Hannah Arendt war im Sinne der Zunft keine Rhetorikerin, nicht nur, weil sie kein „Lehrbuch der Rhetorik“ geschrieben hat. Doch wer wollte Aristoteles einen Rhetoriker nennen, nur weil von ihm eine „Rhetorik“ überliefert ist. Wie wenig wüßten wir von seinem Verständnis des Rhetorischen ohne das „Organon“, besonders ohne die „Topik“ und „Peri Hermeneias“, ohne die „Nikomachische Ethik“ und ohne
... [Show full abstract] sein Buch über „Politik und Staat der Athener“? Vielleicht ist es besonders reizvoll, bei einer Nicht-Rhetorikerin nach ihrem Verständnis des Rhetorischen zu forschen, zumal sie als Verfechterin einer philosophisch begründeten politischen Theorie jene Felder der Öffentlichkeit untersucht, die gezeichnet sind — kultiviert und verwüstet — von den Wirkungen redender und handelnder Menschen. Gerade Hannah Arendts Distanz zu jeglichen Formen traditioneller Schulrhetorik wie zu neueren, schon zu ihren Lebzeiten streitenden akademischen Rhetorikschulen, enthebt sie nicht nur terminologischer Quisquilien und erspart ihr includierende oder excludierende Bekenntnisse, vielmehr erreicht sie „rhetorisch“ ungefiltert die fundamentale Rhetorizität des Politischen.