ArticlePDF Available

Frühbronzezeitliches Holz im Sumpf

Authors:
  • Pre- and protohistorical archaeology

Abstract

Next to the famous "Chollerpark" site with thousands of bronze age wooden artefacts, a construction pit for an office building built in 2016/2017 yielded several more wooden artefacts, most importantly the transom of a dugout. All finds came from a peat layer superimposing river delta sediments and date to the Early Bronze Age. J. Reinhard, K. Weber, G.F. Schaeren, I. Hajdas, Frühbronzezeitliches Holz im Sumpf. Tugium 34, 2018, 16-17.
TUGIUM 34/201816
Abb. 1 Steinhausen, Sumpfstrasse 18. Blick über das Gewerbegebiet
nach Südwesten, in Richtung See, im Vordergrund rechts der an die
Autobahn angrenzende Bauperimeter. Das blau-weisse Gebäude links
davon, auf der anderen Seite der Sumpfstrasse, ist der «Chollerpark».
Im Hintergrund schlängelt sich der von Bäumen gesäumte Dorfbach
durch die erst nach der Seeabsenkung 1591/92 trockengefallene Ebene,
bevor er in die heute deutlich kleinere Steinhauser Bucht mündet.
Im Süden Steinhausens, im Gewerbegebiet zwischen Alter
Lorze und Autobahn A4, werden die letzten noch landwirt-
schaftlich genutzten Flächen Stück für Stück überbaut. Für
das Grundstück Sumpfstrasse 18 war etwa die Errichtung
eines Bürogebäudes mit Tiefgarage geplant (Abb. 1). Die
unmittelbare Nähe des Bauvorhabens zu der 1999 entdeckten
und nachfolgend ausgegrabenen bronzezeitlichen Fundstelle
«Chollerpark» mit tausenden von hervorragend erhaltenen
Hölzern löste im Sommer 2016 eine Vorabklärung mittels ei-
ner Baggersondierung aus. Deren positives Ergebnis zog eine
enge archäologische Begleitung der Aushubarbeiten nach
sich, die mit Unter brechungen vom Spätherbst 2016 bis zum
Frühsommer 2017 dauerte.
Die dabei dokumentierte Stratigrae ist auf der ganzen
Parzelle sehr einheitlich (Abb. 2 und 3): Sie besteht im
Liegenden aus den laminierten Sanden einer Deltaschüttung
der Lorze, auf diesen wächst ein Verlandungstorf auf. Gegen
oben wird die Stratigrae von Auelehmpaketen abgeschlos-
sen, die auch das Ausgangssubstrat für den heutigen Ober-
boden bilden und vor allem im Süden der Parzelle zusätzlich
eingeschaltete organisch angereicherte Straten enthalten. Aus
der steil gegen Südwesten bzw. in Richtung der Steinhauser
Bucht einfallenden Deltaschüttung stammen nur vereinzelte
Schwemmhölzer. In der darüberliegenden schlufgen, gegen
unten auch teils sandigen Torfschicht fand sich neben unbear-
beiteten Hölzern dagegen auch eine Reihe von Holzartefak-
ten. Die Funddichte ist jedoch im Vergleich zur Fundstelle
Chollerpark erheblich niedriger, zudem dünnt die Streuung
der Holzfunde gegen Nordosten bzw. gegen das ehemalige
Seeufer hin stark aus. Überdies hat die Erhaltungsqualität der
Hölzer durch eine moderne, die Parzelle diagonal querende
Drainage deutlich gelitten. Dies gilt im besonderen Masse
auch für die organischen Bestandteile des hangenden Aue-
lehmpakets – möglicherweise hat die Fundleere dieser Schicht
also erhaltungsbedingte Ursachen. Das Spektrum der Holz-
funde aus der Torfschicht ist gut mit demjenigen des Choller-
parks vergleichbar: So nden sich neben Ruten und Ästen mit
unspezischen Schnittspuren auch abgerundetknaufartige
Fragmente, die zu Paddelschäften gehört haben könnten, so-
wie schindelartige Bretter und dünne, spanartige Brettchen.
Herausragend ist ein fast vollständig erhaltenes Einbaum-
Heckbrett aus Erlenholz (Abb. 4). Mit einer Breite von 45 cm
gehört es zu einem eher schmalen Boot. Ausweislich einer
Serie von 14C-Daten an botanischen Makroresten und bear-
beiteten Hölzern hat sich die torge Fundschicht während der
Frühbronzezeit gebildet (Abb. 5 unten). Auch ihre Schicht-
mächtigkeit und ihr torger Charakter nehmen gegen Nord-
osten, mit zunehmender Entfernung vom Chollerpark und
analog zur Menge der Holzfunde, deutlich ab.
Insgesamt ist die Fundstelle – wie bereits der Chollerpark
– als bronzezeitlicher Ufer- und Verlandungsbereich im
Bereich eines alten Lorzendeltas zu charakterisieren, in den
unbearbeitete Hölzer sowie einzelne Holzartefakte einsedi-
mentiert worden sind. Prähistorische Befunde oder Funde
anderer Fundgattungen als Holzartefakte fehlen vollständig.
Trotz der unmittelbaren Nähe zum Chollerpark und der
Ähnlichkeit der Fundsituation ergibt sich jedoch eine Reihe
deutlicher Diskrepanzen: Während im Chollerpark zwei
Abb. 2 Blick in die südwestliche Ecke der Baugrube mit der für die
Parzelle typischen Stratigrafie, hinten der «Chollerpark». Gut erkenn-
bar ist die Fundschicht, ein dunkelbrauner Torf. Dieser wird unter-
lagert von deutlich gegen den See hin schräggestellten, fein geschichte-
ten grauen Sanden, die hier von der Lorze in ihrem alten Delta
abgelagert worden sind.
Steinhausen, Sumpfstrasse 18
Frühbronzezeitliches Holz im Sumpf
17TUGIUM 34/2018
Abb. 3 Stichprofil in der Baugrubenböschung am Westrand der Par-
zelle. Über den grauen Deltasanden am Profilfuss liegt die Fund-
schicht, ein dunkelbrauner, bereits deutlich abgebauter Torf. Dieser
wird überdeckt von einem nicht ganz meterstarken, unten grauen, oben
ocker farben oxidierten Auelehmpaket, in dem sich eine weitere bräun-
liche organische Strate abzeichnet. Der Oberboden fehlt hier bereits,
stattdessen ist ein Schotterplanum geschüttet.
Fundschichten ergraben werden konnten, von denen die obere
in die Spätbronzezeit und die untere überwiegend an den
Übergang von Mittel zur Spätbronzezeit gehört, konnte in
der Sumpfstrasse lediglich eine einzige Fundschicht erfasst
werden, für die die vorliegenden 14C-Daten auf ein um meh-
rere hundert Jahre höheres, ausschliesslich frühbronzezeit
liches Alter deuten. Sollte sich diese Fundschicht mit der
unteren Fundschicht des Chollerparks synchronisieren lassen,
könnte sich hier eine Horizontalstratigrae im verlandenden
Lorzendelta andeuten: Bei der fundführenden Torfschicht der
Sumpfstrasse handelt es sich offenbar um einen weiter land-
wärts gelegenen, älteren Uferbereich, der sich im Laufe der
Jahrhunderte seewärts, in Richtung Chollerpark, verlagert
und hier die untere Fundschicht bildet. Die in der Sumpfstrasse
fehlende obere Fundschicht des Chollerparks könnte mit der
stark abgebauten, vielleicht auf ein erneutes Torfwachstum
zurückgehenden organischen Strate im hangenden Auelehm
der Sumpfstrasse zu verknüpfen sein; ein passendes 14C-
Datum an kleinfragmentierter Holzkohle fällt jedenfalls
ebenfalls in die Spätbronzezeit (Abb. 5 oben). Allerdings er-
gab eine weitere 14C-Datierung an einem liegenden Holz eine
zu junge, bereits eisenzeitliche Datierung. Aufgrund der
schlechten Erhaltung des Baumstamms und der unklaren Be-
fundsituation ist aber auch eine jüngere Störung, etwa durch
einen umstürzenden Baum, ebensowenig auszuschliessen wie
ein durch das Austrocknen der Schicht erhaltungsbedingtes
Zusammenfallen mehrerer Schichten mit grösserer zeitlicher
Tiefe. Eine weitere Diskrepanz betrifft schliesslich den geo-
logischen Untergrund: Die im Chollerpark dokumentierte
Seekreide im Liegenden fehlt in der Sumpfstrasse vollstän-
dig, die Deltasande unter der torgen Fundschicht weisen nur
sehr geringe, schlierige Seekreidebeimengungen auf. Wie die
beiden Fundstellen stratigrasch genau zu verknüpfen sind,
ist derzeit also noch nicht abschliessend geklärt.
GS-Nr. 974.
Ereignisnr. Archäologie: 2209.
Amt für Denkmalpege und Archäologie: Jochen Reinhard, Kilian
Weber und Gishan Schaeren.
14CDatierungen: ETH Zürich (Irka Hajdas).
Literatur: Beat Eberschweiler, Bronzezeitliches Schwemmgut vom
«Chollerpark» in Steinhausen (Kanton Zug). Basel 2004 (Antiqua 37). –
Kristin Ismail-Meyer und Philippe Rentzel, Chollerpark 1999/2000:
geologische Untersuchungen. In: Brigitte Röder, Renata Huber,
Archäologie in Steinhausen «Sennweid» (Kanton Zug). Ergebnisse der
Untersuchungen von 1942 bis 2000. Basel 2007 (Antiqua 41), 80–98. –
JbAS 101, 2018, 251.
Abb. 4 Heckbrett eines frühbronzezeitlichen Einbaums aus der Zeit um
1950 v. Chr., die obere Kante ist vom Bagger beschädigt. Das halb-
runde Bauteil wird quer in das hintere Ende des Bootes eingenutet und
bildet so den Abschluss des Bootskörpers gegen achtern, den soge-
nannten Heckspiegel.
Abb. 5 Ergebnisse der 14C-Datierungen aus der organischen Strate
im Auelehm (oben) und aus der fundführenden, ausschliesslich früh-
bronzezeitlichen Torfschicht (unten).
Labor-
nummer
Material 14C-Alter
(unkalibriert,
vor 1950)
Kalibriertes
Alter, 2σ
(Oxcal v4.3.2)
ETH-85458 Holzkohle (FK 28) 2879 ± 24 BP 1126–949 v. Chr.
ETH-85459 Holz (HolzNr. 28/FK 111) 2298 ± 24 BP 406–256 v. Chr.
ETH-74493 Haselnussschale (FK 12) 3626 ± 23 BP 2115–1917 v. Chr.
ETH-74494 Holz, Schindel?
(HolzNr. 4/FK 19)
3574 ± 23 BP 2016–1879 v. Chr.
ETH-74495 Holz (HolzNr. 5/FK 20) 3380 ± 22 BP 1741–1623 v. Chr.
ETH-81238 Buchecker (FK 108) 3434 ± 25 BP 1876–1662 v. Chr.
ETH-81239 Haselnuss (FK 109) 3530 ± 25 BP 1935–1771 v. Chr.
ETH-84137 Holz, Heckbrett
(HolzNr. 34/FK 110)
3582 ± 22 BP 2016–1884 v. Chr.
5 cm
ResearchGate has not been able to resolve any citations for this publication.
Ergebnisse der Untersuchungen von 1942 bis 2000
  • Kristin Ismailmeyer
  • Philippe Rentzel
Kristin IsmailMeyer und Philippe Rentzel, Chollerpark 1999/2000: geologische Untersuchungen. In: Brigitte Röder, Renata Huber, Archäologie in Steinhausen «Sennweid» (Kanton Zug). Ergebnisse der Untersuchungen von 1942 bis 2000. Basel 2007 (Antiqua 41), 80-98. -JbAS 101, 2018, 251.