ArticlePDF Available

Führung und Organisation – zwei Seiten ein und derselben Medaille. (In: Revue für postheroisches Management)

Authors:
für postheroisches management
9 783896 706997
Intelligent entscheiden
Heft 4 ISBN 978-3-89670-699-7, € 25,–
Intelligent entscheiden Revue für postheroisches Management Heft 4
3 Editorial von Torsten Groth
6 Bernhard von Mutius
Die andere Intelligenz
16 Various Artists
Daten-Kunst
20 Rudolf Wimmer
Führung und Organisation –
zwei Seiten ein und derselben Medaille
34 Claus Otto Scharmer
Organisationales Handeln
50 Hermut Kormann
Betriebswirtschaftslehre für Nicht-Betriebswirte
58 Henrik Pontzen
Zufall im Banking
64 Ralf Wetzel
Mehr Brücken!
Über die Finanzkrise, den Ethikboom und den ganzen Rest
68 Christoph Kahlert
Stiftungen und ihre Gaben: Die Überraschung der Reziprozität
74 Caroline Rudzinski, Andreas Szankay
Intelligente Entscheidungen – Ein Diskurs
76 Rudolf Wimmer, Aljoscha Neubauer, Frank Kirchner im Interview
Intelligente Maschinen, Personen und Systeme
82 Malte Friedrich-Freksa, Katrin Glatzel
Steuerung ohne Kontrolle!?
90 Caroline Rudzinski
Informationsmärkte:
Der Unterschied, der einen Unterschied macht
96 Marina Barz, Wolfgang Looss
Intelligent noch nicht entscheiden
106 Ulrich Renz
Schönheit als Entscheidungsprämisse
Kolumnen
116 Wozu Wirtschaft?
Sein und Nichts. Entscheidung als Möglichkeit
von Birger P. Priddat
118 Management für Fortgeschrittene
Kluge Knoten
von Dirk Baecker
122 Hollywood
Kubricks Krieger
von Fritz B. Simon
128 Hören & Sehen
130 Überblick, Bestellservice, Impressum
Inhalt
5
Inhal t Re vu e für po st heroische s Mana gement / Heft 4
20
hru ng und Or ganisat io n Revue r po st heroische s Mana gement / Heft 4
Einige syste mtheoretische Überlegu ngen zur aktuellen Leaders hip-
Diskussion
1. Führung ist ein Spiegelbild des jeweils zugrunde
liegenden Organisationsverständnisses
Die Frage, wie verantwortungsvoll Topmanager an der
Spitze von Unternehmen ihren Führungsjob wahrneh-
men, erhitzt wieder einmal die Gemüter. Die aktuelle
Krise der Finanzmärkte und ihre katastrophalen Aus-
wirkungen auf das weltweite Bankensystem sowie die
Folgen für die allermeisten Branchen in der sogenann-
ten Realwirtschaft lassen die Zweifel an der dominanten
Logik der Unternehmensführung immer lauter werden.
Insofern erleben wir nicht nur die heftigsten Verwerfun-
gen im globalen Gefüge unseres inzwischen extrem ver-
netzten Weltwirtschaftssystems seit dem 2. Weltkrieg.
Wir erleben auch eine schwere Vertrauenskrise in die
Glaubwürdigkeit der verantwortlichen Akteure und in
deren Konzepte zur Steuerung von Unternehmen. Es ist
keineswegs überraschend, dass die aktuellen Verunsiche-
rungen
wiederum personifizierende Erklärungsmuster
verstärken und eine enorme Intensivierung unterneh-
mensethischer Initiativen nach sich ziehen. Moralische
Argumente haben wieder Hochkonjunktur.
Begleitet wird diese an Heftigkeit zunehmende öf-
fentliche Diskussion wiederum von dem Ruf nach star-
ken vertrauenswürdigen Persönlichkeiten, denen man
die Bewältigung dieser ungewöhnlich schwierigen Pha-
se zutrauen kann. »Leadership« ist mehr denn je gefragt,
zurzeit allerdings mehr mit Blick auf Staat und Politik,
auf gesellschaftliche Bereiche also, die durch die jüngs-
ten Ereignisse eine enorme Steigerung der Erwartun-
gen an ihr Problemlösungsvermögen erfahren haben.
Vor diesem Hintergrund möchte der vorliegende Beitrag
einen ganz bestimmten Aspekt herausgreifen, der über
all die Jahre hinweg in der Leadership-Diskussion unter-
belichtet geblieben ist und im Moment auch gerade wie-
der ausgeblendet wird. Welcher Aspekt ist hier gemeint?
Man kann sich dem Thema Führung auf sehr viel
fäl-
tige Weise nähern, wie die weitverzweigte Führungsfor-
schung zeigt. Die beobachtbaren Ausprägungen der Aus-
einandersetzung mit diesem Thema sind natürlich ein
»Kind« des jeweiligen soziokulturellen Umfeldes, in das
sie eingebettet sind. Es unterscheidet sich die amerika
ni-
sche Tradition deutlich von der kontinentaleuropäischen
und diese wiederum von den fernöstlichen Denkweisen.
Rudolf Wi mme r, Dr., ist apl . Profess or für Führ ung und Org anisatio n am Witten er Instit ut für
Fami lienunt ernehme n der Universit ät Witten/ Herdeck e. Außerd em ist er Par tner der os b-i AG und ei ner der
drei G ründer de s Managem ent Zentr um Witten .
Rudolf Wimmer Führung und Organisation –
zwei Seiten ein und derselben Medaille
Immer jedoch spiegeln die jeweiligen Vorstellungen von
Führung auch das dahinter liegende Organisationsver-
ständnis wider, auch wenn dieses zumeist nur implizit
durchschimmert (beispielhaft dafür Morgan 1997, sowie
Kieser/Ebers 2006). Führung und Organisation sind in
hochentwickelten Gesellschaften zwei Seiten ein und
derselben Medaille. Dies ist unsere Ausgangsthese, die
im Weiteren etwas ausführlicher am Beispiel eines sys-
temtheoretisch angeleiteten Organisationsverständnis-
ses entfaltet wird. In den einschlägigen Diskussionen
bleibt dieser Zusammenhang zumeist im Hintergrund,
weil Führung in aller Regel als ein Phänomen diskutiert
wird, das primär mit den Eigenschaften und Fähigkeiten
von Personen verknüpft wird (zur Kritik an dieser nach
wie vor ungebrochenen Forschungstradition vgl. Neuber-
ger 2002). Dabei kommt gerade durch dieses personen-
orientierte Führungsverständnis ein ganz bezeichnen-
des Denken über Organisationen, über deren Sinn und
Zweck zum Ausdruck. In diesem Sinne stehen sich in der
aktuellen Diskussion mehrere einander markant un-
terscheidende Grundkonzepte gegenüber, die heute die
mentalen Modelle in Unternehmen und anderen Orga-
nisationen (vielfach auch in charakteristischen Misch-
formen) prägen. Dazu am Beginn ein paar exemplarische
Ausprägungen, bevor dann ausführlicher einige system-
theoretische Überlegungen zum Zusammenhang von
Führung und Organisation angeschlossen werden.
1.1 Die Organisation ist primär Mittel zu einem extern
gesetzten Zweck
Dieses Organisations- und Führungsverständnis besitzt
in der Entwicklung der modernen Gesellschaft, insbeson-
dere
in der Durchsetzung des Primats einer funktionalen
Differenzierung, eine lange Tradition (dazu Luhmann
1997, S. 707 ff sowie Martens 2000). Die Arbeiten von
Max Weber sowie von Frederic Taylor mit seinem »scien-
tific management« haben dieses Verständnis im Prozess
der Industrialisierung elaboriert zum Ausdruck gebracht.
Diese Denkweise ist in unserem heutigen wirtschaftli-
chen Umfeld jedoch nach wie vor weitverbreitet und im
Moment am eindrucksvollsten im Shareholder-Value-
Konzept ausgearbeitet (vgl. dazu Rappaport 1999; zur the-
oretisch
en Begründung vgl. Jensen 2003; zur Kritik die-
ses Ansatzes Wimmer 2002). Eine Unternehmensfüh-
rung, die sich in ihren Entscheidungen primär an den
Erwartungen des Kapitalmarktes ausrichtet, orientiert
sich in unterschiedlichen Ausprägungsgraden fast
zwangsläufig an dieser Sichtweise. Die jüngsten Ge-
schäftspraktiken vieler Finanzinstitute haben dieses
Führungsverständnis allerdings etwas in Misskredit ge-
zogen. Wesentliche Merkmale dieser Denktradition sind:
• Führung ist dazu da, um den Zwecksetzenden zur
Erreichung jener Ziele zu verhelfen, die sie mit ihrer
Organisation verfolgen. Genau zu diesem Ergebnis
kommt Rappaport, wenn er über die Funktion von
Führung nachdenkt: »Beginnen wir mit dem CEO
und anderen Führungskräften auf Unternehmens-
ebene. Ihre primäre Verantwortung besteht in der
Maximierung der gesamten Eigentümerrendite aus
Dividenden plus Kurswertsteigerungen der Unter-
nehmensaktie« (ders. 1999, S. 134). Führung als Auf-
gabe dient daher im Kern dazu, die Organisation in
all ihren Bereichen als Mittel so herzurichten, dass
sie bei sparsamstem Ressourceneinsatz die Zielerrei-
chung
optimiert. Die Führenden verstehen sich des-
halb als Gegenüber zu ihrem jeweiligen Aufgaben-
bereich, auf den sie im Sinne der Zielerreichung
einzuwirken versuchen. Sie sind die Gestalter, die
im Sinne der vorgegebenen Zielsetzungen auf die
Organisation als Mittel der Realisierung Einfluss
nehmen.
Führung in diesem Verständnis ist primär Sache
der beauftragten Akteure und ihrer besonderen
Eigenschaften und Fähigkeiten. Ihre herausragen-
den »Leadership-Qualitäten« befähigen sie dazu, die
Gefolgschaft ihrer Leute in den jeweiligen Verant-
wortungsbereichen so zu mobilisieren, dass die vor-
gegebenen Ziele tatsächlich erreicht werden. Die
Führenden verkörpern in diesem Sinne den Exis-
tenzgrund und die Ziele der Organisation und rich-
ten die zu Führenden als Objekt ihres Einwirkens
auf diese aus. In der öffentlichen Wahrnehmung,
insbesondere in der medialen Berichterstattung
werden Unternehmen in ihrer Entwicklung mit
dem Agieren ihrer Spitzenmanager gleichgesetzt.
»Investors thus join journalists in the personificati-
on of corporations, focusing on the characters, bio-
graphies and alleged charisma of CEO’s« (O’ Toole
2001, S. 158). Im Mittelpunkt der Führungsarbeit
steht deshalb neben der Ziel- und Aufgabenplanung
die alltägliche Personalführung im Sinne einer kon-
sequenten Steuerung und Kontrolle des Zielerrei-
21
hru ng und Or ganisat io n Revu e für po st he ro isches M an agement / Hef t 4
22
hru ng und Or ganisat io n Revue für po st he ro is ches M an ag ement / He ft 4
chungsprozesses. Führung in diesem instrumentel-
len Organisationsverständnis ist somit ausschließ-
lich eine Sache von Persönlichkeiten, stets ausge-
stattet mit besonderen Fähigkeiten (visionäre Kraft,
Begeisterungsfähigkeit, Neues bewegend, persön-
liche Durchsetzungsfähigkeit etc. etc.). Man be-
greift Führung »solely as an individual trait«
(O’Toole 2001, S. 159). Es sind in erster Linie höchst-
persönliche Qualitäten, über die nur ganz wenige
verfügen, die das Wesen von Führung zur Entfal-
tung bringen (zu diesem »New Leadership Approach
«
vgl. etwa Steyrer 1998 oder auch Neuberger 2002).
Diesem Grundverständnis folgend konzentrierte
sich die Führungsforschung über Jahrzehnte auf
das Ausfindigmachen jener Persönlichkeitsmerk-
male, die dem Erfolg von Führung zugrunde liegen,
bislang allerdings ohne nennenswerte Ergebnisse.
»Unfortunately, empirical studies have failed to es-
tablish a link between effektive leadership and any
single trait or group of traits« (Sadler 2003, S. 113;
eine kritische Bestandsaufnahme dieser bis heute
dominanten Blickrichtung auf Führung bietet auch
Vaupel 2008, S. 123 ff ).
• Mit diesem Verständnis von Führung korrespon-
diert
letztlich ein »heroisches« Selbstkonzept der
Führenden (hoher Selbstanspruch, alles im Griff
bzw. unter Kontrolle zu haben; Dominanz des direk-
tiven Eingreifens; wenn etwas schief läuft, sind
immer Personen schuld; sie sind der wesentliche
Stellhebel, um die Dinge zum Besseren zu bewe-
gen). Entspre
chend hohe Folgekosten zeitigt dieses
maßlos überfordernde Selbstkonzept bei den be-
troffenen
Akteuren.
1.2
Organisationen sind besondere gesellschaftliche
Arenen, in denen die Akteure um die Durchsetzung
ihrer Interessen ringen
Dem konsequent durchrationalisierten Bild von Organi-
sationen, wie es die primär am Kapitalmarkt orientier-
ten Unternehmen gerne für sich in Anspruch nehmen,
wird häufig ein Bild gegenüber gestellt, in dem es alles
andere als rational zugeht. Aus dieser Sicht sind Orga-
nisationen keineswegs das auf höchste Effizienz ge-
trimmte Instrument in den Händen derjenigen, die über
die Kompetenz der Zwecksetzung verfügen und zur
Durchsetzung ihrer Ziele auf Führung setzen. Ganz im
Gegenteil. Organisationen werden von ihren Mitgliedern
ihrerseits in die unterschiedlichen Richtungen instru-
mentalisiert. Nach dieser Sicht der Dinge läuft also de
facto die Instrumentalisierung genau in die umgekehrte
Richtung. In einer eher finanzwirtschaftlich ausgerich-
teten Theorie des Unternehmens wird diese fast nicht zu
vermeidende Gefahr der Instrumentalisierung der Orga-
nisation für die Eigeninteressen des Managements unter
dem Principal-Agency-Problem diskutiert (dazu nach wie
vor grundlegend Jensen/Meckling 1976).
Nach diesem akteursorientierten, primär auf Mikro-
politik setzenden Theorieverständnis schaffen Organisa-
tionen spezifische soziale Räume, die jeder einzelne
mehr oder weniger geschickt und erfolgreich nutzt, um
seinen persönlichen Interessen zum Durchbruch zu ver-
helfen (ausführlicher zu diesem Organisationsverständ-
nis Neuberger 2006). Die jeweiligen Sachaufgaben bilden
dafür lediglich die Oberfläche, sie definieren das Spiel-
feld, auf dem sich die Spielzüge der involvierten Akteure
je nach Rolle und Position entfalten können. Führung ist
in dem Ganzen selbst Teil des Spiels (Spiel verstanden als
sich wiederholende kollektive Muster, gesteuert durch
eingespielte, vielfach nicht durchschaute, sich ständig
ändernde Regeln). Führung in diesem Organisationsver-
ständnis schafft, ob formell oder informell ausgeübt,
pri
vilegierte Durchsetzungschancen für die Inhaber von
Führungspositionen, weil man davon ausgehen kann,
dass mit dem Einflusspotenzial dieser Rollen größere
Gestaltungsspielräume verbunden sind (vgl. dazu etwa
Türk 1990). Deswegen spielen Prozesse der Machtgewin-
nung und Machtabsicherung (je verdeckter, umso effek-
tiver) eine herausragende Rolle. Dementsprechend ge-
winnen Machtfragen in dieser Forschungstradition eine
zentrale Bedeutung (exemplarisch dafür Crozier/Fried-
berg 1979, sowie Crozier 1992). Das Ergattern von Füh-
rungspositionen ist in diesem Spiel somit ein ganz be
-
sonderer Attraktor.
Blickt man mit dieser Brille auf das Alltagsgeschehen
in Organisationen, so dominieren mikropolitische Aus-
einandersetzungen, mit deren Hilfe sich die Organisa-
tionsmitglieder Vorteile zu verschaffen oder drohende
Benachteiligungen abzuwehren versuchen, den Prozess
der Leistungserbringung. Gute und erfolgreiche
Füh-
rungskräfte sind in diesem akteursorientierten Verständ-
nis
somit jene, die sich in diesem »Spiel« über die Zeit
hinweg besonders gut behaupten, sich immer wieder
durchsetzen und somit ihre Machtbasis ausbauen kön-
nen (vgl. auch Ortmann 1988). Dieses Organisations- und
Führungsverständnis trifft man häufig in einem poli-
tiknahen Umfeld, in Organisationen der öffentlichen
Hand, nicht selten auch im Nonprofit-Bereich an.
1.3 Organisationen bilden eine verwaltungstechnische
Plattform, um den Verwirklichungsmöglichkeiten einer
oder mehrerer Professionen zu dienen
Dieses Verständnis trifft man regelmäßig in Organisa-
tionen an, die in ihrer Leistungserbringung um ein ganz
bestimmtes professionelles Selbstverständnis herum
gebaut sind (Krankenhäuser, Schulen, Universitäten,
Forschungseinrichtungen, große Anwaltssozietäten und
Beratungshäuser etc. Eine gesellschaftstheoretische Fun-
dierung
dieses Professionsverständnisses bietet Stich-
weh 2008). In solchen »professional organizations« do-
minieren im alltäglichen Miteinander die Standards der
jeweiligen Profession. Die Funktionsinhaber, insbesonde-
re
die »Professionals«, sehen die Organisation als etwas
an, das primär in den Dienst ihrer Profession zu treten
hat. In diesem Sinne hat die Organisation alle erforderli-
chen Rahmenbedingungen bereitzustellen (finanziel-
le, technische, personelle und räumliche Ressourcen),
um entsprechend der eigenen professionellen Standards
gute Arbeit machen zu können. Die dominierende Logik
in den organisationsinternen Routinen entspringt den
Ansprüchen der jeweils die Organisation prägenden pro-
fessionellen Tradition (Medizin, Pädagogik, Forschung,
Recht etc.). Alle anderen Funktionen in der Organisa-
tion haben sich dieser Logik unterzuordnen. Führung
kommt in diesem Organisationsverständnis die Aufgabe
zu, speziell für jene Rahmenbedingungen zu sorgen, die
ein erfolgreiches Agieren im Sinne der professionellen
Standards ermöglichen. Führung ist demnach eine orga-
nisationsinterne Dienstleistung an den jeweiligen Er-
fordernissen der Profession. Die Profession »führt« die
Führung. In diesem Sinne spricht man in solchen Orga-
nisationen gerne von »Führungs- und Organisations-
abwehr«, weil die Kapazitäten und Fähigkeiten für die
Wahrnehmung von Führungsaufgaben in der Regel
höchst unterentwickelt sind. Solche Organisationen tun
sich deshalb ausgesprochen schwer, sich in Richtung der
Bewältigung neuer Leistungsherausforderungen gezielt
weiterzuentwickeln. Im Sinne dieses nachrangigen Stel-
lenwertes sind Führungsfunktionen häufig an hervor-
ge
hobene Expertenstellen angedockt und werden neben
den
die professionelle Identität und Reputation haupt-
sächlich prägenden Fachaufgaben miterledigt (für die
besonderen Herausforderungen der Führung von »pro-
fessional service firms« vgl. Maister 1993).
1.4 Organisationen als sich selbst organisierende soziale
Systeme, die r ausgewählte gesellschaftliche Proble-
me außerhalb ihrer selbst geeignete Lösungen erarbei-
ten und darin ihren Existenzgrund finden
Diese Variante des Denkens über Führung und Organisa-
tion entspringt im Wesentlichen dem Grundannehmen
der neueren Systemtheorie. Weil wir davon ausgehen,
dass diese Theoriearchitektur zurzeit dem gestiegenen
Komplexitätsgrad von Organisation und Gesellschaft am
ehesten gerecht wird, wird im Weiteren etwas ausführ-
licher mit einer systemtheoretischen Brille auf das Phä-
nomen Führung geschaut (wichtige Anregungen dafür
bietet Baecker 2003, S. 256 ff. und 2005). Organisationen in
diesem systemtheoretischen Verständnis repräsentieren
einen besonderen Typus sozialer Systeme, der darauf spe-
zialisiert ist, Lösungen für gesellschaftliche Problemstel-
lungen zu produzieren, deren erfolgreiche Bearbeitung
ein organisiertes Zusammenwirken unterschiedlicher Ex-
pertisen
erfordert. Organisationen tasten gleichsam ihre
relevanten Umwelten nach ungelösten Fragestellungen
ab, die sich dafür eignen, die Organisation als Organi-
sa
tion zu reproduzieren. Moderne Gesellschaften bieten
dafür
unzählige Gelegenheiten, weil sie sich von dieser
spezifischen Leistungsfähigkeit von Organisationen un-
entrinnbar abhängig gemacht haben (Luhmann 1997,
S. 826 ff.). Organisationen sorgen in diesem Sinne selbst-
organisierend für ihre eigene Überlebensfähigkeit und
entwickeln dafür in Auseinandersetzung mit ihren re-
levanten Umwelten ihre Zwecke und Ziele selbstständig
weiter, dabei ihrer eigenen Logik und inneren Melodie
folgend. Sie sind sich selbst gegenüber somit gleichzeitig
Mittel und Zweck. Organisationen, einmal erfolgreich ins
Leben getreten, streben danach, ihre Überlebensfähigkeit
dauerhaft unter Beweis zu stellen, eingebettet in das je
spezifische, dieses Überleben ermöglichende und auch
begrenzende Umfeld. Wir gehen also davon aus, dass
Organisationen sich selbst durch eigene Operationen her-
vorbringen
und durch ebensolche Operationen für ihre
Fortsetzung Sorge tragen. Sie sind in diesem Sinne auto-
poietische Systeme.
23
hru ng und Or ganisat io n Revu e r postheroisc he s Managemen t / Heft 4
24
hru ng und Or ganisat io n Revue r po st heroische s Mana gement / Heft 4
Dieser Grundgedanke verbietet es, Organisationen aus-
schließlich als Instrument außenstehender Instanzen zu
verstehen. Aber was sind die Operationen, mit deren
Hilfe sich eine Organisation zur Organisation macht?
Letztlich ist es die Kommunikation von Entscheidungen.
Entscheidungen sind Ereignisse, durch die eine unsiche-
re Situation soweit in Sicherheit umgewandelt wird,
dass weitere Entscheidungen daran anknüpfen können.
Organisationen befinden sich mithin in einem Dauer-
zustand der Unsicherheit über sich selbst und ihr Ver-
hältnis zu ihrer Umwelt und nutzen diesen Zustand der
Unruhe für ihre Selbstorganisation des Anknüpfens von
Entscheidungen an Entscheidungen, die jeweils nur für
eine ganz bestimmte Situation Unsicherheit absorbieren,
um auf dieser Basis weitere Schritte der Unsicherheits-
bewältigung aufsetzen zu lassen. »Offenbar sind Orga-
nisationen nicht kalkulierbare, unberechenbare, histori-
sche
Systeme, die jeweils von einer Gegenwart ausgehen,
die sie selbst erzeugt haben. Offenbar sind es Systeme,
die sich selbst und anderes beobachten können, also
zwischen Selbst- und Fremdreferenz oszillieren. Offen-
bar verdanken sie ihre Stabilität einem Netz loser Kop-
pelungen, nicht einer ›Technik‹ strikter Koppelungen«
(Luhmann 2000, S. 9).
2. Führung in einem sich selbst organisierenden
System
Versteht man Organisationen als einen besonderen
Typus sozialer Systeme mit hoher Eigenkomplexität, die
sich im Zuge der neuzeitlichen Entwicklung hin zur
modernen Gesellschaft ausdifferenziert haben, um eben
diese Gesellschaft mit ganz bestimmten Leistungen zu
versorgen, dann stellt sich die zentrale Frage: Wie lautet
das Problem, für das Führung in solchen Systemen eine
Lösung ist? Hier unser Antwortversuch:
• Führung in einem systemischen Verständnis meint
eine organisation ale Fähigk eit, eine in der Organisa-
tion ausdifferenzierte Funktion, die im Unterschied
zu den vielfältigen Fachaufgaben, die es zur Leis-
tungserbringung braucht, auf die laufende Herstel-
lung der eigenen Vitalität (Überlebensfähigkeit)
spezialisiert ist. Die spezifische Form der Konstitu-
tion von Organisationen (sie greifen Problemstel-
lungen ihrer Umwelt auf, um für diese geeignete
Lösungen zur Verfügung zu stellen) stimuliert ihre
Fähigkeit zur Selbstbeobachtung, also das Operie-
ren mit der Differenz von Selbst- und Fremdrefe-
renz. Genau dies ist die Grundlage für die organisa-
tionsinterne Ausdifferenzierung von Führung als
einer unerlässlichen Funktion dieser Selbstorgani-
sation, die aus dem eingebauten Pendeln zwischen
Innen und Außen Impulse für die eigene Weiter-
entwicklung gewinnt. In diesem Sinne ist Führung
eine besondere evolutionäre Errungenschaft, die sich
in der modernen Gesellschaft zur Aufrechterhal-
tung der Problemlösungsfähigkeit ihrer Organisa-
tionen ausgeprägt hat und ständig weiterentwi-
ckelt. So verstanden ist Führung eine
»Eigenschaft«
des sozialen Systems Organisation, die in der Praxis
mehr oder weniger gut entwickelt sein kann. Diese
Systemqualität ist darauf spezialisiert, die spezi-
fische Leistungsfähigkeit einer
Organisation in
Auseinandersetzung mit ihren relevanten Umwel-
ten aufrechtzuerhalten bzw. gezielt weiterzuent-
wickeln.
Führung als eine organisationale Fähigkeit (organi-
zational capability1) zu verstehen, ist in der Füh-
rungsforschung nicht sehr weit verbreitet. Eine in-
teressante Ausnahme bildet James O’Toole, der mit
seinem Forschungsteam für das Weltwirtschafts-
forum in Davos herausfinden sollte, welche Art von
Führung nachhaltig erfolgreiche Unternehmen aus-
zeichnet.
Dem Mainstream der Führungsforschung
folgend, dachten sie zunächst über Führung nach,
»solely as an individual trait« (O’Toole 2001, S. 159).
Dieser Blickwinkel änderte sich im Zuge ihrer Re-
cherchen allerdings ziemlich grundlegend. Denn:
Führung in einem systemischen
Verständnis meint eine organi-
sationale Fähigkeit, eine in der
Organisation ausdifferenzierte
Funktion, die im Unterschied
zu den vielfältigen Fachaufgaben,
die es zur Leistungserbringung
braucht, auf die laufende Herstel-
lung der eigenen Vitalität (Über
-
lebensfähigkeit) spezialisiert ist.
..............
»soon we were surprised to discover that the rela-
tive performance of large corporations cannot be ex-
plained adequately by measures of the individuals
who head them« (ebenda S. 160). Das Forschungs-
team kam letztlich zum Ergebnis, »that in many
successful companies leadership is treated as an in-
stitutional capacity and not solely as an individual
trait« (ebenda S. 162).
V
ersteht man Führung als eine organisationale Fä-
higkeit, spezialisiert auf Fragen der Selbstent
wick-
lung der Organisation, so ist unmittelbar ein
sich-
tig, dass diese Funktion nu r i m S ystem wahrgenom-
men werden kann. Sie ist ein spe zifische s Mome nt de r
Selb storgani sation desselben und nicht
Ausdruck des
Fremdbestimmtseins der Organisa
tion (vgl. dazu
Foerster 1993, S. 233 ff. sowie Wimmer 1992). Be-
greift man Organisationen als soziale
Systeme, die
im Zuge ihrer Konstituierung ihre tragenden Ord-
nungsmuster selbst hervorbringen, dann ist Füh-
rung ein bestimmter Aspekt dieser
selbsterzeugten
Ordnungsbildung. »Konnte sich das Management
bislang quasi als naturgegebene Konsequenz einer
naturgegebenen hierarchischen Ordnung betrach-
ten und inszenieren, so wird es jetzt als Effekt einer
von der Organisation selbst produzierten Ordnung
sichtbar, und zwar als ein Effekt, den es selbst mit-
produziert« (Baecker, 1999, S. 221). Die Führenden
sind Teil des Systems, d. h. Teil des Kommunika-
tionsgeschehens, auf das sie durch ihre Führungs-
impulse Einfluss zu nehmen versuchen. Führung
hat es in diesem Sinne immer auch mit sich selbst
zu tun. Sie stößt bei all ihren Einflussversuchen auf
Verhältnisse, die sie selbst bis zu einem gewissen
Grade mitproduziert hat. Die Art und Weise, wie
Führung in einer Organisation wahrgenommen
wird, ist also immer auch das Ergebnis dessen, wie
im Vorangegangenen geführt worden ist und wel-
che Rückwirkungen daraus auf die Möglichkeiten
und Grenzen weiterer Einflussnahme durch Füh-
rung zu beobachten sind. In diesem Sinne operiert
Führung grundsätzlich mit zi rkulären, rückbezügl ichen
Formen von Wirkungsbeziehungen .
• Zur Realisierung dieser »organizational ca pability« (zu
diesem Begriff vgl. Schreyögg/ Kliesch-Eberl 2008)
braucht es einerseits ge eignete Führu ngsstruk turen auf
Basis eines durchdachten Organisationsdesigns (ge-
meint sind damit unterschiedliche
Gliederungs-
formen entweder nach Geschäftsfeldern,
nach Funk-
tionen oder Kernprozessen, auf Basis
einer
Holding-
konstruktion mit übergreifenden Support
funktio-
nen etc.). Wie immer diese Organisationslösungen
im Detail aussehen mögen, in jedem Fall sind sie
heutzutage an der Kernfrage ausgerichtet, wie es
gelingen kann, die dynamische Entwicklung in den
relevanten Umwelten organisationsintern angemes
-
sen bearbeitbar zu bekommen (zu diesem Grundge-
danken wegweisend Roberts 2004). Deswegen stüt-
zen sich all diese organisationsbezogenen Gestal-
tungslogiken auf Vorstellungen von Führung, die
die Aufmerksamkeit der Beschäftigten primär nicht
mehr nach ob en l enkt –, dies ist für den Alltag nicht
mehr die handlungsleitende Differenz – sonder n nach
außen . Was braucht der Kunde? Was braucht es für
ein erfolgreiches Zusammenspiel in
den verschiede-
nen organisationsübergreifenden
Netzwerken?
Führung passiert in diesem Sinne von a ußen na ch
innen. Die Entscheidungsträger auf den unterschied-
lichen Hierarchieebenen sorgen dabei für die erfor-
derlichen Rahmenbedingungen, damit dies in der
Organisation ohne eine allzu große Beschäftigung
nur mit sich selbst geschehen kann.
Dafür braucht es eine miteinander verhandelte Ar-
beitsteilung zwischen den Hierarchieebenen in
der
Wahrnehmung der Führungsverantwortung
so-
wie gemeinsam akzeptierte Spielregeln, die ein
konstruktives Zusammenspiel zwischen den in die
jeweiligen Entscheidungsprozesse involvierten
Funktionsträger steuern (Muster für die Bewälti-
gung der unvermeidlichen Zielkonflikte, geeignete
Kommunikationsplattformen für die Aushandlung
derselben, ohne in permanente Selbstblockaden
reinzulaufen etc.). Dafür ist es ausschlaggebend,
dass in Unternehmen in Sachen Führung eine ge
-
meinsame Sprache und ein geteiltes Rollenverständ-
nis wachsen kann Management- und Develop-
ment-Programme können dieses Wachstum gezielt
befördern. Ist dieses »capacity development« in der
organisationalen wie personalen Führungskompe-
tenz erfolgt, ist dies an zwei zentralen Merkmalen
beobachtbar, die für einen nachhaltigen Unterneh-
25
hru ng und Or ganisat io n Rev ue f ür posther oi sc he s Ma na ge me nt / Hef t 4
1 Vgl. hierzu das Heft 3der Revue für postheroisches Management
menserfolg ausschlaggebend sind: »coherence and
agility. Coherence means that common behaviours
are found throughout an organization that is di-
rected toward the achievement of shared goals. And
agility is the institutionalized ability to detect and
cope successfully with changes in the external envi-
ronment, especially when such changes are diffi-
cult to anticipate« (O’Toole 2001, S. 167).
Führung als Organisationsfähigkeit ist im Ergeb-
nis immer e ine Ma nnschaf tsleistu ng, die alltäglich im
Dienste einer erfolgreichen Zukunftssicherung des
Unternehmens erbracht wird. Für das Gelingen die-
ser Mannschaftsleistung braucht es den sorgfältigen
Aufbau tragfähiger, vertrauensgestützter Koopera-
tionsbeziehungen, in denen die zu bearbeitenden
Zielkonflikte und sachlichen Widersprüche verhan-
delt werden, ohne dass damit nachhaltige Beschä-
digungen der persönlichen Beziehungsqualität ein-
hergehen. Diese Sicht von Führung zwingt dazu,
sich
von der allseits beliebten Zuschreibung des Er-
fol
ges oder Misserfolges von Führungsleistungen
ausschließlich auf die besonderen Fähigkeiten
oder
Defizite einzelner Persönlichkeiten mit allem
Nachdruck zu verabschieden und Fragen der
Arbeits
fähigkeit von Managementteams sehr viel
mehr ins Zentrum der Überlegungen zu rücken
(dazu Wimmer, 2006).
• Dennoch braucht Führung Persönlichkeiten, die in
ihrem Potenzial und mit ihrem Erfahrungshinter-
grund zum Anforderungsprofil der einzelnen Füh-
rungspositionen passen. Führung, so verstanden, ist
e
ine
vorauss etzungsvol le Profe ssion
und braucht
Leute,
die sich im Zuge ihrer Laufbahn darauf
spezia-
lisiert haben und die entsprechenden Begabungs-
voraussetzungen mitbringen. So gesehen ist nicht
jeder in gleicher Weise für Führungsaufgaben ge-
eignet. In solchen Positionen sind stets besonders
komplexe, in sich höchst widersprüchliche Anfor-
derungen gebündelt, deren Bewältigung spezifische
Persönlichkeitsdispositionen zur Voraussetzung hat
und einen beruflichen Werdegang braucht, in des-
sen Verlauf in der Praxis die erforderlichen persön-
lichen, sozialen wie fachlichen Kompetenzen er-
worben werden konnten. Es handelt sich hier um
eine Profession, deren entscheidende Kompetenzen
vor allem berufsbegleitend angeeignet werden kön-
nen (ähnlich Mintzberg 2004 in scharfer Abgren-
zung zu den Qualifizierungsleistungen der amerika-
nischen Business-Schools). Damit soll verdeutlicht
werden, dass die Bedeutung des personalen Faktors
keineswegs zu unterschätzen ist. Die Qualität von
Führung als ausschlaggebende »organizational ca-
pability« hängt von einer ganz subtilen Koevolution
persönlicher Faktoren und organisationaler Bedin-
gungen ab. Wichtig ist vor allem der halbwegs
angstfreie Umgang mit Nichtwissen, die Bearbei-
tung von Ungewissheit, der Verzicht auf schnelle
logische Erklärungen basierend auf alten Vorge-
fasstheiten. »To drop the heavy tools of rationality
is to gain access to lightness in the form of intu-
itions, feelings, stories, experience, active listening,
shared humanity, awareness in the moment, capa-
bility for fascination, awe, novel words and empa-
thy« (Weick 2001, S. 99). Es springt unmittelbar ins
Auge, dass eingefleischte »Egomanen« für dieses
Aufgabenverständnis von Führung nicht die geeig-
neten Voraussetzungen mitbringen.
3. Einzelne Merkmale eines »postheroischen« Füh-
rungsverständnisses
• Im Sinne der Sicherung der Zukunftsfähigkeit einer
Organisation ist Führung als Funktion darauf spe-
zialisiert, die eigenen Beobachtungsmöglichkeiten
des organisationsinternen Geschehens wie der rele-
vanten Organisationsumwelten dazu zu nutzen,
um für den jeweiligen Verantwortungsbereich pas-
sende Entwicklungsimpulse zu setzen, d. h. gezielte
Soll-Ist-Differenzen aufzumachen und in der Orga-
nisation für ihre Bearbeitung zu sorgen. Führung
in diesem Sinne fußt auf einer fundamentalen
Arbeitsteilung in Organisationen, die als solche
26
hru ng und Or ganisat io n Revue für po st he ro is ches M an ag ement / He ft 4
Führung als Organisationsfähig-
keit ist im Ergebnis immer eine
Mannschaftsleistung, die alltäg-
lich im Dienste einer erfolgreichen
Zukunftssicherung des Unterneh-
mens erbracht wird.
..........
Lorenzo Geiger »mapping:ch Blatt 1.4«
28
hru ng und Or ganisat io n Re vue r po st he ro is ch es M an ag ement / He ft 4
keineswegs selbstverständlich ist und deren Not-
wen
digkeit zumeist erst ab einer gewissen Größe
spürbar wird. Was ist mit dieser Arbeitsteilung ge-
meint? Auf der einen Seite gibt es Funktionsträger,
die sich auf die in ihrem Stellenprofil gebündelten
Fachaufgaben konzentrieren, und auf der anderen
Seite gibt es Funktionsinhaber, die jeweils auf das
Ganze ihres Verantwortungsbereiches schauen und
deren primäre Aufgabe es ist, die Funktionstüchtig-
keit des organisierten Zusammenwirkens ihres Be-
reiches zu fördern und die dafür erforderlichen Ent-
scheidungen herbeizuführen. Führung realisiert
sich in der Ausdifferenzierung dieser Arbeitsteilung
und in ihrer praktischen Durchsetzung. Das Gelin-
gen dieser Ausdifferenzierung entlastet die Funk-
tionsinhaber im operativen Geschäft. Sie können
sich auf ihre inhaltlichen Fachaufgaben konzen-
trieren, weil sie das Sich-Kümmern um die Funk-
tionstüchtigkeit des jeweiligen Ganzen bei ihren
Führungskräften gut versorgt wissen. In diesem
Sinne stehen Führende und Geführte zueinander
in
einem höchst s törungsanfälligen Verhältnis wechse lseitiger
Abhängigkeit. Beide verfügen über wesentliche Para-
meter für das Erfolgreichwerden oder für das Schei-
tern der jeweils anderen Seite dieser Arbeitsteilung.
• Führung wahrnehmen impliziert damit immer ein
zielgerichtetes Gestalten sozialer Situationen,
geprägt
von hoh er Komplex ität und Unsic herheit. Man ist dabei
häufig mit Problemstellungen kon
frontiert, die von
einem hohen Anteil an Nichtwissen gekennzeich-
net sind, eingebettet in eine schwer durchschau-
bare soziale Dynamik und fast
immer geprägt von
ganz bestimmten zeitlichen Restriktionen. Die von
James March (1991) geprägte Unterscheidung von
»exploration and exploitation« zur Beschreibung
unterschiedlicher Modi des Füh
rens ist in diesem
Zusammenhang von großem
Nutzen. »Maintain-
ing appropriate balance between exploration and
exploitation is a primary factor in system survival
and prosperity« (ders. 1991, S. 71). Im alltäglichen
Führungsgeschehen ist immer wieder das feinfüh-
lige Diskriminierungsvermögen vonnöten, ob es
eher einen Prozess des Erkundens braucht oder ob
man sich aufgrund vergangener Erfahrungen ohne-
hin auf sicheres Wissen stützen kann. Man hat als
Führungskraft bei all seinen Eingriffs- und Ge-
staltungsbemühungen die Bedingungen für die
eigene Wirksamkeit nie vollständig in der Hand.
Man greift immer in eigendynamische Verhältnisse
ein, ohne deren Dynamik nur annähernd zu durch-
schauen und die Auswirkungen des eigenen Verha-
ltens prognostizieren zu können. Der Umgang mit
Unsicherheit, Intransparenz und den Gefühlen des
Kontrollverlustes stellt daher an die Aufrechterhal-
tung des Kompetenzempfindens wie an die Handlungs-
fähigkeit der Akteure außerordentlich hohe Anfor-
derungen.
• Die für Führung erforderlichen Rollenerwartungen
und Entscheidungsbefugnisse sind immer (d.h. auf
allen Führungsebenen) an h ervorg ehoben en Gren z-
stellen
gebündelt. Dies schafft prinzipiell eine Mehr-
fachzugehörigkeit
der Inhaber von Führungsrollen
und damit p rivilegie rte Beob achtungsc hancen, die es für
das Kerngeschäft von Führung, nämlich Soll-Ist-
Differenzen aufzumachen, glaubwürdig zu nut
zen
gilt. Glaubwürdigkeit entsteht, indem es gelingt,
die eigenen Veränderungsimpulse in einen sinnstif-
tenden Kontext zu stellen. Dieses An-der-Grenze-
a
ngesiedelt-Sein wird mit seinen besonderen Be-
obachtungs- und Kommunikationschancen für die
Wahrnehmung von Führungsaufgaben zu einer ent-
scheidenden Ressource. »Sensemaking is about how
to stay in touch with context« (Weick 2001, S. 94).
Grenzmanagement heißt aber auch, im Sinne der
Leistungsfähigkeit des Ganzen Kooperationsbezie-
hungen gezielt zu verbinden oder zu trennen, dies
sowohl innerhalb der Organisationen wie auch im
Verhältnis zu den relevanten Umwelten. Mithilfe
dieses Trennens und Verbindens steuern Führungs-
kräfte das Koordinationsgeschehen in der Organi-
sation und in die Umwelten hinein. Führungsrollen
sind deshalb in der Kommunikation der Organi-
sation mit ihren verschiedenen Umwelten stets
besonders
hervorgehob ene Ad ressen, über die in erster
Linie die Kommunikation mit den Systemen in der
Umwelt läuft. Diese hervorgehobenen Grenzstellen
haben jedoch noch eine weitere Implikation. Sie
schaffen unvermeidlich Mehrfachzugehörigkeiten.
Mit diesen Mehrfachzugehörigkeiten sind im Inne-
ren zumeist spezifische Loyalitätskonflikte verbun-
den, deren erfolgreiche Bearbeitung als Ressource
zur Verfügung steht, um unterschiedliche Perspek-
tiven und Interessenslagen in den Entscheidungs-
prozessen miteinander zu verknüpfen.
Sie schaffen
ganz wichtige emotionale Distanzierungschancen,
die dafür sorgen, in der eigenen
Realitätswahrneh-
mung nicht in einer einzigen Zugehörigkeitswelt
zu versinken.
Für die wirksame Bearbeitung der als notwendig
erkannten Entwicklungsimpulse ist Führung unaus-
weichl ich au f Komm unikation angewiesen. Ohne gelin-
gende Verständigung zwischen den jeweils involvier-
ten Funktionsträgern sind keine gezielten koordi-
nierten Arbeitsergebnisse in komplexen Netzwer-
ken in- und außerhalb einer Organisation erwartbar.
Das
Entwickeln und Nutzen komplexitätsadäquater
Kommunikationsstrukturen und der dafür passen-
den Medien ist deshalb die Basis wirksamer Füh-
rungsprozesse. Führungskräfte gestalten durch ih-
re persönlichen Kommunikationspräferenzen und
Gewohnheiten dieses organisierte Miteinander
in
Organisationen (ob eher sternförmig
und dyadisch,
ob eher vernetzt und teamförmig, ob mit einer Prä-
ferenz für das Mündliche oder für die neuen compu-
terbasierten Formen etc.). Sie können nicht »nicht-
kommunizieren« und in diesem Sinne auch nicht
»nichtführen« (vgl. dazu Wimmer 1992 im An-
schluss an Watzlawick). Mit der Etablierung
ganz
bestimmter Kommunikationsroutinen und
mit der
Schaffung entsprechender sozialer Räume wirkt
Führung unmittelbar darauf ein, wie Meinungs-
bildungs- und Abstimmungsprozesse ermöglicht
bzw. verhindert werden, und dies sowohl in den ver-
tikalen
wie in den horizontalen Beziehungen. Auf
diesem Wege gilt es, permanent realitäts
gerechte
Entscheidungen herbeizuführen und für An-
schlussentscheidungen in anderen Bereichen zu
sorgen, d.h. koordinierte Ergebnisse zu sichern. Mit
anderen Worten: Führung sorgt laufend dafür, be-
stehende Unsicherheiten über adäquate Entschei-
dungen in gemeinsame Handlungssicherheit zu
verwandeln. Darauf gilt es, das Kommunikations-
geschehen in Organisationen in aller Konsequenz
auszurichten und in den Führungsprozessen ent-
sprechend zu nutzen.
• Führung benötigt für ihr erfolgreiches Tun eine
organisationsintern akzeptie rte Asy mmetrie in den Be-
ziehungen, ein Oben und Unten zwischen den
Mitgliedern. Diese Asymmetrie wird in allen Füh-
rungskontakten in irgendeiner Form auf der Be-
ziehungsebene immer mitkommuniziert. Dieses
asymmetrische Beziehungsangebot kann dabei
angenommen, aber auch abgelehnt werden. Ohne
eine Absicherung einer akzeptierten Einfluss- und
Machtdifferenz fehlen ihr jedoch die Voraussetzun-
gen, um im Sinne ihrer Funktion organisational
wirksam zu werden. Diese Asymmetrie lässt sich
unter den heutigen Komplexitätsbedingungen von
Organisationen allerdings nicht mehr qua hierar-
chischer Setzung gleichsam a priori sicherstellen.
Führung schafft durch die Art ihrer Ausübung da-
für die erforderliche Akzeptanz und Glaubwürdig-
keit oder sie lässt diese erodieren. Die Hierarchie
sorgt nicht mehr für eine selbstverständliche,
nichtbefragbare Geltung der damit verbundenen
Machtdifferenz. Führung muss sich diese Differenz
von Tag zu Tag neu verdienen. Darum ist das »Wie«
der Wahrnehmung von Führungsfunktionen so
enorm erfolgskritisch. Denn Führung kann heut-
zutage auf keine vorgegebenen, gesellschaftlich ab-
gestützten Autoritätsressourcen mehr zurückgrei-
fen. Über viele Jahrzehnte hat die Vorstellung, Orga-
nisationen seien Hierarchien, die innere Ordnung
moderner Organisationen jedem Zweifel entzogen,
und damit das Entscheidungsgeschehen mit Auto-
rität, d.h. mit nicht zu hinterfragender Geltung,
versorgt (zur heutigen Funktion von Hierarchie
Baecker 1999, S. 198 ff.). Heute ist es eine E igenleist ung
von Führung, von Situation zu Situation ein gemein-
sames Wollen herbeizuführen und dafür bei aller
Bereitschaft zur Negation und zum Dissens die
29
hru ng und Or ganisat io n Revue r po st heroische s Mana gement / Heft 4
Heute ist es eine Eigenleistung
von Führung, von Situation
zu Situation ein gemeinsames
Wollen herbeizuführen und
dafür bei aller Bereitschaft zur
Negation und zum Dissens
die notwendigen Akzeptanz-
grundlagen zu schaffen.
...........
30
hru ng und Or ganisat io n Revue r po st he ro isches M an agement / Hef t 4
not
wendigen Akzeptanzgrundlagen zu schaffen. Je
komplexer die Organisationsverhältnisse werden,
umso mehr muss Führung einen wachsenden Kri-
tiküberschuss einkalkulieren. Alle etwas komplexe-
ren Entscheidungen stimulieren berechtigterweise
ihre Negationen, sie regen zur Dekonstruktion an,
zumal immer unterschiedliche Perspektiven und
Interessenslagen berührt werden und alle Betroffe-
nen unmöglich in ausreichendem Ausmaß am Zu-
standekommen von Entscheidungen beteiligt wer-
den können. Wie bewältigen Organisationen diese
zunehmende Selbstaufladung mit »Neins«? Man
kann durchaus mit einigem Recht den Proz ess d er
Umwa ndlun g d iese r » Neins « i n ein s ituat iv tra gfähi ges
»Ja« als eine der zentralen Kernleistungen von
Führung ansehen (dazu Baecker 2 003, S. 281 ff.).
Führung in diesem Sinne verlebendigt somit all
jene Prozesse, die ein laufendes »sense-making« in
Organisationen zum Ergebnis haben (dazu einge-
hender Weick 1995).
• Diese unvermeidliche Dekonstruktionsdynamik im-
pliziert ein Selbstverständnis von Führung, das sich
konsequent in den Dienst einer gemeinsamen Sa-
che stellt und immer wieder von Neuem um die
Akzeptanz und Legitimität der Wahrnehmung
die
ser Funktion ringt. Die Glaubwürdigkeit in der
Übernahme
dieser spezifischen Art von Verantwor-
tung wächst aus der gemeinsamen Überzeugung al-
ler Betroffenen, dass sich das Führungshandeln pri-
mär aus der Sorge um die Überlebens- und Zu-
kunftsfähigkeit des jeweiligen Verantwortungsbe-
reiches speist und nicht von anderen Interessen
und Motivlagen getrieben wird. Führu ng zielt auf die
erfolg reiche G estaltung des Miteinand ers in Organis ationen.
Herausforderungen und Schwierigkeiten im Zusam-
menspiel erfolgreich zu meistern, dafür als einzelne
Person wie auch als Mannschaft die erforderlichen
Fähigkeiten zu entwickeln, das versorgt soziale Ein-
heiten mit Energie. In diesem Sinne sind
Glaub-
würdig keit und Vert rauen in ein kompetentes Wahr-
nehmen der Belange des jeweiligen Ganzen die ent-
scheidenden Ressourcen, damit Führungskräfte
gemeinsam mit anderen in die »gebündelte Kraft«
ihres Verantwortungsbereiches kommen. Ein Ver-
wurzeltsein in einer gemeinsam geteilten Werte-
basis kann dafür in hohem Maße von Nutzen sein.
• Aus den genannten Gründen stehen Führungskräf-
te von allen Seiten ex trem unter Beobach tung. An ih-
rem Verhalten »entziffert« die Organisation perma-
nent ihren eigenen Zustand. Deswegen sind Füh-
rungskräfte für die Realitätswahrnehmung, für die
Qualität des sozialen Miteinanders und für das
zumeist konflikthafte Ringen um tragfähige Ent-
scheidungen in hohem Maße mitverantwortlich.
Weil sie so sehr im Zentrum der organisationalen
Aufmerksamkeit stehen, ist ihr tatsächliches Ver-
halten enorm kult urprägend (dazu immer noch
grund-
legend Schein 1995 und 1999). Vor diesem
Hinter-
grund können sie dieses gesteigerte Beobachtet-
werden gezielt als Hintergrund für ihre eigenen
Interventionen nutzen, wenn sie eine entsprechen-
de Sensibilität für die ständig mitlaufenden Pro-
zesse des Beobachtens von Beobachtungen ent-
wickeln und daraus
geei gnete Imp ulse für i hre Selbst -
reflexion und die Steuerung ihres Führungsverhal-
tens gewinnen. »Selbstführung« ist in diesem Sinne
eine wichtige Quelle der Einflussnahme, im eige-
nen Verantwortungsbereich. Die Grundlage dafür
schafft eine konsequente, reflexive Auswertung der
eigenen Selbstbeobachtung auf der Basis einer
Einheit von Handeln und Erleben. Ein unverstellter
Zugang zu den eigenen Gefühlen und Erlebniswel-
ten eröffnet Führungskräften stets wichtige Hin-
weise darauf, in welcher Situation sie sich gerade
befinden und was deshalb als Nächstes ansteht.
Mental bedeutet dies eine Umstellung von »die
Si-
tuation beherrschen wollen« auf »mit dem Situa-
tionspotenzial intelligent mitgehen«. Diese Haltung
impliziert, »im Umgang mit den Überraschungen
eines komplexen Phänomens die eigenen Erwar-
t
ungen zu korrigieren, die eigenen Erinnerungen
aufzufrischen und so eher zu lernen als zu be
har-
ren« (Baecker 2007, S. 109). Schon diese wenigen
Andeutungen zum Führungsverständnis zeigen,
wie anspruchsvoll und gleichzeitig erfolgskritisch
dieses Geschäft in den heutigen Organisationen
geworden ist. Je mehr Organisationen ihre Bin-
nenkomplexität steigern, umso mehr brauchen sie
»gu
te Führung«, d. h. funktionstüchtige Führungs-
strukturen und Persönlichkeiten auf den einzelnen
Positionen, die den Anforderungen derselben auch
gewachsen sind. Deswegen ist heute das Entwick-
eln solcher Strukturen und geeigneter Führungs-
persönlichkeiten explizit oder implizit immer ein
mitlaufendes Thema aller Prozesse der Organisa-
tionsveränderung. Ausreichend elaborierte Lernar-
chitekturen haben diese ko-evolutionäre Kapazitäts-
entwicklung
systematisch im Blick. Denkt man das
hier vorgestellte Führungs- und Organisationsver-
ständnis konsequent zu Ende, dann wird deutlich,
dass Führung als eine ihrer wesentlichen Aufgaben
sich selbst zum Gegenstand hat. Führung führt
Führung, was letztlich ja auch der Sinn von »good
governance« ist.
4. Was ist das »Kerngeschäft« von Führung?
Um eine Organisation laufend mit den »passenden« Soll-
Ist-Differenzen zu versorgen, haben wir sechs Aufgaben-
felder identifiziert, um die sich Führungskräfte küm-
mern müssen (natürlich je nach Führungsebene mit un-
terschiedlicher Gewichtung und zeitlicher Priorisierung;
dazu ausführlicher Wimmer 1995). Diese Aufgabenfelder
gruppieren sich um unvermeidliche Grundparadoxien,
deren Bearbeitung im Kontext der jeweiligen Organisa-
tion letztlich den Wertschöpfungsbeitrag von Führung
ausmacht.
4.1 Das Aufgabenfeld »Zukunft«
Hier geht es um die periodische Auseinandersetzung
mit der eigenen Zukunft, d. h. um Strategieentwicklung,
Sinnstiftung, Identitätsentwicklung in periodischen Ab-
ständen. Dieses Aufgabenfeld antwortet auf die Neigung
der Organisation, sich in der Profilierung der eigenen
Aktivitäten primär aus den Problemen der Vergangen-
heit zu versorgen (vergangenheitsgetriebene Entwick-
lung). Führung »stört« die Vergangenheitsorientierung
durch eine periodische Erneuerung des eigenen Exis-
tenzgrundes. Dies bedeutet, die Organisation konse-
quent von ihrer wünschenswerten Zukunft her führbar
zu machen und sie bis zu einem gewissen Grad aus ihrer
»Pfadabhängigkeit« zu befreien.
4.2 Das Aufgabenfeld »Ausrichtung auf die relevanten
Umwelten«
Hier steht die Auseinandersetzung mit den unterschied-
lichen Stakeholdern im Umfeld im Mittelpunkt, insbe-
sondere die Beschäftigung mit den Kunden und ihren
sich ändernden Bedürfnissen, d. h., es geht darum, die
organisationsinternen Verhältnisse so gestalten, dass die
Kommunikation nach außen, insbesondere der Leis-
tungsaustausch, die gewünschten Wirkungen erzielt
und dass die Wirkungen laufend beobachtet und eva-
luiert werden. Organisationen, sich selbst überlassen,
neigen eher zur Binnenorientierung und zur eigenen
Auslastung mit selbstbezüglichen Themen.
Führung »stört« diese Neigung durch die Wiedereinfüh-
rung des externen Blickwinkels auf relevante Umfeld-
entwicklungen und die damit verbundenen Herausforde-
rungen
des Marktes und anderer Umweltdimensionen.
4.3 Das Aufgabenfeld »Umgang mit knappen Ressour-
cen«
Im Blickfeld dieses Aufgabenfeldes steht die Ausein-
andersetzung mit dem Ressourceneinsatz, d. h. mit der
Wertschöpfungsorientierung in allen Prozessen der Or-
ganisation. Mit diesen Führungsaktivitäten kommt das
ökonomische Kalkül organisationsintern ins Spiel. Orga-
nisationen neigen dazu, einen ständigen Mehrbedarf der
für die anstehenden Aufgaben einzusetzenden Mittel zu
generieren; sie besitzen eine eingebaute Tendenz zur
»Verschwendung«; sie haben aus sich heraus keine eige-
ne gleichsam automatisch wirkende Wachstumsbremse
für ihren Ressourcenbedarf.
Führung »stört« durch ein gezieltes Ressourcenmana-
gement, d. h. durch eine ständige Beobachtung aller
Leistungsprozesse unter der Frage nach Aufwand und
Ertrag.
4.4 Das Aufgabenfeld »Welche Art von Organisation
braucht die Organisation?«
Führung sorgt für eine gezielte Auseinandersetzung mit
den bestehenden Organisationsverhältnissen, d. h. für
eine laufende Organisationsentwicklung zur Sicherung
der eigenen Antwortfähigkeit gemessen an den Heraus-
forderungen des Umfeldes. Organisationen neigen dazu,
an ihren einmal eingespielten Prozessen, Strukturen,
Routinen und Regeln festzuhalten (Sichert die gegebe-
nen Rollenverteilungen, Einflusssphären und Karriere-
chancen der Mitglieder einer Organisation).
Führung »stört« durch ein periodisches Auf-den-Prüf-
standstellen der aktuellen Verfasstheit der Organisation;
31
hru ng und Or ganisat io n Revue r po st heroische s Mana gement / Heft 4
32
hru ng und Or ganisat io n Re vue r po st he ro is ch es M an ag ement / He ft 4
sie sorgt sich laufend um geeigneten Organisations-
formen für eine bedarfsgerechte Leistungserbringung.
Ziel dieser Einwirkungsrichtung von Führung ist eine
Steigerung der Lernfähigkeit der Organisation durch
wirksame und behutsam gesteuerte Organisationsent-
wicklungsmaßnahmen.
4.5 Das Aufgabenfeld »Kopplung von Person und Orga-
nisation«
Bei diesem Aufgabenfeld geht es um eine Auseinander-
setzung mit der aktuellen Personalsituation, d. h., es gilt
Sorge dafür zutragen, dass die richtigen Leute an Bord
sind, dass sie ihr Leistungspotenzial entfalten und dass
sie sich mit den veränderten Anforderungen der Organi-
sation mitentwickeln können. Organisationen tendieren
entweder dazu, so zu tun, als hätten sie unbegrenzten
Zugriff auf das Leistungspotenzial ihrer Mitglieder, oder
sie überlassen den Einsatz des eigenen Engagements, die
persönliche Weiterentwicklung etc. gänzlich ihren Mit-
gliedern.
Führung »stört« diese Tendenz durch eine sorgfältige
Achtsamkeit auf die Passung von organisationsbeding-
ten Anforderungen und persönlichen Leistungspotenzia-
len, durch ein Personalmanagement auf allen Ebenen
4.6 Aufgabenfeld »Schaffung von Möglichkeiten der
Selbstbeobachtun
In diesem Aufgabenfeld geht es ganz zentral um eine
Auseinandersetzung mit der eigenen Steuerungsfähig-
keit, d. h., Führung sorgt dafür, dass man über den eige-
nen Zustand zeitgenau Bescheid weiß (Verfügen über
brauchbare Kennziffern, Diagnosetools etc.). Organisa-
tionen neigen dazu, in sich selbst eine enorme Vielfalt
von auf sich selbst bezogene Wirklichkeitskonstruk-
tionen zu entwickeln, die die Rechtfertigungsbasis für
ausgesprochen widersprüchliche Handlungsimpulse
abgeben.
Führung »stört« diese Neigung durch die Schaffung von
allgemein akzeptierten Beobachtungspunkten (hinter-
legt durch Kennziffern), um Abweichungen von der ge-
planten Entwicklung frühzeitig feststellen zu können.
Daraus resultieren der Realität angemessene Korrektur-
maßnahmen, die auf Abweichungen mit Abweichungen
reagieren. In diesem Sinne kümmert sich Führung um
die Installation und ständige Weiterentwicklung eines
funktionstüchtigen kybernetischen Regelkreises mit
dem Ziel, die eigene Steuerungsfähigkeit aufrechtzu-
erhalten.
Wenn Führungskräfte aufeinander abgestimmt diese
sechs Gestaltungsdimensionen in ihrem Aufmerksam-
keitsfokus haben, dann statten sie ihr Unternehmen/
ihre Organisation mit jener Entwicklungsfähigkeit aus,
die es in den jeweiligen Umwelten braucht, um sich
erfolgreich und vor allem nachhaltig behaupten zu
können.
Baecker, D.: Organisation als System, Frankfurt a. M. 1999 (Suhr-
kamp Verlag)
Baecker, D.: Organisation und Management, Frankfurt a. M. 2003
(Suhrkamp Verlag)
Baecker, D.: Wer rechnet schon mit Führung?; in: Organisations-
entwicklung, Heft 2/2005, S. 62 -69
33
hru ng und Or ganisat io n Revue r po st heroische s Mana gement / Heft 4
Baecker, D.: Studien zur nächsten Gesellschaft, Frankfurt a. M. 2007
(Suhrkamp Verlag)
Binney, G. / Wilke, G. / Williams, C.: Living Leadership, Harlow 2005
Crozier, M. / Friedberg, E.: Macht und Organisation. Die Zwänge
kollektiven Handelns, Königstein 1979 (Athenäum Verlag)
Crozier, M.: Entsteht eine neue Managementlogik?; in: Journal für
Sozialforschung, Jg. 32, 1992, S. 131-140
Drucker, P.: Managing in the Next Society, New York 2002 (Truman
Talley Books)
Drucker, P.: Das Geheimnis effizienter Führung; in: Harvard
Businessmanager, August 2004, S. 27-35
Drucker, P. F.: Management im 21. Jahrhundert, 5. Auflage,
Berlin 2005 (Econ-Verlag)
Eisenhardt, K. M. / Kahwajy, J. L. / Bourgeois, L. J.: How
Management Teams Can Have a Good Fight; in: Harvard Business
Review, July-August 1997, S. 77- 85
Foerster, H. von: Principles of Self-Organization – In a Socio-
Managerial Context; in: ders.: Wissen und Gewissen. Versuch einer
Brücke, Frankfurt a. M. 1993, S. 233- 268 (Suhrkamp Verlag)
Franck, G.: Ökonomie der Aufmerksamkeit, München/ Wien 2007
(Carl Hanser Verlag)
Gosling, J. / Mintzberg, H.: Die fünf Welten eines Managers;
in: Harvard Businessmanager, April 2004, S. 46-59
Griffin, D.: The Emergence of Leadership. Linking self-organization
and ethics, London and New York 2002 (Verlag Routledge)
Jensen, M. C.: A Theory of the Firm. Governance, Residual Claims,
and Organizational Forms, 2nd edition, Cambridge MA 2003
(Harvard University Press)
Jensen, M. C. / Meckling, W. H.: Theory of the Firm: Managerial
Behaviour, Agency costs, and Ownership Structure; in: Journal
of Financial Economics, vol. 3, Heft 4/1976, S. 305-360
Kieser, A. / Ebers, M. (Hrsg.): Organisationstheorien, 6. Auflage,
Stuttgart 2006 (Verlag W. Kohlhammer)
Kouzes, J. / Posner, B.: The Leadership Challenge, 3rd ed., San Fran-
cisco 2002
(Jossey-Bass)
Krusche, B.: Paradoxien der Führung. Aufgaben und Funktionen
eines zukunftsfähigen Managements, Heidelberg 200 8 (Carl Auer
Verlag)
Luhmann, N.: Die Gesellschaft der Gesellschaft, Frankfurt/ Main
1997 (Suhrkamp Verlag)
Luhmann, N.: Organisation und Entscheidung, Wiesbaden 200 0
(Westdt. Verlag)
Maister, D. H.: Managing the Professional Service Firm, Boston 1993
(The Free Press)
Maitlis, S.: The social process of organizational sense-making;
in: Academy of Management Journal, Jg. 48, Heft 1 /20 05, S. 21-49
Malik, F.: Führen Leisten Leben. Wirksames Management für eine
neue Zeit, Stuttgart/ München 200 0
March, G. J.: Exploration and Exploitation in Organisational Learn-
ing; in: Organization Science, Jg. 2, Heft 1/ 199 1, S. 71- 87
Martens, W.: Organisation und gesellschaftliche Teilsysteme; in:
Ortmann, G. /Sydow, J. / Türk, K. (Hrsg.): Theorien der Organisation.
Die Rückkehr der Gesellschaft, 2. Auflage, Wiesbaden 2000 (West-
deutscher Verlag), S. 263- 311
Mintzberg, H.: Managers Not MBA’s. A Hard Look at the Soft Prac-
tice of Managing and Management Development, San Francisco 200 4
(Berrett-Koeh ler Publishers)
Morgan, G.: Bilder der Organisation, Stuttgart 1997 (Verlag Klett-
Cotta)
Neuberger, O.: Mikropolitik und Moral in Organisationen. Heraus-
forderungen der Ordnung, 2. neubearbeitete Auflage, Stuttgart 2006
(Lucius & Lucius)
Neuberger, O.: Führen und führen lassen. Ansätze, Ergebnisse
und Kritik der Führungsforschung, 6. überarbeitete Auflage,
Stutt-
gart 2002 (Lucius & Lucius)
Ortmann, G.: Macht, Spiel, Konsens; in: Küppers, W. /Ortmann,
G. (Hrsg.): Mikropolitik: Rationalität, Macht und Spiel in Organisa-
tionen, Opladen 1988, S. 13- 26 (Westdeutscher Verlag)
O’ Toole, J.: When Leadership is an Organizational Trait; in:
Bennis, W. / Spreitzer, G. M. / Cummings, Th. G. (ed.): The Future
of Leadership, San Francisco 2001, S. 158 - 174 (Jossey-Bass)
Rappaport, A.: Shareholder Value. Ein Handbuch für Manager
und Investoren, 2. Auflage, Stuttgart 1999 (Schäfer-Poeschel)
Roberts, J.: The Modern Firm. Organizational Design for Perfor-
mance and Growth, Oxford 2004 (Oxford University Press)
Sadler, P.: Leadership, 2. Auflage, London 200 3 (Kogan Page
limi ted)
Schein, E. H.: Unternehmenskultur. Ein Handbuch für Führungs-
kräfte, Frankfurt a. M. 1995 (Campus Verlag)
Schein, E. H.: The Corporate Culture Survival Guide, San Francis-
co 1999 (Jossey-Bass)
Schreyögg, G. / Kliesch-Eberl, M.: Das Kompetenzparadoxon:
Wie dynamisch können organisationale Kompetenzen sein?;
in: Revue für postheroisches Management, Heft 3/2008, S. 6-1 9
Seliger, R.: Das Dschungelbuch der Führung. Ein Navigations-
system für Führungskräfte, Heidelberg 2008 (Carl Auer Verlag)
Simon, F. B.: Einführung in die systemische Organisationstheorie.
Heidelberg 2008 (Carl Auer Verlag)
Steyrer, J.: Charisma and the Archetypes of Leadership; in: Orga-
nization Studies 19, 1998, S. 807 -828
Stichweh, R.: Professionen in einer funktional differenzierten
Gesellschaft; in: Saake, J. / Vogd, W. (Hrsg.): Moderne Mythen der
Medizin. Studien zur organisierten Krankenbehandlung, Wies-
baden 2008, S. 329 - 344 (Verlag für Sozialwissenschaften)
Tichy, N. M. / Bennis, W. G.: Wie man kluge Entscheidungen
trifft; in: Harvard Businessmanager, November 2007, S. 51- 64
Türk, K.: Von »Personalführung zu Politischer Arena«? Über-
legungen angesichts neuer Entwicklungen in der Organisations-
forschung; in: Wiendieck, G. / Wiswede, G. (Hrsg.): Führung im
Wandel. Neue Perspektiven für Führungsforschung
und Führungspraxis, Stuttgart 1990, S. 53 - 87 (Enke Verlag)
Vaupel, M.: Leadership Asset Approach. Von den Herausforderun-
gen der Führung zur Steuerung der Führungsperformance, Wies-
baden 2008 (Gabler Verlag)
Weick, K. E.: Leadership as the Legitimation of Doubt; in: Bennis,
W. / Spreitzer, G. M. / Cummings, Th. G. (ed.): The Future of Leader-
ship, San Francisco 2001 , S. 91- 102 (Jossey-Bass)
Weick, K. E.: Sense-making in Organizations, Thousand Oaks 1995
(Sage Publications)
Wimmer, R.: Die Steuerung komplexer Organisationen. Ein Refor-
mulierungsversuch der Führungsproblematik aus systemischer
Sicht; in: Sandner, K. (Hrsg.): Politische Prozesse in Unternehmen,
2. Auflage, Berlin /Heidelberg 1992, S. 1 31-15 6 (Physica Verlag)
Wimmer, R.: Die Funktion des General Managements unter stark
veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen; in: Schmitz,
Ch. / Gester, P. / Heitger, B. (Hrsg.): Managerie. Jahrbuch für systemi-
sches Denken und Handeln im Management, Heidelberg 1995,
S. 74- 117 (Carl Auer Verlag)
Wimmer, R.: Aufstieg und Fall des Shareholder Value-Konzeptes;
in: Organisationsentwicklung Heft 4/2002, S. 70 -83
Wimmer, R.: Der Stellenwert des Teams in der aktuellen Dynamik
von Organisationen; in: Edding. C., Krans, W. (Hrsg.): Ist der Gruppe
noch zu helfen? Gruppendynamik und Individualisierung, Opladen
2006, S. 169 -191 (Verlag Barbara Budrich)
Wimmer, R.: Die bewusste Gestaltung der eigenen Lernfähigkeit
als Unternehmen; in: Tomaschek, N. (Hrsg.): Die bewusste
Organisation. Steigerung der Leistungsfähigkeit, Lebendigkeit und
Innovationskraft von Unternehmen, Heidelberg 2007, S. 39 -62
Wimmer, R.: Organisationsberatung als Intervention, Universität
Klagenfurt 2009 (im Erscheinen)
Chapter
In diesem einleitenden Kapitel wird das zentrale Anliegen unseres Herausgeberwerkes vorgestellt: die besondere Führungs- und Managementleistung der verantwortlichen Dienststellenleitung, die für die Gewährleistung einer dauerhaften, proaktiv-bürgerorientierten Polizeiarbeit notwendig ist. Ausgegangen wird von den grundsätzlichen Veränderungen im Politikfeld der Inneren Sicherheit, die unter der Überschrift „Neue Sicherheit“ skizziert werden. Die Neue Sicherheit erweist sich als Ausgangs- und Bezugspunkt für polizeiliche Konzepte seit den 1990er-Jahren, die innerhalb der Polizeiorganisation gleichsam in Konkurrenz zu den klassischen, d. h. eher staatsorientierten, reaktiv-repressiven Policing-Strategien treten. Diese Konzepte einer bürgerorientierten, proaktiv-präventiven Polizeiarbeit finden ihren operativen Ausdruck in einer konsequenten Sozialraumorientierung – der polizeipraktischen Ausgestaltung des „Community Policing“ oder der gemeinwesenorientierten Polizeiarbeit. Als Bedingung der Möglichkeit und Verankerung eines solchen Community Policing erweist sich schließlich eine Dienststellenentwicklung, die als Schwerpunkt des Führungs- und Managementhandelns des höheren Dienstes beschrieben wird.
Article
Full-text available
Zusammenfassung Dieser Beitrag der Zeitschrift „Gruppe. Interaktion. Organisation. (GIO)“ geht davon aus, dass die etablierte Führungsforschung die spezifische Führungspraxis in familiengeführten Unternehmen bislang weitestgehend ignoriert. Das ist erstaunlich, sind doch weltweit, je nach Region unterschiedlich, 70–90 % der Unternehmen diesem Typus zuzurechnen. Auf der anderen Seite hat zur Zeit die stark expandierende Forschung zu den Besonderheiten von Familienunternehmen das Thema Führung auch nur sehr indirekt am Schirm nämlich als Einflussnahme der Eignerfamilie auf die Unternehmensentwicklung. Die in dieser Forschung dominierenden Theoriezugänge werden in der vorliegenden Arbeit mit Blick auf ihre Erklärungskraft bzw. auf ihre paradigmatischen Begrenzungen rekonstruiert und dem Differenzierungsvermögen eines systemtheoretischen Verständnisses von Führung und Organisation gegenübergestellt. Ziel dieser Gegenüberstellung ist es, den theoretischen Blick auf die Besonderheiten des Führungsgeschehens in Familienunternehmen zu schärfen.
Chapter
Führungskräftekommunikation umfasst die Kommunikation der Unternehmensleitung mit den Führungskräften sowie die durch Medien unterstützte Kommunikation der Führungskräfte untereinander. Da Veränderungsdynamik und Komplexität für Unternehmen stetig zunehmen, werden die Motivation und Information der Führungskräfte immer wichtiger: Nur wer die oftmals vorhandene Skepsis der „Leitwölfe“ im mittleren Management überwindet, ermöglicht langfristig unternehmerischen Erfolg. Die wissenschaftlich bisher wenig thematisierte Führungskräftekommunikation leistet einen wesentlichen Beitrag, damit Führung in einer Organisation gelingen kann. Sie hat das Ziel, Entscheidungsprozesse in Unternehmen zu begleiten und Vertrauen in die Unternehmensführung zu schaffen – sie will Führungskräfte überzeugen und informieren, aktivieren, befähigen und vernetzen.
Chapter
Im vorhergehenden Kapitel wurden die „Sechs Baustellen“ als Heuristik im Rahmen der Analyse „Kritischer Situationen“ kursorisch vorgestellt. Sie sollen im nun folgenden Kapitel ausbuchstabiert werden, um als Orientierung und ggfs. Inspiration für vertiefte Bearbeitung „Kritischer Situationen“ genutzt werden zu können. Zuvor allerding soll der Begriff der „Dienststellenentwicklung“ als konzeptionelle Klammer für die „Sechs Baustellen“ erläutert werden. Dazu werden die bisher eher punktuell unterbreiteten managementtheoretischen Aussagen aufgegriffen und zu einem handlungsorientierenden Konzept verdichtet.
Book
With newly commissioned contributions from an international set of scholars at the forefront of nonprofit management research, this volume provides a thorough overview of the most current management thinking in this field. It contextualizes nonprofit management globally, provides an extensive introduction to key management functions, core revenue sources and the emerging social enterprise space, and raises a number of emerging topics and issues that will shape nonprofit management in future decades. As graduate programs continue to evolve to serve the training needs in the field, The Routledge Companion to Nonprofit Management is an essential reference and resource for graduate students, researchers, and practitioners interested in a deeper understanding of the operation of the nonprofit sector.
Chapter
Die aktuelle Praxis der politischen Steuerung unserer Gesellschaft gibt Anlass, Funktionssysteme wie Bildung auf ihre Governance (Steuerungs- oder Lenkungsform) zu prüfen. Folgt man der öffentlichen Diskussion, könnte das Bildungssystem als marod und irgendwie permanent reorganisationsbedürftig beschrieben werden. In geradezu atemberaubender Geschwindigkeit werden Änderungen gefordert: von den Leiter*innen, von den Lehrer*innen und von den Schüler*innen.
Chapter
Verwaltungshochschulen sollen – verstärkt seit der Programmatik des Bolognaprozesses – für die Verwaltung ausbilden. Die Zielperspektive lautet dabei „Employebility“. In diesem Sinne wird für das Themenfeld „Führen – Managen – Leiten“ ein soziologisch informiertes Führungsverständnis vorgeschlagen, das systematisch aus der organisationalen Komplexität bzw. Multirationalität der Verwaltungen abgeleitet wird. Für eine ertragreiche Vermittlung dieses Führungsverständnisses werden dann die curricular-inhaltlichen Schwerpunkte sowie die notwendigen methodisch-didaktischen Lernarrangements diskutiert. Dabei wird zugleich wird deutlich gemacht, dass eine um „Employebility“-bemühte Ausbildung von einem hieran ansetzenden Weiterbildungsangebot vervollständigt werden sollte. Dass es für eine solche Programmatik an den Hochschulen selbst eines Organisationsentwicklungs-Prozesses bedarf, ähnlich wie er gerne der arbeitenden Verwaltung anempfohlen wird, versteht sich.
Article
Full-text available
Zusammenfassung Dieser Beitrag in der Zeitschrift Gruppe. Interaktion. Organisation analysiert Leadership in Organisationen der spanischen Protestbewegung. Es werden Idealvorstellungen der AktivistInnen von Führung, deren Umsetzung in der Praxis, damit einhergehende Probleme und der Umgang mit diesen Problemen dargestellt. Theoretische Grundlage sind Critical Leadership Studies, die Führung nicht als das Handeln einzelner Personen, sondern als Prozess des gesamten beteiligten Systems interpretieren und damit klar zwischen Leadership und Führungspersonen unterscheiden. Ferner werden Konsequenzen für die Führungspraxis auch in konventionellen Organisationen diskutiert.
Book
Mikropolitik und Moral in Organisationen : Herausforderung d. Ordnung. - 2., völlig neu bearb. Aufl. - Stuttgart : Lucius & Lucius, 2006. - XVI, 617 S. - (UTB ; 2743 : Wirtschaftswissenschaften). - [1. Aufl u.d.T.: Neuberger, Oswald: Mikropolitik]
Book
Ob Arbeitsagentur, Sportverein oder Handyanbieter – Organisationen bestimmen unser tägliches Leben. Gemessen an den unzähligen Kontakten als Mitglieder oder Kunden wissen wir jedoch wenig über ihre innere Logik und Verhaltensweisen. Selbst denjenigen, die eine Organisation führen, geht es oft nicht anders. Wer hier seine Erfahrungen mit anderen sozialen Systemen, etwa der Familie, auf den Umgang mit Organisationen überträgt, wird nicht weit kommen. Hier bedarf es einer theoretischen Vorstellung, wie sie diese Einführung liefert.
Chapter
Organisations- und Gesellschaftstheorie widmen sich, auch in der Systemtheorie, weitgehend eigenen, speziellen Bereichen und Problemen. Daran hat man sich gewöhnt. Diese Lage kontrastiert jedoch scharf mit der ebenfalls gewohnten Einsicht, daß wesentliche Entwicklungen und Probleme moderner Gesellschaft — wie die Konstitution und Reproduktion von Staat, Wirtschaft, Erziehung und Wissenschaft, wie Ghettobildung, Umweltzerstörung, Arbeitslosigkeit und Überbelastung der Familien — mit Organisation verbunden sind.1 In diesem Aufsatz versuche ich, auf der Grundlage der Systemtheorie diesen Kontrast zu mildern.
Chapter
Die Frage nach den Steuerungsmöglichkeiten sozialer Systeme ist so alt wie das systematische Nachdenken über gesellschaftliche Zusammenhänge insgesamt. Die verschiedenen, im Lauf der Geschichte beobachtbaren Vorstellungen, wie gesellschaftliche Prozesse gezielt von Menschen beeinflußt werden können, stehen in engem Zusammenhang mit dem jeweiligen Stand der gesellschaftlichen Entwicklung, mit den politischen und ökonomischen Verhältnissen, mit den herrschenden Weltbildern und Deutungsmustern, die dem Handeln der Menschen einer bestimmten Epoche Orientierung und Sinn verliehen. Sie sind und waren in hohem Maße von der kollektiven Definition, d.h. von der herrschenden Sicht jener historischen Probleme abhängig, zu deren Bewältigung diese Vorstellungen jeweils einen Beitrag leisten wollten. Die für eine bestimmte Zeit charakteristischen Steuerungsvorstellungen können deshalb als Antwortstrategien, als Problemlösungsversuche einer Gesellschaft angesehen werden, wobei diese Antworten, und die ihnen korrespondierenden institutioneilen Vorkehrungen die Art und Weise widerspiegeln, wie gesellschaftliche Probleme in dieser Zeit allgemein wahrgenommen und gedeutet wurden. Der strukturelle Entwicklungsstand eines Gesellschaftssystems, die dominierenden Sichtweisen der anstehenden Probleme sowie die handlungsrelevanten Steuerungsvorstellungen sind verschiedene Momente eines gesellschaftlichen Prozesses, die sich wechselseitig beeinflussen, bestätigen und verändern.