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Brachytron pratense

Authors:
Norbert Menke, Christian Göcking,
Nina Grönhagen, Ralf Joest, Mathias Lohr,
Matthias Olthoff & Klaus-Jürgen Conze
unter Mitarbeit von Christoph Artmeyer,
Ulrich Haese & Sebastian Hennigs
Die Libellen
Nordrhein-Westfalens
Arbeitskreis Libellen
Nordrhein-Westfalen
Mit dem Werk „Die Libellen Nordrhein-Westfalens“ erscheint erstmals eine um-
fassende Zusammenstellung über alle in Nordrhein-Westfalen vorkommen-
den Libellenarten. Es wurde in ungezählten Stunden von über 400 Melderinnen
und Meldern des AK Libellen NRW erarbeitet. Die Libellen wurden erfasst und die
Beobachtungsdaten ausgewertet. Tausende Fundpunkte informieren über die Ver-
breitung der in Nordrhein-Westfalen heimischen Libellenarten.
Das Buch ist damit die Grundlage für weitere Fragen der naturkundlichen Lan-
desforschung und wird in Zukunft ein wichtiges Standardwerk darstellen, um
die Entwicklung der heimischen Libellenbestände zu überwachen. Für Ökologen,
Biologen, Studierende und interessierte Laien wird dieser Atlas für lange Zeit ein
wichtiges Nachschlagewerk zur Libellenfauna Nordrhein-Westfalens sein. Das Buch
ist allgemeinverständlich geschrieben und sehr ansprechend gestaltet. Es enthält
viele wertvolle Informationen zur Biologie dieser schönen Insektenarten und ist
somit bestens geeignet, alle Menschen für die heimischen Libellen zu begeistern.
Die Libellen Nordrhein-Westfalens
Die Herausgeber
Der Arbeitskreis Libellen Nordrhein-Westfalen (AK Libellen NRW) ist ein
ehrenamtlich arbeitender und unabhängiger Arbeitskreis von zahlreichen
Personen und Institutionen, der das Ziel hat, die bislang unzureichende Kennt-
nis der Verbreitung der Libellen in Nordrhein-Westfalen zu erweitern.
Der Arbeitskreis wurde 1996 gegründet und verfolgt das Ziel, die heimische
Libellenfauna zu erforschen, die Verbreitung der Arten festzustellen und auf
den nachhaltigen Schutz dieser Tiere hinzuwirken. Diese Arbeit erfolgt rein
ehrenamtlich und wird vom Engagement und dem Enthusiasmus der aktiven
Mitglieder getragen. Jeder kann mitmachen (www.ak-libellen-nrw.de).
Neben dem „Arbeitskreis Libellen Nordrhein-Westfalen“ ist der „Verein zur
Förderung des LWL-Museums für Naturkunde e.V., Münster“ weiterer fachlicher
Herausgeber dieses Buches. Der Verein fördert unter anderem die landeskund-
lichen Aktivitäten des LWL-Museums für Naturkunde in Münster, welches eine
über hundertjährige Tradition bei der Publikation naturkundlicher Werke in
Westfalen hat.
Mit Unterstützung von
ISBN 978-3-940726-45-2
Die Libellen
Nordrhein-Westfalens
Bearbeitet von
Norbert Menke, Christian Göcking, Nina Grönhagen, Ralf Joest,
Mathias Lohr, Matthias Olthoff & Klaus-Jürgen Conze
unter Mitarbeit von
Christoph Artmeyer, Ulrich Haese & Sebastian Hennigs
Mit Beiträgen zahlreicher Libellenkundler
Gefördert von
Nordrhein-Westfalen-Stiftung Naturschutz, Heimat und Kulturpflege
HIT Umwelt- und Naturschutz Stiftung
LWL-Museum für Naturkunde
Impressum
Titelbild: Männchen von Sympetrum sanguineum (Blutrote Heidelibelle) in der Obeliskenhaltung. Grafik: R. Rudolph
Zitiervorschlag
Menke, n., C. GöCkinG, n. GrönhaGen, r. Joest, M. Loh r, M. oLthoff & k.-J. Conze unter Mitarbeit von artMeyer , C., U. haese & s. henn iGs
(2016): Die Libellen Nordrhein-Westfalens. LWL-Museum für Naturkunde, Münster.
Einzelkapitel
BUssMann, M. (2016): Calopteryx splendens Harris, 1780. Gebänderte Prachtlibelle. In: Menke, n., C. GöCkinG, n. GrönhaGen, r. Jo est, M.
Lohr, M. oLthoff & k.-J. Conze unter Mitarbeit von artMe yer, C., U. haese & s. henniGs: Die Libellen Nordrhein-Westfalens. LWL-Museum
für Naturkunde, Münster: 68-71.
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografi sche
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Herausgeberschaft
Arbeitskreis Libellen Nordrhein-Westfalen
Verein zur Förderung des LWL-Museums für Naturkunde e. V., Münster
© 2016 LWL-Museum für Naturkunde
Gesamtherstellung: Bonifatius GmbH Druck · Buch · Verlag Paderborn
ISBN 978-3-940726-45-2
Brachytron pratense Müller, 1764
Früher Schiläger
Verbreitung und Bestandssituation
Das Verbreitungsgebiet von Brachytron
pratense umfasst weite Teile Europas sowie
Westasiens und reicht im Osten bis zum Ural,
dem Schwarzen und dem Kaspischen Meer.
Die Art zählt somit zu den pontokaspischen
Faunenelementen. Im Norden erreicht B.
pratense Großbritannien, Südschweden und
Südfinnland, in Südeuropa kommt die Art
zumeist lokal und insbesondere im Bergland
vor. Während die Art in den Niederlanden
weitverbreitet und stellenweise häufig ist
(nvL 2002), konzentrieren sich die Funde in
Belgien auf das nördliche Flandern. Weiter
südlich ist die Art selten (De kniJf et al. 2006).
In Deutschland liegen aktuelle Nachweise aus
allen Bundesländern vor (BroCkhaUs et al. 2015).
Die Art ist insbesondere im Norddeutschen
Tiefland weitverbreitet und gebietsweise häu-
fig, während sie in Süddeutschland eher zu den
selteneren Arten zählt und dort weitgehend
auf die Flusstäler und das Alpenvorland be-
schränkt ist. In Niedersachsen liegen zahlreiche
Funde in der Norddeutschen Tiefebene, wo B.
pratense stellenweise häufig ist. Im südnieder-
sächsischen Hügel- und Bergland wurde sie
hingegen deutlich seltener gefunden (fisCher
& heink 1997). In Hessen und Rheinland-Pfalz
hat die Art einen Verbreitungsschwerpunkt im
Oberrheingraben (eisLöffeL et al. 1992; patrziCh &
nitsCh 1994). Das Hügel- und Bergland ist
auch
hier hingegen kaum besiedelt. Neuere Fund-
meldungen belegen, dass die Art auch in Nord-
hessen vorkommt (GottsChaLk & stüBinG 2003).
In Nordrhein-Westfalen gehört B. pratense
zu den mäßig häufigen Arten. Wie in den
Nachbarländern hat die Art einen Verbrei-
tungsschwerpunkt in den tieferen Lagen
unter 100 m ü. NN. Im Bergland besiedelt die
Art nahezu ausschließlich wärmebegünstigte
Flusstäler, wobei Bodenständigkeitsnachweise
weitgehend fehlen. Der höchste Fundort liegt
bei etwa 350 m ü. NN im Kreis Höxter und
bezieht sich lediglich auf eine Einzelbeob-
achtung ohne Fortpflanzungsnachweis. Der
Abb. 238: Männchen
von B. pratense (Tau -
benborn, Kreis Höxter,
10.05 .2016).
FOTO: M . LOHR
224
Höhenverbreitung entsprechend konzentrie-
ren sich die Vorkommen von B. pratense auf
das Niederrheinische Tiefland sowie auf die
Niederrheinische und die Westfälische Bucht.
Insbesondere entlang des Niederrheins ist die
Art weitverbreitet und stellenweise häufig.
Im Weserbergland ist sie weitgehend auf das
Oberwesertal und im Süderbergland auf das
Ruhrtal beschränkt, dringt aber entlang dieser
Täler zum Teil weit ins Bergland vor. Während
für die Westfälische Bucht und den Niederrhein
gebietsweise Bestandsrückgänge der Art fest-
gestellt wurden (kikiLLUs & WeitzeL 1981; artMeyer
et al. 2000), nahmen die Fundmeldungen aus
den nördlichen Randbereichen des Bergischen
Landes und des Sauerlandes seit Ende der
1980er Jahre zu. Im Jahr 2000 wurde B. pratense
erstmals auch im Weserbergland nachgewie-
sen (Lohr & Mitzka 2001). Seitdem erfolgten
hier zahlreiche Bodenständigkeitsnachweise
an Flutrinnen- und Abgrabungsgewässern
der Oberweserniederung. Eventuell sind diese
jüngeren Funde in den unteren Lagen des
Süder- und Weserberglandes auf eine höhere
Beobachterintensität zurückzuführen, da die
Art aufgrund der frühen Flugzeit oft nur durch
gezielte Suche im Mai und Anfang Juni nachzu-
weisen ist und daher leicht übersehen werden
kann. Trotzdem deuten die Nachweise auf eine
Ausbreitung der Art in den wärmebegünstig-
ten Teilen des Berglandes hin.
Lebensräume in Nordrhein-Westfalen
Brachytron pratense kommt in Nordrhein-West-
falen an stehenden bis schwach durchström-
ten Gewässern mit einer zumeist dichten
Ufervegetation vor. Fließgewässer mit stärke-
rer Strömung werden weitgehend gemieden.
Geeignete Fortpflanzungshabitate finden
sich zum einen in seenreichen Gebieten, zum
anderen in größeren Flussniederungen, wo
beispielsweise Altarme, permanent wasserfüh-
rende Flutmulden und Abgrabungsgewässer
besiedelt werden. Die Ufer sind fast immer
von Ried- oder Röhrichtbeständen bewachsen.
Diese bestehen oft aus Phragmites australis
(Schilf), dessen Bestände in Seen einen meh-
rere Meter breiten, sehr unterschiedlich dich-
ten Ufergürtel bilden können. Solche Gewässer
werden im Niederrheinischen und im Westfäli-
schen Tiefland besiedelt. Daneben findet sich
die Art auch an Gewässern mit Uferröhrichten
aus Sparganium erectum (Ästiger Igelkolben),
Iris pseudacorus (Gelbe Schwertlilie), Juncus
spp. (Binsen) und Typha spp. (Rohrkolben). In
den größeren Flussniederungen wie am Nie-
derrhein besiedelt die Art flache, oft langge-
streckte Altwässer. Diese sind zumeist eu- bis
hypertroph und besitzen daher ausgedehnte
Abb. 240: Eierlegendes
Weibchen von B. pra-
tense (Taubenborn,
Kreis Höxter, 07.06.2013).
FOTO: M . LOHR
Abb. 239: Ehemaliges
Abgrabungsgewässer als
Lebensraum von B. pra-
tense (Taubenborn,
Kreis Höxter, 05.07.2006).
FOTO: M . LOHR
225Brachytron pratense – Früher Schiläger
Verlandungsröhrichte und Großseggenrieder
sowie Schwimmblattbestände (JöDiCke 1995).
Daneben werden an der Oberweser auch
Flutrinnengewässer mit stark schwankenden
Wasserständen zur Fortpflanzung genutzt.
Hier finden sich ausgedehnte Bestände aus
Phalaris arundinacea (Rohrglanzgras) und
Glyceria maxima (Wasser-Schwaden), die zur
Flugzeit von B. pratense oft großflächig über-
flutet sind. Sekundärlebensräume der Art sind
unter anderem Abgrabungsgewässer zumeist
mittlerer Sukzessionsstadien mit ausgedehn-
ten Flachwasserzonen und einer reich struktu-
rierten Ufer- und Unterwasservegetation, wie
sie beispielsweise in der Oberweserniederung
besiedelt werden. Im Braunkohlenrevier der
Ville südwestlich von Köln werden auch Sekun-
därgewässer mit lichten Röhrichten in den ehe-
maligen Tagebauen besiedelt (sChMiDt 1989a).
Hier konnte die Art auch in den Jahren 2008-
2010 an zahlreichen Gewässern bodenständig
nachgewiesen werden (oLthoff et al. 2011).
Phänologie in Nordrhein-Westfalen
Schlupf- und Flugzeit der als Frühjahrsart
charakterisierten Brachytron pratense sind ver-
gleichsweise kurz. Dabei kann die Phänologie
der Art jahr- und gebietsweise variieren und
die individuelle Flugzeit an einem Gewässer ist
in der Regel wesentlich kürzer, als dies das Phä-
nogramm vermuten lässt. Exuvienfunde liegen
zwischen dem 10.04.(2011) und 28.06.(1997)
vor. Meist schlüpfen 90 % der Individuen eines
Gewässers fast synchron innerhalb weniger
Tage in der ersten und zweiten Mai-Dekade. In
Jahren mit einer warmen Frühjahrswitterung
kann der Schlupf bereits Ende April beginnen.
Vereinzelt noch im Juni gefundene Exuvien
dürften überwiegend bereits mehrere Wochen
alt sein. Schon wenige Tage nach dem Schlupf
sind erste Männchen an den Gewässern zu
beobachten, was auf eine kurze Reifephase
hindeutet. Die Flugzeit beginnt zumeist in der
ersten Mai-Dekade und der Höhepunkt wird
bereits in der zweiten Mai-Dekade erreicht,
spätestens ab Mitte Juni sind Imagines der Art
nur noch ausnahmsweise zu beobachten. Der
späteste Nachweis der Art gelang nach JöDiCke
et al. (1989) am 30.07.(1978).
Gefährdung und Schutz
Brachytron pratense gilt in Deutschland als
„ungefährdet“ (ott et al. 2015) und in Nord-
rhein-Westfalen als „gefährdet“ (Conze & Grön-
haGen 2011).
Die Bestandsentwicklung von B. pratense
verläuft landesweit offensichtlich nicht einheit-
lich. Während für Teile des Niederrheinischen
Tieflandes und der Westfälischen Bucht ein
Rückgang der Art vermutet wird, nehmen
seit einigen Jahren die Beobachtungen am
Rande des Berglandes zu. Dies lässt zumindest
teilweise auf eine Ausbreitung der Art mögli-
cherweise infolge einer Temperaturerhöhung
im Frühjahr zur Hauptschlupf- und Hauptflug-
zeit schließen. Trotzdem bedarf die Art eines
nachhaltigen Schutzes ihrer Gewässer. Da B.
pratense auf eine Schädigung oder Zerstörung
der Ufervegetation empfindlich reagiert, sind
entsprechende Uferbereiche vor starken Tritt-
schäden und anderen Beeinträchtigungen zu
schützen. In den Flusslandschaften sind viele
ihrer Fortpflanzungsgewässer von der Hoch-
wasserdynamik abhängig. Eine Revitalisierung
dieser Dynamik trägt daher wesentlich zum
Schutz auch dieser Art bei. So hat B. pratense
wie auch Aeshna affinis (Südliche Mosaikjung-
fer) von Auenregenerationsmaßnahmen in der
Oberweserniederung profitiert (Lohr 2010).
Mathias Lohr
Abb. 241: Das NSG
Heiliges Meer als
Lebensraum von B. pra-
tense (Kreis Steinfurt,
23.08.2009).
FOTO: S . CHEN
Abb. 242: Paarungsrad
von B. pratense (Tau -
benborn, Kreis Höxter,
07. 06 .2013 ).
FOTO: M . LOHR
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227Brachytron pratense – Früher Schiläger
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