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Generation Smartphone — 900 Tage Smartphone-Nutzung Jugendlicher: Chancen, Risiken und Dilemmata

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Abstract

Im partizipativen Forschungsprojekt „Generation Smartphone“ haben 30 Jugendliche über 30 Tage hinweg ihre Smartphone-Nutzung im Alltag dokumentiert: Insgesamt 900 einzelne Nutzungstage konnten so untersucht werden. Ziel des hier vorgestellten Projekts war es, die Perspektive Jugendlicher systematisch einzubeziehen. Dieser Beitrag beleuchtet die Chancen, Risiken und Dilemmata der alltäglichen Smartphone-Nutzung der Jugendlichen auf der Basis dieser 900 dokumentierten Tage.
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Im partizipativen Forschungsprojekt „Generation Smartphone“ ha-
ben 30 Jugendliche über 30 Tage hinweg ihre Smartphone-Nutzung
im Alltag dokumentiert: Insgesamt 900 einzelne Nutzungstage
konnten so untersucht werden. Ziel des hier vorgestellten Projekts
war es, die Perspektive Jugendlicher systematisch einzubeziehen.
Dieser Beitrag beleuchtet die Chancen, Risiken und Dilemmata der
alltäglichen Smartphone-Nutzung der Jugendlichen auf der Basis
dieser 900 dokumentierten Tage.
Generation Smartphone1
900 Tage Smartphone-Nutzung
Jugendlicher: Chancen, Risiken und
Dilemmata
Sarah Genner und Lilian Suter
Jugendliche nutzen heute nahezu ausnahmslos
mehrmals täglich ein Smartphone (Waller et al.
2016, Feierabend/Plankenhorn/Rathgeb 2017).
Es handelt sich dabei um die erste Generation, für
die Smartphones im Alltag bereits im Jugendalter
eine Selbstverständlichkeit sind. Noch 2012 be-
saßen in der Schweiz erst drei Viertel der Zwölf-
bis 19-Jährigen ein Smartphone, in Deutschland
gar nur knapp die Hälfte (Willemse et al. 2012).
Wie kaum eine Technologie davor hat sich der
mobile Internetzugang über Smartphones global
sehr rasch verbreitet.
Im Rahmen der Mediensozialisationsforschung
geht man davon aus, dass Medien eine zentrale
Sozialisationsinstanz sind und im Jugendalter
entwicklungspsychologisch betrachtet besonders
prägend wirken (Genner/Süss 2017). Wird eini-
gen Zeitungsartikeln und Bestsellern zum Thema
Jugend und digitale Medien Glauben geschenkt,
dann ist das Verdikt klar: Die aktuelle Generation
Jugendlicher leidet unter Informationsüberlas-
tung aufgrund ständiger digitaler Erreichbarkeit,
unter digitaler Ablenkung und Stress oder gar
unter „digitaler Demenz“, so der Schluss des Psy-
chiaters und Hirnforschers Manfred Spitzer schon
vor längerer Zeit. Zehn Jahre nach dem ersten
iPhone stellte die US-amerikanische Psychologin
Jean Twenge die Frage: „Haben Smartphones
eine Generation zerstört?“ (Twenge 2017). Diese
These bejahte sie und untermauerte dies mit
zahlreichen Zahlen und Fakten, sodass ihr Artikel
nur einen Schluss zulässt: Smartphones haben
diese Generation von Jugendlichen so stark
verändert, dass sie einsamer und depressiver
sind als die Jugendlichen vorheriger Generati-
onen. Spitzer, Twenge und andere sogenannte
„Cyberpessimistinnen“ und „Cyberpessimisten"
erhalten mit ihren oft eindimensionalen Einschät-
zungen aber auch wissenschaftlichen Gegenwind
(Appel/Schreiner 2014, von Gehlen 2016). So
aus: merz 2018/05
63
merz spektrum
wird beiden angekreidet, dass
sie monokausal argumentie-
ren, Korrelation und Kausalität
nicht sauber trennen und Stu-
dien ausblenden, die sich mit
den Chancen digitaler Medien
für Jugendliche befassen. Wenn
charismatische Wissenschaftle-
rinnen und Wissenschaftler vor
Risiken im Umgang Jugendli-
cher mit Smartphones warnen,
dann sind schlagzeilenhungrige
Massenmedien nicht weit und
helfen mit, eine emotionale
Debatte zu befeuern, die auch
viele Eltern verunsichert. Reprä-
sentative Jugend- und Medien-
Studien zeigen jedoch deutlich,
dass Kinder und Jugendliche
ihre Zeit trotz digitaler Me-
dien weiterhin am liebsten mit
Freunden und mit Sport ver-
bringen (Waller et al. 2016). Ob
außerdem eine gesamte Gene-
ration aufgrund der Popularität
einer Technologie über einen
Kamm geschert werden kann,
darf bezweifelt werden (Schul-
meister 2009, Jandura/Karnow-
ski 2015).
30 Dossiers zur Smartphone-
Nutzung im Alltag
Vor diesem Hintergrund ist das Schweizer For-
schungsprojekt „Generation Smartphone“ entstan-
den. Anstelle der oft vorschnell wertenden Perspek-
tive von Erwachsenen sowie Fachkräften und be-
gleitet durch massenmediale Verstärkung kritischer
Einschätzungen setzte sich das Forschungsteam
von „Generation Smartphone“ zum Ziel, näher an
den jugendlichen Alltag heranzuzoomen und damit
die Perspektive der Jugendlichen auf ihr Nutzungs-
verhalten in die Untersuchung einzubeziehen. Ein
zentrales Ziel des Projekts war, die Chancen und
Risiken von Smartphones auf Basis des tatsäch-
lichen Nutzungsverhaltens der Jugendlichen zu
ergründen. Es bestand die Hoffnung, dass der
eher alarmistischen Berichterstattung ein ausge-
wogeneres Bild gegenübergestellt werden könne,
welches auch den Chancen gerecht werden würde.
Denn die öffentliche Diskussion thematisiert vor
allem Risiken und problematische Nutzungsweisen
(Stichworte Onlinesucht, Cybermobbing, Online-
pornografie, Sexting, soziale Einsamkeit, Verlet-
Abb. 1: Smartphone-Startbildschirme aus den Dossiers zum Projekt 
Generation Smartphone
www.generationsmartphone.ch
64
zung der Privatsphäre). Vorteile des Smartphones
treten dabei in den Hintergrund. Ein weiteres
Ziel des qualitativ angelegten Forschungsprojekts
war, die Bedeutung des Smartphones im Alltag
der Jugendlichen herauszuarbeiten, um damit die
Durchschnittswerte aus quantitativen Studien zur
Smartphone-Nutzung Jugendlicher zu ergänzen.
Dafür dokumentierten 30 Schweizer Jugendliche
im Alter von zwölf bis 19 Jahren im Zeitraum von
30 Tagen ihre eigene Smartphone-Nutzung und
schickten mehrmals pro Woche Nutzungstagebü-
cher per WhatsApp. In diesen sollten sie festhal-
ten, wie sie das Smartphone genutzt haben, wie es
ihnen dabei ergangen ist und warum sie es genutzt
haben. Die Jugendlichen waren in der Form der
Dokumentation frei, nutzten jedoch in den meis-
ten Fällen Textnachrichten (inkl. Emojis) sowie
Fotos oder Screenshots. Zu Beginn des Projekts
füllten sie außerdem einen standardisierten Fra-
gebogen zur Medien- und Smartphone-Nutzung
aus. Wenige Wochen später wurden sie zu ihrem
WhatsApp-Tagebuch und dem Fragebogen inter-
viewt. Das WhatsApp-Tagebuch, das Interview-
Transkript, die Skizze eines typischen Tages ablaufs
mit dem Smartphone sowie Fotos des Smartpho-
nes (siehe Abbildung 1) wurden schließlich zu 30
Dossiers zusammengefasst.
Im Forschungsprojekt wurde mit einem partizipa-
tiven Ansatz gearbeitet: Jugendliche waren nicht
nur die Forschungsobjekte, sondern acht der 30
Jugendlichen haben auch an der Auswertung der
Dossiers mitgearbeitet. Daraus ist ein Forschungs-
bericht entstanden, welcher neben umfassenden
Resultaten zur Rolle des Smartphones im Alltag
Jugendlicher auch die partizipative Forschungsme-
thode thematisiert. Der Bericht ist verfügbar unter
www.generationsmartphone.ch. Der vorliegende
Beitrag stützt sich auf eine separate Auswertung
derselben 30 Dossiers anhand einer Inhaltsanaly-
se, für die jedes der 30 Dossiers im Hinblick auf
Chancen, Risiken und Dilemmata der Smartphone-
Nutzung systematisch codiert wurde. Eine zusätzli-
che Auswertung desselben Datenmaterials anhand
einer anderen Forschungsmethode ist auch im
Sinne einer Methodentriangulation zweckmäßig.
So konnten durch die systematische Inhaltsanalyse
einige der Resultate aus der partizipativen Auswer-
tung validiert werden. Gleichzeitig war durch die
vorliegende Auswertungsmethode eine bessere
Gewichtung und Gegenüberstellung von Chancen
und Risiken möglich.
Wer sind die 30 Jugendlichen?
Bei den 30 Jugendlichen handelt es sich um Zwölf-
bis 19-Jährige aus der Deutschschweiz, die freiwillig
am Projekt teilgenommen haben. Rund 80 Jugend-
Abb. 2: Chancen der Smartphone-Nutzung (nach Anzahl der Codierungen; häufige Codierungen sind grö-
ßer dargestellt als seltene)
Kim Hettich/Pascale Schlienger
65
merz spektrum
liche meldeten sich auf den Aufruf, welcher über
verschiedene Kanäle gestreut wurde (u. a. Twitter,
Facebook, Auslegen eines Flyers bei Jugendarbeits-
stellen). Bei der Stichprobenziehung von 30 Ju-
gendlichen wurde auf eine hohe Heterogenität hin-
sichtlich Alter, Geschlecht, Bildungsniveau, Smart-
phone-Marke und Migrationshintergrund geachtet.
Die Altersspannweite zwischen zwölf und 19 Jahren
wurde so gewählt, dass diese Gelegenheitsstichpro-
be mit der repräsentativen Stichprobe der alle zwei
Jahre stattfindenden Schweizer JAMES-Studie (Wal-
ler et al. 2016) verglichen werden konnte. In vielen
Belangen verhält sich diese Stichprobe ähnlich zur
Grundgesamtheit. Jedoch zeigte sich, dass die Ju-
gendlichen der „Generation Smartphone“ in ihrer
Freizeit aktiver sind als der Durchschnitt und ihr
Smartphone überdurchschnittlich intensiv nutzen:
Sie gaben eine längere durchschnittliche Nutzungs-
zeit pro Tag an und berichteten über eine breite-
re und häufigere Nutzung der unterschiedlichen
Smartphone-Funktionen.
Chancen, Risiken und Dilemmata
der Smartphone-Nutzung
Für den vorliegenden Beitrag wurde eine Teilfrage-
stellung des „Generation Smartphone“-Projekts he-
rausgegriffen: Chancen und Risiken – und allfällige
Dilemmata der alltäglichen Smartphone-Nutzung.
Mittels einer qualitativen Inhaltsanalyse nach May-
ring (2015) wurden in einem ersten Schritt für je-
des der 30 Dossiers Chancen und Risiken selektio-
niert, nummeriert und paraphrasiert. Die Paraphra-
sen wurden in einem zweiten Schritt generalisiert,
um eine neue Abstraktionsebene zu ermöglichen.
Mittels Reduktion konnten erste Unterkategorien
gebildet werden. Diese entstanden nunmehr nach
zusammenfassender Inhaltsanalyse induktiv auf
Grundlage der Aussagen der Jugendlichen. Kristal-
lisierten sich neue Kategorien heraus, wurden diese
mit entsprechendem Verweis angefügt. Anschlie-
ßend wurden in allen Hauptkategorien thematische
Cluster gebildet und mit entsprechenden Codes
markiert, um die Unterkategorien (51 Chancen,
40 Risiken und 15 Restliche) übersichtlicher dar-
stellen und zusammentragen zu können. Total wa-
ren es im Bereich der Chancen 411 codierte Aus-
sagen und im Bereich der Risiken 189. Dies zeigt
das Verhältnis der wahrgenommenen Chancen
und Risiken der Smartphone-Nutzung im Alltag
deutlich. Dass in den Dossiers mehr als doppelt so
viele positive als negative Aussagen zur alltäglichen
Smartphone-Nutzung gemacht wurden, steht im
Kontrast zu vielen journalistischen Artikeln und
Expertenberichten. Dort dominieren in der Regel
die Schattenseiten: Cybermobbing, Onlinesucht,
Onlinepornografie, Sexting, digitaler Stress und
Abb. 3: Risiken der Smartphone-Nutzung (nach Anzahl der Codierungen; häufige Codierungen sind größer 
dargestellt als seltene)
Kim Hettich/Pascale Schlienger
66
Privatsphäre-Verletzungen. Die Auswertungen der
30 „Generation Smartphone“-Dossiers zeigen, dass
die größten alltäglichen Risiken der Smartphone-
Nutzung deutlich weniger drastisch sind und einer
Vielzahl von Chancen gegenüberstehen.
Folgende thematische Cluster wurden im Bereich
der Chancen identifiziert (absteigend aufgeführt
nach häufigsten Codierungen): soziale Beziehungen, 
Funktionalität, Zeit, Bildung,  Praktikabilität, Emotio-
nales, Motivationales, Organisation. In Abbildung 2
(siehe S. 64) sind alle Unterkategorien im Bereich
der Chancen ersichtlich. Auf der Seite der Risiken
wurden folgende Cluster herausgebildet: soziale 
Beziehungen,  Zeit,  emotionale  Abhängigkeit,  Gefah-
ren im Netz,  Gesundheit,  Privatsphäre,  Bildung. Die
Unterkategorien aus dem Bereich der Risiken sind
in Abbildung 3 (siehe S. 65) dargestellt.
Einige Chancen der Smartphone-Nutzung, insbe-
sondere in den Bereichen Funktionalität und Prak-
tikabilität, können vorbehaltlos der positiven Seite
zugeordnet werden. Themen wie Gefahren im Netz
oder Privatsphäre sind klar auf der Seite der Risiken
anzusiedeln. Einige Chancen und Risiken lassen sich
jedoch nicht trennen, sie stellen jeweils die Kehrseite
der Medaille dar und verweisen damit auf ein Dilem-
ma: Die Risiken können nicht vermieden werden,
ohne auch die Chancen zu verlieren. Dies gilt insbe-
sondere für die Themen soziale Beziehungen und Zeit.
In diesen beiden Clustern fanden sich sowohl auf der
Chancen- wie auch auf der Risiken-Seite eine Viel-
zahl von Stellen in den Dossiers, die weiteren Un-
terkategorien zugeordnet werden konnten. So wirkt
sich das Smartphone sowohl positiv als auch negativ
auf soziale Beziehungen und auch auf den Umgang
mit Zeit aus. Anhand dieser beiden Themen-Cluster
zeigt Tabelle 1 beispielhaft die Dilemmata auf.
Soziale  Beziehungen: Kontakte zu knüpfen und zu
pflegen sowie mit diesen einfach kommunizieren
zu können, wird als zentrale Chance wahrgenom-
men. Dadurch werden wichtige soziale Funktionen
ermöglicht: Kontakte knüpfen und erhalten, teil-
haben am Leben anderer, Bestätigung und Aner-
kennung bekommen, sich einer Gruppe zugehörig
Chancen Risiken
Soziale Beziehungen
Kontakte knüpfen, haben und halten (23)
Einfaches Kommunikationsmittel (20)
Erlebnisse, Momente teilen (16)
Informationsaustausch, informiert sein (14)
Erreichbarkeit (9)
Kommunikation in Gruppen (8)
Soziale Vernetzung (8)
Am Leben anderer teilhaben (5)
Bestätigung, Anerkennung (4)
Virtuelle Interaktion mit Freunden (4)
Gruppenzugehörigkeit (3)
Spontanität (2)
Social Media als Plattform (2)
Trend folgen (1)
Erwartungs- und Erreichbarkeitsdruck (9)
Cybermobbing (9)
Phubbing (8)
Weniger soziale Interaktionen (6)
Peer-Pressure (6)
Weniger Hemmungen im sozialen Kontakt (5)
Oberflächliche Kommunikation (4)
Missverständnisse in Kommunikation (4)
Streit über Smartphone (3)
Like-Druck von Social Media (1)
Zeit
Beschäftigung gegen Langeweile (23)
Unterhaltung, Spaß (22)
Zeitvertreib (11)
Ablenkung, Flucht aus Alltag (9)
Entspannung und Abschalten (9)
Zeit für sich alleine (1)
Zeitverschwendung und -verlust (15)
Ablenkung (13)
Sinnlose Nutzung aus Langeweile (8)
Vernachlässigung anderer Aktivitäten (7)
Faulheit (2)
Tab. 1: Unterkategorien der Themencluster Soziale Beziehungen und Zeit (Anzahl codierter Aussagen in 
Klammern)
Eigene Darstellung
67
merz spektrum
fühlen. Fast durchgehend für wichtige Freunde und
Bezugspersonen erreichbar zu sein ist gleichzeitig
ein Dilemma: Das Smartphone ermöglicht den
einfachen Austausch und Kommunikation, aber es
erzeugt durch die steigenden Erwartungen, rasch
eine Antwort zu bekommen, für viele auch einen
negativen Erreichbarkeitsdruck oder Gruppendruck
(„Peer Pressure“). Cybermobbing ist für Jugendliche
keineswegs ein alltägliches Risiko, wurde jedoch
in den Interviews teilweise auf Nachfrage be-
sprochen. „Phubbing“ bedeutet, jemand physisch
Anwesendes durch die Nutzung des Smartphones
demonstrativ zu ignorieren. Dieses Phänomen war
in mehreren Dossiers Thema, genauso wie die
Beobachtung, dass digitale Missverständnisse und
gesunkene Hemmungen in der Kommunikation
negative Auswirkungen haben können.
Zeit: Das Smartphone wird oft als Hilfsmittel gegen
Langeweile sowie für Unterhaltung und Spaß po-
sitiv bewertet. Es befriedigt auch Bedürfnisse wie
Eskapismus und Entspannung. Das Dilemma be-
steht darin, dass der als positiv empfundene Zeit-
vertreib auch in Zeitverschwendung und sinnlose
Nutzung aus Langeweile umschlagen kann. In den
Beschreibungen wurde oft ein starker „Sog“ deut-
lich, der es vielen Jugendlichen erschwert, ihre
Nutzung von Games, YouTube et cetera zu begren-
zen. Die positive Ablenkung von Alltagssorgen
und Langeweile steht der negativen Ablenkung
durch das Smartphone gegenüber, welche „nütz-
lichere“ oder „sinnvollere“ Tätigkeiten verhindert.
Auch im Bereich der Emotionen lassen sich sowohl
Chancen als auch Risiken identifizieren. Durch das
Festhalten von Erlebnissen und Momenten wird
das Wohlbefinden gesteigert. Das Smartphone
kann auch zur Aufheiterung und somit zur Stim-
mungsregulation beitragen. Auf der anderen Seite
erwähnten einige Jugendliche das Suchtpotenzial,
das sie dem Smartphone zuschreiben oder be-
richteten von verschiedenen Formen emotionaler
Abhängigkeit: Das Smartphone sei im Alltag un-
verzichtbar und oft in den Gedanken präsent.
Insgesamt wurden eher wenige Bildungsaspekte 
genannt. Allerdings gibt es auch hier Chancen
in Form von umfangreichen Informations- und
Recherchemöglichkeiten mit dem Smartphone.
Als Risiko tauchte in den Dossiers oft das Thema
Ablenkung auf, welches sich negativ auf den Lern-
prozess auswirken kann.
In den Dossiers lässt sich feststellen, dass das Smart-
phone für fast alle Jugendlichen nicht mehr wegzu-
denken ist und die nützlichen und positiven Seiten
im Alltag der Jugendlichen überwiegen. Dennoch
haben auch viele dem Smartphone gegenüber
ambi valente Gefühle. So beschrieb eine Jugendli-
che ihre Beziehung zu ihrem Smartphone wie folgt:
„Es ist mein bester Freund und mein größter Feind“.
Andere beschrieben ihre intensive Beziehung zum
Gerät als eine Art Hassliebe, wieder andere sehen
sich gemeinsam als gutes und eingespieltes Team.
Zentral ist über alle Dossiers hinweg die Erkenntnis,
wie individuell unterschiedlich die Smartphone-
Nutzungsmuster der Jugendlichen ausfallen (z. B. in
Bezug auf Alter, Geschlecht, persönliche Interessen,
Ausbildungsstand, Technikaffinität). Aus den unter-
schiedlichen Nutzungsmustern ergeben sich auch
individuelle Chancen-Risiken-Konstellationen.
Fazit von „ Generation Smartphone“
für die Medienpädagogik
Alltägliche Risiken: Die Debatte um die Risiken von
Smartphones und neuen Medien im Allgemeinen
hat – gemäß massenmedialer Logik – oft den Fokus
auf drastische, aber seltene Risiken wie Cyberm-
obbing, Onlinesucht, Cybergrooming oder Online-
pornografie. Im Alltag sind für Jugendliche ganz
andere, auf den ersten Blick kleine Risiken präsent:
Zeitverschwendung, Ablenkung, Stress durch den
Druck, informiert zu sein und antworten zu müs-
sen. Diese gilt es in der Medienpädagogik ebenso
zu behandeln wie die drastischen.
Heterogene  Nutzungsgruppen:  Über die
durchschnittliche Smartphone-Nutzung der Ju-
68
gendlichen ist seit Jahren vielerlei bekannt. Kaum
greifbar war bisher jedoch die Vielfalt individueller
Nutzungsmuster und die Rolle des Smartphones im
Alltag spezifischer Jugendlicher. Die Daten der 30
„Generation-Smartphone“-Jugendlichen machen
die Heterogenität sichtbar und zeigen konkret auf,
wie das mobile Gerät für viele beinahe rund um
die Uhr ein wichtiger multifunktionaler Begleiter
ist, und dass diese Funktionen individuell sehr
unterschiedlich genutzt werden. Die heteroge-
nen Nutzungspräferenzen, Wissens-, Alters- und
Geschlechterunterschiede erfordern auch für me-
dienpädagogische Interventionen entsprechende
Herangehensweisen an die jeweilige „Zielgrup-
pe“ (z. B. Technikaffine, Gamerinnen und Gamer,
Social-Media-Kommunikatorinnen und -Kommu-
nikatoren). Eine Orientierung an der oder dem
‚Durchschnittsjugendlichen‘ zielt je nachdem an
den medienpädagogischen Zielen vorbei.
Dilemmata  thematisieren: Diverse Chancen der
Smartphone-Nutzung werden gleichzeitig auch
als Risiken wahrgenommen. Tipps zur zeitlichen
Selbstregulierung und zur sozialen Abgrenzung
können helfen, mit den Kehrseiten der Chancen
besser umzugehen.
Peer-Education: Durch den partizipativen For-
schungsansatz wurde die Perspektive der Jugend-
lichen systematischer als bisher in die Jugend-und-
Medien-Forschung miteinbezogen. Es zeigte sich in
der Auswertungsarbeit mit den acht Jugend lichen,
dass das gemeinsame Reflektieren über die po-
sitiven wie negativen Aspekte der Smartphone-
Nutzung bei den Jugendlichen Denk- und Sensi-
bilisierungsprozesse bezogen auf den Umgang mit
Smartphones anregte, der auch in der medienpäda-
gogischen Arbeit in Form von Peer-Education ver-
mehrt eingesetzt werden könnte.
Anmerkung
1 Das Projekt „Generation Smartphone“ haben die Au-
torinnen gemeinsam mit Dr. Rahel Heeg, Prof. Dr. Olivier
Steiner, Dipl.-Päd. Magdalene Schmid und Prof. Dr. Daniel
Süss durchgeführt. Die vorliegenden Auswertungen basieren
auf der Bachelorarbeit von Kim Hettich und Pascale Schlienger,
die von Sarah Genner betreut wurde. Weitere Informationen
zum Projekt finden sich unter www.generationsmartphone.ch.
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Hochschule für Angewandte Wissenschaften.
Dr.  Sarah  Genner  ist  wissenschaftliche  Mitar-
beiterin  in  der  Fachgruppe  Medienpsychologie 
der  ZHAW  Zürcher  Hochschule  für  Angewandte 
Wissenschaften. 
Lilian  Suter,  MSc,  ist  wissenschaftliche  Mitar-
beiterin  in  der  Fachgruppe  Medienpsychologie 
der  ZHAW  Zürcher  Hochschule  für  Angewandte 
Wissenschaften. 
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Chapter
Full-text available
Socialization is a lifelong process in which individuals learn and interact with social standards, rules, and values. Media are a key socializing influence among other major agents of socialization. Media effects on socialization have been identified in research in developmental psychology, sociology, media and communication studies, and pedagogy. Findings suggest that repeated mass media exposure has potential for learning (cognitive, social, or cultural skills) and long-term implications for behavior (prosocial or violent) and the cultivation of worldview and values (political views, gender stereotypes, body images). Increasingly pervasive information and communication technologies play a crucial role in socialization processes. Some of the most important aspects of socialization are formed in childhood and youth. Thus “digital natives” have been the subject of intense academic debates about the impact of the Internet on the socialization of younger generations. Media literacy can be considered a developmental task and a goal of media socialization.
Article
In papers and presentations dealing with the consequences of digitalization, the generation which was born into and grew up during the digitalization process is often called “digital natives” (cf. Prensky 2001). Other expressions used are “net genners”, “millennials”, “net generation”, or “net kids” (cf. Paus-Hasebrink et al. 2010). People who do not match this criterion are called “digital immigrants” (cf. Prensky 2001). The undisputed use of this “digital native” “digital immigrant” dichotomy in today’s academic discourse suggests, however, that (1) there is a clear definition and (2) that there is evidence for all assumptions linked to this classification. This paper aims at three things: We want to check and present previous research, question existing assumptions using secondary data and thus help to systemize and conceptualize research on “digital natives”.
Daniel Süss durchgeführt. Die vorliegenden Auswertungen basieren auf der Bachelorarbeit von Kim Hettich und Pascale Schlienger, die von Sarah Genner betreut wurde
Das Projekt "Generation Smartphone" haben die Autorinnen gemeinsam mit Dr. Rahel Heeg, Prof. Dr. Olivier Steiner, Dipl.-Päd. Magdalene Schmid und Prof. Dr. Daniel Süss durchgeführt. Die vorliegenden Auswertungen basieren auf der Bachelorarbeit von Kim Hettich und Pascale Schlienger, die von Sarah Genner betreut wurde. Weitere Informationen zum Projekt finden sich unter www.generationsmartphone.ch. Literatur Appel, Markus/Schreiner, Constanze (2014). Digitale Demenz? Mythen und wissenschaftliche Befundlage zur Auswirkung von Internetnutzung. In: Psychologische Rundschau, 65 (1), S. 1-10. DOI: 10.1026/0033-3042/ a000186.
Gibt es eine «Net Generation
  • Rolf Schulmeister
Schulmeister, Rolf (2009). Gibt es eine «Net Generation»? Erweiterte Version 3.0. Universität Hamburg. http://epub. sub.uni-hamburg.de/epub/volltexte/2013/19651/pdf/ schulmeister_net_generation_v3.pdf [Zugriff: 16.07.2018]
Have smartphones destroyed a generation? The Atlantic
  • Jean M Twenge
Twenge, Jean M. (2017). Have smartphones destroyed a generation? The Atlantic. www.theatlantic.com/magazine/archive/2017/09/hasthe-smartphone-destroyed-ageneration/534198 [Zugriff: 16.07.2018]
Digitale Paranoia -Online bleiben, ohne den Verstand zu verlieren
  • Dirk Von Gehlen
von Gehlen, Dirk (2016). Digitale Paranoia -Online bleiben, ohne den Verstand zu verlieren. München: C. H. Beck.