 99.
25 BT-Drs. 18/12329, S. 41.
26 BT-Drs. 18/12329, S. 41.
27 Vgl. BT-Drs. 18/12329, S. 40.
28 Vgl. Raue, GRUR 2017, 11, 12 f.
29 Dreier, in: Dreier /Schulze (Fn. 24), § 60 g Rn. 4; vgl. auch zu Recht
kritisch de la Durantaye, GRUR 2017, 558, 564.
Nutzungsbedingungen entfaltet also nur insofern keine
Wirkung, als sie dem automatisierten Zugriff zum Zwecke
von Text und Data Mining zu nicht-kommerziellen For-
schungszwecken entgegensteht. Erfolgt ein automatisier-
ter Zugriff zu diesen Zwecken, verstçßt dies nicht gegen
den Nutzungsvertrag mit Facebook.
b) Vereinbarkeit mit §§ 305 ff. BGB
Die AGB von Facebook werden durch ihre Darstellung
auf der Website und dem entsprechenden Hinweis bei
Anmeldung gem. § 305 BGB
30
in den mit Facebook ge-
schlossenen Nutzungsvertrag einbezogen.
31
Die Rege-
lung, die den automatisierten Zugriff auf Inhalte aus-
schließt, unterfllt auch keinem Klauselverbot nach
§§ 308, 309 BGB.
Fraglich ist, ob eine unangemessene Benachteiligung des
Vertragspartners des Verwenders (also der Nutzerin von
Facebook) im Sinne von § 307 Abs. 1 und Abs. 2 BGB
vorliegt. Es kçnnte zunchst eine Abweichung von einem
wesentlichen Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung
nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB vorliegen. Der Ausschluss
eines automatisierten Zugriffs kçnnte von dem Grundge-
danken der urheberrechtlichen Schranke aus § 60 d UrhG
(Text und Data Mining) abweichen. Ob und inwiefern
urheberrechtliche Schranken eine Leitbildfunktion haben
kçnnen, aus der sich ein wesentlicher gesetzlicher Grund-
gedanke im Sinne von § 307 Abs.2 Nr. 1 BGB ergibt, ist
im Einzelnen umstritten.
32
Aufgrund der Funktionen der
Schranken, die auch wesentlich dem Allgemeinwohl die-
nen und eine Ausgestaltung eines Gerechtigkeitsgebotes
darstellen, sprechen aber die berzeugenderen Grnde da-
fr, ihnen eine Leitbildfunktion zuzusprechen.
33
Nach die-
ser Betrachtung ist der Ausschluss des automatisierten
Zugriffs und die damit verbundene Abbedingung von
§ 60 d Abs. 1 UrhG
34
mit dem gesetzlichen Grundgedan-
ken dieser Regelung nicht zu vereinbaren. Die entspre-
chende Klausel der Nutzungsbedingungen von Facebook
ist damit unwirksam.
Darber hinaus kçnnte in den Nutzungsbedingungen auch
eine Benachteiligung des Vertragspartners des Verwen-
ders entgegen den Geboten von Treu und Glauben im
Sinne von § 307 Abs. 1 S.1 BGB liegen. Um dies zu beur-
teilen, sind aufgrund der mittelbaren Drittwirkung von
Grundrechten auch verfassungsrechtliche Wertungen zu
bercksichtigen.
35
Die Wertungen aus Art. 5 Abs. 1 Hs. 2
GG (Informationsfreiheit)
36
und Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG
(Wissenschaftsfreiheit) lassen es jedoch nicht von vorn-
herein als unangemessen erscheinen, dass Facebook den
automatisierten Zugriff auf Nutzerinhalte zunchst aus-
schließt und von einer Genehmigung abhngig macht.
Zwar ist einerseits durch einen solchen Ausschluss mit
der Erkenntnissuche das wohl zentrale Wesenselement der
Wissenschaftsfreiheit berhrt.
37
Auf der anderen Seite
lassen sich allerdings verfassungsrechtlich geschtzte Ver-
mçgensinteressen von Facebook sowie Datenschutzinte-
ressen der Nutzerinnen anfhren.
Sofern man darber hinaus unter Umstnden eine Unter-
lassungshaftung von Facebook gegenber Web Scraping-
Anwendern nach § 311 Abs. 3 BGB i. V. m. § 241 Abs. 2
BGB anerkennen wrde, so wre diese aufgrund ihrer
Beschrnkung auf das jeweilige Rechtsverhltnis imprak-
tikabel. Eine Unterlassungsverpflichtung wrde schließ-
lich im Einzelfall lediglich gegenber einem jeden einzel-
nen Webscraper gelten und nicht absolut.
38
3. Zwischenergebnis
Die Passage der Nutzungsbedingungen von Facebook, die
einen automatisierten Zugriff auf Daten ohne Genehmi-
gung grundstzlich ausschließt, ist gem. § 307 Abs. 1 S. 1,
Abs. 2 Nr. 1 BGB wegen eines Verstoßes gegen den we-
sentlichen Grundgedanken von § 60 d Abs. 1 UrhG un-
wirksam. Sie verstçßt zudem gegen § 60 g Abs. 1 UrhG,
was aber nicht zu ihrer absoluten Unwirksamkeit fhrt.
hnliches gilt fr die inhaltlich vergleichbaren Passagen in
den Nutzungsbedingungen weiterer sozialer Netzwerke
wie Twitter, YouTube oder LinkedIn.
Nhme man die Wirksamkeit der entscheidenden Passage
der Nutzungsbedingungen an, stellte sich die Frage, ob
Facebook und andere soziale Netzwerke im Rahmen des
Nutzungsvertrages auf Grundlage von § 242 BGB ver-
pflichtet wren, die automatisierte Nutzung von Daten zu
Forschungszwecken zu dulden.
39
Hierbei wren die Wis-
senschaftsfreiheit und das Forschungsinteresse der for-
schenden Nutzerinnen gegen die Vermçgensinteressen
von Facebook und die Persçnlichkeitsrechte der weiteren
Nutzerinnen abzuwgen. Das Ergebnis dieser Abwgung
erscheint allerdings offen. Neben der grundrechtlichen
Bindung der Netzwerkbetreiber wre u. a. zu untersuchen,
ob der mit einem sozialen Netzwerk geschlossene Nut-
zungsvertrag eine hnlich starke Basis fr entsprechende
Duldungspflichten bildet wie etwa Mietverhltnisse, fr
die das BVerfG Duldungspflichten zur Anbringung einer
Parabolantenne im Informationsinteresse der Mieter
40
und
zum Einbau eines Treppenlifts fr einen kçrperlich beein-
trchtigten Mieter
41
anerkannt hat.
III. Virtuelles Hausrecht
Die Betreiber sozialer Netzwerke kçnnten auch unab-
hngig von ihren Nutzungsbedingungen kraft eines sog.
virtuellen Hausrechts befugt sein, einzelne Nutzerinnen
von der Nutzung ihrer Webprsenzen auszuschließen
oder die Verwendung der Seiten auf eine bestimmte
Art zu untersagen.
42
Die Anerkennung eines virtuellen
Hausrechts ist allerdings in der Literatur
43
und Recht-
18 Golla/v. Schçnfeld, Web Scraping in sozialen Netzwerken 1/2019 K&R
30 Vgl. zur Anwendbarkeit des deutschen AGB-Rechts auf die Nutzungs-
bedingungen sozialer Netzwerke Solmecke/Dam, MMR 2012, 71.
31 Graf von Westphalen, VuR 2017, 323, 332 bezweifelte die wirksame
Einbeziehung, da die Nutzerinnen nicht in der Lage seien, vom Inhalt
der AGB Kenntnis zu nehmen, denn es sei nicht „klar und auch nicht
bestimmbar, welchen Inhalt die AGB im Fall eines Widerspruchs zwi-
schen der deutschen und der maßgebenden englischen Fassung aufwei-
sen.“ Nach der aktuellen Fassung der Nutzungsbedingungen ist allerdings
nicht die englische Sprachfassung maßgeblich, so dass insofern keine
Interpretationsschwierigkeiten mehr bestehen; vgl. im Kontext kommer-
zieller Scraping-Verfahren Deutsch, K&R 2015, 181, 182 f.
32 Vgl. Grbig, GRUR 2012, 331, 335 f.; Wille, ZUM 2011, 206 ff.
33 Grbig, GRUR 2012, 331, 335 f.; vgl. hnlich Dreier, in: Dreier /Schulze
(Fn. 24), Vorbemerkung zu den §§ 44 a ff. Rn. 9.
34 Vgl. dazu oben a).
35 Vgl. nur Wurmnest, in: MKo-BGB, 7. Aufl. 2016, § 307 Rn. 53.
36 Zum Einfluss informationsfreiheitlicher Wertungen im Kontext gewerb-
lich ausgerichteter Scraping-Anwendungen v. Schçnfeld (Fn. 4), S. 159 ff.
37 Vgl. nur Scholz, in: Maunz/Drig, GG, 83. EL 2018, Rn. 93f.
38 Dazu im gewerblichen Kontext von Scraping-Verfahren v. Schçnfeld
(Fn. 4), S. 163 ff.
39 Vgl. zu entsprechenden Duldungsansprchen aufgrund der Wertentschei-
dungen des Grundgesetzes BVerfG, 28. 3. 2000 – 1 BvR 1460/99, NJW
2000, 2658 ff.; BVerfG, 31. 3. 2013 – 1 BvR 1314/11, NJW 2013, 2180 ff.;
Schubert, in: MKo-BGB, 7. Aufl. 2016, § 242 Rn. 57 ff.; Sutschet, in:
BeckOK-BGB, 47. Ed. 2018, § 242 Rn. 22 ff.
40 BVerfG, 31. 3. 2013 – 1 BvR 1314/11, NJW 2013, 2180 ff.
41 BVerfG, 28. 3. 2000 – 1 BvR 1460/99, NJW 2000, 2658 ff.
42 Als Anspruchsgrundlage kommt hier insbesondere § 1004 BGB analog in
Betracht; vgl. v. Schçnfeld (Fn. 4), S. 311 ff.
43 Umfassend und jeweils m. w. N. Schmidt, Virtuelles Hausrecht und Web-
robots, 2011, S. 1 ff.; Piras, Virtuelles Hausrecht, 2016, S. 1 ff.; im Kon-
text von Scraping-Anwendungen v. Schçnfeld (Fn. 4), S. 324 ff.
sprechung
44
sehr umstritten. Problematisch ist dabei be-
sonders die fehlende sachenrechtliche Konvergenz zwi-
schen Anknpfungspunkt und Schutzobjekt im Zusam-
menhang mit Webprsenz- bzw. Datenbankbetreibern.
45
In Rede stehen dabei zum einen die subjektive-persçn-
liche Divergenz zwischen Sachberechtigtem und virtuell
Berechtigtem und zum anderem das sachliche Auseinan-
derfallen von Zuweisungs- und Abwehrbefugnissen im
Rahmen der inhaltlichen Nutzung auf virtueller Ebene
sowie der technischen Nutzung auf realer Ebene.
46
Zu-
dem ist die praktische Erforderlichkeit eines virtuellen
Hausrechts aus systematischen und dogmatischen Ge-
sichtspunkten, insbesondere im Kontext der Abwehr
von Scraping-Zugriffen, in hohem Maße fragwrdig.
47
Selbst wenn man ein umfassendes virtuelles Hausrecht
auch zur rechtlichen Abwehr von Scraping-Zugriffen an-
erkennen wrde, unterlge dieses – wie sein analoges
Pendant – zudem gewissen Schranken.
48
Hierbei wren
wiederum die grundrechtlich im Rahmen der Informati-
ons- und Wissenschaftsfreiheit geschtzten Belange zu
bercksichtigen.
Im Einzelnen ist der Streit um das virtuelle Hausrecht fr
die vorliegende Forschungsfrage nicht von entscheidender
Bedeutung. Die Mçglichkeit eines Ausschlusses von Be-
suchern von einer Webprsenz kraft virtuellen Hausrechts
ist vor allem dann von Interesse, wenn keine vertraglichen
Beziehungen zu den Besuchern einer Website bestehen. Im
vorliegenden Fall erfordert der Zugriff auf die relevanten
Inhalte von Facebook und anderen sozialen Netzwerken
jedoch regelmßig
49
eine Anmeldung und damit den vor-
herigen Abschluss eines Nutzungsvertrages. Dieser enthlt
grundstzlich abschließende Regelungen ber die Mçg-
lichkeiten der Nutzung.
IV. Datenschutzrecht
Datenschutzrechtlich ist die Verarbeitung von Daten aus
çffentlich zugnglichen
50
Bereichen sozialer Netzwerke
zu Forschungszwecken in weitem Umfang auch ohne eine
Einwilligung der Nutzerinnen zulssig.
51
Maßgeblich ist
hierbei fr privatrechtlich organisierte Forschungsstellen
gem. Art. 6 Abs. 1 lit.f DSGVO, ob sich die Verarbeitung
im Rahmen berechtigter Interessen bewegt. Diese werden
im Fall çffentlich zugnglicher Daten regelmßig den
Interessen der Nutzerinnen am Ausschluss der Verarbei-
tung berwiegen. Fr çffentlich-rechtlich organisierte For-
schungsstellen gem. Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO wird im
Ergebnis nach hnlichen Kriterien maßgeblich sein, ob die
Datenverarbeitung zur Erfllung ihrer Forschungsaufga-
ben erforderlich ist.
52
Eine zustzliche Interessenabw-
gung ist nach Art.9 Abs.2 lit.j DSGVO i.V.m. §27
Abs. 1 S.1 BDSG bei besonderen personenbezogenen Da-
ten durchzufhren. Fr von Nutzerinnen selbst in offenen
Bereichen sozialer Medien geteilte personenbezogene Da-
ten kommt zustzlich Art. 9 Abs. 2 lit. e DSGVO zur An-
wendung.
53
Die Nutzungsbedingungen der sozialen Netzwerke, die
einen automatisierten Zugriff auf ihre Inhalte untersagen,
stehen einer Verarbeitung der Daten im Rahmen von Web
Scraping-Verfahren zu Forschungszwecken auf Grundlage
der benannten Rechtsgrundlagen grundstzlich nicht ent-
gegen. Die Regelungen der Nutzungsbedingungen sind bei
einer datenschutzrechtlichen Interessenabwgung im Rah-
men von Art. 6 Abs. 1 lit.f DSGVO und Art. 9 Abs. 2 lit.j
DSGVO i. V. m. § 27 Abs. 1 S. 1 BDSG zu bercksichti-
gen. Sie dienen auch dem Schutz von Nutzerinnen dieser
Netzwerke. Die hier thematisierte Regelung in den Nut-
zungsbedingungen spricht zwar nicht ausdrcklich von
dem Schutz von Daten der Nutzerinnen von Facebook.
Aus ihrem Zusammenhang („[...] darf jedoch nicht auf
Kosten der Sicherheit und des Wohlergehens anderer oder
der Integritt unserer Gemeinschaft erfolgen“) wird jedoch
deutlich, dass dieser zumindest mit bezweckt ist.
Dass der hier relevante Teil der Nutzungsbedingungen,
der die automatisierte Auswertung von Inhalten untersagt,
gem. § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist,
steht ihrer Bercksichtigung bei der Interessenabwgung
nicht entgegen. Die Nutzungsbedingungen kçnnen die
Erwartungen der Nutzerinnen an den Datenschutz den-
noch mitgestalten und ihre Entscheidung ber die Benut-
zung von Facebook – und damit die Preisgabe von Daten –
beeinflussen. Diese Erwartungen der Nutzerinnen sind bei
der Interessenabwgung zu bercksichtigen.
54
Der Ver-
stoß gegen die Nutzungsbedingungen kçnnte dann zu
einem berwiegenden Interesse am Ausschluss der Da-
tenverarbeitung fhren, wenn sich Nutzerinnen von Face-
book bei der Registrierung darauf verlassen konnten und
haben, dass ihre Daten nicht automatisiert zu Forschungs-
zwecken verarbeitet werden. Facebook behlt sich aller-
dings das Recht vor, die automatisierte Auswertung der
Daten durch Dritte ohne weitere Rcksprache mit den
Nutzerinnen zu genehmigen.
55
Ob Facebook hier bei der
Entscheidung ber die Erteilung der Genehmigung im
Einzelfall mçgliche entgegenstehende Interessen der Nut-
zerinnen bercksichtigt, erscheint zumindest als zweifel-
haft. Dies spricht letztlich gegen ein geschtztes Vertrau-
en der Nutzerinnen auf ein Ausbleiben des automatisier-
ten Zugriffs.
V. Urheberrecht
Schließlich sind auch der urheberrechtliche Schutz auf
Facebook verçffentlichter Inhalte sowie der Datenbank-
schutz bei der rechtlichen Beurteilung des Web Scraping
zu bercksichtigen.
K&R1/2019 Golla/v. Schçnfeld, Web Scraping in sozialen Netzwerken 19
44 Zu den unterschiedlichen Gestaltungsformen eines virtuellen Hausrechts
LG Ulm, 13. 1. 2015 – 2 O 8/15, MMR 2016, 31 ff.; zuvor OLG Hamm,
23. 10. 2007 – 4 U 99/07, MMR 2008, 175 ff.; OLG Hamm, 10. 6. 2008 –
4 U 37/08, MMR 2009, 269 ff.; OLG Hamburg, 18. 4. 2007 – 5 U 190/06,
MMR 2008, 58 ff.; OLG Kçln, 25. 8. 2000 – 19 U 2/00, MMR 2001, 52 ff.;
LG Hamburg, 13. 7. 2006 – 327 O 272/06, GRUR-RR 2007, 94, 95; LG
Mnchen I, 25. 10. 200 6 – 30 O 11973/05, Be ckRS 2007, 05 767; LG
Bonn, 16. 11. 1999 – 10 O 457/99, MMR 2000, 109, 110; a. A. OLG
Frankfurt a. M., 5. 3. 2009 – 6 U 221/08, MMR 2009, 400 ff.
45 berzeugend Berberich (Fn. 15), S. 131 ff.; vergleichbar Schmidt (Fn. 43),
S. 191 f.; kritisch Cifrino, 55 Boston Coll. Law Rev. 235 235 ff. (2014).
46 Berberich (Fn. 15), S. 141 ff., insb.S. 143.
47 Ausfhrlich und m. w. N. Piras (Fn. 43), S. 160 ff.; s. a. v. Schçnfeld
(Fn. 4), S. 337 ff.
48 Allgemein und m. w. N. Piras (Fn. 43), S. 171 ff.; mit Blick auf Scraping
v. Schçnfeld (Fn. 4), S. 340 f.
49 Einzelne soziale Netzwerke wie Twitter ermçglichen freilich auch ohne
Anmeldung einen weitgehenden Zugriff auf Inhalte ber die Webober-
flche.
50 Als çffentlich zugnglich sind dabei auch solche Bereiche anzusehen,
deren Zugang eine Anmeldung erfordert, sofern die Registrierung und
Anmeldung fr jedermann ohne besonderen Aufwand mçglich ist; vgl.
hierzu nher Golla/Hofmann/Bcker, DuD 2018, 89, 97.
51 Hierzu im Einzelnen Golla /Hofmann/Bcker, DuD 2018, 89 ff.
52 Vgl. Golla, in: Specht /Mantz, Handbuch Europisches und deutsches
Datenschutzrecht, 2019, § 23 Rn. 43; Reimer, in: Sydow, DSGVO, 2. Aufl.
2018, Art. 6 Rn. 40.
53 Golla, in: Specht/ Mantz, Handbuch Europisches und deutsches Daten-
schutzrecht, 2019, § 23 Rn. 38 ff.
54 Vgl. ErwGr. 47 DSGVO.
55 Insbesondere fr Werbekunden sind automatisierte Auswertungsverfahren
sogar explizit vorgesehen, vgl. https://de-de.facebook.com/business/help/
510910008975690.
1. Urheberrechtlicher Schutz der auf Facebook
verçffentlichten Inhalte
Auf Facebook verçffentlichte Inhalte kçnnen in zweierlei
Hinsicht urheberrechtlichem Schutz unterfallen. Einerseits
kçnnen einzelne Beitrge nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG
geschtzte Sprachwerke sein, worauf sich deren jeweilige
Verfasser als Urheber berufen kçnnen. Andererseits kann
sich Facebook als Datenbankhersteller auf das sui generis-
Schutzrecht nach §§ 87 a ff. UrhG berufen.
56
Datenbankrechtlicher Werkschutz nach § 4 Abs.2 UrhG
kommt fr Facebook mangels schçpferischen Charakters
der betriebenen Datenbank nicht in Betracht.
57
Selbst
wenn man im Einzelfall – etwa mit Blick auf andere
soziale Netzwerke – datenbankrechtlichen Werkschutz an-
erkennen wrde, so stellen Scraping-Zugriffe keine rele-
vanten Verwertungshandlungen dar, da sie sich schließlich
nicht die von § 4 Abs. 2 UrhG geschtzte Auswahl und
Anordnung zu eigen machen.
58
Auch der Quellcode von Facebook ist ein nach § 2 Abs. 1
Nr. 1 UrhG geschtztes Werk. Dessen Verwendung im
Rahmen des Abrufs der Website von Facebook im Browser
wird jedoch zumindest regelmßig durch § 44 a Nr. 1 UrhG
gedeckt sein.
a) Werkschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG
Ob Textbeitrge in sozialen Netzwerken wie Facebook als
Sprachwerke nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG geschtzt sind,
hngt vom Einzelfall ab.
59
Es kommt auf die Originalitt
der Texte an, so dass etwa deren Lnge fr den Schutz
nicht entscheidend ist.
60
Die Krze eines Textes kann
allenfalls als Indiz gegen den Schutz sprechen.
61
Fr
Beitrge in dem sozialen Netzwerk Twitter
62
entschied
das LG Bielefeld beispielsweise, dass an den urheberrecht-
lichen Schutz strenge Anforderungen zu stellen seien – ein
bloßer Sprachwitz reiche fr den urheberrechtlichen
Schutz nicht aus.
63
Dies schließt einen Werkcharakter
jedoch nicht generell aus. Im Ergebnis kçnnen Textbeitr-
ge bei Facebook in einzelnen Fllen urheberrechtlichen
Schutz genießen, wenn sie eine besondere Originalitt
aufweisen.
b) Datenbankschutz
Die Sammlung von „user generated content“ im System
von Facebook stellt eine Datenbank im Sinne von § 87 a
Abs. 1 S. 1 UrhG dar.
64
Eine Datenbank in diesem Sinne ist
eine „Sammlung von Werken, Daten oder anderen unab-
hngigen Elementen, die systematisch oder methodisch
angeordnet und einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel
oder auf andere Weise zugnglich sind und deren Beschaf-
fung, berprfung oder Darstellung eine nach Art oder
Umfang wesentliche Investition erfordert.“
65
Die Inhalte
der Nutzerinnen sind als systematisch (zumindest chrono-
logisch) angeordnete Daten einzeln zugnglich. Eine In-
vestition von Facebook ist bereits in dem Aufwand fr die
Bereitstellung der technischen Infrastruktur zu sehen. Da-
bei handelt es sich im Wesentlichen um Mittel zur „Be-
schaffung“ und insbesondere zur „Darstellung“.
66
Der Be-
griff „Darstellung“ erfasst Aufwendungen, die Aufberei-
tung und Erschließung von Daten im weiteren Sinne die-
nen, beispielsweise die Erstellung von Tabellen, Gliede-
rungen, Indizes oder Abfragesystemen.
67
Diese Investition
ist aufgrund der geringen Investitionsschwelle zudem als
wesentlich einzustufen.
68
Nach § 87 b Abs. 1 S. 1 UrhG hat Facebook als Datenbank-
hersteller das ausschließliche Recht, „die Datenbank ins-
gesamt oder einen nach Art oder Umfang wesentlichen
Teil der Datenbank zu vervielfltigen, zu verbreiten und
çffentlich wiederzugeben.“ Gem. § 87 b Abs. 1 S.2 UrhG
steht der Vervielfltigung, Verbreitung oder çffentlichen
Wiedergabe eines nach Art oder Umfang wesentlichen
Teils der Datenbank die wiederholte und systematische
Vervielfltigung, Verbreitung oder çffentliche Wiederga-
be von nach Art und Umfang unwesentlichen Teilen der
Datenbank gleich, sofern diese Handlungen einer norma-
len Auswertung der Datenbank zuwiderlaufen oder die
berechtigten Interessen des Datenbankherstellers unzu-
mutbar beeintrchtigen.
Web Scraping-Verfahren erfordern technisch prinzipiell
eine Vervielfltigung von in einer Datenbank enthaltenen
Inhalten. Geht man davon aus, dass das Scraping sich von
den zahlreichen auf Facebook verfgbaren Textbeitrgen
zu Forschungszwecken auf fr einzelne Themenkomplexe
relevante Beitrge, die etwa bestimmte Hashtags enthal-
ten, beschrnken soll, wird im absoluten Regelfall keine
Vervielfltigung wesentlicher Teile der Datenbank anzu-
nehmen sein. Dies gilt entsprechend fr andere soziale
Netzwerke.
Zu klren ist also, inwieweit die automatisierte Vervielfl-
tigung im Rahmen des Web Scraping eine wiederholte und
systematische Vervielfltigung von unwesentlichen Teilen
der Datenbank im Sinne von § 87 b Abs. 1 S. 2 UrhG
darstellen kann. Web Scraping wird regelmßig nicht einer
normalen Auswertung der Datenbank zuwiderlaufen, da
die Auswertung von Facebook-Inhalten zu Forschungs-
zwecken nicht dem Aufbau eines Konkurrenzproduktes
zu Facebook dient.
69
Zudem spricht die Tatsache der çf-
fentlichen Zugnglichkeit der Inhalte auf Facebook fr
gewisse Duldungspflichten, sofern kein anderer techni-
scher oder rechtlicher Schutz besteht.
70
Das Web Scraping kçnnte aber die berechtigten Interessen
des Datenbankherstellers Facebook unzumutbar beein-
20 Golla/v. Schçnfeld, Web Scraping in sozialen Netzwerken 1/2019 K&R
56 Vgl. zum Verhltnis der Schutzregime Dreier, in: Dreier/ Schulze (Fn. 24),
Vorbemerkung zu den §§ 87 a ff. Rn. 8.
57 Allg. Marquardt, in: Wandtke/Bullinger, UrhG, 4. Aufl. 2014, § 4
Rn. 8 ff.; Loewenheim, in: Schricker/ Loewenheim, UrhG, 4. Aufl. 2010,
§ 4 Rn. 38 ff.; zu Scraping-Verfahren v. Schçnfeld (Fn. 4), S. 188 ff.; fr
Big Data-Anwendungen allgemein Gçtz, ZD 2014, 563, 564; s. a. Leistner,
Rechtsschutz von Datenbanken, S. 281 f.; mit Blick auf Facebook Reine-
mann/Remmertz, ZUM 2016, 216, 220.
58 Schapiro/Z
˙danowiecki, MMR 2015, 497, 499; Elteste, CR 2015, 447, 448;
Kahler/Helbig, WRP 2012, 48, 53 f.
59 Reinemann/ Remmertz, ZUM 2016, 216, 218.
60 Reinemann/ Remmertz, ZUM 2016, 216, 218; vgl. auch OLG Karlsruhe,
10. 8. 2011 – 6 U 78/10, ZUM 2012, 49, 50.
61 LG Bielefeld, 3. 1. 2017 – 4 O 144/16, MMR 2017, 641, 642; Remmertz,
MMR 2018, 507, 509.
62 „Tweets“ mit einer Zeichenbegrenzung von damals 140 und mittlerweile
280 Zeichen.
63 LG Bielefeld, 3. 1. 2017 – 4 O 144/16, MMR 2017, 641 ff.
64 Vgl. Thum/Hermes, in: Wandtke /Bullinger (Fn. 57), § 87 a Rn. 95.
65 Ausfhrlich Ehmann, Wettbewerbsfreiheit und Investitionsschutz, 2011,
S. 96 ff.; Bensinger, Sui-generis Schutz, 1999, S. 119 ff.; Thum /Hermes,
in: Wandtke/ Bullinger (Fn. 57), § 87 a Rn. 11.
66 Anschaulich im kommerziellen Kontext Deutsch, GRUR 2009, 1027,
1029; m. w. N. v. Schçnfeld (Fn. 4), S. 217 ff.
67 EuGH, 9. 11. 2004 – C-444/02, GRUR Int. 2005, 239 Rn. 43; vgl. nur
Vogel, in: Schricker /Loewenheim (Fn. 57), § 87 a Rn. 48.
68 Zur erforderlichen Hçhe m. w. N. v. Schçnfeld (Fn. 4), S. 224 ff.
69 So bezeichnet ErwGr 42 der Datenbankrichtlinie 96/9/EG dies als „pa-
rasitr“; siehe BGH, 1. 12. 2010 – I ZR 196/08, GRUR 2011, 724, 727.
70 BGH, 22. 6. 2011 – I ZR 159/10, NJW 2011, 3443, 3448; OLG Frankfurt
a. M., 5. 3. 2009 – 6 U 221/08, MMR 2009, 400, 401; ebenso Deutsch,
GRUR 2009, 1027, 1030; ablehnend dagegen Kahler/Helbig, WRP 2012,
48, 53 f.; Lober /Neumller, EWiR 2010, 229, 230; gegenberstellend
Thum/Hermes, in: Wandtke /Bullinger, UrhG, 4. Aufl. 2014, § 87 b
Rn. 92 ff.
trchtigen. Hierfr kommt es vor allem darauf an, ob die
wirtschaftliche Verwertung der Datenbank durch den Her-
steller aufgrund der Vervielfltigung beeintrchtigt wird.
71
Anders als bei Scraping-Zugriffen zu kommerziellen Zwe-
cken, etwa beim Zugriff durch Preisvergleichsportale oder
andere spezialisierte Informationsdienstleister,
72
ist dies
beim Web Scraping zu Forschungszwecken nicht der Fall.
Diese Ttigkeit oder ihre Ergebnisse beeintrchtigen die
kommerziellen Interessen von Facebook – wenn ber-
haupt – nur unerheblich, soweit sie sich lediglich auf
einzelne Bereiche des Netzwerkes beziehen. Forschungs-
interessen treten dabei qua natura nicht in wirtschaftliche
Konkurrenz zu den geschftlichen Aktivitten von Face-
book. berhaupt ist § 87 b Abs. 1 S. 2 UrhG als Umge-
hungstatbestand eng auszulegen, sodass die Nutzung
unwesentlicher Teile im Regelfall erlaubt sein soll.
73
So
wird der Monopolisierung von Informationen effektiv ent-
gegengetreten.
Sofern relevante Forschungsinteressen bestehen, berwie-
gen die kommerziellen Interessen von Facebook an der
Lizenzierung des Zugangs zu den Daten diese nur, wenn
ein massenhafter Datenzugriff erfolgt. Das systematische
Scraping wird in der Summe jedoch nicht dazu fhren, dass
wesentliche Teile der Datenbank von Facebook vervielfl-
tigt werden, solange es auf einzelne Bereiche beschrnkt
bleibt.
74
c) Zwischenergebnis
Der Zugriff auf bei Facebook verçffentlichte Nutzerinhalte
mittels Web Scraping zu Forschungszwecken beeintrch-
tigt aus urheberrechtlicher Sicht das Recht von Facebook
als Datenbankhersteller nach § 87 b UrhG nicht, sofern er
sich nur auf einzelne Bereiche des Netzwerks bezieht. Im
Einzelfall kann der Zugriff aber Urheberrechte von Nutze-
rinnen an Textbeitrgen als Schriftwerken gem. § 2 Abs. 1
Nr. 1 UrhG beeintrchtigen.
2. Urheberrechtliche Schranken
Um zulssig zu sein, msste fr die Vervielfltigung von
urheberrechtlich geschtzten Textbeitrgen bei Facebook
entweder eine Lizenz vom Rechteinhaber (der Nutzerin)
vorliegen oder eine gesetzliche Erlaubnis (Schranke nach
§§ 44 a ff. UrhG) einschlgig sein. Da sich eine einzelne
Lizenzierung der Beitrge nicht als praktikabel erweisen
drfte, ist zu prfen, ob eine Schrankenregelung einschl-
gig ist.
Die Vervielfltigung der Beitrge kçnnte nach § 60 c
Abs. 1, Abs. 3 UrhG zulssig sein. Demnach ist die Ver-
vielfltigung von Werken geringen Umfangs zum Zweck
der nicht kommerziellen wissenschaftlichen Forschung
zulssig. Beitrge in sozialen Netzwerken wie Facebook
sind regelmßig Werke geringen Umfangs. Sie sind in der
Regel weniger umfangreich als Gedichte, Liedtexte oder
Druckwerke von bis zu 25 Seiten, die von der Gesetzes-
begrndung als typische Werke geringen Umfangs ge-
nannt werden.
75
Durch technische Vorkehrungen kann
sichergestellt werden, dass nur Beitrge eines bestimmten
Umfangs umfasst werden. Es liegt zudem ein nicht-kom-
merzieller Forschungszweck vor, zu dessen Erfllung die
automatisierte Vervielfltigung der Beitrge auch erfor-
derlich ist.
3. Zwischenergebnis
Sofern die Vervielfltigung der auf Facebook verçffent-
lichten Inhalte urheberrechtlich relevant ist, ist sie nach
§ 60 c Abs. 1, Abs. 3 UrhG im Rahmen des zur Erfllung
der wissenschaftlichen Forschung erforderlichen Umfangs
zulssig.
VI. Strafrecht
Schließlich ist die strafrechtliche Relevanz des automati-
sierten Zugriffs zu prfen. Da das Web Scraping sich als
urheberrechtlich und datenschutzrechtlich zulssig er-
weist, liegt kein Verstoß gegen die entsprechenden neben-
strafrechtlichen Bestimmungen (§ 106 UrhG und § 42
BDSG
76
) vor.
Auch eine Strafbarkeit nach § 202 a Abs. 1 StGB liegt
nicht vor. Es fehlt insofern jedenfalls an dem objektiven
Tatbestandsmerkmal einer besonderen Zugangssicherung.
Eine solche liegt vor, „wenn Vorkehrungen vorhanden
sind, die objektiv geeignet und subjektiv nach dem Willen
des Berechtigten dazu bestimmt sind, den Zugriff auf die
Daten auszuschließen oder wenigstens nicht unerheblich
zu erschweren.“
77
Verbote oder Nutzungsbedingungen
weisen eine entsprechende objektive Eignung zum Aus-
schluss nicht auf.
78
Eine darber hinausgehende Pçnalisie-
rung des „virtuellen Hausfriedensbruchs“ ist im brigen
auch de lege ferenda abzulehnen.
79
VII. Fazit
Die Anwendung von Web Scraping-Verfahren bei Face-
book und anderen sozialen Netzwerken zu wissenschaft-
lichen Forschungszwecken bringt diverse rechtliche Unsi-
cherheiten mit sich. Dies gilt besonders in vertrags- und
urheberrechtlicher Hinsicht. Im Regelfall ist das Web
Scraping jedoch als zulssig anzusehen, wenn es sich auf
einzelne Bereiche beschrnkt und zur Durchfhrung der
Forschung erforderlich ist.
Wirtschaftliche Interessen der Netzwerkbetreiber beein-
trchtigt dies nicht nennenswert. Auch der Datenschutz
der Nutzerinnen steht dem nicht entgegen, wenn sich die
Scraping-Verfahren auf çffentlich zugngliche Bereiche
beziehen und die fr die Forschung erforderlichen tech-
nisch-organisatorischen Vorkehrungen getroffen sind.
Soweit Eingriffe in die Urheberrechte von Nutzerinnen
vorliegen, lassen sich diese im Rahmen der urheberrecht-
lichen Schranken zu Wissenschaftszwecken rechtferti-
gen.
Auch dass die Nutzungsbedingungen sozialer Netzwerke
den Einsatz von Web Scraping auf den ersten Blick aus-
schließen, ndert diese Bewertung nicht. Die Wirksamkeit
der entsprechenden Passagen ist mehr als zweifelhaft. Ihr
steht der Grundgedanke der urheberrechtlichen Schranke
zum Text und Data Mining entgegen.
K&R1/2019 Golla/v. Schçnfeld, Web Scraping in sozialen Netzwerken 21
71 Dreier, in: Dreier /Schulze (Fn. 24), § 87 b Rn. 16; Thum /Hermes, in:
Wandtke/ Bullinger (Fn. 57), § 87 b Rn. 72.
72 Dazu ausfhrlich v. Schçnfeld (Fn. 4), S. 250 ff.
73 Dreier, in: Dreier/ Schulze (Fn. 24), § 87 b Rn. 13; Vogel, in: Schricker/
Loewenheim (Fn. 57), § 87 b Rn. 54; v. Lewinski, in: Walter /v. Lewinski,
European Copyright Law, Database-Directive, Oxford 2010, Art. 7
Rn. 16.
74 Die Regelung in § 87b Abs. 1 S. 2 UrhG soll gerade dazu dienen, dass
nicht durch ein systematisches Vervielfltigen unwesentlicher Teile in der
Summe wesentliche Teile vervielfltigt werden; dazu Thum/Hermes, in:
Wandtke/ Bullinger (Fn. 57), § 87 b Rn. 66.
75 BT-Drs. 18/12329, S. 36.
76 Sowie fr çffentliche Stellen der Lnder entsprechende Vorschriften der
Landesdatenschutzgesetze.
77 Lenckner/Eisele, in: Schçnke/Schrçder, StGB, 29. Aufl. 2014, § 202 a
Rn. 14.
78 Kargl, in: NK-StGB, 5. Aufl. 2017, § 202 a Rn. 9.
79 Vgl. hierzu Buermeyer /Golla, K&R 2017, 14 ff.