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Gerhard GÖTZ, Christian DÜSI, Tim LUTZ
Vom großen Fisch im kleinen Teich zum kleinen Fisch im gro-
ßen Teich - Zur Entwicklung von Selbstwirksamkeit und des EVC-Modells in
der Studieneingangsphase in WiMINT-Studiengängen
Mathematische Brücken-/Vorkurse prägen die Studieneingangsphase an vie-
len Hochschulen in ganz Deutschland (Bauch et al., 2014). Mathematische
Fähigkeiten, wie Sie in diesem Zusammenhang häufig evaluiert werden, sind
nicht die einzigen Aspekte, die in der Studieneingangsphase von Bedeutung
sind. Daher wurden während des Mathematikvorkurses an der DHBW-Mos-
bach zu zwei Messzeitpunkten Skalen zu Aspekten der Selbstwirksamkeit
und zur Erwartung und Beurteilung bestimmter Handlungen und Entschei-
dungen genutzt, um diese Aspekte quer- und längsschnittlich betrachten zu
können.
Selbstwirksamkeitserwartung und Expectantcy, Value, Cost (EVC)
Die 2015 vorgestellte, ökonomische EVC-Skala (Barron & Hulleman, 2015)
erweitert die vielseitig genutzten EV-Skalen (Wigfield, 1994; Vansteenkiste,
Lens, Witte, & Feather, 2005; Gao, Lee, & Harrison, 2008) um die schon
von Bandura zumindest implizit vorgeschlagene Subskala der zu erwarteten
Kosten (vgl. Bandura, 1995, S.5ff). Durch diese Erweiterung besteht die
Möglichkeit, die Erwartungen und den Wert, den eine Person einer bestimm-
ten Handlung oder Entscheidung beimisst und die individuellen Abwägungs-
prozesse gegen die zu erwartenden Kosten messbar zu machen. Dennoch
stellt Bandura fest, dass die "predictiveness of expectancy-value theory is
substantially enhanced by including the influence of perceived self-efficacy"
(ebd.). Beide Konzepte scheinen eng miteinander verwunden und eignen
sich, möglicherweise insbesondere in Kombination, sehr gut um motivatio-
nale und affektive Einflüsse auf Entscheidungen näher bestimmen zu kön-
nen.
Speziell die Domänenspezifität der genutzten EVC-Skalen (Kosovich, Hul-
leman, Barron, & Getty, 2015) war ein zusätzlicher Grund zur Nutzung bei-
der Konzepte. Somit ist es möglich, domänenübergreifend die Selbstwirk-
samkeitserwartung und domänenspezifisch das ECV-Konstrukt zu messen.
Operationalisierung der Skalen
Die genutzte Skala zur Selbstwirksamkeitserwartung (Jerusalem & Schwar-
zer, 1999) ist eine allgemeine und langjährig evaluierte und genutzte Skala,
die in unveränderter Form genutzt wurde. Die Skala besteht aus zehn Fragen,
die mit einer vierstufigen Lickert-Skala versehen sind. Die genutzte Skala
zu EVC wurde für diese Studie in mehreren Aspekten verändern. Die Skala
musste in einem ersten Schritt ins Deutsche übersetzt werden. Da diese Über-
setzung auf Grund von Sprach- und Kulturspezifika einige Schwierigkeiten
aufwies, muss hier mit möglichen Verzerrungseffekten gerechnet werden.
Zusätzlich wurde die im Original sechsstufige Lickert-Skala zu einer vier-
stufigen Skala abgeändert, um der gleichen Skalierung wie die Selbstwirk-
samkeitserwartung zu unterliegen. Dies hat zur Folge, dass Vergleiche zu
anderen Studien, wenn überhaupt, nur mit Vorsicht und Umrechnung der
Werte zu betrachten sind. Der dritte Aspekt, der bei der EVC-Skala zu be-
achten ist, betrifft die Tatsache, dass diese ökonomische Skala zur Validie-
rung bei "middle school students" eingesetzt wurde. Somit erfolgte in dieser
Studie zusätzlich eine Validierung der Skala im Hinblick auf die Alters-
gruppe der Studienanfänger. Beide Konzepte wurden zu beiden Messzeit-
punkten digital in einem Onlinefragebogen erfasst.
Stichprobenbeschreibung & Modellierung
Die Studie wurde zu zwei Messzeitpunkten innerhalb eines Blended-learn-
ing-Vorkurssystems an der DHBW in Mosbach durchgeführt. Der erste MZP
(N=608) fand im Mai/Juni 2017, bevor die Studierenden an einem Vorkurs
teilnehmen, statt. Der zweite MZP (N=366) fand im Oktober/November des-
selben Jahres statt, nachdem die Vorkurse stattgefunden hatten. Daten ohne
fehlende Werte zu beiden MZP´en konnten von 199 Studierenden erfasst
werden.
Im Anschluss an die Datener-
hebung wurde eine CFA zu je-
dem MZP durchgeführt. Die
Werte der Modellierungen wa-
ren durchwegs gut, sodass das
Modell zu beiden MZP´en als
ausgesprochen akzeptabel an-
genommen werden konnte. Die
Cronbachs Alpha Werte ent-
sprechen den Erwartungen (SWK: 0.872; Expectancy: 0.915; Value: 0.889;
Cost: 0.752).
Zur weiteren Explikation möglicher anderer Modelle wurden verschiedene
Zweifaktorenmodelle gerechnet. Die besten Modellkennwerte erreichte hier
das Alternativmodell, welches die EVC-Skala eindimensional modelliert.
Allerdings sind die Werte der Modelle, welche vier latente Faktoren anneh-
men, eindeutig besser. Das theoretisch angenommene Modell wurde somit
hinreichend (re-)validiert.
Modell-
kenn-
werte
1.MZP
(ET)
2.MZP
(KT)
Alterna-
tivmodell
RMSEA
0.044
0.051
0.091
𝜒"/𝒅𝒇
2.193
1.962
6.01
CFI
0.980
0.995
0.914
GFI
0.985
0.993
0.957
Zur Bestimmung möglicher Mediatoren wurden Regressionen mit diversen
Kontrollvariablen durchgeführt. Für keine der folgenden Kontrollvariablen
konnten signifikante Einflüsse gefunden werden: Mathematikleistung, Ge-
schlecht, Bildungshintergrund, Migrationshintergrund, Fachinteresse,
Schulnoten in Mathematik. Auf Grund hoher Korrelationen zwischen den
vier latenten Variablen wurde eine weitere latente Variable (hier G_E) ge-
nannt eingeführt. Diese gemeinsame, latente Variable der vier Konstrukte
könnte, auf Grund der hohen Ladungen, als grundlegende Motivation zu Ma-
thematikkursen gesehen werden.
Ergebnisse
Die Skalenwerte zu den jeweiligen MZP´en wurden mit den entsprechenden
(Eich-)Stichproben vergleichen. Mittels T-Test auf die entsprechenden Eich-
werte konnte zum ersten MZP keine signifikante Abweichung in der Selbst-
wirksamkeitsskala und in der „Cost“-Subskala festgestellt werden. Sowohl
die „Expectancy“, als auch die „Value“ Subskala wurden durchschnittlich
leicht höher bewertet, als in der Stichprobe von Kosovich et al. Dies könnte
sowohl mit der unterschiedlichen Alterskohorte, als auch mit der Spezifität
der Studienrichtungen, die meisten Studienrichtungen haben einen Mathe-
matikfokus, zusammenhängen.
Um die Veränderungen vom ersten zum zweiten MZP zu bestimmen konnte
auf manifeste Mittelwerte zurückgegriffen werden (Kosovich, Hulleman,
Barron, & Getty, 2015; Hinz, Schumacher, Albani, Schmid, & Brähler,
2006). Es wurden Effektstärken
mit Cohens-D berechnet. Diese
zeigen, dass alle (Sub-)Skalen
sich normativ negativ entwi-
ckeln. Es also eine Erhöhung in
den wahrgenommenen Kosten
für erfolgreiche Teilnahme an
Mathematikveranstaltungen gibt und eine negative Entwicklung in der
Selbstwirksamkeit und in der Erwartung und dem Wert an Mathematikver-
anstaltungen.
Abgeleitete Hypothesen, Grenzen der Studie und Ausblick
Im Laufe der Mathematikvorkurse verändert sich eindeutig die Einschätzung
der Studienanfänger bzgl. ihrer Fähigkeiten, dem zu betreibenden Aufwand
für und dem Nutzen von Mathematikkursen. Dass derartige Effekte bestehen
ist seit geraumer Zeit bekannt und könnte als Veränderung des big-fish-little-
pond-effekts (Marsh, H.W.& Parker,J., 1985) zum small-fish-big-pond-ef-
fekts beschrieben werden. Hierfür gibt es einige Hinweise, denn einerseits
(Sub-)Skala
Cohens-D
Selbstwirksamkeit
-0,52
Expectancy
-0,44
Value
-0,56
Cost
0,61
haben die untersuchten Studiengänge einen stärkeren Mathematikfokus, als
der Schulunterricht in seiner Gesamtheit; der zu betreibende Aufwand in Ma-
thematik dürfte größer sein als im schulischen Kontext. Andererseits lassen
sich keine Leistungsspezifischen Untergruppen ausmachen, bei denen eine
signifikant andere Entwicklung der Konstrukte zu verzeichnen wäre.
Das bisherige Untersuchungsdesign ermöglicht es nur generelle Effekte der
Studieneingangsphase aufzulösen. Um hierbei genauere Erkenntnisse zu er-
langen wird im Jahr 2018 ein dritter MZP eingeführt, durch den eine Erfas-
sung unterschiedlicher Phasen des Blended-learning-Vorkurses, Präsenz-
/Onlinephasen, und deren Auswirkung auf die Konstrukte sichtbar wird.
Literatur
Bandura, A. (Hrsg.). (1995). Self-efficacy in changing societies. Cambridge ; New York:
Cambridge University Press.
Barron, K. E., & Hulleman, C. S. (2015). Expectancy-Value-Cost Model of Motivation.
In International Encyclopedia of the Social & Behavioral Sciences (S. 503–509). Else-
vier.
Bausch, I., Biehler, R., Bruder, R., Fischer, P. R., Hochmuth, R., Koepf, W., … Wassong,
T. (Hrsg.). (2014). Mathematische Vor- und Brückenkurse. Wiesbaden: Springer
Fachmedien Wiesbaden.
Gao, Z., Lee, A. M., & Harrison, L. (2008). Understanding students’ motivation in sport
and physical education: From the expectancy-value model and self-efficacy theory
perspectives. Quest, 60(2), 236–254.
Hinz, A., Schumacher, J., Albani, C., Schmid, G., & Brähler, E. (2006). Bevölkerungsre-
präsentative Normierung der Skala zur Allgemeinen Selbstwirksamkeitserwartung.
Diagnostica, 52(1), 26–32.
Jerusalem, M., & Schwarzer, R. (1999). Skala zur allgemeinen Selbstwirksamkeitserwar-
tung. Skalen zur Erfassung von Lehrer-und Schülermerkmalen. Dokumentation der
psychometrischen Verfahren im Rahmen der Wissenschaftlichen Begleitung des Mo-
dellversuchs Selbstwirksame Schulen. Berlin: Freie Universität Berlin.
Kosovich, J. J., Hulleman, C. S., Barron, K. E., & Getty, S. (2015). A practical measure
of student motivation: Establishing validity evidence for the expectancy-value-cost
scale in middle school. The Journal of Early Adolescence, 35(5–6), 790–816.
Marsh, H. W. & Parker, J. (1984). Determinants of student self-concept: Is it beter to be
a relatively large fish in a small pond even if you don't learn to swim as well? Journal
of Personality and Social Psychology, 47, 213-231.
Vansteenkiste, V., Lens, W., Witte, H., & Feather, N. T. (2005). Understanding unem-
ployed people’s job search behaviour, unemployment experience and well-being: A
comparison of expectancy-value theory and self-determination theory. British Journal
of Social Psychology, 44(2), 269–287.
Wigfield, A. (1994). Expectancy-value theory of achievement motivation: A develop-
mental perspective. Educational Psychology Review, 6(1), 49–78.