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878 AKTUELLE STUDIE Forschung & Lehre 10|18
Was Studierende von
Professoren erwarten
Ergebnisse einer empirischen Studie
Lehrevaluationen und der
„Faktor Hochschullehrer/-in“
Lehrevaluationen – geschätzt und ge-
fürchtet, kritisiert und stetig novelliert.
Inzwischen ist der Hochschulbetrieb
ohne die Bewertung der Lehre durch
Studierende kaum noch vorstellbar. Für
Hochschulen, Hochschullehrer und
Hochschullehrerinnen
stellt sich dabei unter
anderem die Frage, wo-
von die Resultate derar-
tiger Evaluationen ab-
hängen. Bekannte Ein-
flussfaktoren sind Eigen-
schaften der Lehrveranstaltung, Merk-
male der sie bestreitenden Lehrperson,
Merkmale der Studierenden und Inter-
aktionen zwischen diesen Faktoren.
Während über die Gestaltung der
Lehre sowohl wissenschaftlich als auch
im Lehrbetrieb viel und leidenschaftlich
debattiert wird, sind die Erkenntnisse
zu Hochschullehrern und Hochschul-
lehrerinnen als Person spärlicher. Zwei
Fragen sind hierbei interessant: Wie
sollten Hoch schul leh rer und Hoch-
schullehrerinnen sein und sich verhal-
ten? Und für eine spätere Beantwor-
tung: Wie sind und verhalten sie sich
tatsächlich? Der folgende Beitrag wid-
met sich der ersten Fragestellung und
beleuchtet, welche Eigenschaften und
Verhaltensweisen Studierende deutsch-
sprachiger Hochschulen bei Professoren
und Professorinnen erwarten.
Studie zur studentischen Sicht
Die Studierenden wurden Ende 2017
mittels Online-Befragung gebeten, sich
einen für sie persönlich idealen Profes-
sor vorzustellen. Diese Beurteilung soll-
te sich nicht auf eine einzige Lehrveran-
staltung, sondern allgemein auf das ge-
samte Studium beziehen. Anschließend
wurden 21 Aspekte vorgegeben, die
Professoren und Professorinnen in ih-
ren Eigenschaften und Verhaltenswei-
sen beschreiben (die Auswahl der As-
pekte orientierte sich vorwiegend an
der Arbeit von Gruber und Kollegen
aus dem Jahr 2012 mit dem Titel: Inves-
tigating the Influence of Professor Cha-
racteristics on Student Satisfaction and
Dissatisfaction – A Comparative Study).
Diese Aspekte beurteilten die Studie-
renden jeweils auf einer siebenstufigen
Skala von „äußerst wichtig“ bis „absolut
unwichtig“. Zusätzlich wurden Varia-
blen erhoben, welche die Stichprobe
allgemein beschreiben: Alter, Ge-
schlecht, Hochschulart, Studienfach,
Fachsemester und angestrebter Studien-
abschluss. Abschließend machten die
Studierenden Angaben zu ihrer Durch-
schnittsnote im laufenden Studium, zur
Arbeitszeit neben dem Studium, zur Zu-
friedenheit mit dem Studium sowie da-
zu, ob der Wille besteht, nach dem Stu-
dium Führungskraft zu werden, und ob
nach dem Studium eine Selbstständig-
keit angestrebt wird. Die Studierenden
wurden über Facebook-Gruppen, Fach-
schaftsverteiler, Mailver-
teiler in Kursen, Online-
Lernplattformen und von
Lehrenden persönlich an-
gesprochen. Daraus resul-
tierten Angaben von
3 403 Studierenden ver-
schiedener deutschsprachiger Hoch-
schulen, Fachrichtungen und Phasen im
Studium. Für die Datenanalysen wur-
den 38 Datensätze aufgrund inkonsis-
tenter Antworten oder Antwortmuster
ausgeschlossen. Die überwiegend weib-
lichen (64 Prozent) Studierenden waren
im Mittel 23,8 Jahre alt (SD=5) und stu-
dierten durchschnittlich im vierten
Fachsemester (66,9 Prozent im Bache-
lor; 26,2 Prozent im Master; die übrigen
6,9 Prozent verteilten sich auf Staats-
examen und andere). An einer staatli-
chen Universität waren 34,9 Prozent
eingeschrieben, 55,7 Prozent studierten
an einer staatlichen Hochschule für An-
gewandte Wissenschaften (HAW) – die
übrigen 9,4 Prozent der Studierenden
waren an privaten oder kirchlichen
Hochschulen eingeschrieben. Die fach-
liche Ausrichtung war vorwiegend Be-
triebswirtschaftslehre (31,7 Prozent),
gefolgt von MINT-Fächern (26,2 Pro-
zent) und von Studiengängen mit im
weitesten Sinne sozialer Ausrichtung
| JENS NACHTWEI | Die akademische Lehre wird immer
wieder sowohl wissenschaftlich als auch im Lehrbetrieb viel und leidenschaft-
lich diskutiert. Eine aktuelle Studie ist der Frage nachgegangen, welche Eigen -
schaften und Verhaltensweisen Studierende deutschsprachiger Hochschulen
von Professoren und Professorinnen erwarten.
»Insgesamt scheinen die Resultate relativ
übergreifend gültig zu sein.«
A U T O R
Jens Nachtwei ist Per-
sonalpsychologe und
forscht seit 2011 als
Postdoc am Lehrstuhl
für Sozial- und Organi-
sationspsychologie der
Humboldt-Universität
zu Berlin. Er lehrt seit
2012 als Professor für
Wirtschaftspsychologie an der Hochschule
für angewandtes Management und leitet
das universitäre Spin-off IQP.
wie Psychologie, Wirtschaftspsycholo-
gie, Lehramt, Soziale Arbeit u.Ä. (16,8
Prozent).
Die Auswertung der Daten erfolgte
im hier dargestellten ersten Schritt ex-
plorativ und hypothesengenerierend.
Der vollständige Datensatz inklusive
ausführlicher Dokumentation ist auf
ResearchGate frei verfügbar (Bezeich-
nung: ProfPraef-Studie 1 – Datensatz,
N=3 403 Studierende – Welche Attri-
bute präferieren Studierende bei Pro -
fes sor*in nen?).
Was ist Studierenden bei Pro-
fessoren und Professorinnen
wichtig?
Die Abbildung zeigt in absteigender
Reihenfolge nach Mittelwerten, wie
wichtig bestimmte Eigenschaften und
Verhaltensweisen den befragten Studie-
renden bei Professoren und Professo-
rinnen sind.
Lediglich in fünf der insgesamt 21
Aspekte zeigten sich praktisch bedeut-
same Unterschiede in den Urteilen von
Studierenden an HAW gegenüber Uni-
versitäten (in absteigender Rangreihe):
Das Abdecken berufsrelevanter Themen
(größter Unterschied mit einer Differenz
von knapp 0,7 Skalenpunkten), der
Einsatz variabler Lehrmethoden, die
Hilfe bei der beruflichen Orientierung
und schnelles Feedback wurden von
Studierenden an HAW im Vergleich als
wichtiger bewertet. Studierenden an
Universitäten wiederum war der En-
thusiasmus der Professoren und Profes-
sorinnen im Vergleich zu Studierenden
an HAW wichtiger. Der Vergleich von
Bachelor und Master zeigte: Bachelor-
Studierende beurteilten die Freundlich-
keit als wichtiger, während Master-Stu-
dierende hohe Expertise im Lehrgebiet
und Geschwindigkeit des Feedbacks
höher bewerteten.
Insgesamt scheinen die Resultate ei-
ne relativ übergreifende Gültigkeit zu
besitzen und bieten somit eine gute
Grundlage für einen empirisch unter-
mauerten fachlichen Diskurs zu perso-
nenbezogenen Aspekten der Lehre und
Lehrqualität.
Co-Autoren und Autorinnen:
Prof. Dr. Hendrik Lohse-Bossenz, Prof. Dr. Ste-
phan Weinert, Prof. Dr. Sebastian Kunert, Prof.
Dr. Jens Grundei, Prof. Dr. Luzi Beyer, Prof. Dr.
Christina Krins, Prof. Dr. Dagmar Monett, Prof.
Dr. Clemens Koob, Prof. Dr. Thorsten Petry,
Prof. Dr. Fabian Christandl, Prof. Dr. Anja
Thies, Prof. Dr. Habakuk Israel, Prof. Dr. Ste-
phan Kaiser, Prof. Dr. Christian Schmitz, Prof.
Dr. Julian Kawohl, Prof. Dr. Reinhard Beyer,
Prof. Dr. Stephan Fischer, Prof. Dr. Petra Nie-
ken, Prof. Dr. Franz-Michael Binninger, Prof.
Dr. Harald Kolrep-Rometsch, Prof. Dr. Christi-
an Warneke, Prof. Dr. Jochen Prümper, Prof. Dr.
Peter J. Weber, Prof. Dr. Uwe Kanning, Prof. Dr.
Britta Salander, Prof. Dr. Linda Onnasch, Jana
Wilbert und Ann-Christin Petersen
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%
fördert Teamwork
hat hohe Expertise außerhalb des Lehrgebi ets
hilft bei der beruflichen Orientierung
ist humorvoll
ist unterhaltsam
setzt variable Lehrmethoden ein
gibt schnelles Feedback
ist höflich
ist offen (für Vorschläge)
ist empathisch
ist enthusiastisch
ist gut erreichbar (für Fragen, Probleme)
deckt berufsrelevante Themen ab
hat eine hohe Kommunikationsfähigkeit
ist freundlich
ist hilfsbereit
gestaltet Lehre nach logischer Struktur
hat hohe Expertise im Lehrgebiet
ist zuverlässig
ist respektvoll
ist fair
äußerst wichtig << < <> > >> absolut unwichtig
Abbildung: Erwartungen an Professor*innen (Angaben zur Wichtigkeit von 3.365 Studierenden)
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