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PERIPHERIE Nr. 152, 38. Jg. 2018, https://doi.org/10.3224/peripherie.v38i3.04, S. 450-471
Christoph Scherrer
Überzählige Arbeitskräfte
Die Herausforderung für das Nachhaltigkeitsziel
„menschenwürdige Arbeit“
Keywords: under-employment, late industrializers, Global South
Schlagwörter: Unterbeschäftigung, nachholende Industrialisierung, Globaler
Süden
Im Jahre 2015 kamen die Vereinten Nationen überein, viele Nachhaltig-
keitsziele (Sustainable Development Goals, SDG) anzustreben. Das Ziel
Nummer 8 lautet: „Dauerhaftes, breitenwirksames und nachhaltiges Wirt-
schaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige
Arbeit für alle fördern“ (Hervorhebung durch ChS). Die Agenda Decent
Work ist die strategische Antwort der Internationalen Arbeitsorganisation
auf die Globalisierung (ILO 1999). Sie wird meist als „menschenwürdige
Arbeit“ oder „gute Arbeit“ übersetzt. Diese Agenda betont zentrale Dimen-
sionen einer fairen Globalisierung in der Welt der Arbeit, indem sie fast
200 internationale Arbeitsnormen unter den folgenden vier Überschriften
zusammenfasst: (1) Vollbeschäftigung (einschließlich Unternehmensgrün-
dungen); (2) Respekt für grundlegende Rechte der Beschäftigten; (3) soziale
Absicherung; (4) sozialer Dialog. Die Gute-Arbeit-Agenda wurde auf dem
Weltgipfel der Vereinten Nationen im Jahre 2005 in die Millenniumsent-
wicklungsziele integriert. Damit haben die Regierungen zum ersten Mal
formal die Erreichung von produktiver Vollbeschäftigung als ein zentrales
Instrument zur Bekämpfung von Armut anerkannt.
Dieser internationalen Anerkennung von Arbeitsbeschaffung zur
Armutsbekämpfung blieb bisher die Zielerreichung versagt. Das Defi zit an
„menschenwürdiger Arbeit“ wuchs seitdem sogar noch. Nicht nur nahm die
Arbeitslosigkeit global zu, sondern das Ausmaß an informeller Arbeit und
die Einkommensschere öffnete sich weiter (ILO 2017).
Da der Mangel an „guter Arbeit“ im Globalen Süden ausgeprägter
als im Globalen Norden ist (s. Abb. 1, S. 454), nehme ich im Folgenden
jene Faktoren in den Fokus, die zu diesem Defi zit unter den Ländern der
Überzählige Arbeitskräfte 451
nachholenden Industrialisierung beitragen. Meine These ist, dass das Defi zit
vornehmlich Resultat eines strukturellen Überangebots von Arbeitskräften
ist. Die Überzahl von Arbeitskraft anbietenden Personen im Verhältnis zu
der begrenzten Nachfrage nach Arbeitskräften ist vornehmlich Folge des
Langzeittrends von „Bauernlegen“, der (unvollständigen) Proletarisierung
von bäuerlichen Familien.
Die Ausdehnung der kapitalistischen Wirtschaftsweise (aber auch ihres
ehemaligen Widersachers, des real existierenden Sozialismus) führt zu einer
Verdrängung bäuerlicher Landwirtschaft. In der Sprache der bürgerlichen
Ökonomie lässt sich dieser durchaus gewaltsam verlaufende Prozess neutral
so ausdrücken: Angesichts der geringen Einkommenselastizität der Nach-
frage für landwirtschaftliche Güter, erfordert die Zunahme von materiellem
Wohlstand die Abwanderung von Arbeitskräften aus der Landwirtschaft
(Hotz-Hart u.a. 2006: 389f). Dieser Prozess hat in den landwirtschaftlich
sehr exportstarken Vereinigten Staaten von Amerika (USA) einen solchen
Grad erreicht, dass nur noch 2,1 % der männlichen und 0,8 % der weibli-
chen Arbeitskräfte in der Landwirtschaft im Jahre 2016 tätig waren. Dies
vergleicht sich mit ungefähr 40,1 % männlichen und 60,6 % weiblichen
Arbeitskräften in Indien und 46,6 % und 39,2 % in Ghana (World Bank 2018).
Es ist kaum vorstellbar, wie viele Menschen die Landwirtschaft in diesen
beiden Ländern verlassen müssen, falls diese das Produktivitätsniveau der
USA erreichen sollten. Zum Glück wird es noch eine Weile dauern, da die
Investitionen pro Person in der Landwirtschaft um den Faktor 164 erhöht
werden müsste (Chen 2016: 9).
Bereits derzeit gelingt es nur Wenigen, in den Ländern des Globalen
Südens eine adäquate Beschäftigung zu fi nden. In der Tat, manche dieser
spät industrialisierenden Länder befi nden sich bereits in der Deindustriali-
sierungsphase. Deshalb landen viele der Landfl üchtenden im personennahen
Dienstleistungssektor von geringer Produktivität und Wertschöpfung wie der
Kleinhandel in der informellen Ökonomie (Dasgupta & Singh 2006; Breman
2013: 5). Die schlechten Arbeitsmarktaussichten außerhalb der Landwirt-
schaft lassen aber auch viele Menschen in ländlichen Gebieten verbleiben,
wo sie Teil des großen Reservoirs an unterbeschäftigten Arbeitskräften sind
(McCullough 2015a). Dort wo ein staatliches Sicherheitsnetz fehlt, besteht
kaum registrierte Arbeitslosigkeit, da eine Registrierung als arbeitslose
Person keine Transferleistungen auslöst. Stattdessen herrscht Unterbe-
schäftigung vor. Diese ist zumeist nicht offen, sprich, der Wunsch mehr
Stunden zu arbeiten, wird ebenfalls nicht amtlich festgehalten. Vielmehr
ist sie „unsichtbar“, d.h. sie kann nur durch andere Merkmale identifi ziert
werden. Die International Labor Organization (ILO) nennt Merkmale wie
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geringes Einkommen („versteckte Unterbeschäftigung“) und geringe Pro-
duktivität („potenzielle Unterbeschäftigung“) (ILO 1982: 52f). Das Merkmal
Arbeitszeit eignet sich aufgrund der langen Arbeitszeiten in der informellen
Ökonomie weniger (Roubaud & Torelli 2013).
Die Erklärungen zu der geringen Absorptionskraft vom verarbeitenden
Gewerbe und produktiven Dienstleistungen reichen von überregulierten
Arbeitsmärkten1 bis hin zur Globalisierung2. Erklärungen fi nden sich bereits
bei der Dependenztheorie und der späteren Weltsystemtheorie, die auf die
Abhängigkeit des Kapitals in der „Peripherie“ vom Kapital in den „Metropo-
len“ verweisen. Obgleich Dependenz und Globalisierung durchaus wichtige
Faktoren darstellen, möchte ich die Herausforderung des renommierten
Forschers informeller Arbeitsmärkte Jan Breman annehmen:
„Die Forschung zum informellen Sektor der Entwicklungsländer leidet seit
den frühen 1970er Jahren unter dem Fehlen eines Vergleichs mit den tiefgrei-
fenden Restrukturierungen einer agrarisch-ländlichen zu einer industriellen-
städtischen Arbeiterschaft, die in den westlichen Teilen der Welt zu einem
früheren Zeitpunkt stattgefunden haben.“ (Breman 2013: 27)
3
Entsprechend vergleiche ich im Folgenden die Bedingungen, die unter den
frühen Industrialisierern vorherrschten, mit denen der heutigen Länder der
nachholenden Industrialisierung. Mein Argument fügt der weiter unten
dargestellten Arbeit von Gavin N. Kitching (2001) Einsichten der kritischen
Entwicklungsstudien hinzu. Insbesondere werde ich die Beschränkungen für
das verarbeitende Gewerbe vor allem in Afrika südlich der Sahara und in
Südasien hervorheben. Aufgrund ihres vermeintlichen größeren wirtschaftli-
chen Erfolges innerhalb ihrer jeweiligen Region werde ich Ghana und Indien
etwas mehr in den Vordergrund rücken, und zwar in der Annahme, dass
die Arbeitsmarktprobleme manch ihrer Nachbarn noch ausgeprägter sind.
Mein Beitrag beginnt mit der Unterbeschäftigung und den prekären
Beschäftigungsverhältnissen im Globalen Süden. Es folgt die Entwick-
lung eines Erklärungsansatzes. Darauf aufbauend werde ich zunächst den
demographischen Druck auf die Arbeitsmärkte herausarbeiten, um dann
die Faktoren zu diskutieren, die die Möglichkeiten der spätindustrialisier-
ten Länder beschränken, die Nachfrage nach Beschäftigung außerhalb der
Landwirtschaft zu befriedigen: Beschränkung der Auswanderung, das Pro-
duktivitätsgefälle zum Globalen Norden und zu den erfolgreichen, in ihrer
Zahl begrenzten Spätindustrialisierer sowie die Zwänge der neoliberalen
1 World Bank 2012; de Soto 1989; für eine Kritik s. Breman 2003: 194-220.
2 Rodrik 2016; sein Argument wird im Weiteren näher ausgeführt.
3 Alle Übersetzungen fremdsprachiger Zitate stammen von ChS.
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Globalisierung. Zum Abschluss thematisiere ich eine bisher wenig beachtete
Dimension des kolonialen Erbes, nämlich die Folgen der Sklaverei auf die
staatliche industriepolitische Handlungsfähigkeit der Ursprungsländer der
Sklaven und Sklavinnen.
Weit verbreitete prekäre Beschäftigungsverhältnisse
In den meisten „Entwicklungsländern“ fi nden die vom Land verdrängten
Arbeitskräfte zumeist keine formale Beschäftigung im verarbeitenden
Gewerbe oder im produktiven Dienstleistungssektor. Stattdessen leisten die
meisten Menschen Dienstleistungen ohne Arbeitsvertrag und soziale Absiche-
rung (Newman u.a. 2016: 13). Nur ungefähr jede fünfte die Landwirtschaft
verlassende Person fand in Afrika einen Arbeitsplatz im verarbeitenden
Gewerbe (McMillan & Harttgen 2014: 2). Insgesamt beschäftigte die formale
Industrie nur ungefähr 3 % der Erwerbstätigen in Afrika südlich der Sahara
(Losch 2016: 15). Und die vielen, die in den ländlichen Gebieten zurück-
bleiben, fristen zumeist unter harten Bedingungen ihr Leben (FAO 2016: 14)
und sind größtenteils unterbeschäftigt (McCullough 2015a)4. Das Resultat ist
ein hoher Anteil an unsicherer Beschäftigung (auch „schutzbedürftige“ oder
„gefährdete“ [vulnerable] Beschäftigung von der ILO genannt), insbesondere
in Südasien und Subsahara-Afrika (s. Abb. 1, S. 454).
Diese traurige Arbeitsmarktentwicklung trifft selbst auf Länder zu, die
in der ersten Dekade des dritten Jahrtausends beschleunigtes ökonomisches
Wachstum erlebten. Die lateinamerikanischen Wachstumsspitzenreiter
deindustrialisierten vorzeitig und ihre afrikanischen Pendants vermochten
lediglich ihr geringes Niveau an industriellen Aktivitäten zu halten. Dass
diese Länder dennoch ein hohes Wirtschaftswachstum verzeichneten, erklärt
das von Dani Rodrik geführte Team wie folgt. Die starke Nachfrage nach
Rohstoffen trieb zwar das Wachstum in Lateinamerika an, doch damit ging
eine Überbewertung der heimischen Währung einher, die im Zusammenspiel
mit Produktivitätszuwächsen zum Beschäftigungsabbau im verarbeiten-
den Gewerbe führte. Eine signifi kante Zahl an Arbeitskräften wurde aus
Sektoren mit hoher Produktivität in Sektoren mit niedrigerer Produktivität
gedrängt. Die wachstumsstarken afrikanischen Länder profi tierten glei-
chermaßen von der Rohstoffnachfrage und zusätzlich von migrantischen
4 Eine Umfrage unter Haushalten in vier afrikanischen Staaten ergab, dass landwirtschaftliche
Arbeitskräfte nur ca. 40 % der Jahresarbeitsstunden von Arbeitskräften außerhalb der Land-
wirtschaft ableisten (McCullough 2015b). Laut einer Umfrage unter indischen Haushalten
im ländlichen Raum arbeiteten 2015 nur knapp 53 % ganzjährlich (https://www.statista.
com/statistics/654451/underemployment-in-rural-urban-areas-india/).
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Rücküberweisungen und Produktivitätssteigerungen in der Landwirtschaft.
Die aus der Landwirtschaft verdrängten Arbeitskräfte wurden jedoch nicht in
einem dynamischen „modernen“ Sektor, sprich mit einem global vergleich-
baren Produktivitätsniveau, absorbiert. In der Folge sank die Arbeitspro-
duktivität in den Sektoren außerhalb der Landwirtschaft (Diao u.a. 2017).
Bergbau und Ölförderung schuf in Ghana beispielsweise nur wenig neue
Beschäftigung (Baah-Boateng 2015).
Das Wirtschaftswachstum dieser Länder Lateinamerikas und Afrikas unter-
scheidet sich von der exportorientierten Industrialisierung der ostasiatischen
Länder wie Südkorea, Taiwan und China. Es wird deshalb für weniger nach-
haltig angesehen. Wenn in den nicht-landwirtschaftlichen Sektoren keine
Produktivitätszuwächse zu verzeichnen sind, dann bleibt das allgemeine
Wirtschaftswachstum begrenzt (Diao u.a. 2017). Da die Beschäftigung im
Dienstleistungssektor Afrikas rascher zunahm als dessen Umsatz, nahm
der relative Produktivitätsvorsprung gegenüber den anderen Sektoren ab
(Newman u.a. 2016: 11). In nachholenden Ökonomien scheint das verar-
beitende Gewerbe besser als der Dienstleistungssektor geeignet zu sein,
Produktivitätszuwächse zu erzeugen. Das formale verarbeitende Gewerbe
kann eine größere Zahl an relativ ungelernten Arbeitskräften (sprich solche
Abb. 1: Prekäre Beschäftigungsverhältnisse
nach Geschlecht und Regionen, 2016 (in Prozent)
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
weiblich
männlich
Quelle: ILO 2017: 26
Überzählige Arbeitskräfte 455
aus der Landwirtschaft) absorbieren, ermöglicht den schrittweisen Erwerb
von Fähigkeiten und strahlt in die restliche Ökonomie aus (Rodrik 2013).
Doch selbst in den erfolgreich nachholenden Ländern wie China
erreichte der Anteil der Beschäftigten im verarbeitenden Gewerbe an der
Gesamtbeschäftigung seinen Höhepunkt bei einem deutlich niedrigeren
Niveau an Bruttoinlandsprodukt pro Kopf als die frühen Industrieländer.
Laut Berechnungen von Rodrik erreichte in Deutschland der Anteil der
Beschäftigung im verarbeitenden Gewerbe 1970 seinen höchsten Anteil an
der Gesamtbeschäftigung bei einem Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt von
11.000 US$, während sich in Indien der höchste Anteil bei bereits 2.000 US$
im Jahre 2007 einstellte.5 Der damals erreichte Anteil von 17,4 % fi el 2016
auf 15 % zurück.6
Hinzu kommt, dass der Anteil von gering qualifi zierten Arbeitskräften im
verarbeitenden Gewerbe seit den späten 1990er Jahren in allen Ländern der
Welt abgenommen hat (Rodrik 2016: 19). Eine kürzlich erschienene Studie
zu den Auswirkungen des neuen Automatisierungsschubs in der Industrie
unterstreicht die Beschäftigungsgefahren im verarbeitenden Gewerbe der
Entwicklungsländer (Oxford Martin School & Citi 2016). Deshalb scheint die
Fähigkeit des verarbeitenden Gewerbes begrenzt, den Überhang an Arbeits-
kräften aus der Landwirtschaft zu absorbieren. Warum ist dies der Fall?
Die unterschiedlichen Kontexte
der frühen und späten Industrialisierung
Zur Erklärung der heutigen Schwierigkeiten der Länder in Subsahara-Afrika
und Südasien, die landwirtschaftlichen Arbeitskräfte in einen modernen
Sektor zu überführen, verglich Kitching (2001: 150-152) die heutigen
Bedingungen mit denen zu Beginn des Industriezeitalters. Auf der Basis
dieses Vergleichs führt er einige Faktoren an, die die früheren Erfahrungen
von denen von heute unterscheiden. Sein erster Faktor ist Größe. Chinas
und Indiens ländliche Bevölkerung ist viel zahlreicher als selbst die der
Sowjetunion der Zwanzigerjahre: „Indien und China stehen vor der Her-
ausforderung des Bauernlegens, die 7-8 Mal so groß ist, wie sie je in der
menschlichen Geschichte erreicht wurde.“ (ebd.: 150) Mir scheint der Fokus
auf absolute Zahlen nicht besonders überzeugend, die absoluten Zahlen
müssen hinsichtlich der territorialen Größe des Landes relativiert werden.
Allerdings könnte aus einer ökologischen Perspektive die absolute Größe
der Bevölkerung einen begrenzenden Faktor darstellen. Der ökologische
5 Rodrik 2016: 25; internationaler infl ationsbereinigter US$ von 1990.
6 Marlow & Beniwal 2018; für eine Analyse der Probleme der indischen Industrie, s. Jha 2018.
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Fußabdruck von Arbeitskräften in produktiver Beschäftigung ist deutlich
größer als der von Personen, die in der kleinen bäuerlichen Landwirtschaft
oder im informellen Sektor beschäftigt sind (http://www.footprintnetwork.
org/). Der von Kitching weiter genannte Faktor, nämlich die Wachstumsrate
der Bevölkerung, überzeugt schon mehr. Im Industrialisierungszeitalter
wuchs die Bevölkerung Europas und Japans langsamer als heute, insbeson-
dere im heutigen Subsahara-Afrika. Somit hatten die frühen Industrialisierer
„proportional weniger Leute zu absorbieren“ (Kitching 2001: 151).
Kitchings nächster Faktor bezieht sich auf die Differenz der Arbeitspro-
duktivität in der Landwirtschaft und in der Industrie. Die frühen Industrien
waren sehr viel arbeitsintensiver als die heutigen. Mit wenigen Ausnahmen
wie der Bekleidungsindustrie bedarf die heutige Industrie deutlich höherer
Kapitalinvestitionen pro Arbeitsplatz als früher. Mithin konnte damals die
Industrie deutlich mehr Arbeitskräfte im Verhältnis zum investierten Kapi-
tal beschäftigen als heute (ebd.: 152). Das preisliche Austauschverhältnis
zwischen Agrar- und Industrieprodukten, die Terms of Trade, erwähnt
Kitchings als weiteren Faktor. Zu Beginn der Industrialisierung verteuerten
sich Agrargüter im Verhältnis zu Industriegütern. Dieses günstigere Aus-
tauschverhältnis verlangsamte den Prozess des „Bauernlegens“ da „die auf
dem Land Zurückgebliebenen aufgrund der besseren Preise einigermaßen
ihren Lebensunterhalt verdienen konnten“ (ebd.). In der Nachkriegsperiode
jedoch fi elen zumeist die Preise für Agrarprodukte im Verhältnis zu denen
des verarbeitenden Gewerbes, sodass es schwieriger wurde, in kleinbäuer-
lichen Verhältnissen den Lebensunterhalt zu sichern. Dies führt zu erhöhter
Landfl ucht und somit zu einer stärkeren Belastung des nicht-agrarischen
Arbeitsmarktes (ebd.).
Kitching fasst sein Argument folgendermaßen zusammen: „weder sind die
derzeitigen industriellen Techniken, die Bevölkerungsdynamiken noch die
Terms of Trade nur annähernd so günstig, um die durch das ‘Bauernlegen’
freigesetzten Arbeitskräfte zu absorbieren, wie zu Zeiten der europäischen
Transformation.“ (ebd.)
Während der Fokus bei Kitching hauptsächlich auf der Angebotsseite
liegt, analysiert Rodrik (2016) die Bedingungen für die Nachfrage nach
Arbeitskräften, d.h. die Beschränkungen für das Beschäftigungswachstum
in der Industrie und in den Dienstleistungen mit hoher Wertschöpfung
insbesondere in Lateinamerika und Afrika. Auf der Basis umfangreicher
Regressionsanalysen kommt er zu dem Ergebnis, dass Beschäftigung und
Ausstoß im verarbeitenden Gewerbe in dem Moment stagnierten oder sogar
zurückgingen als diese Länder ihre Handelspolitik liberalisierten. Diejenigen
Länder, die über keinen starken komparativen Vorteil im verarbeitenden
Überzählige Arbeitskräfte 457
Gewerbe verfügten, begannen mehr Industrieprodukte einzuführen als
auszuführen, womit ein langanhaltender Prozess der Importsubstitution
umgekehrt wurde. Darüber hinaus wurden diese Länder dem Rückgang der
relativen Preise für Industrieprodukte ausgesetzt, und zwar bedingt durch
den technischen Fortschritt und das Aufkommen der asiatischen Exporteure.
Der Erfolg der Letzteren ging auf Kosten der anderen Länder nachholen-
der Industrialisierung. Davon waren insbesondere die gering qualifi zierten
Arbeitskräfte betroffen, also jene die aus ländlichen Regionen stammen
(Rodrik 2016: 4-19).
Rodrik spekuliert auch über die politischen Auswirkungen vorzeitiger
Deindustrialisierung. Ohne industrielle Massenproduktion ist die Arbei-
terschaft fragmentiert und entsprechend kaum in der Lage, den Eliten des
jeweiligen Landes politische Mitsprache und wohlfahrtsstaatliche Maßnah-
men abzutrotzen (ebd.: 25; Breman 2013: 7).
Mein eigener Ansatz baut auf den Einsichten von Kitching und Rodrik
auf. Ich liefere weitere empirische Unterstützung für die These des Bevölke-
rungsdrucks und des Produktivitätsdifferenzial. Darüber hinaus betone ich,
inspiriert von kritischen Entwicklungsstudien, die Folgen der derzeitigen
weltwirtschaftlichen Regeln für das verarbeitende Gewerbe insbesondere
in Subsahara-Afrika und der Versklavung afrikanischer Menschen sowie
der Kolonialzeit.
Bevölkerungsdruck
Wie bereits argumentiert, ist die absolute Größe der ländlichen Bevölkerung
weniger bedeutsam. Wichtiger ist die Wachstumsrate. Ein höheres Bevölke-
rungswachstum erfordert eine schnellere Absorptionskapazität der Industrie
und der Dienstleistungen mit einem hohen Wertschöpfungsanteil.
Einige entwicklungsökonomische Autoren haben dies allerdings anders
bewertet. Für diese sind hohe Wachstumsraten für die betreffenden Länder
von Vorteil, weil sie eine „demographische Dividende“ bedeuten. Die
Dividende entstünde aus dem günstigen Verhältnis der erwerbsfähigen
Bevölkerung zu Kindern und Personen im Ruhestand, da die Ersparnisse von
einer geringeren Zahl von abhängigen Personen höhere Kapitalinvestitionen
erlauben würden (z.B. Lee & Mason 2006). Entscheidender dürfte m.E. sein,
dass ein starkes Anwachsen der erwerbstätigen Bevölkerung im Verhältnis
zum Rest der Bevölkerung geringere Reproduktionskosten der Arbeitskraft
bedeutet, was unter spezifi schen Umständen die Arbeitskosten für den Auf-
bau moderner Infrastruktur und für die Unterbietung der internationalen
Konkurrenz senkt. Dass es dafür jedoch spezifi scher gesellschaftlicher,
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wirtschaftlicher und politischer Institutionen bedarf, haben die Autoren, die
den Begriff der „demographischen Dividende“ geprägt haben, unter Verweis
auf die ostasiatischen Ökonomien selbst betont (Bloom & Williamson 1998;
Bloom u.a. 2003). Zu den Umständen gehören einerseits eine effektive
Industriepolitik und andererseits, was David E. Bloom, David Canning und
Jaypee Sevilla weniger hervorheben, dass nicht alle Länder gleichzeitig den
hohen Anteil an Erwerbsbevölkerung für eine Exportoffensive einsetzen. Wie
noch weiter unten ausgeführt wird, fehlen in vielen Ländern die von Bloom
u.a. genannten Voraussetzungen und der Erfolg derer, bei denen diese Vor-
aussetzungen gegeben sind, erschweren den anderen die Nachahmung. Hier
soll zunächst eine andere beschränkende Voraussetzung behandelt werden,
nämlich dass zugleich die Fertilitätsrate zurückgeht, damit der Anteil der
Erwerbsbevölkerung nicht durch eine zu große Kinderschar geschmälert
wird (Turner 2017).
Unglücklicherweise geht in Afrika das hohe Bevölkerungswachstum
nicht einher mit einer signifi kanten Absenkung der Kinderzahl pro Frau.
Die ländlichen Fertilitätsraten sind kontrolliert für die Bevölkerungsdichte
im Durchschnitt zwei Kinder höher als in anderen Ländern des Globalen
Südens. Diese Differenz ist weniger das Resultat einer gewünschten Anzahl
von Kindern sondern mehr Folge „nicht befriedigter Verhütungsbedürfnisse“
von Frauen (Headey & Jayne 2014: 29). In den 1980er und 1990er Jahren
profi tierte China vom Verhältnis von zwei erwerbstätigen Personen zu einer
nicht erwerbstätigen Person während Subsahara-Afrika ein Verhältnis von
eins zu eins hatte. Angesichts der höheren Fertilitätsrate und einer zwar im
Vergleich zu Asien langsamer alternden Bevölkerung aber letztlich doch
alternden Bevölkerung ist Bruno Losch skeptisch, ob Subsahara-Afrika
überhaupt nahe an das bisherige chinesische Verhältnis kommen wird
(Losch 2016: 18).
Trotz der Ein-Kind-Politik bleibt selbst in China das Bevölkerungswachs-
tum eine Herausforderung für den Arbeitsmarkt (Chen & Hamori 2014). Wie
vergleicht sich dies mit den Erfahrungen der früh industrialisierten Länder?
Kitching geht für Europa und Japan während der Industrialisierung auf eine
Bevölkerungswachstumsrate von 1,5-2 % pro Jahr auf dem Höhepunkt aus,
während Entwicklungsländer in den 1990er Jahren eine Wachstumsrate von
2,5 oder 3 % und sogar darüber verzeichneten (Kitching 2001: 151). Das
Abb. 2 (S. 459) vergleicht die Bevölkerungsdynamik in Deutschlands Indust-
rialisierungsphase (ca. 1850-1900) mit der des heutigen Indiens.
Zwischen 1850 und 1900 lag die Geburtenrate in Deutschland im
Durchschnitt bei 38 pro 1000 Personen. Indien erreichte eine ähnliche
Rate 1971, doch danach senkte sich die Geburtenrate auf ungefähr 22 pro
Überzählige Arbeitskräfte 459
1000 im Jahr 2010. Aufgrund der höheren Kindersterblichkeit zu Beginn
der Industrialisierung (Roser 2016) blieb trotz höherer Geburtenrate das
Bevölkerungswachstum im industrialisierenden Deutschland niedriger als
im unabhängigen Indien.
Abb. 2: Bevölkerungswachstum in Deutschland und Indien, 1500-2000
0Mio.
200Mio.
400Mio.
600Mio.
800Mio.
1,0Mrd.
1,2Mrd.
1500 1600 1700 1800 1900 1920 1940 1960 1980 2000
Deutschland Indien
Quelle: Roser & Ortiz-Ospina 2017
Abb. 3: Lebenserwartung bei der Geburt,
Vergleich Deutschland und Indien, 1875-2011
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
1875 1900 1925 1950 1975 2000 2011
Deutschland Indien
Quelle: Roser 2017
460 Christoph Scherrer
Das Bevölkerungswachstum wird nicht nur von der Geburtenrate, sondern
auch von der Lebenserwartung bestimmt. Bessere Ernährungsstandards
und medizinischer Fortschritt haben im Vergleich zum 19. Jahrhundert zu
einem deutlich schnelleren Ansteigen der Lebenserwartung in den letzten
Jahrzehnten geführt (Das & Pathak 2012: 3). Von 1820-1900 stieg die
Lebenserwartung in Deutschland von 41 auf 47 Jahre. Zwischen 1950 und
1990 erhöhte sich diese in Indien von 32 auf 60 Jahre (Maddison 2001: 30;
s. Abb. 3, S. 459) und für Afrika von 36 auf 53 Jahre (Riley 2005: 538).
Die hohe Fertilitätsrate ist auch Folge von der geringen Beschäftigung von
Frauen im verarbeitenden Gewerbe. Wie die Erfahrungen in Bangladesch
und Lesotho zeigen, führt die Beschäftigung junger Frauen in der Beklei-
dungsindustrie dazu, dass diese eher die Schule besuchen, für länger in der
Schule bleiben, und das Heiraten und Kinderkriegen zeitlich herausschieben
(Newman u.a. 2016: 19f). Das unzureichende Beschäftigungswachstum im
verarbeitenden Gewerbe verschärft somit die Arbeitsmarktlage.
Das Nadelöhr der Migration
In der Frühphase der Industrialisierung wurden die Arbeitsmärkte zum Teil
vom Bevölkerungsdruck durch Auswanderungswellen in weniger bevölkerte,
gemäßigte Klimazonen entlastet. Nach 1815 wanderten ungefähr 70 Millio-
nen Personen aus Europa in diese Gebiete unter dem Schutz des Militärs der
Kolonialmächte bzw. der jungen unabhängigen weißen Siedlerrepubliken.
Auf den Britischen Inseln und in Norwegen wanderten mehr als 30 % der
Bevölkerung aus (Stalker 1994: 16). Laut Paul Hirst, Grahame Thompson
und Simon Bromley hätte die Migration in den 1990er Jahren dreimal so
hoch ausfallen müssen, um im Verhältnis zur Bevölkerung auf das Niveau
von 1900 zu kommen (Hirst u.a. 2009: 24)7. Selbst wenn diese Autoren
die interne Migration in solch großen Ländern wie Brasilien, China und
Indien unberücksichtigt gelassen haben, zeigen die Zahlen für die Länder
der späten Industrialisierung, dass das Auswanderungsventil enger war und
noch ist. Ein weiterer Unterschied ist, dass die heutigen MigrantInnen von
der Aufnahmebereitschaft der Zielländer abhängig sind oder dort ein Leben
an den Rändern der Gesellschaft führen müssen und zwar als Personen, die
7 Insgesamt sind 3,3 % der Weltbevölkerung derzeit internationale MigrantInnen. Im Ver-
gleich zur europäischen Industrialisierungsphase ist die Zahl der EmigrantenInnen aus
den heutigen bevölkerungsreichsten Ländern minimal: 0,7 % mit Herkunft aus China,
1,3 % aus Indien, 4,6 % aus Bangladesch (2017). Das einzige afrikanische Land unter
den zwanzig Ländern mit der größten Diaspora war 2017 Ägypten auf Rang 18 (eigene
Berechnung basierend auf http://www.un.org/en/development/desa/population/migration/
data/estimates2/ estimatesgraphs.shtml?0g0).
Überzählige Arbeitskräfte 461
gegen die Aufenthaltsgesetze verstoßen haben. Sie können nicht wie ihre
Vorgänger im 19. Jahrhundert ihren Weg in andere Gebiete erzwingen.
Aufgrund der Selektivität der aufnehmenden Länder in heutigen Zeiten ist
der Anteil qualifi zierter Personen höher als früher. 60 % der Immigrierenden
aus Ägypten, Ghana und dem südlichen Afrika in den USA verfügten 1990
über einen Universitätsabschluss (Carrington & Detragiache 1998: 14). Dies
bedeutet für viele Länder des Globalen Südens einen Verlust an ausgebil-
deten Personen. Für die 1990er Jahre wird geschätzt, dass etwa ein Drittel
afrikanischer Personen mit einem höheren Bildungsabschluss ausgewandert
sind (Tanner 2005: 3). Während Auswanderung einerseits den Druck auf
den Arbeitsmarkt mindert, begrenzt andererseits der Verlust von so vielen
qualifi zierten Personen die Möglichkeiten zum Aufbau einer modernen
Ökonomie. Diese Art der Auswanderung ist eine Ausbildungssubvention
für die Unternehmen der reichen Länder.
Produktivitätsdifferenziale
Die Arbeitsmärkte der späten Industrialisierer stehen vor Herausforderun-
gen, die drei Produktivitätsgefällen geschuldet sind: zwischen kleinbäuer-
lichen Höfen und dem modernen verarbeitenden Gewerbe, zwischen klein-
bäuerlichen Höfen und der modernen kapitalintensiven Landwirtschaft, und
zwischen dem informellen und dem formellen Sektor des verarbeitenden
Gewerbes.
In der Frühphase der Industrialisierung schritt die Produktivität im
verarbeitenden Gewerbe mehr oder weniger im Gleichschritt mit der
Landwirtschaft voran. Die frühe Industrie war deutlich arbeitsintensiver
als heute, sodass ein großer Bedarf an Arbeitskräften bestand. Selbst in
vielen Ländern Asiens und Lateinamerikas folgten den Produktivitätsfort-
schritten in der Landwirtschaft Beschäftigungszuwächse in der Industrie
und zwar bis zu dem Punkt, als der Anteil des verarbeitenden Gewerbes an
der Gesamtbeschäftigung seinen Höhepunkt erreichte (Diao u.a. 2018: 29).
Da aber die relative Bedeutung der Industrie in diesen Ländern viel früher
ihren Höhepunkt erreichte als in der Frühphase der Industrialisierung (s.o.),
erschöpfte sich die Aufnahmefähigkeit der Industrie bevor der Prozess des
„Bauernlegens“ ein Ende fand.
In Afrika ist die Produktivitätslücke noch ausgeprägter (ebd.). Während
Brasilien und China die Land- und Arbeitsproduktivität erhöhen konnten,
stieg die Totale Faktorproduktivität in Subsahara-Afrika um weniger als
ein Prozent pro Jahr (McMillan & Harttgen 2014: 14). Dazu trugen unter
anderem folgende Faktoren bei: die abnehmende Wirkung der Düngemittel
462 Christoph Scherrer
aufgrund Übernutzung des Landes, der geringere Einsatz von Düngemittel,
die weniger günstigen Bedingungen für Bewässerung (im Vergleich zu
Asien), die größere Diversität der Nutzpfl anzen und die Vernachlässigung
der Nutzpfl anzenforschung (Headey & Jayne 2014: 20). Gerade letzteres war
auch Ergebnis der Vernachlässigung der Landwirtschaft durch Regierungen
und Geberorganisationen seit den 1980er Jahren (Addison 2017: 133).
Das große Produktivitätsgefälle zwischen kleinbäuerlichen Höfen in
Afrika und dem modernen verarbeitenden Gewerbe führt nicht nur zu einem
massiven Überangebot an Arbeitskräften, sondern bedingt zudem das geringe
Einkommensniveau im ländlichen Raum. Die geringen Einkommen bedeu-
ten eine geringe Kaufkraft für Industrieprodukte, die wiederum die Entwick-
lung des verarbeitenden Gewerbes bremst. Während der Industrialisierung
des Globalen Nordens übersetzte sich die geringere Produktivitätslücke
zwischen Landwirtschaft und Industrie in ein besseres Austauschverhältnis
für Agrarprodukte. Die relativ höheren Agrarpreise erlaubte der ländlichen
Bevölkerung Industriegüter zu erwerben, womit die industrielle Entwicklung
begünstigt wurde. Dadurch dass die Landwirtschaft relativ lukrativ war und
die Industrie sich dynamisch entwickelte, vollzog sich das „Bauernlegen“
in einem vergleichsweise „gemächlicheren Tempo“ (Kitching 2001: 151).
Zwischen den Regionen der Welt bestehen heute erhebliche Differenzen
in der Land- und Arbeitsproduktivität. Die weitgehend noch von mehr oder
weniger selbstversorgenden bäuerlichen Familien geprägte afrikanische
Landwirtschaft hinkt weit abgeschlagen dem Rest der Welt hinsichtlich
landwirtschaftlichen Ausstoßes pro Hektar und Arbeitskraft her. Während
die Landproduktivität etwas zunahm, stieg die Arbeitsproduktivität zwi-
schen 1961 und 2009 nur unmerklich an (Population Council 2013: 363).
Diese Produktivitätslücke lässt die afrikanische bäuerliche Landwirtschaft
in einer schwachen Wettbewerbsposition und macht sie zu einem attrakti-
ven Übernahmeziel von Agrarinvestoren, die großräumlich Landwirtschaft
betreiben wollen. Das geringe Einkommen der bäuerlichen Landwirtschaft
treibt zudem die Jugend in die Städte (Losch 2016: 46).
Soweit die überschüssigen Arbeitskräfte vom verarbeitenden Gewerbe
absorbiert werden, landen sie zumeist im informellen Sektor. Einer der
Gründe dafür ist die Tendenz, dass während die Produktivitätsdifferen-
ziale zwischen den Ländern in der Landwirtschaft und im Dienstleis-
tungssektor groß bleiben, sich das Produktivitätsniveau im formalen
verarbeitenden Gewerbe weltweit angleicht und zwar unabhängig von
„geographischen Nachteilen, schlechten Institutionen oder falschen
Politiken“ ( Rodrik 2018: 17). Mit anderen Worten, Landwirtschaft und
formale Industrie verzeichnen unterschiedliche Geschwindigkeiten bei
Überzählige Arbeitskräfte 463
Produktivitätszuwächsen. Die höhere Geschwindigkeit der Industrie bedeu-
tet eine deutlich geringere Absorption der ländlichen Überschussbevölke-
rung als in den Zeiten der frühen Industrialisierung, als die Produktivität
im verarbeitenden Gewerbe deutlich geringer und eher der Produktivität in
der Landwirtschaft in ihren jeweiligen Ländern entsprach.
Zwischen den unterkapitalisierten kleinen, informellen Unternehmen und
den modernen weltmarktorientierten Betrieben des verarbeitenden Gewerbes
klafft ebenfalls eine starke Produktivitätslücke. Selbst in den Boomjahren
konnte das afrikanische verarbeitende Gewerbe die Produktivitätslücke zur
USA nicht schließen (ebd.: 21-23). Obgleich die geringe Produktivität der
kleinen, informellen Unternehmen viel Beschäftigung bindet, bleibt das
Beschäftigungsniveau unbefriedigend, da diese Unternehmen nicht in der
Lage sind, sich zu vergrößern. Aufgrund des hohen Produktivitätsniveaus
der formalen Industrie müsste der industrielle Ausstoß rasch gesteigert
werden, um die Beschäftigungsverluste zu kompensieren. Mit anderen
Worten, ein Mehr an Beschäftigung ist derzeit nur auf Kosten von „guter“
Arbeit erreichbar.
Beschränkungen durch die neoliberale Globalisierung
Die Krise des Fordismus im Globalen Norden führte seit den 1970er Jahren
zu einer zunehmenden Auslagerung von einfachen Produktionsschritten
in den Globalen Süden. Die Empfängerländer dieser Auslagerung von
Industriearbeitsplätzen sind ungleich verteilt. Zwar sind im Laufe der Zeit
viele Länder in globale Produktionssysteme eingegliedert worden, doch
den meisten gelang es bisher nicht, sich einen größeren Anteil an der soge-
nannten Wertschöpfung innerhalb der Produktionssysteme zu sichern. Die
geringen Margen der für den Weltmarkt produzierenden Fabriken sowie
die meist geringen Steuereinahmen an ihren jeweiligen Standorten wirken
sich zudem negativ auf das Binnenmarktwachstum aus. Bisher konnten nur
wenige Staaten ihren Anteil an der Wertschöpfung dieser globalen Zuliefer-
ketten erhöhen. Diese erfolgreichen Ökonomien zeichnen sich durch eine
Gemeinsamkeit aus: die Fähigkeit des jeweiligen Staates und der führenden
Industrieeliten eine Industrialisierungsstrategie zu verfolgen, die sich aus-
ländische fi nanzielle Ressourcen und industrielles Know-How mehr oder
weniger gemäß den eigenen Bedingungen zu Nutze macht (Azarhoushang
u.a. 2015).
Die große Masse der Länder vermochte es jedoch nicht, den nördlichen
Regierungen und transnationalen Konzernen Bedingungen zu stellen. Unter
dem Diktat der strukturellen Anpassungsmaßnahmen öffneten sie ihre Märkte
464 Christoph Scherrer
nicht nur gegenüber der nördlichen Konkurrenz sondern im Laufe der Zeit
auch gegenüber ihren erfolgreicheren süd-östlichen Nachbarn.
Der Fall Ghana verdeutlicht dies. Die sich dort in den 1970er Jahren
entwickelnde Bekleidungsindustrie schrumpfte auf 4 größere Firmen, die
im Jahr 2005 weniger als 3000 Personen beschäftigten. Altkleider aus dem
Norden und neue billige Kleiderstücke aus Asien verdrängten die Beklei-
dungsindustrie Ghanas (Ackah u.a. 2016: 63). Während einige wenige
erfolgreiche Länder zunehmend komplexere Produkte herstellen konnten,
blieben viele andere Länder, insbesondere in Afrika, bei der Produktion
von einfachen Produkten, die sogar noch an Komplexität verloren haben
(Newman u.a. 2016: 23-25). Laut Adrian Wood und Jörg Mayer führten die
chinesischen Exporte dazu, dass sich der Anteil der arbeitsintensiven Pro-
dukte im Verhältnis zu Ausfuhren des Primärsektors am Gesamtexport dieser
anderen Länder ungefähr um 7-10 % und deren Exportquote um 10-15 %
minderte (Wood & Mayer 2009). Nur Chinas nahe Nachbarn wurden in
ihre Zuliefererketten integriert. Dank des chinesischen Erfolges auf dem
Weltmarkt können diese Nachbarn ihre Beschäftigung im verarbeitenden
Gewerbe erhöhen (Jenkins 2016). Während viele Länder des globalen Südens
ihre Grenzen gegenüber Produkten aus dem Norden öffneten, zögerten die
Länder des Nordens die Subventionen für ihre Landwirtschaft zu kürzen.
Laut Schätzungen sollen US-amerikanische Subventionen Westafrikas jähr-
lichen Exportumsatz mit Baumwolle um 250 Mio. US$ mindern (Fairtrade
Foundation 2015).
Während die meisten Länder ihre Zölle für industrielle und landwirt-
schaftliche Produkte senkten, erhöhte sich der Schutz für Unternehmen
der früh industrialisierten Länder. Dies gilt insbesondere für den zuneh-
menden Schutz des geistigen Eigentums. Rechte an geistigem Eigentum,
d.h. Patente, Warenzeichen und Urheberschutz, sind vor allem Eigentum
von Unternehmen mit Sitz im Globalen Norden (OECD 2008). Müssen
Lizenzgebühren bezahlt werden, wird das wirtschaftliche Aufholen nicht
einfacher. Warenzeichenpolitik (branding) erlaubt Unternehmen, die globa-
len Produktionsnetzwerke zu dominieren. Ohne eine große Verbraucherbasis
im Globalen Norden und den notwendigen fi nanziellen Ressourcen für die
Werbung, müssen die meisten Industriebetriebe des Südens die niedrigeren
Gewinnspannen für Zulieferbetriebe akzeptieren. Die Markenfi rmen nutzen
ihre Kontrolle über den Zugang zu den Konsumenten dazu, ihren Zulieferern
Jahr für Jahr niedrigere Preise zu diktieren (Anner 2015).
Neben der Liberalisierung des internationalen Handels begrenzt die Libe-
ralisierung der Kapitalfl üsse die politischen Möglichkeiten, die für ein indus-
trielles Aufholen notwendig sind. Die Liberalisierung des Kapitalverkehrs
Überzählige Arbeitskräfte 465
machte viele Länder gegenüber Währungskrisen und Kapitalfl ucht verwund-
bar (Herr & Priewe 2005).
Unzureichende staatliche Handlungskapazitäten
Der Schatten des Kolonialismus ist ein weiterer Grund, warum viele Länder
nicht über die notwendigen Eigenschaften verfügen, um von der neoliberalen
Globalisierung wirtschaftlich zu profi tieren. Während sich der Kolonialis-
mus unterschiedlich auf die ehemaligen Kolonien auswirkte, teilen diese
das Schicksal, dass sie mit Gewalt in die sogenannte alte Arbeitsteilung
gezwungen wurden, d.h. in die Produktion von Rohstoffen und nicht von
verarbeiteten Produkten. Zur Durchsetzung dieser Arbeitsteilung zwischen
Kolonialmacht und Kolonien gehörte nicht zuletzt die Vernachlässigung von
Bildung und berufl icher Qualifi kationen in den Kolonien. Dies beschränkte
die Möglichkeiten der einheimischen Eliten, am modernen Geschäftsleben
teilzuhaben. Zudem bedeutete das Erbe des Kolonialismus für die meisten
unabhängig gewordenen Länder, soweit sie nicht eine Zeitlang von einer
kommunistischen Partei regiert wurden oder eine bedeutende Rolle im Kalten
Krieg einnahmen, eine unzureichende staatliche Handlungskapazität zur
Umsetzung industriepolitischer Maßnahmen (Breman 2013: 117ff.). Hier
ist allerdings nicht der Raum, um die Auswirkungen des Kolonialismus auf
wirtschaftliches Nachholen ausführlich zu thematisieren. Dieses Thema hat
bereits umfangreiche Aufmerksamkeit genossen (z.B. seitens der Weltsys-
temliteratur aber auch ökonomischer Neoinstitutionalisten, s. Nunn 2009).
Ein verwandter Aspekt von großer Bedeutung für Subsahara-Afrika ist aller-
dings erst kürzlich untersucht worden, d.h. die Auswirkungen der Sklaverei
auf die Ursprungsländer der Sklaven und Sklavinnen.
Mit methodisch aufwendigen ökonometrischen Berechnungen konnte
Nathan Nunn (2008) nachweisen, dass diejenigen Länder, die durch die Skla-
verei einen besonders hohen Bevölkerungsverlust zwischen dem 15. und dem
19. Jahrhundert erlitten, geringere Wachstumsraten des Bruttoinlandspro-
duktes im 20. Jahrhundert aufwiesen. Das Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt
der afrikanischen Staaten mit einem geringen Ausmaß an Sklavenextraktion
lag im Jahre 2000 im Durchschnitt bei ungefähr 2.500 US$, während es bei
den Staaten, die einen großen Bevölkerungsverlust aufgrund der Sklaverei
erlitten hatten, weniger als 1.000 US$ betrug (ebd.: 167). Eine vorläufi ge
Erklärung deutet unter anderen Faktoren auf den durch die Sklaverei ver-
ursachten Vertrauensverlust zwischen und innerhalb von ländlichen Sied-
lungen. Im Unterschied zum früheren Sklavenhandel (z.B. der römischen
Sklaverei) zeichnete sich die afrikanische Sklaverei durch die Versklavung
466 Christoph Scherrer
von Individuen durch die eigene Ethnie oder verwandte Ethnien aus. Kriege
und Überfälle zwischen den konkurrierenden Dörfern zersplitterte größere
gesellschaftliche Gruppierungen in kleinere ethnisch und linguistisch dif-
ferenzierte Gruppen. Innerhalb dieser Gruppen verrieten selbst Familien-
mitglieder sich untereinander und zwar aus Angst, dass sie selbst durch
Verrat in die Sklaverei geraten könnten (Inikori 2003). Eine nachfolgende
Studie korrelierte moderne Vertrauensindices in den Herkunftsregionen der
Versklavten mit deren Versklavungsrate. Sie bestätigte die Vermutung, dass
die höheren Versklavungsraten mit einem geringeren Vertrauen zwischen
Familienmitgliedern und gegenüber Mitgliedern anderer Stämme korrelieren
(Nunn & Wantchekon 2011). Der Mangel an gegenseitigem Vertrauen ist
der Herausbildung einer nationalen Entwicklungsstrategie abträglich. Zahl-
reiche Studien belegen, dass ethnische Fraktionierung mit einer geringeren
Bereitstellung öffentlicher Güter einhergeht (z.B. Easterly u.a. 2006).
Ein größeres Ausmaß an Versklavung ist auch mit geringerer Alphabe-
tisierung korreliert (Obikili 2016). Eine weitere Studie, die den Zugang zu
Finanzdienstleistungen in Subsahara-Afrika untersuchte, bestätigt ebenfalls,
dass das Niveau an Vertrauen in jenen Ländern geringer ist, die stärker unter
der Sklaverei zu leiden hatten. In diesen Ländern nutzen Unternehmen
formale Kreditquellen in geringerem Ausmaße und sie haben auch weniger
Zugang zu informellen Krediten seitens Zulieferern oder Verbrauchern
(Pierce & Snyder 2018). Somit ist nicht nur die staatliche Handlungskapazität
betroffen, sondern auch die privatwirtschaftlichen Potenziale.
Immense Herausforderungen für das
Nachhaltigkeitsziel „menschenwürdige Arbeit“
Das Ausmaß an prekärer Beschäftigung im Globalen Süden ist beunruhigend.
Noch beunruhigender ist, dass die Aussichten einer Änderung ohne einen
drastischen Wechsel in der Regulierung der Weltwirtschaft, der Produktions-
formen und des Verbraucherverhaltens gering sind. Der Grund dafür ist,
dass die Arbeitsmarktdynamiken der Vorreiter der Industrialisierung und
ihrer wenigen heutigen erfolgreichen Nachahmer nicht einfach von allen
Ländern erzielt werden können. Bevor ich hier die begrenzenden Faktoren
für die industrielle Beschäftigung derjenigen, die in der Landwirtschaft
kein Auskommen mehr fi nden, zusammen fasse, möchte ich auf einen
recht offensichtlichen Fakt hinweisen, der jedoch selten in der Entwick-
lungsliteratur benannt wird. Die industrielle Entwicklung in den heutigen
Zentren des Kapitalismus beruht nicht nur auf kolonialer Gewalt, sondern
führte auch zu einem grausamen Klassenkampf und zu noch verheerenderen
Überzählige Arbeitskräfte 467
Kriegen zwischen den führenden Industriemächten. Sprich, der Übergang
ins Industriezeitalter ist nicht friedlich vollzogen worden. Entsprechend
sollte auch nicht erwartet werden, dass die nachholende Industrialisierung
ein gewaltfreier Akt ist.
Die Analyse der heutigen Arbeitsmarktherausforderungen für die Länder
der nachholenden Industrialisierung zeigt, dass deren Industrialisierungs-
prozesse unter anderen Umständen stattfi nden. Im Vergleich zu den früh
industrialisierten Ländern, ist heute der demographische Druck deutlich
ausgeprägter, da die rasche Zunahme an Lebenserwartung nicht durch die
fallenden Fertilitätsraten ausreichend kompensiert wird. Die hohen Produk-
tivitätszuwächse im formalen verarbeitenden Gewerbe begrenzen dessen
Aufnahmekapazität. Selbst in erfolgreich spätindustrialisierten Ländern
erreicht der Anteil des Verarbeitenden Gewerbes an der Gesamtbeschäftigung
seinen Gipfel viel früher als bei den Pionieren der Industrialisierung. Das
diesen Pionieren offen stehende Arbeitsmarktventil, d.h. die Auswanderung
in weniger dicht besiedelte Gegenden, kann nicht mehr genutzt werden. Heut-
zutage können MigrantInnen keine indigene Bevölkerung mithilfe kolonialer
Militärmacht überrennen. Sie müssen vielmehr um Aufenthaltserlaubnis im
Gastland bitten, und falls diese ihnen nicht gewährt wird, müssen sie hoffen,
dass ihr nicht-genehmigter Aufenthalt zumindest toleriert wird.
Einige Länder insbesondere in Südostasien konnten teilweise diese Hürden
überwinden. Ihr Erfolg beschränkt jedoch die Industrialisierungsmöglich-
keiten für die meisten anderen Länder des Globalen Südens. Deren Erfolg
beruht auf gewaltigen Exportüberschüssen von Industriegütern. Doch zugleich
begrenzen die Regeln der Weltwirtschaft die Möglichkeit dieser erfolgreichen
Länder, ihren Anteil an der Wertschöpfung signifi kant zu erhöhen. Indem
sie den Schutz des geistigen Eigentums ausdehnen und den grenzüber-
schreitenden Kapitalfl uss liberalisieren, stärken diese Regeln die Macht der
hauptsächlich im Globalen Norden ansässigen Konzerne. In der Konkurrenz
untereinander und im Schatten der überspannten Gewinnerwartungen der
Finanzmärkte diktieren diese Unternehmen ihren Zulieferern die Preise.
Während die erfolgreicheren Länder der nachholenden Industrialisierung
in der Lage waren, den transnationalen Konzernen einige Bedingungen zu
stellen, fehlt vielen anderen Ländern diese Fähigkeit aufgrund des kolonialen
Erbes und im Falle einiger afrikanischer Länder auch aufgrund der nega-
tiven Auswirkungen der jahrhundertelangen Versklavung eines Teils ihrer
Bevölkerung auf das Ausmaß gesellschaftlichen Vertrauens.
Was sind nun die Folgen des „Bauernlegens“ ohne kompensierende
moderne Beschäftigungsmöglichkeiten für die Agenda der „menschenwür-
digen Arbeit“? Das Überangebot an Arbeitskräften beschränkt massiv die
468 Christoph Scherrer
Möglichkeiten, die Arbeitsbedingungen für einen großen Teil der heutigen
Bevölkerungen zu verbessern. Um nicht ganz pessimistisch zu enden, könnte
einerseits die produktive Beschäftigung in ländlichen Regionen durch
Landreform, Infrastrukturmaßnamen und arbeitsintensives ökologisches
Wirtschaften erhöht werden. Andererseits könnte das Arbeitsangebot durch
Verkürzung der Tages-, Wochen- und Lebensarbeitszeiten verknappt werden.
Allerdings müssen solche Lösungen auf vielen gesellschaftlichen Ebenen
abgesichert werden. Ein Thema für weitere Forschung.
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Anschrift des Autors
Christoph Scherrer
scherrer@uni-kassel.de