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Libellen und ihre Erforschung in Nordrhein-Westfalen – eine lange Geschichte

Authors:
Norbert Menke, Christian Göcking,
Nina Grönhagen, Ralf Joest, Mathias Lohr,
Matthias Olthoff & Klaus-Jürgen Conze
unter Mitarbeit von Christoph Artmeyer,
Ulrich Haese & Sebastian Hennigs
Die Libellen
Nordrhein-Westfalens
Arbeitskreis Libellen
Nordrhein-Westfalen
Mit dem Werk „Die Libellen Nordrhein-Westfalens“ erscheint erstmals eine um-
fassende Zusammenstellung über alle in Nordrhein-Westfalen vorkommen-
den Libellenarten. Es wurde in ungezählten Stunden von über 400 Melderinnen
und Meldern des AK Libellen NRW erarbeitet. Die Libellen wurden erfasst und die
Beobachtungsdaten ausgewertet. Tausende Fundpunkte informieren über die Ver-
breitung der in Nordrhein-Westfalen heimischen Libellenarten.
Das Buch ist damit die Grundlage für weitere Fragen der naturkundlichen Lan-
desforschung und wird in Zukunft ein wichtiges Standardwerk darstellen, um
die Entwicklung der heimischen Libellenbestände zu überwachen. Für Ökologen,
Biologen, Studierende und interessierte Laien wird dieser Atlas für lange Zeit ein
wichtiges Nachschlagewerk zur Libellenfauna Nordrhein-Westfalens sein. Das Buch
ist allgemeinverständlich geschrieben und sehr ansprechend gestaltet. Es enthält
viele wertvolle Informationen zur Biologie dieser schönen Insektenarten und ist
somit bestens geeignet, alle Menschen für die heimischen Libellen zu begeistern.
Die Libellen Nordrhein-Westfalens
Die Herausgeber
Der Arbeitskreis Libellen Nordrhein-Westfalen (AK Libellen NRW) ist ein
ehrenamtlich arbeitender und unabhängiger Arbeitskreis von zahlreichen
Personen und Institutionen, der das Ziel hat, die bislang unzureichende Kennt-
nis der Verbreitung der Libellen in Nordrhein-Westfalen zu erweitern.
Der Arbeitskreis wurde 1996 gegründet und verfolgt das Ziel, die heimische
Libellenfauna zu erforschen, die Verbreitung der Arten festzustellen und auf
den nachhaltigen Schutz dieser Tiere hinzuwirken. Diese Arbeit erfolgt rein
ehrenamtlich und wird vom Engagement und dem Enthusiasmus der aktiven
Mitglieder getragen. Jeder kann mitmachen (www.ak-libellen-nrw.de).
Neben dem „Arbeitskreis Libellen Nordrhein-Westfalen“ ist der „Verein zur
Förderung des LWL-Museums für Naturkunde e.V., Münster“ weiterer fachlicher
Herausgeber dieses Buches. Der Verein fördert unter anderem die landeskund-
lichen Aktivitäten des LWL-Museums für Naturkunde in Münster, welches eine
über hundertjährige Tradition bei der Publikation naturkundlicher Werke in
Westfalen hat.
Mit Unterstützung von
ISBN 978-3-940726-45-2
Die Libellen
Nordrhein-Westfalens
Bearbeitet von
Norbert Menke, Christian Göcking, Nina Grönhagen, Ralf Joest,
Mathias Lohr, Matthias Olthoff & Klaus-Jürgen Conze
unter Mitarbeit von
Christoph Artmeyer, Ulrich Haese & Sebastian Hennigs
Mit Beiträgen zahlreicher Libellenkundler
Gefördert von
Nordrhein-Westfalen-Stiftung Naturschutz, Heimat und Kulturpflege
HIT Umwelt- und Naturschutz Stiftung
LWL-Museum für Naturkunde
Impressum
Titelbild: Männchen von Sympetrum sanguineum (Blutrote Heidelibelle) in der Obeliskenhaltung. Grafik: R. Rudolph
Zitiervorschlag
Menke, n., C. GöCkinG, n. GrönhaGen, r. Joest, M. Loh r, M. oLthoff & k.-J. Conze unter Mitarbeit von artMeyer , C., U. haese & s. henn iGs
(2016): Die Libellen Nordrhein-Westfalens. LWL-Museum für Naturkunde, Münster.
Einzelkapitel
BUssMann, M. (2016): Calopteryx splendens Harris, 1780. Gebänderte Prachtlibelle. In: Menke, n., C. GöCkinG, n. GrönhaGen, r. Jo est, M.
Lohr, M. oLthoff & k.-J. Conze unter Mitarbeit von artMe yer, C., U. haese & s. henniGs: Die Libellen Nordrhein-Westfalens. LWL-Museum
für Naturkunde, Münster: 68-71.
Gender-Hinweis
Autoren und Herausgeber legen großen Wert auf Gleichbehandlung. Im Sinne einer besseren Lesbarkeit der Texte wurde meist
nur die männliche Form von personenbezogenen Hauptwörtern gewählt. Dies dient der leichteren Lesbarkeit und meint immer
auch das jeweils andere Geschlecht.
Haftungsausschluss
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografi sche
Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
Herausgeberschaft
Arbeitskreis Libellen Nordrhein-Westfalen
Verein zur Förderung des LWL-Museums für Naturkunde e. V., Münster
© 2016 LWL-Museum für Naturkunde
Gesamtherstellung: Bonifatius GmbH Druck · Buch · Verlag Paderborn
ISBN 978-3-940726-45-2
Abb. 46: Karte der
Preußischen Rhein-
provinz, der Preußischen
Provinz Westfalen und des
Fürstentums Lippe von
1883, die im Wesentlichen
die Verhältnisse nach
dem Wiener Kongress
(1815) bis zum Ende des
Zweiten Weltkriegs (1945)
darstellt (Originalmaßstab
1:400.000). QUELLE:
R EPRODUKTION GEOBASIS NRW
Libellen und ihre Erforschung in Nord-
rhein-Westfalen –
eine lange Geschichte
Beginn der Libellenkunde
Grundlage für das heute gültige System der
Benennung der Arten ist das Werk „Systema Na-
turae“ (LinnaeUs 1758) von Carl von Linné (1707-
1778), der gleichzeitig Begründer der binären
Nomenklatur war. Dabei werden jeder Art ein
Gattungs- und ein Artname zugeordnet. Gibt
es für eine Art mehrere Benennungen, so erhält
der Name Priorität, der zuerst gültig vergeben
wurde. Angefügt werden dem Gattungs- und
Artnamen daher häufig auch der Autor und die
Jahreszahl der gültigen Erstbeschreibung, um
eine eindeutige Zuordnung zu ermöglichen.
In der zehnten Auflage seines „Systema
Naturae“ beschreibt Carl von Linné 18 Libellen-
arten, davon 13 auch in Europa vorkommende
(LinnaeUs 1758; fLieDner 1997). In den dann folgen-
48
Tab . 3: Ersterwähnungen
von Libellenarten für
Nordrhein-Westfalen bis
1870.
den 50 Jahren wurden vergleichsweise wenig
neue Libellenarten beschrieben, bevor sich ab
1820 die libellenkundliche Forschung inten-
sivierte. Dies war vermutlich auch eine Folge
besserer Kommunikations- und Reisemöglich-
keiten, die sich mit der zunehmenden Industria-
lisierung ergaben. So kamen in der ersten Hälfte
des 19. Jahrhunderts allein durch die Arbeiten
von vanDer LinDen (1825), der in Bologna und
Brüssel wirkte, und dem u. a. im heutigen Polen
tätigen Charpentier (1825, 1840) 24 für Europa
neue Libellenarten hinzu (vgl. fLieDner 1997). Die
Erforschung oft schwer zugänglicher Quellen
zur Libellenfauna Nordrhein-Westfalens, die auf
die Zeit vor 1850 zurückgehen, wurde bislang
nicht systematisch betrieben, sodass aus dieser
Zeit kaum Angaben zum Vorkommen von Libel-
lenarten in NRW vorliegen.
Im Jahre 1850 publizierte der belgische
Politiker und Privatgelehrte Edmond de Selys-
Longchamps (1813-1900) zusammen mit dem
in Ostpreußen praktizierenden Arzt Hermann
August Hagen (1817-1893) die erste umfas-
sende Monografie der zu diesem Zeitpunkt
bekannten europäischen Libellen, die bereits
98 Arten enthält (seLys-LonGChaMps & haGen 1850).
In diesem Werk finden sich auch die nach dem
heutigen Kenntnisstand ersten in der Literatur
dokumentierten Libellenfunde aus dem Gebiet
des heutigen Nordrhein-Westfalens (vgl. Tab. 3).
So wird der zwischen 1836 und 1848 in Siegen
tätige Lehrer und Käferkundler Eduard Suffrian
(1805-1876, BerGer 2001) zitiert, der in der Um-
gebung seines Wirkungsortes in der damaligen
preußischen Provinz Westfalen Coenagrion
hastulatum (Speer-Azur-
jungfer), Onycho-
gomphus forcipatus
(Kleine Zangenlibelle)
und Cordulegaster boltonii (Zweigestreifte Quell-
jungfer) fand. Nach koLBe (1881) wurden die
Tiere von Hagen selbst determiniert. Für den
nördlichen Teil der preußischen Rheinprovinz,
der heute zu Nordrhein-Westfalen gehört, wer-
den in seLys-LonGChaMps & haGen (1850) Funde für
Cordulegaster bidentata (Gestreifte Quelljungfer)
und Leucorrhinia dubia (Kleine Moosjungfer) aus
der Umgebung von Bonn durch Caspary sowie
für Leucorrhinia rubicunda (Nordische Moos-
jungfer) aus der Umgebung von Aachen durch
den dort als Lehrer arbeitenden Entomologen
Arnold Foerster (1810-1884) genannt.
Der erste publizierte Nachweis von Libellula
quadrimaculata (Vierfleck) für Nordrhein-West-
falen stammt aus CorneLiUs (1862), der von ei-
nem am 19. Mai 1862 über Wuppertal, Solingen
und Mettmann ziehenden Libellenschwarm
berichtet, an dem die Art beteiligt war. Beob-
achter des Schwarms hatten zwei Belegtiere
gesammelt. Welche Ausmaße, die dieser etwa
120 m breite und 10.000 m lange Schwarm
hatte, lässt sich nur erahnen: Cornelius selbst
schätzt die Anzahl der Tiere auf mehr als zwei
Milliarden. Am gleichen Tage beobachtete aL-
tUM (1862) einen Libellenschwarm, der Münster
überquerte und deren Artzugehörigkeit der
Autor jedoch nicht mit Sicherheit bestimmen
konnte. Weitere Berichte zeigen, dass solche
Libellenschwärme im 19. Jahrhundert keine
Einzelereignisse waren (CorneLiUs 1865).
Art (en) Jahr Ort Finder, Quelle
Coenagrion hastulatum
Onychogomphus forcipatus
Cordulegaster boltonii
1836-1848 Umgebung
von Siegen
Suffrian in seLys-LonGChaMps &
haGen (1850)
Cordulegaster bidentata
Leucorrhinia dubia
vor 1850 Umgebung
von Bonn
Caspary in seLys-LonGChaMps &
haGen (1850)
Leucorrhinia rubicunda vor 1850 Umgebung
von Aachen
Foerster in seLys-LonGChaMps &
haGen (1850)
Libellula quadrimaculata 1862 Mettmann CorneLiUs (1862)
Abb . 47: Belegexemplar
des Erstfundes von
Nehalennia speciosa
für Nordrhein-Westfalen
durch Albert Steeger mit
Fundortetikett: „Torfmoor
bei Gahlen (b. Wesel).
10.VI.1909, leg. A. Steeger“.
Sammlung des Zoologi-
schen Forschungsmuseums
Alexander Koenig.
FOTOS: H .J. KRAMM ER
49Libellen und ihre Erforschung in Nord rhein-Westfalen – eine lange Geschichte
Die zweite Hälfte des 19. und
der Beginn des 20. Jahrhunderts
Aufgrund historischer und politischer Verläufe
entwickelten sich im 19. Jahrhundert die bei-
den größten Landesteile des heutigen NRW
– die damalige preußische Provinz Westfalen
und der nördliche Teil der preußischen Rhein-
provinz – lange Zeit getrennt. Das heutige zu
NRW zählende „Rheinland“ gehörte zur „Preu-
ßischen Rheinprovinz“, die im Süden bis ins
heutige Saarland reichte (vgl. Abb. 46). Neben
der seinerzeit geringeren durchschnittlichen
Reichweite von Naturforschern erklärt dies
auch, warum die historischen Daten meist
einen aus unserer heutigen Sicht ungewöhn-
lichen räumlichen Bezug haben und eher nur
regional zusammengefasst wurden.
Auch die Libellenkunde entwickelte sich
in diesen beiden Landesteilen des heutigen
NRW unterschiedlich. In Westfalen erhielten
die Insekten- und damit die Libellenkunde
1872 durch die Gründung des Westfälischen
Provinzialvereins für Wissenschaft und Kunst
mit einer eigenen Zoologischen Sektion einen
bedeutenden Anstoß. Umfassende entomo-
logische Aktivitäten legten den Grundstock
für die Sammlungen, die im 1892 errichteten
Provinzialmuseum für Naturkunde in Münster
zusammengetragen wurden (vgl. BerGer 2001).
Insbesondere Ferdinand von Droste-Hülshoff
(1841-1874), der bis zu seinem frühen Tode
erster Direktor der Zoologischen Sektion war,
und Anton Karsch (1822-1892) sammelten be-
reits vor der Gründung des Vereins zahlreiche
Libellenarten in der Umgebung von Münster.
Hermann Julius Kolbe (1855-1939; Abb. 48), der
zunächst als Student in Münster und von 1879-
1882 als Lehrer in Oeding tätig war, stellte die in
den Sammlungen vorhandenen Belege zusam-
men und publizierte sie, ergänzt durch eigene
Beobachtungen und Aufsammlungen, und
zählte 1878 bereits 43 Arten (koLBe 1877, 1878a).
Kolbe war vor allem Käferkundler (Coleoptero-
loge). Die Anzahl seiner wissenschaftlichen
Publikationen beläuft sich auf etwa 350 (BerGer
2001). Ab 1882 arbeitete er in Berlin als Assis-
tent und Kustos in verschiedenen zoologischen
Sammlungen, bevor er 1900 zum Professor
berufen wurde. Insbesondere während seiner
Zeit in Münster widmete sich Kolbe auch den
Libellen. Mit Erythromma lindenii (Pokaljungfer),
E. viridulum (Kleines Granatauge), Gomphus pul-
chellus (Westliche Keiljungfer) und Ceriagrion
tenellum (Scharlachlibelle) fanden er bzw. sein
Studienfreund Friedrich Westhoff (1857-1896)
vier Arten in der Umgebung von Münster erst-
mals für Deutschland in den heutigen Grenzen
(vgl. Tab. 4). Westhoff sammelte außerdem etwa
um 1880 ein Exemplar von Sympecma paedisca,
ohne die Artzugehörigkeit zu erkennen. Die
Art war erst 1877 von Brauer aus Zentralasien
beschrieben worden (rUDoLph & rehaGe 2014).
Leider sind der genaue Fundort und das ge-
naue Funddatum nicht mehr zu rekonstruieren,
aufgrund des Etiketts und der Sammlungsakti-
vitäten von Westhoff vermuten rUDoLph & rehaGe
(2014), dass das Tier um 1880 in der Umgebung
von Münster oder Paderborn gesammelt
wurde. Damit stellt dieser Fund nach heutigem
Kenntnisstand nicht nur den ersten Nachweis
für Deutschland, sondern auch für Europa dar.
Bis 1886 erhöhte sich die Zahl der bekannten
Libellenarten für die Umgebung von Münster
auf 52 (koLBe 1886; Le roi 1907). Gemeinsam
mit dem sächsischen Entomologen Michael
Rostock (1821-1893) publizierte Kolbe auch
eine erste Gesamtliste der damals in Deutsch-
land nachgewiesenen Libellen, die 65 Arten
umfasste (rostoCk & koLBe 1888).
In der preußischen Rheinprovinz entwickelte
sich eine stärkere libellenkundliche Erforschung
erst ab etwa 1900, obwohl dort im Naturhisto-
rischen Verein der preußischen Rheinlande und
Westphalens bereits ab Mitte des 19. Jahrhun-
derts die zoologischen Sammlungsaktivitäten
gebündelt wurden. Im Jahre 1833 wurde er
als „Botanischer Verein am Mittel- und Nie-
derrheine“ gegründet, 1843 dann umbenannt
in „Naturhistorischer Verein der preussischen
Rheinlande“ und 1849 in „Naturhistorischer
Verein der preussischen Rheinlande und West-
phalens“ (Meyer 1993). Neben den bereits von
seLys-LonGChaMps & haGen (1850) erwähnten Cas-
pary und Foerster beschäftigte sich vor 1900
lediglich Philipp Bertkau (1849-1895), Universi-
tätsprofessor in Bonn, neben anderen Wirbel-
losen auch mit den Libellen der preußischen
Rheinprovinz. Er publizierte vor allem über
Spinnen, Libellenbelege sind nicht erhalten (hiL-
GenDorf 1895; Le roi 1907). Einige seiner Funde,
u. a. von Cordulegaster boltonii, Somatochlora
metallica (Glänzende Smaragdlibelle) und Cor-
dulia aenea (Falkenlibelle) aus der Wahner Heide
Abb. 48: Hermann Julius
Kolbe, etwa 1877 (links).
Aus BERGER 2001
Abb. 49: Otto le Roi
(rechts).
Aus SEEMANN 2009
50
Tab . 4: Arten, die erstma-
lig auf dem Gebiet des heu-
tigen NRW für Deutschland
in seinen heutigen Grenzen
nachgewiesen wurden.
wurden durch LeyDiG (1881), und Beobachtungen
von C. bidentata und Sympetrum fonscolombii
(Frühe Heidelibelle) ohne Nennung des Fundor-
tes von aLBarDa (1889) veröffentlicht.
Die Erkundung der Libellenfauna in der
preußischen Rheinprovinz wurde dann vor
allem durch den Zoologen Otto August le Roi
(1878–1916; Abb. 49) vorangetrieben. Le Roi
studierte Pharmazie und Naturwissenschaf-
ten in Bonn, promovierte 1906 und arbeitete
als Assistent des Bonner Zoologen Alexander
Koenig an dessen Museum in Bonn (Geyr von
sChWeppenBUrG 1917; seeMann 2009). Er nahm an
mehreren naturkundlichen Expeditionen teil,
die ihn u. a. nach Spitzbergen und nach Afrika
führten. Die Ergebnisse publizierte er und
beschrieb aus Äquatorialafrika sieben neue
Libellenarten (Le roi 1915b). In der damaligen
Rheinprovinz reiste er als vielseitig interessier-
ter Naturbeobachter, begeisterter Vogelkund-
ler und Entomologe an zahlreiche Orte und
erfasste das Arteninven-
tar unterschiedlicher
Tiergruppen. Aufgrund seiner umfangreichen
Sammlungen und der dadurch auch heute
noch zugänglichen Funddokumente setzte
er einen bedeutenden Meilenstein in der Er-
forschung der Libellen, mit denen er sich vor
allem nach seiner Promotion beschäftigte und
denen, neben den Vögeln, in den letzten Jah-
ren seines Wirkens sein Hauptinteresse galt.
Mehrere seiner insgesamt 93 Publikationen
(Geyr von sChWeppenBUrG 1917) beschäftigten sich
ausschließlich mit der Libellenfauna der preu-
ßischen Rheinprovinz. Er fasste die bis dahin
vorhandenen Kenntnisse zur Verbreitung der
Libellen zusammen und teilte seine eigenen
Funde sowie die der mit ihm zusammenarbei-
tenden Naturkundler Karl Frings (1873-1931),
Hans Geyr von Schweppenburg (1884-1963)
und August Reichensperger (1878-1962) mit.
Waren vor 1900 für die Rheinprovinz lediglich
Art Datum Ort Finder, Quelle
Erythromma lindenii
(Pokaljungfer)
22.08.1876 Emsufer bei Rheine koLBe (1877, 1878a)
Erythromma viridulum
(Kleines Granatauge)
25.05.1877 Münster, Promenade am
Stadtgraben
koLBe (1878a)
Sympecma paedisca ca. 1880 Umgebung von Münster
oder Umgebung von
Paderborn
Westhoff in rUDoLph &
rehaGe (2014)
Gomphus pulchellus
(Westliche Keiljungfer)
02.06.1881 an der Werse bei Münster Westhoff in koLBe (1886)
Ceriagrion tenellum
(Scharlachlibelle)
05.07.18 8 3 auf dem großen Moor
zwischen Coesfeld und
Stadtlohn
koLBe (1886)
Oxygastra curtisii (Gekielter
Flussfalke)
11. 06.19 4 0 Siegufer bei der Bergheimer
Fähre nahe der Siegmün-
dung in den Rhein
fastenrath (1941)
Abb. 50: Belegexem-
plar des Fundes von
Leucorrhinia caudalis für
Nordrhein-Westfalen durch
Albert Steeger mit Fund-
ortetikett: „Königsveen b.
Frasselt (Rheinprovinz).
18.VI.1911, leg. A. Steeger“.
Dieser Fundort liegt im
deutsch-niederländischen
Grenzgebiet. Sammlung
des Zoologischen
Forschungsmuseums
Alexander Koenig.
FOTOS: H .J. KRAMM ER
51Libellen und ihre Erforschung in Nord rhein-Westfalen – eine lange Geschichte
12 Libellenarten bekannt, so bezifferte le Roi
die Artenzahl 1907 bereits auf 45 (Le roi 1907).
In den folgenden Jahren sammelte er bis zu
seinem Tode im Jahr 1916 weiter Libellen-
daten, die er in Le roi (1915a) publizierte. Hier
wurden bereits 58 Arten für die preußische
Rheinprovinz genannt. Einbezogen wurden
auch Daten anderer Libellenkundler, von de-
nen er den Lehrer Albert Steeger (1885-1958)
besonders hervorhob. Letzterem gelangen
zwischen 1908 und 1914 am Niederrhein u. a.
die Erstnachweise von Coenagrion lunulatum
(Mond-Azurjungfer), Nehalennia speciosa
(Zwerglibelle) (Abb. 47), Somatochlora arctica
(Arktische Smaragdlibelle), Leucorrhinia cau-
dalis (Zierliche Moosjungfer) (Abb. 50) und
Orthetrum brunneum (Südlicher Blaupfeil) (Le
roi 1915a; JöDiCke 1985). Mit seinen umfang-
reichen Forschungen legte le Roi die Grund-
lage für die folgenden Generationen von
Libellenkundlern.
Erste Funde aus dem östlichen Westfalen
stammen aus den ersten 15 Jahren des 20. Jahr-
hunderts aus der Umgebung von Bielefeld.
Sammler waren hier Theodor Kriege, Friedrich
Landwehr und Karl Pollmann. Deren Funde
wurden von krieGe (1914) publiziert. Ein bei
Bielefeld gefangenes Tier, das Kriege an le Roi
schickte und von diesem nachbestimmt wurde
(Le roi 1915a), stellt den Erstnachweis von Aeshna
affinis (Südliche Mosaikjungfer) für NRW dar.
Die Zeit nach
dem Ersten Weltkrieg bis 1945
Während und kurz nach dem Ersten Weltkrieg
kamen die Aktivitäten der Libellenkundler zum
Erliegen. Nicht zuletzt der Tod Otto le Rois auf
den Schlachtfeldern Osteuropas verdeutlicht
auch den Zusammenhang zwischen Zeitge-
schichte und naturkundlicher Betätigung. Erst
ab den frühen 1920er Jahren setzte wieder eine
libellenkundliche Forschung ein.
Von großer Bedeutung für die Odonatologie
auch auf globaler Ebene ist das Werk von Erich
Schmidt (1890–1969). Er promovierte 1914 in
Bonn, arbeitete nach dem Ersten Weltkrieg als
wissenschaftlicher Mitarbeiter und wechselte
1934 ans Museum Alexander König in Bonn.
Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete Schmidt
weiterhin in Bonn und publizierte mehr als 90
Beiträge mit überwiegend libellenkundlichen
Inhalten (heyMer & sChöttner 1967). Waren es zu-
nächst regionalfaunistische Veröffentlichungen
über die Libellen des Rheinlandes (sChMiDt, er.
1926), so arbeitete er später auch über die Libel-
len anderer Kontinente und beschrieb u. a. 69
neue Arten (z. B. sChMiDt, er. 1931, 1961). Für die
„Tierwelt Mitteleuropas“ – den „Brohmer“ (Broh-
Mer et al. 1929) – bearbeitete er bereits Ende
der 1920er Jahre die Libellen (sChMiDt, er. 1929).
In den 1930er Jahren legte er mehrere Bestim-
mungsschlüssel für die letzten Larvenstadien
einiger Libellenfamilien für Mitteleuropa vor
und verbesserte damit deutlich deren Bestimm-
barkeit (z. B. sChMiDt, er. 1936). Er hinterließ eine
der größten privaten Libellensammlungen mit
über 30.000 Tieren und 1.200 Arten, unter ihnen
ein für die Zeit hoher Anteil von Exuvien und Be-
lege von Funden aus der Umgebung von Bonn
(BUChhoLtz 1969; sChMiDt, E. G. 1983).
Im zweiten und dritten Jahrzehnt des 20. Jahr-
hunderts
war Richard Schmidt (1866-1939) in
Abb. 51: Auszug aus dem
Beobachtungstagebuch
von Hugo Fastenrath mit
Einträgen zu Oxygastra
curtisii.
52
Abb. 52: Belegexemplar
eines am 4. September 1938
von H. Beyer am Erdfallsee
im NSG Heiliges Meer
gesammelten Weibchens
von Sympecma paedisca.
Sammlung des LWL-Muse-
ums für Naturkunde.
F OTO: S. HEN NIGS
der Umgebung von Münster libellenkundlich
aktiv. Die von ihm erhobenen Daten veröf-
fentlichte er in mehreren Publikationen (z. B.
sChMiDt, r. 1926). Mit Somatochlora flavoma-
culata (Gefleckte Smaragdlibelle) und Leu-
corrhinia caudalis konnte er zwei Arten neu
für den westfälischen Landesteil nachweisen,
beschrieb aber bereits den Landschaftswandel
als Ursache für den Rückgang vieler Arten seit
den Beobachtungen von Kolbe in den 1870er
Jahren (sChMiDt, R. 1921).
Fritz Peus (1904-1978) beschäftigte sich vor
allem in seiner in Münster durchgeführten
Promotion mit der Tierwelt der nordwest-
deutschen Hochmoore. Ihm gelang am 21.
September 1926 der erste Fund von Aeshna
subarctica (Hochmoor-Mosaikjungfer) für
Nordrhein-Westfalen. Das Tier war zunächst
als A. juncea (Torf-Mosaikjungfer), später dann
von Erich Schmidt als A. subarctica bestimmt
worden (peUs 1928). Nachdem die Art 1908 von
WaLker (1908) aus Kanada beschrieben worden
war, wurde ihre Existenz in Europa und auch in
Deutschland erst 1927 entdeckt (ris 1927).
Aus dem an Libellen vergleichsweise ar-
tenarmen Süderbergland waren bereits im
19. Jahrhundert von Suffrian drei Libellenar-
ten nachgewiesen worden (s. o.). Erst etwa
100 Jahre später wurden dann weitere Libel-
lenfunde vom Heimatforscher L. Dobbrick aus
Hüsten im nördlichen Sauerland dokumentiert,
der hier insgesamt 17 Arten nachwies, darunter
für diese Landschaft typische Arten wie Cor-
dulegaster boltonii, C. bidentata und Calopteryx
virgo (Blauflügel-Prachtlibelle) (DoBBriCk 1934).
In der Zeit zwischen den Kriegen gelang
dem in Münster arbeitenden Präparator und
Entomologen Franz Vornefeld (1871-1958) ein
Neunachweis für Nordrhein-Westfalen bei
Münster durch die Beobachtung von Aeshna
viridis (Grüne Mosaikjungfer) im Jahr 1939 (Gries
& oonk 1975). Außerdem gelang ihm 1926 der
zweite Nachweis von Sympecma paedisca für
NRW. Von beiden Arten sind Belegtiere dieser
seit den 1960er Jahren in NRW verschollenen
Arten in der Sammlung des LWL-Museums für
Naturkunde vorhanden (Abb. 52, 53).
Der politischen Entwicklung geschuldet,
stammen aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges
nur sehr wenige Informationen zu Libellenvor-
kommen in unserem Land. Hervorzuheben
sind die gut dokumentierten Beobachtungen
von Hugo Fastenrath, der aus dem unteren
Siegtal eine Reihe noch heute relevanter
Fundmeldungen publizierte. Der in Schladern
geborene Postbeamte war ein begeisterter
Hobby-Entomologe und zugleich einer der
ersten, der Libellenvorkommen über einen
längeren Zeitraum untersuchte und seine Be-
obachtungen akribisch notierte. Seine im Beruf
erworbene Akkuratesse ordentlicher Buchfüh-
rung übertrug er auch auf die Dokumentation
seiner Freilandbeobachtungen. Dieser Diszip-
lin verdanken wir aus dem Zeitraum zwischen
53Libellen und ihre Erforschung in Nord rhein-Westfalen – eine lange Geschichte
1932 und 1959 etwa 1.400 Fundmeldungen, die
vom Arbeitskreis Libellen NRW aus dem noch
in Süterlin verfassten Beobachtungstagebuch
ausgewertet werden konnten (Abb. 51). Beson-
ders hervorzuheben sind seine Beobachtun-
gen von Oxygastra curtisii (Gekielter Flussfalke)
an der unteren Sieg, die er dort erstmals am 11.
Juni 1940 feststellte (fastenrath 1941). Dies ist
gleichzeitig der Erstnachweis für Deutschland
(vgl. Tab. 4). In den folgenden Jahren gelangen
ihm dort weitere Beobachtungen der Art, z. T.
zusammen mit Erich Schmidt, bis 1943 (fas-
tenrath 1950). Seitdem gilt die Art für NRW als
verschollen. Mit Leucorrhinia albifrons (Östliche
Moosjungfer) wies Fastenrath am 11. Juli 1941
in Bonn (kikiLLUs & WeitzeL 1981) eine weitere Art
neu für die Libellenfauna Nordrhein-Westfa-
lens nach.
Die frühen Jahre von
Nordrhein-Westfalen bis heute
Nach der Gründung unseres Bundeslandes im
Jahr 1949 wuchsen die Landesteile – neben
dem nördlichen Teil der preußischen Rheinpro-
vinz und der preußischen Provinz Westfalen
war dies auch das Land Lippe im Nordosten
– erst nach und nach zusammen. So nimmt
es nicht Wunder, dass sich auch die Libellen-
kunde in den Landesteilen zunächst getrennt
weiterentwickelte.
Im Münsterland war es vor allem Helmut
Beyer (1905-1989), der libellenkundlich aktiv
war. Er studierte in Münster und war zunächst
am Westfälischen Provinzialmuseum für Na-
turkunde in Münster und dann als Leiter der
Biologischen Station „Heiliges Meer“ bei Recke
beschäftigt (BerGer 2001). Er sammelte zahlrei-
che Libellendaten in der Westfälischen Bucht,
insbesondere im Naturschutzgebiet „Heiliges
Meer“ (Kreis Steinfurt), wo er u. a. Leucorrhinia
caudalis beobachtete (Beyer 1938, 1956). Einige
seiner Libellenfunde sind auch bei Gries & oonk
(1975) dokumentiert. Im Jahre 1979 war der viel-
seitig interessierte Naturkundler Mitbegründer
der Gesellschaft deutschsprachiger Odonato-
logen (GdO) in Münster (rUDoLph 1990).
Mit Paul Münchberg (1905-1999) kam ein über
die Grenzen Nordrhein-Westfalens bekannter
Libellenkundler nach dem Zweiten Weltkrieg
nach NRW. Er lebte während der ersten drei
Jahrzehnte seines Lebens bei Landsberg an der
Warthe im heutigen Westpolen (JUrzitza 1975),
wo er umfangreiche Untersuchungen zur Bio-
logie und Ökologie der Libellen durchführte
und die Ergebnisse in mehreren wegweisen-
den und noch heute aktuellen Publikationen
veröffentlichte (z. B. MünChBerG 1930). Für einige
der von ihm untersuchten Arten gibt es zum
Lebenszyklus und zur Entwicklungsdauer bis
heute keine aktuelleren Untersuchungen. Er
studierte in Kiel, promovierte und arbeitete
dann als Lehrer. Nach dem Zweiten Weltkrieg
war er in Dortmund und Gelsenkirchen als
Chemiker und Lehrer tätig. In dieser Zeit publi-
zierte er u. a. Beobachtungen zur Biologie und
Ökologie einer westfälischen Population von
Cordulegaster boltonii (MünChBerG 1964) und
erforschte im Umfeld seines neuen Wohnortes
die Besiedlung von Bombentrichtern u. a. durch
Libellen (MünChBerG 1956a). Daneben war er
einer der ersten, der sich mit der Parasitierung
von Libellen durch Wassermilben beschäftigte
(MünChBerG 1935). Diese Forschungen setzte er
auch in seiner Zeit in Nordrhein-Westfalen fort,
wovon zahlreiche Veröffentlichungen zeugen
(z. B. MünChBerG 1965).
Abb. 53: Belegexemplar
eines am 4. August 1940
von H. Beyer am Herthasee
bei Hörstel gesammelten
Männchens von Aeshna
viridis. Sammlung des
LWL-Museums für Natur-
kunde. FO TO: S. HENN IGS
54
In den 1960er und 1970er Jahren wurden zwei
Libellenarten erstmals für Nordrhein-Westfalen
festgestellt. Für Coenagrion scitulum (Gabel-A zur-
jungfer) gelang der Erstfund kieBitz (1962), der
am 21. Mai 1961 an den Rietberger Fischteichen
(Kreis Gütersloh) ein Männchen fing, das von
Paul Münchberg nachbestimmt wurde. Am 7. Juli
1977 beobachtete W. Ferwer ein Männchen von
Crocothemis erythraea (Feuerlibelle), das den
ersten dokumentierten Fund dieser Art für Nord-
rhein-Westfalen darstellt (WeitzeL 1978).
Mit der zunehmenden Mobilität vieler Li-
bellenkundler erweiterte sich deren Radius
deutlich und erste zusammenfassende Ver-
öffentlichungen zur Libellenfauna größerer
Gebiete in Nordrhein-Westfalen erschienen ab
den 1970er Jahren. Für die Westfälische Bucht
stellten Brunhild Gries und Werner Oonk alle
bis dahin bekannten Libellenfunde zusammen
(Gries & oonk 1975) und ergänzten sie durch eine
Aufstellung der in den öffentlich zugänglichen
Sammlungen vorhandenen Libellenbelege für
diesen Naturraum. Ein erster Verbreitungsatlas
erschien für das Rheinland in den Grenzen
der ehemaligen preußischen Rheinprovinz
durch Rüdiger Kikillus und Matthias Weitzel
als Rasterkartierung (kikiLLUs & WeitzeL 1981).
Die Ende der 1970er Jahre erstellte Rote Liste
der Libellen des Landes NRW enthielt bereits
44 gefährdete Arten und Vermehrungsgäste
(BaUer et al. 1979). Addiert man die bis 1980 in
NRW nachgewiesenen, jedoch nicht als ge-
fährdet eingestuften Arten, so war zu diesem
Zeitpunkt das Vorkommen von 68 Arten für
das Bundesland dokumentiert.
Die Inventarisierung der Libellen wurde auch
in den 1980er Jahren fortgeführt. Im südwest-
lichen Teil des Niederrheinischen Tieflandes
kartierten vor allem Reinhard Jödicke, Ulrike
Krüner, Georg Sennert und Jan T. Hermans. Sie
publizierten die Ergebnisse und legten eine
quantitative Analyse für die Bestandstrends
der erfassten Arten vor (JöDiCke et al. 1983,
1989). Zunehmend rückten auch phänolo-
gische Aspekte durch Angabe von Erst- und
Letztbeobachtungen in das Blickfeld der Li-
bellenkundler (z. B. JöDiCke et al. 1989). Für den
westfälischen Landesteil stellte der zunächst
am Landesmuseum und später an der Univer-
sität in Münster tätige Rainer Rudolph alle bis
dahin veröffentlichten Daten und Museumsbe-
lege sowie unpublizierte Libellenbeobachtun-
gen in einem unveröffentlichten Manuskript
zusammen und erstellte eine Verbreitungs-
übersicht (rUDoLph 1989). Darin enthalten sind
auch zahlreiche in anderen Publikationen
veröffentlichte Funde von ihm, u. a. der Wie-
derfund von Erythromma lindenii an der Ems
bei Münster im Juli 1967, 91 Jahre nach dem
Erstfund der Art für Deutschland durch Kolbe
und nur 500 m von dessen Fundort entfernt
(rUDoLph 1976). Neben diesen überregionalen
Datensammlungen erschienen zahlreiche
weitere Publikationen über die Libellenfauna
einzelner Gebiete oder Regionen von in den
1980er Jahren aktiven Odonatologen (z. B.
sChMiDt, e. G. 1983b; steinBorn 1983; CLaUsen 1987;
hahn 1989; sChMiDt, e. G. 1989).
Trotz der relativ guten Durchforschung der
Libellenfauna Nordrhein-Westfalens gelangen
seit 1980 für fünf weitere Arten Erstfunde für
das Bundesland. Erstmals am 31. August 1981
wurde Sympetrum pedemontanum (Gebän-
derte Heidelibelle) im Kreis Siegen-Wittgen-
stein beobachtet (BeLz & fUhrMann 2000), bevor
in den Folgejahren weitere Funde gelangen
(JöDiCke & Woike 1985). Es folgte der Erstfund für
Anax parthenope (Kleine Königslibelle) im Jahr
1983 im rheinischen Braunkohlerevier der Ville
südlich von Köln (LeMpert 1984). Für Coenagrion
ornatum (Vogel-Azurjungfer) erbrachten BUsse
& CLaUsen (1987) den ersten dokumentierten
Nachweis im nördlichen Ostwestfalen. Die
Art war für Westfalen bereits von koLBe (1877,
1878a) und sChMiDt, r. (1926) angegeben wor-
den. Nach Gries & oonk (1975) sind diese Funde
nicht belegt und zu streichen. Für das Rhein-
land widerrief bereits Le roi (1915a) frühere
Angaben der Art (Le roi 1907; reMkes 1909) als
Fehlbestimmungen.
Anax ephippiger (Schabracken-Königslibelle)
wurde erstmals im September 1989 in der
Bonner Innenstadt für Nordrhein-Westfalen
nachgewiesen (roDenkirChen & sChMiDt 1990). Für
Sympetrum meridionale (Südliche Heidelibelle)
gelang BöhM (2002) im Jahr 2000 bei Monheim
(Kreis Mettmann) der erste gesicherte Nach-
weis für NRW. Die Art war bereits 1930 von
kraB s (1932) für die Senne im östlichen West-
falen angegeben worden. Da der Fund jedoch
nicht belegt ist, wurde er nicht berücksichtigt
(Diskussion in BöhM 2002).
Am 27. Januar 1996 gründete sich der AK
Libellen NRW als „Arbeitskreis zum Schutz
und zur Kartierung der Libellen in Nord-
rhein-Westfalen“. Ein wesentliches Ziel dieses
Arbeitskreises war die Erstellung eines ersten
Verbreitungsatlasses für das gesamte Bundes-
land. Hierzu wurden von Beginn an sowohl die
bereits vorhandenen Daten als auch die von
den vielen Mitgliedern des Arbeitskreises ab
Mitte der 1990er Jahre erhobenen Daten in ei-
ner Datenbank zusammengeführt. Dabei bilde-
ten die oben erwähnten Zusammenstellungen
für die unterschiedlichen Regionen und Teile
Nordrhein-Westfalens (kikiLLUs & WeitzeL 1981;
JöDiCke et al. 1989; rUDoLph 1989) eine wichtige
Basis für die aktuellen Kartierungen und den
Aufbau der Datenbank des Arbeitskreises Li-
bellen NRW, deren Ergebnisse in diesem Werk
vorgelegt werden.
Mathias Lohr & Klaus-Jürgen Conze
55Libellen und ihre Erforschung in Nord rhein-Westfalen – eine lange Geschichte
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