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LEONID SHMATENKO / STEFAN MÖLLENKAMP
Digitale Zahlungsmittel in einer analog
geprägten Rechtsordnung
Bitcoins
A bit(coin) out of control – Rechtsnatur und schuldrechtlichen
Behandlung von Kryptowährungen
„Your legal concepts of property, expression, identity, move-
ment, and context do not apply to us. They are all based on
matter, and there is no matter here.“ Dies proklamierte einst
der amerikanische Poet und Freigeist John Perry Barlow, der als
Mitbegründer der NGO Electronic Frontier Foundation für
Rechte im digitalen Zeitalter und eine möglichst weitgehende
Deregulierung des Internets eintrat. Digitale Phänomene wie
Kryptowährungen sind nur schwer den bestehenden Konzep-
ten einer ursprünglich durch körperliche Gegenstände gepräg-
ten Rechtsordnung zu unterwerfen. Dieser Aufsatz versucht
am Beispiel von Bitcoins diese Erscheinungen in bestehende zi-
vilrechtliche Strukturen einzuordnen und zu klären, ob der Ge-
setzgeber regulierend einschreiten sollte. Hierzu werden nach
einer Einleitung zu Kryptowährungen (I.) ihre Rechtsnatur (II.)
und Behandlung i.R.d. Schuldrechts (III.) erörtert.
Lesedauer: Minuten
I. Einleitung
Zum Zeitpunkt der Entstehung dieses Beitrags gab es rd. 1.564
Kryptowährungen1
1Derzeitige Marktkapitalisierung aller Kryptowährungen, s. CoinMarketCap, ab-
rufbar unter: https://bit.ly/2deiFHU.
mit einer Marktkapitalisierung von ca. US-$
333 Mrd. Kein Tag vergeht ohne den Start (sog. Initial Coin Of-
fer, ICO) einer neuen, von staatlichen Organen nicht regulierten
und nicht durch Goldreserven gestützten Kryptowährung – oh-
ne Beteiligung einer Nationalbank. Während nun vereinzelte
Staaten selbst die Einführung eigener, „offizieller“ Kryptowäh-
rungen forcieren2
2dpa-Meldung, abrufbar unter: https://bit.ly/2GTUegI.
oder diesbezügliche Regelungen aufstellen
möchten, verbleiben die übrigen weitgehend unbeeinflusst von
staatlichen Stellen. Auch Bitcoins haben keinen formellen Emit-
tenten, werden allein unter Einsatz von Rechenleistung „er-
zeugt“ und sind theoretisch weltweit zu Zahlungszwecken ein-
setzbar.3
3Freitag, in: BeckOGK, Stand: 15.8.2017, § 244 Rdnr. 18; s.a. Erbguth/Fasching,
ZD 2017, 560; zur Technik s. Müller, ZfIR 2017, 600 und Bechtolf/Vogt, ZD 2018,
66.
Trotz ersten Einordnungsversuchen4
4Kütük-Markendorf, Rechtliche Einordnung von Internetwährungen im deut-
schen Rechtssystem am Beispiel von Bitcoin, 2016; Boehm/Pesch, MMR 2014, 75;
Engelhardt/Klein, MMR 2014, 355.
ist die juristische
Handhabung der noch jungen privaten, virtuellen Währungen
bis heute umstritten.
II. Rechtsnatur von Kryptowährungen
Eine Charakterisierung von Kryptowährungen fällt schwer; im
BGB finden sich hierzu offensichtlich keine expliziten Regelun-
gen. Bisher wurde u.a. versucht, diese als Geld5
5Beck, NJW 2015, 580.
oder Sache6
6Engelhardt/Klein (o. Fußn. 4).
zu
qualifizieren. Auch die schuldrechtliche Einordnung wurde dis-
kutiert.7
7Beck/König, JZ 2015, 130.
Hieraus ging eine breit vertretene Ansicht hervor, die sie
als private Währungen einstuft,8
8Boehm/Pesch (o. Fußn. 4); Spindler/Bille, WM 2014, 1357; Engelhardt/Klein (o.
Fußn. 4).
welche jedoch kein „Geld im
Rechtssinne“ darstellen.9
9Freitag (o. Fußn. 3), Rdnr. 25.
Sie sollen demnach nicht Gegenstand
von Geldschulden sein können.10
10 Boehm/Pesch (o. Fußn. 4); Spindler/Bille (o. Fußn. 8); Engelhardt/Klein (o.
Fußn. 4).
Weitgehende Einigkeit be-
steht inzwischen jedenfalls darin, dass es sich mangels Körper-
lichkeit nicht um Sachen i.S.v. § 90 BGB handeln kann, auch
wenn vereinzelt eine analoge Anwendung der §§ 929 ff. BGB
erwogen wird.11
11 Vbw, Blockchain und Smart Contracts – Recht und Technik im Überblick, Okto-
ber 2017, S. 37; Arbeitsgruppe „Digitaler Neustart“ der Konferenz der Justizminis-
terinnen und Justizminister der Länder, Bericht v. 15.5.2017, S. 264; Heine,NStZ
2016, 441, 444; Rückert, MMR 2016, 295, 296; Kaulartz, CR 2016, 474, 478;
Spindler/Bille (o. Fußn. 8); Kütük/Sorge, MMR 2014, 643, 644; Boehm/Pesch (o.
Fußn. 4), S. 77; Kuhlmann, CR 2014, 691, 694.
Die gegenteilige Mindermeinung wird vor al-
lem von Freitag und Beck vertreten.12
12 Freitag (o. Fußn. 3), Rdnr. 25; so auch Beck (o. Fußn. 5); wohl e benfalls Schlich-
ting, Inkohärenzen im Geldschuldrecht, 2017, S. 139 ff. und Kuhlmann (o.
Fußn. 11), S. 695.
1. Geld
Ausgangspunkt der zivilrechtlichen Einordnung ist der Geldbe-
griff. Dieser wird im BGB nicht ausdrücklich definiert, aber u.a.
in den §§ 244, 245, 251, 253, 270, 288, 291, 488, 935 BGB ver-
wendet. Der BGH definiert Geld als „jedes von einem in- oder
ausländischen Staat oder einer durch ihn ermächtigten Stelle als
Wertträger beglaubigte, zum Umlauf im öffentlichen Verkehr
bestimmte Zahlungsmittel ohne Rücksicht auf einen allgemei-
nen Annahmezwang.“13
13 Mössner, in: BeckOGK, Stand: 15.8.2017, § 90 Rdnr. 100.1; BGH NJW 2013,
2888, Rdnr. 8; BGH NJW 1984, 1311 m.w.Nw.; Martens, JuS 2014, 105.
Geldzeichen – also Banknoten und
Geldmünzen – werden durch einen Hoheitsakt (Widmung) zu
offiziellen Zahlungsmitteln. Es findet eine Monetisierung bzw.
Begeltung statt, ohne die Geldzeichen zum Eigentum der öf-
fentlichen Hand zu machen, da diese im Gegensatz zur Institu-
tion „Geld“ an sich nicht unmittelbar öffentlichen Zwecken die-
nen.14
14 Mössner (o. Fußn. 13).
Der Geldbegriff wird vom BGH also vorrangig institutio-
nell anhand der staatlichen Anerkennung eines bestimmten
Zahlungsmittels definiert und bezieht sich auf Geld i.e.S., also
Sachgeld in Form von Bargeld.
Davon zu unterscheiden ist das sog. Buch- bzw. Giralgeld, das
als Guthabenforderung des Kontoinhabers gegenüber einem
Kreditinstitut besteht und mit dem der Inhaber bargeldlos be-
zahlen kann.15
15 Pesch, Cryptocoin-Schulden, 2017, S. 73 f.; Kaulartz (o. Fußn. 11), S. 477;
Beck (o. Fußn. 5), S. 581; Engelhardt/Klein (o. Fußn. 4), S. 356.
Trotz der enormen Bedeutung für den geschäft-
lichen Verkehr ist es h.M., dass es sich bei Buchgeld nicht um ein
„gesetzliches Zahlungsmittel“ i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 1 BBankG
handelt.16
16 Schefold, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., 5. Aufl. 2017,
§ 115 Rdnr. 39.
Seinem Ursprung nach ist es aber ebenfalls auf eine
Geldschuld – die ursprüngliche Einzahlung von Bargeld oder die
Abtretung einer auf Geldsortenschulden beruhenden Forde-
rung – zurückzuführen. Buchgeld wird daher sowohl vom kon-
kret-funktionellen, wirtschaftlichen Verständnis als auch vom
institutionellen Geldbegriff aus als Geld verstanden, unterfällt
damit dem allgemeinen Geldbegriff und stellt eine Geldforde-
rung dar.17
17 Schefold (o. Fußn. 16), Rdnr. 36 f.
Fraglich ist, ob auch die unzweifelhaft nicht als Bargeld zu cha-
rakterisierenden Kryptowährungen dem allgemeinen Geldbe-
griff unterfallen. Dazu müssten sie ebenfalls i.S.e. konkret-funk-
tionellen, wirtschaftlichen Verständnisses die wesentlichen
Geldeigenschaften besitzen. Man könnte insoweit versuchen,
diese Eigenschaften anhand eines Vergleichs zum Buchgeld zu
begründen. Bei genauerer Betrachtung ist aber festzustellen,
dass wesentliche Unterschiede bestehen. So liegt bei Krypto-
währungen gerade keine Forderung gegenüber einem Kreditin-
stitut vor, da Kryptowährungen nicht dort aufbewahrt, sondern
allein in der vom P2P-Netzwerk geführten Blockchain abgebil-
det und über das Wallet des Nutzers „verwaltet“ werden. Das
dürfte sich auch zukünftig nicht ändern, da sie gerade eine von
klassischen Kreditinstituten unabhängige Währung sein möch-
ten. Folglich besteht allein die faktische Möglichkeit zur Verfü-
gung über die in der Wallet eines Teilnehmers abgebildeten und
auf der Blockchain dem Nutzer zugeordneten Währungseinhei-
ten einer Kryptowährung.18
18 Grüneberg, in: Palandt, 75. Aufl. 2016, § 245 Rdnr. 4; Sorge/Krohn-Grimberg-
he, DuD 2012, 479, 483; Djazayeri, jurisPR-BKR 6/2014 Anm. 1; Köndgen, in: Be-
ckOGK, Stand: 15.11.2017, § 675c Rdnr. 127; Terlau, in: Schimansky/Bunte/
Lwowski, Bankrechts-Hdb., 5. Aufl. 2017, § 55a Rdnr. 149; BaFin-Merkblatt v.
22.12.2011, Hinweise zum Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz, Abschnitt 4.b.
Dass kein vertragliches Forderungs-
recht gegen „die Blockchain“ bestehen kann, wird an der Tatsa-
che deutlich, dass theoretisch von jetzt auf gleich sämtliche Kno-
ten das P2P-Netzwerk verlassen können.
Neben einem Forderungsrecht gegenüber der Aufbewahrungs-
stelle fehlt es darüber hinaus auch an der Fungibilität, da sich
herkömmliche Kryptowährungen nur sehr bedingt als unmittel-
bares Zahlungsmittel eignen. Transaktionen müssen mit auf-
wändigen Rechenprozessen bestätigt werden und befinden sich
bis dahin in einem „Schwebezustand“. Dies verzögert den
Nachweis der Erfüllungshandlung und eine Anschlusstransak-
tion erheblich. Schon jetzt kann das Bitcoin-P2P nur ca. sieben
Transaktionen pro Sekunde abarbeiten – nach Abschaltung der
größten Mining-Knoten in China19
19 Gilbert, abrufbar unter: https://bit.ly/2EmRUKc.
dürfte sich diese Zahl sogar
noch verringern. Verglichen mit dem zentral verwalteten VISA-
Zahlungssystem, das laut Angaben des Betreibers 65.000 Trans-
aktionen pro Sekunde verarbeiten kann,20
20 Visa Europe Services Inc., abrufbar unter: https://bit.ly/2HahKnC.
ist dies sehr wenig.
Trotz noch immer geringer Verbreitung von Bitcoin-Zahlungen,
ist deren Technologie bereits an ihr Limit gestoßen.21
21 So kostete eine 10-Euro-Überweisung („b 500“) von einem Smartphone Wallet
am 18.12.2017 über 12,– Gebühr („b 611 fee“) und die Transaktion wurde erst
nach zwei Stunden bestätigt; unmittelbarer Handel wird unmöglich; Risiko eines
Kurssturzes besteht.
Viele „Early
Adopter“ haben sich deswegen zurückgezogen.22
22 Valve Corporation, abrufbar unter: https://bit.ly/2zU19QB; Dölle, abrufbar un-
ter: https://bit.ly/2m2WAOV.
Kryptowäh-
rungen können also grundsätzlich als (Gegen-)Leistung eines
schuldrechtlichen Geschäfts dienen, sind jedoch als stets und
kurzfristig zur Verfügung stehendes Zahlungsmittel nicht geeig-
net. Vom konkret-funktionellen, wirtschaftlichen Geldbegriff
sind sie somit nicht erfasst und dienen eher als Spekulationsob-
jekt.
Darüber hinaus sind sie auch aus institutioneller Sicht nicht dem
Geld zuzuordnen. Hinsichtlich der Kryptowährung an sich fehlt
es an der hierfür erforderlichen staatlichen Anerkennung. Da
der Besitz an ihr allein faktisch vermittelt wird und es auf Grund
der Besonderheit ihres Schaffungsprozesses an der Hinterle-
gung mit einer Forderung fehlt, die ihrerseits auf ein gesetz-
liches Zahlungsmittel zurückgeführt werden kann, sind die ein-
zelnen Währungseinheiten völlig von gesetzlichen Zahlungsmit-
teln und damit von einer gesetzlichen Anerkennung entkoppelt.
Sie stellen weder aus institutioneller, noch aus konkret-funktio-
neller, wirtschaftlicher Sicht Geld dar und unterfallen nicht dem
allgemeinen Geldbegriff. Dies entspricht auch der zutreffenden
h.A.23
23 BT-Drs. 17/14530, S. 41; Dennhardt, in: BeckOK BGB, 43. Ed., Stand:
15.6.2017, § 362 Rdnr. 41; Mössner (o. Fußn. 13); Schlichting (o. Fußn. 12), S. 50;
Richter/Augel, FR 2017, 937, 939; Beck (o. Fußn. 5), S. 581 f.; Engelhardt/Klein (o.
Fußn. 4), S. 356; Kütük/Sorge (o. Fußn. 11); Martens (o. Fußn. 13); Eckert,DB
2013, 2108; krit. auch Boehm/Bruns, in: Bräutigam/Rücker, E-Commerce, 1. Aufl.
2017, 13. E. I. Rdnr. 10 f.
Fraglich ist jedoch, ob eine europarechtskonforme Auslegung
des Geldbegriffs erforderlich ist, sodass auch Kryptowährungen
erfasst sind. Nach Art. 4 Nr. 15 der Zahlungsdiensterichtlinie
(ZDRL)24
24 RL 2007/64/EG v. 13.11.2007.
und i.S.d. Zweiten E-Geld-Richtlinie (E-Geld-RL)25
25 RL 2009/110/EG v. 16.9.2009.
ist
vom Geldbegriff neben Bar- und Buchgeld auch „E-Geld“ er-
fasst. Gem. § 1a Abs. 3 ZAG ist E-Geld ein elektronisch, darun-
ter auch magnetisch, gespeicherter monetärer Wert in Form
einer Forderung gegenüber dem Emittenten, der gegen Zah-
lung eines Geldbetrags ausgestellt wird, um damit Zahlungsvor-
gänge i.S.d. § 675f Abs. 3 Satz 1 BGB durchzuführen, und der
auch von anderen natürlichen oder juristischen Personen als
dem Emittenten angenommen wird. Damit entspricht die Defi-
nition des § 1a Abs. 3 ZAG weitestgehend dem Art. 2 Nr. 2 E-
Geld-RL. Unbestritten verkörpern Kryptowährungen einen mo-
netären,26
26 S. Casper/Terlau, Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz: ZAG, 2014, § 1a Rdnr. 41 f.
und 151.
elektronisch gespeicherten Wert, da sie als Tausch-
und Zahlungsmittel fungieren (wollen).27
27 Terlau (o. Fußn. 18), Rdnr. 148; Eckert (o. Fußn. 23); a.A. Djazayeri (o.
Fußn. 18).
Zwar werden sie nicht
überall akzeptiert, jedoch ist eine Allgemeinakzeptanz für die Er-
füllung des Tatbestandsmerkmals „monetär“ nicht erforderlich;
(irgend-)eine Drittakzeptanz i.S.d. § 1a Abs. 3 ZAG reicht aus.28
28 Terlau (o. Fußn. 18), Rdnr. 148; Casper/Terlau (o. Fußn. 26).
Die Charakterisierung als E-Geld scheitert jedoch daran, dass
§ 1a Abs. 3 ZAG ausdrücklich eine Forderung gegen einen Emit-
tenten voraussetzt, woran es bei Kryptowährungen gerade
fehlt.29
29 Grüneberg (o. Fußn. 18); Sorge/Krohn-Grimberghe (o. Fußn. 18); Djazayeri (o.
Fußn. 18).
Ein Teil der Literatur möchte sich dennoch unter Verweis
auf die AGB der Tauschbörsen und trotz der dort fehlenden Ga-
rantie einer Konvertibilität in reale Währungen30
30 European Central Bank, Virtual Currency Schemes, Oktober 2012, S. 16.
darauf stützen,
dass zumindest ein allgemein und jederzeit zugängliches Kon-
vertierungsverfahren auf organisierten Sekundärmärkten zur
Verfügung stünde. Köndgen schlussfolgert hieraus, dass dem
Erwerber somit eine Forderungsposition i.S.d. § 1a Abs. 3 ZAG
eingeräumt würde.31
31 Köndgen (o. Fußn. 18), Rdnr. 129.
Gleichwohl scheitert auch nach dieser An-
sicht die E-Geld-Eigenschaft an dem Art. 11 E-Geld-RL umset-
zenden § 23a Abs. 1 ZAG, da sowohl die Ausgabe „stets zum
Nennwert des entgegengenommenen Geldbetrages“, als auch
eine jederzeitige Rücktauschmöglichkeit in gesetzliche Zah-
lungsmittel zum Nennwert fehle.32
32 Köndgen (o. Fußn. 18), Rdnr. 129; so auch European Banking Authority,EBA
Opinion on ‘virtual currencies’, EBA/Op/2014/08, 4.7.2014, Rdnr. 29 f.
Mithin stellen Kryptowäh-
rungen auch nach dieser Ansicht kein E-Geld i.S.d. E-Geld-RL
und des hierauf fußenden nationalen Rechts in Form des § 1a
Abs. 3 ZAG dar.33
33 Arbeitsgruppe „Digitaler Neustart“ (o. Fußn. 11), S. 261.
Eine europarechtkonforme Auslegung, wo-
nach auch sie unter den Geldbegriff zu subsumieren wären, ist
folglich nicht geboten.
2. Sacheigenschaft
Dies wirft die Frage auf, ob die einzelnen Währungseinheiten als
Sache i.S.d. § 90 BGB zu qualifizieren sind. Das sich in §§ 929 ff.
BGB manifestierende, zwingende und abschließende sachen-
rechtliche „Numerus Clausus-Prinzip“ gebietet insoweit, dass
die dinglichen Rechte zum Verkehrsschutz für jedermann er-
kennbar und bestimmbar sind.34
34 Wiegand, in: FS Kroeschell, 1987, S. 623 ff., 636.
Die absolute Geltungswir-
kung, die sich als Rechtsmacht an einer Sache (z.B. Eigentum,
Pfandrecht) oder Rechten (z.B. allgemeines Persönlichkeits-
recht, Urheberrecht) zeigt,35
35 Peters/Jacoby, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2014, § 194 Rdnr. 19.
ist ein Grundprinzip des BGB und
begrenzt die Analogie- oder Ergänzungsfähigkeit dieser Rech-
te.36
36 Wiegand (o. Fußn. 34), S. 637.
Ausweislich des Wortlautes in § 90 BGB sind Sachen nur „kör-
perliche Gegenstände“. Gegenstand i.S.d. Norm kann jedes in-
dividualisierbare und vermögenswerte Objekt oder Gut sein,
über das Rechtsmacht ausgeübt werden kann.37
37 Stresemann, in: MüKoBGB, Bd. 1, 7. Aufl. 2015, § 90 Rdnr. 1.
Kryptowährun-
gen müssten somit diese Kriterien erfüllen. Der Vermögenswert
wurde bereits oben bejaht. Einzelne Währungseinheiten sind
anhand der Zuordnung zu einem konkreten Inhaber bzw. des-
sen öffentlichem Schlüssel auch individualisierbar. Problema-
tisch ist indes das Tatbestandsmerkmal der Körperlichkeit. Die
Währungseinheiten an sich sind nicht unmittelbar verkörpert,
sondern werden allenfalls innerhalb des P2P-Netzwerks als In-
formation auf einem Datenträger gespeichert. Zwar geht der
BGH in st. Rspr. davon aus, dass „eine auf einem Datenträger
verkörperte Standardsoftware als bewegliche Sache anzusehen
ist“38
38 BGH MMR 2007, 243; im Einzelnen dazu Maume/Wilser, CR 2010, 209.
, was dafürsprechen könnte, auch die Krypto-Währungs-
einheiten als Sache i.S.d. § 90 BGB zu behandeln. Zu berück-
sichtigen ist aber, dass dies nur im Zusammenhang mit dem
schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft relevant wurde. Die
Rechtsprechung und ihr folgende Literatur mögen für die An-
wendung der schuldrechtlichen Regelungen – insbesondere des
Kauf- und Mietrechts – auch auf digitale Inhalte die Zweckmä-
ßigkeit anführen. Die Konstruktion einer sachenrechtlichen Ein-
ordnung digitaler Inhalte ist dadurch indes weder zwingend
noch geboten, sondern stellt vielmehr allein eine Hilfskonstruk-
tion dar.39
39 Wagner, in MüKoBGB, Bd. 6, 7. Aufl. 2017, § 823 Rdnr. 294.
Mit den §§ 453 Abs. 1 und 581 Abs. 2 BGB steht ein
ausreichendes Hilfsmittel zur Verfügung, die bestehenden
schuldrechtlichen Regelungen dogmatisch korrekt auf digitale
Güter anzuwenden (dazu sogleich III.).
Bereits 1996 entschied das LG Konstanz, dass allein der unmit-
telbare physische Zustand eines Gegenstands als fest, flüssig
oder gasförmig dessen Sacheigenschaft zu begründen vermag
und daher elektronische Daten – unabhängig vom Ort der Spei-
cherung im Arbeitsspeicher oder auf Datenträgern – als elektri-
sche Spannung nicht dem (sachenrechtlichen) Sachbegriff un-
terfallen. Folglich könne an ihnen im Gegensatz zum Datenträ-
ger selbst mangels Körperlichkeit kein Eigentum bestehen.40
40 LG Konstanz BB Beil. 1996, Nr. 19, S. 8 f.
Auf Grund der offenkundig fehlenden Berücksichtigung digita-
ler Inhalte durch den Gesetzgeber wäre ggf. eine teleologische
Extension des § 90 BGB anzudenken. Bei diesem Gegenstück
zur teleologischen Reduktion wird versucht, einen zu engen
Wortlaut im Hinblick auf den Sinn und Zweck der Norm bis zur
Wortlautgrenze auszudehnen, ohne diesen wie bei der Analo-
gie zu überschreiten.41
41 Schmidt, JuS 2003, 649, 653.
Doch selbst wenn man entgegen des LG-
Urteils und der sich anschließenden Teile in Rechtsprechung und
Literatur eine solch erweiternde Auslegung des § 90 BGB hin-
sichtlich Daten befürwortete, bliebe es bei der fehlenden Sa-
cheigenschaft von dezentralen Kryptowährungen. Diese existie-
ren allein als virtuelle Aufzeichnungen über Transaktionen in der
Blockchain.42
42 S. Mössner (o. Fußn. 13), Rdnr. 100. 3; Pesch (o. Fußn. 15), S. 7 ff.; Schrey/Thal-
hofer, NJW 2017, 1431, 1431 f.; Beck/König (o. Fußn. 7); Beck (o. F ußn. 5), S. 581;
Spindler/Bille (o. Fußn. 8),S. 1358; Kuhlmann (o. Fußn. 11), S. 692;Kütük/Sorge (o.
Fußn. 11); Boehm/Pesch (o. Fußn. 4); Engelhardt/Klein (o. Fußn. 4); Djazayeri (o.
Fußn. 18).
Nicht die Währungseinheit selbst, sondern nur ih-
re als Datum gespeicherte Zuordnung zu einem öffentlichen
Schlüssel ist – als Transaktion – auf einem körperlichen Datenträ-
ger innerhalb des P2P-Netzwerks gespeichert. Diese Zuordnung
ist indes als bloße Tatsachenbeschreibung ohne jeglichen eige-
nen wirtschaftlichen Wert.43
43 Kuhlmann (o. Fußn. 11), nennt Bitcoins irrtümlich „Bitcoin-Dateien“; es gibt je-
doch keine Bitcoin-Dateien, sondern nur die einheitliche Blockchain, s. Müller (o.
Fußn. 3).
Das entspricht der Konzeption des
Buchgelds. Auch dort findet lediglich die Zuordnung eines be-
stimmten Guthabens zu einer Kontonummer statt, ohne dass
der Zuordnung an sich wirtschaftlicher Wert verliehen würde.
Werthaltig ist nicht die Zuordnung selbst, sondern die von ihr
abgebildete Forderung gegenüber dem Kreditinstitut. Die bloße
Wertzuordnung ist nur die neutrale Beschreibung einer Zusam-
mengehörigkeit von Wert und (Dienst-)Leistung.
Da die Währungseinheiten somit trotz Speicherung der Transak-
tionshistorie und der privaten Schlüssel zur Wallet auf einem Da-
tenträger keine Körperlichkeit aufweisen, kann ihnen keine Sa-
cheigenschaft zukommen.44
44 Mössner (o. Fußn. 13), Rdnr. 100.3; Pesch (o. Fußn. 15), S. 101 f.; Beck/König
(o. Fußn. 7), S. 132; Spindler/Bille (o. Fußn. 8), S. 1359; Kuhlmann (o. Fußn. 11),
S. 694; Kütük/Sorge (o. Fußn. 11); Engelhardt/Klein (o. Fußn. 4), S. 356; Boehm/
Pesch (o. Fußn. 4), S. 77; Djazayeri (o. Fußn. 18).
Weder an der Kryptowährung
selbst, noch an deren Währungseinheiten45
45 Hötge, ITRB 2016, 215.
kann – anders als an
Bargeld – Sacheigentum bestehen.46
46 Boehm/Bruns (o. Fußn. 23), Rdnr. 4 ff.; vgl. Kuhlmann (o. Fußn. 11), S. 695.
3. Immaterialgut oder sonstiges Recht i.S.d. § 823
BGB
Somit kommt nur noch eine Qualifikation als Immaterialgut47
47 Ausf. Preuß, Rechtlich geschützte Interessen an virtuellen Gütern, 2009; Strese-
mann (o. Fußn. 37), Rdnr. 25; Psczolla, JurPC 2009, Web-Dok. 17/2009; Koch,
JurPC 2006, Web-Dok. 57/2006; Lober/Weber, MMR 2005, 653; Moritz, CR 1994,
257; Redeker, NJW 1992, 1739; vgl. auch AG Brandenburg ITRB 2002, 199 f.
oder als sonstiges Recht i.S.d. § 823 BGB mit entsprechendem
Schutz in Betracht.
a) Immaterialgüterrecht
Unproblematisch genießt die Konzeption und Umsetzung des
einer Kryptowährung zu Grunde liegenden P2P-Netzwerks bzw.
dessen Protokolls urheberrechtlichen Schutz als Sprachwerk
bzw. Computerprogramm gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 69a
UrhG.48
48 Kuhlmann (o. Fußn. 11), S. 695.
Ob jedoch auch die einzelnen Währungseinheiten ur-
heberrechtlichen Schutz genießen, erscheint im Hinblick auf § 2
UrhG äußerst fraglich. Dafür müsste ihre Erschaffung auf einer
„persönlichen geistigen Schöpfung“ beruhen. Zwar kann
grundsätzlich auch ein unter Zuhilfenahme von technischen
Mitteln erstelltes Werk urheberrechtlichen Schutz genießen.
Dies gilt jedoch nicht, wenn das Werk durch eine rein mechani-
sche Tätigkeit erschaffen wird, bei welcher der (menschliche)
Gestaltungsspielraum des Werkerstellers völlig in den Hinter-
grund tritt. Dort, wo das Hilfsmittel also selbstständig tätig wird
und das Ergebnis ausschließlich ohne Einwirkung des Menschen
zu Stande kommt, entsteht kein schutzfähiges Werk.49
49 Schulze, in: Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz, 5. Aufl. 2015, § 2 Rdnr. 8 ff.
Zur
Schöpfung einzelner Währungseinheiten kommt es beim Mi-
ning aber gerade allein durch die Ausführung des Rechenproto-
kolls unter Einsatz von Rechnerenergie und Strom. Der „Gestal-
tungsspielraum“ des Miners beschränkt sich insoweit auf die
Entscheidung, ob er den Mining-Prozess startet oder nicht und
ist daher faktisch nicht existent. Anders als etwa bei einem Foto
bestimmt der Entscheidungsprozess und -zeitpunkt auch nicht
das Ergebnis des Schaffungsprozesses. Die Währungseinheiten
unterliegen somit keinem urheberrechtlichen Schutz.50
50 Kuhlmann (o. Fußn. 11), S. 695; Engelhardt/Klein (o. Fußn. 4), S. 357; Djazayeri
(o. Fußn. 18); Boehm/Bruns (o. Fußn. 23), Rdnr. 4 ff.
b) Sonstiges Recht i.S.d. § 823 BGB
Die im Wallet eines Nutzers abgebildeten Währungseinheiten
könnten jedoch gem. § 823 Abs. 1 BGB geschützt sein. Reine
Vermögenswerte sind von § 823 Abs. 1 BGB bekanntermaßen
nicht geschützt, sodass neben dem konkreten Wert ein weiteres
Anknüpfungsmerkmal für ein „sonstiges Recht“ vorliegen
muss. Die h.M. stellt für die Bestimmung des sonstigen Rechts
im Schutzbereich des § 823 Abs. 1 BGB darauf ab, ob die einzel-
ne Rechtsposition durch Normen auch außerhalb des Delikts-
rechts als absolutes Recht geschützt oder anerkannt ist. Voraus-
setzung hierfür ist, dass die Rechtsposition einem Rechtsinhaber
konkret zugewiesen werden kann und alle übrigen Personen
von einer Nutzung dieser Rechtsposition ausgeschlossen sein
sollen.51
51 Wagner (o. Fußn. 39), Rdnr. 265 ff.
Für elektronische, personenbezogene Daten folgt eine solch ab-
solute Rechtsposition aus dem grundrechtlich geschützten all-
gemeinen Persönlichkeitsrecht in Form der informationellen
Selbstbestimmung und dem dies konkretisierenden Daten-
schutzrecht. Für die Anerkennung auch der übrigen, nicht per-
sonenbezogenen Daten spricht die Existenz des § 303a StGB,
der das Löschen, Unterdrücken, Unbrauchbarmachen und Ver-
ändern von Daten unter Strafe stellt und somit ebenfalls eine ab-
solute und von § 823 Abs. 1 BGB geschützte Rechtsposition in
Form eines „eigentumsähnlichen Verfügungsrechts“ schafft.52
52 Wagner (o. Fußn. 39), Rdnr. 294 ff.
Abseits eines derartigen „Rechts an eigenen Daten“ begründet
§ 303a StGB auch als Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB
einen gewissen Schutz, der jedoch dann versagt, wenn die je-
weilige Tathandlung nur fahrlässig und somit nicht strafrechtlich
vorwerfbar erfolgt.53
53 Grzywotz/Köhler/Rückert, StV 2016, 753, 756; Engelhardt/Klein (o. Fußn. 4),
S. 358; Boehm/Pesch (o. Fußn. 4), S. 77.
Fraglich ist, ob auch Krypto-Währungseinheiten durch ein sol-
ches „eigentumsähnliches Verfügungsrecht“ gem. § 823
Abs. 1 BGB geschützt sind. Die im Wallet eines Nutzers abgebil-
deten Währungseinheiten sind gerade nicht als nutzereigene
Daten gespeichert, sondern stellen vielmehr nur ein Abbild der
auf der Blockchain vorhandenen Daten dar. Über sie besteht so-
mit keine unmittelbare Verfügungsgewalt. Allein die Blockchain
legt fest, wie viele Währungseinheiten einem Nutzer zugewie-
sen sind, während die Wallet diese Information nur für den Nut-
zer visuell aufbereitet und die für die Signierung einer Transak-
tion erforderlichen Schlüsselpaare aufbewahrt. Der Nutzer kann
mittels seiner Schlüsselpaare nur einen Transfer initiieren und in-
soweit über die als fremde Daten gespeicherten Währungsein-
heiten „verfügen“ bzw. auf die Fortschreibung der Transak-
tionshistorie hinwirken. Geschützt werden müsste somit die
Nutzung der in der Wallet gespeicherten Schlüsselpaare in Ver-
bindung mit der Einwirkungsmöglichkeit des Nutzers auf die
fremden Daten in Form der durch die Transaktionsautorisierung
veranlassten Veränderung bzw. Fortschreibung der Blockchain.
Eine derartige Erweiterung des Schutzes als sonstiges Recht lie-
ße sich aus einem Vergleich mit dem ebenfalls als Schutzgut
i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB anerkannten Besitz (§§ 854 ff. BGB)
herleiten,54
54 Berberich, Virtuelles Eigentum, 2010, S. 222 ff.
der letztlich auch auf eine allein tatsächliche Verfü-
gungsgewalt abstellt. Ferner kann der Tatbestand des § 202a
StGB herangezogen werden, der solche für den Täter fremde
Daten schützt, die besonders gegen unberechtigten Zugang ge-
sichert sind.55
55 Grzywotz/Köhler/Rückert (o. Fußn. 53); Engelhardt/Klein (o. Fußn. 4), S. 358;
Boehm/Pesch (o. Fußn. 4), S. 77.
Tatbestandsmäßig ist insoweit der unbefugte Zu-
griff, was folglich auch die unbefugte Verwendung der in der
Wallet gegen unbefugten Zugriff gesicherten Schlüsselpaare
des Nutzers umfassen könnte.
Dies spricht in Zusammenschau mit der Vergleichbarkeit der Sys-
tematik von Kryptowährung mit dem für Buchgeld bestehenden
Kontosystem trotz des Nichtvorliegens einer (Guthaben-)Forde-
rung für den Schutz des „Besitzes“ der Währungseinheiten als
sonstiges Recht i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB.56
56 So schon Berberich (o. Fußn. 54); Engelhardt/Klein (o. Fußn. 4), S. 358; a.A. Bo-
ehm/Pesch, Bitcoins Eine erste juristische Analyse, Präsentation beim 21. DFN-
Workshop „Sicherheit in vernetzten Systemen“, 19.2.2014, Folie 12; Seitz, abruf-
bar unter: https://bit.ly/2GyeWzy.
Würde ein derartiges
Recht nicht anerkannt, bliebe im Fall der unmittelbaren Ände-
rung der Blockchain und dem hierdurch eintretenden Verlust
von Währungseinheiten, nur der Rückgriff auf § 826 BGB. Dies
würde eine erhebliche Rechtsschutzlücke bedeuten, wenn die
Blockchain nur fahrlässig kompromittiert bzw. verändert wird
und kein vorsätzliches Handeln vorwerfbar ist.
4. Zwischenfazit
Die einzelnen Krypto-Währungseinheiten stellen also kein Geld
dar und sind nicht Gegenstand von Geldschulden. Sie unterfal-
len nicht dem Sachenbegriff des § 90 BGB und unterliegen auch
keinem immaterialgüterrechtlichen Schutz. Sie sind allein als
Verbindung der im Wallet gespeicherten Schlüsselpaare mit der
tatsächlichen Einwirkungsmöglichkeit auf die Transaktionshis-
torie der Blockchain als sonstiges Recht i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB
und – teilweise – über § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 303a StGB in
ihrem Datenbestand geschützt.57
57 Vgl. zutreffend Berberich (o. Fußn. 54).
III. Schuldrechtliche Behandlung von
Kryptowährungen
Auch die schuldrechtliche Behandlung ist noch strittig, wegen
der wesentlichen Unterschiede der einzelnen Vertragstypen je-
doch klärungsbedürftig.58
58 Arbeitsgruppe „Digitaler Neustart“ (o. Fußn. 11), S. 265; Überblick bei Boehm/
Bruns (o. Fußn. 23), Rdnr. 12 ff.
Bei der Einordnung eines Rechtsge-
schäfts unter Beteiligung von Kryptowährung müssen dabei
zwei Fälle unterschieden werden. Zum einen ihr Erwerb und
zum anderen ihre Verwendung als Zahlungsmittel.
1. Erwerb von Kryptowährungen unter Einsatz
von Geld
Der gegenwärtige Stand der Wissenschaft zum Erwerb von
Kryptowährungen geht weit auseinander und reicht von der
Einordnung als Sach- (§ 433 BGB) bzw. Rechtskauf (§ 453 BGB)
bis hin zum Tausch (§ 480 BGB). Auch ein Vertrag sui generis
wurde bereits diskutiert.59
59 Psczolla (o. Fußn. 47), Rdnr. 17 f. und 21 ff.; Djazayeri (o. Fußn. 18), D.3.
Teilweise wird sogar Wertpapierrecht
für anwendbar gehalten.60
60 Boehm/Pesch (o. Fußn. 4), S. 78; Pichler, Rechtsnatur, Re chtsbeziehungen und
zivilrechtliche Haftung beim elektronischen Zahlungsverkehr im Internet, 1998,
S. 16 ff.
a) Sachkauf i.S.d. § 433 BGB
Auf den ersten Blick mag für den Erwerb von Kryptowährungen
die unmittelbare Anwendung des § 433 BGB naheliegend er-
scheinen. Bei näherer Betrachtung ist dies jedoch abzulehnen.
Ein Sachkauf liegt nur dann vor, wenn die Parteien sich einig
sind, gegen Zahlung eines bestimmten Kaufpreises eine Sache
übergeben und übereignen zu wollen.61
61 Westermann, in: MüKoBGB, Bd. 3, 7. Aufl. 2016, § 433 Rdnr. 7.
Wie zuvor erläutert,
sind Kryptowährungen jedoch keine Sachen, sodass § 433 BGB
nicht unmittelbar anwendbar ist.
b) Rechtskauf/Kauf von sonstigen Gegenständen i.S.d.
§ 453 BGB
In Betracht kommt allerdings das Vorliegen eines Kaufvertrags
i.S.d. § 453 BGB. Kryptowährungen könnten insoweit als sons-
tiger Gegenstand i.S.d. Absatz 1 Alt. 2 anzusehen sein.62
62 Wilhelmi, in: BeckOGK, Stand: 15.8.2017, § 453 Rdnr. 172; Kaulartz (o.
Fußn. 11), S. 476; Beck/König (o. Fußn. 7), 132 f.; Kuhlmann (o. Fußn. 11), S. 694;
Spindler/Bille (o. Fußn. 8), S. 1362.
Richti-
gerweise geht die h.M.63
63 Pesch (o. Fußn. 15), S. 132; Beck/König (o. Fußn. 7), S. 133.
– der sich die Autoren anschließen –
davon aus, dass der Gesetzgeber mit § 453 Abs. 1 BGB klar zu
erkennen gab, dass Kaufverträge über beherrschbare Energien,
ungeschützte Erfindungen und technisches Know-how ge-
schlossen werden können.64
64 BT-Drs. 14/6040, S. 242.
Da derartige Kaufverträge unstrei-
tig auch die dauerhafte Überlassung anderer unkörperlicher Ge-
genstände als sonstige Gegenstände ermöglichen, ist es folge-
richtig, den Anwendungsbereich der Vorschrift auch auf Krypto-
währungen zu erstrecken.65
65 Pesch (o. Fußn. 15), S. 132; Beck/König (o. Fußn. 7), S. 133; wohl auch Spind-
ler/Bille (o. Fußn. 8), S. 1362.
Die Verweisung in § 453 Abs. 1 Alt.
2 BGB führt zur Anwendung der Vorschriften des Kaufrechts
und zwar auch dann, wenn man den Erwerb als atypischen
Kaufvertrag einstuft.66
66 Engelhardt/Klein (o. Fußn. 4), S. 359.
Mithin stellt ihr Erwerb gegen Kaufpreis-
zahlung einen Kauf gem. §§ 453, 433 BGB dar. Der insoweit
subsidiäre Tausch tritt zurück.
c) Atypischer Werkvertrag, § 631 BGB
Einige Autoren möchten den Erwerb von Kryptowährungen als
einen „atypischen Werkvertrag“ einstufen.67
67 Schneider, abrufbar unter: https://bit.ly/2q4SjMV.
DieIdeedahinter
scheint zu sein, dass bei solchen Vereinbarungen nicht die bloße
Bemühung um einen Transfer der Währungseinheiten, sondern
der Erfolg der Transaktion geschuldet wird.68
68 Boehm/Pesch (o. Fußn. 4), S. 78; Schneider (o. Fußn. 67).
Dies ist jedoch kri-
tisch zu hinterfragen.
Für die bloße Übertragung bereits vorhandener Währungsein-
heiten überzeugt diese rechtliche Einordnung nicht. Der Erfolg
einer Transaktion ist gegeben, wenn das P2P-Netzwerk die
Transaktion als richtig bestätigt und dies in der Blockchain ver-
merkt. Diese Bestätigung liegt jedoch nicht in der Macht des Ver-
äußerers. Die Annahme eines Erfolgs i.S.d. § 631 BGB in Form
der Zuordnung einer Währungseinheit zu dem öffentlichen
Schlüssel des Erwerbers scheitert daran, dass die Blockchain le-
diglich dazu dient, eine Transaktion zu verifizieren. Eine dortige
„Eintragung“ verschafft dem Erwerber zwar „de facto“ den Zu-
griff auf die Währungseinheiten, da somit die längste Block-
chain den Transfer anerkennt. Das Abbild der Transaktion ist je-
doch nicht der Erfolg, sondern nur dessen Dokumentation. Die
Verschaffung der Verfügungsgewalt ist i.Ü. auch die Pflicht des
Verkäufers beim Kaufvertrag und somit untaugliches Abgren-
zungsmerkmal.69
69 Westermann (o. Fußn. 61), Rdnr. 47.
Ein Werkvertrag unterscheidet sich von einem
Kaufvertrag vielmehr dadurch, dass die Verpflichtung des Werk-
unternehmers nicht in der bloßen Übergabe und Eigentumsver-
schaffung liegt, sondern die Werkerstellung im Vordergrund
steht.70
70 Voit, in: BeckOK BGB, 43. Ed., Stand: 1.2.2017, § 631 Rdnr. 2.
Der bloße Transfer stellt aber kein Werk dar. Die Doku-
mentation des Transfers – mag man dies überhaupt als „Werk“
ansehen – ist gerade keine vertragliche Leistungspflicht der ver-
äußernden Partei, sondern allein die faktische Folge der dieser
„Protokollierung“ logisch vorhergehenden Verschaffung der
Verfügungsmacht über die Währungseinheiten. Die Verände-
rung der Blockchain ist also nur die zwingende und systematisch
bedingte Begleiterscheinung der Übertragung. In der bloßen
Übertragung bereits existenter Währungseinheiten und der da-
mit einhergehenden Veränderung der Blockchain kann somit
kein Erfolg gesehen (und geschuldet) werden. Folglich ist die
Einordnung als Werkvertrag abzulehnen.71
71 Zutr. Pesch (o. Fußn. 15), S. 131; Schroeder, JurPC Web-Dok. 104/2014,
Abs. 46.
Wie Pesch jedoch korrekt anführt, könnte man indes eine ver-
tragliche Pflicht des „Veräußerers“ darin sehen, den geschulde-
ten Betrag einer Kryptowährung überhaupt erst zu generieren.
Genauer: Durch Berechnung der Blockchain i.R.d. Mining-Pro-
zesses eine Ausschüttung neuer Währungseinheiten auszulö-
sen. In diesem Fall könnte man folgerichtig zur Anwendung des
Werkvertragsrechts kommen.72
72 So wohl Pesch (o. Fußn. 15), S. 131 f.; a.A. Schroeder (o. Fußn. 71), Abs. 92.
d) Mining als Dienstvertrag, § 611 BGB
Ist ein Erfolg i.S.d. § 631 Abs. 2 BGB in Form der Erzeugung
eines validen Blocks und Ausschüttung einer konkreten „Beloh-
nung“ nicht geschuldet, besonders wenn der Beauftragte allein
seine Rechenleistung zur Verfügung stellen soll und für den Auf-
traggeber schürft, kommt ferner auch Dienstvertragsrecht in
Betracht.73
73 So wohl Schroeder (o. Fußn. 71), Abs. 92 f.
Letzteres dürfte regelmäßig der Annahme eines
Werkvertrags sogar vorzugswürdig sein, da auf Grund des „trial
and error“-Prinzips beim Auffinden der „nonce“ für die korrek-
te Erzeugung und Verifizierung eines Blocks i.R.d. Miningpro-
zesses – mithin der Erfolg des Minings – weitestgehend vom Zu-
fall abhängt.
e) Zusammenfassung
Beim Erwerb von Kryptowährungen ist vom Veräußerer grund-
sätzlich kein Erfolg i.S.e. Werkvertrags geschuldet. Stattdessen
liegt eine Übertragung eines weder als Sache noch als Recht zu
qualifizierenden unkörperlichen Gegenstands vor.74
74 Mössner (o. Fußn. 13), Rdnr. 100.3; Pesch (o. Fußn. 15), S. 101 f.; Beck/König
(o. Fußn. 7), S. 132; Spindler/Bille (o. Fußn. 8), S. 1359; Kuhlmann (o. Fußn. 11),
S. 694; Kütük/Sorge (o. Fußn. 11); Engelhardt/Klein (o. Fußn. 4), S. 356; Boehm/
Pesch (o. Fußn. 4), S. 77; Djazayeri (o. Fußn. 18).
Die Veräu-
ßerung entspricht somit in der Regel einem Kaufvertrag i.S.d.
§ 453 Abs. 1 BGB mit der Verpflichtung des Verkäufers, dem
Käufer Zugriff auf den vereinbarten Betrag an Währungseinhei-
ten zu verschaffen. Die Währungseinheiten sind dabei als sonsti-
ge Gegenstände i.S.d. § 453 Abs. 1 Alt. 2 BGB bzw. als sonsti-
ges Recht i.S.d. § 823 BGB anzusehen.75
75 Vgl. Wilhelmi (o. Fußn. 62); Kaulartz (o. Fußn. 11), S. 476; Beck/König (o.
Fußn. 7), S. 132 f.; Kuhlmann (o. Fußn. 11), S. 694; Spindler/Bille (o. Fußn. 8),
S. 1362.
Allein das „Erschaffen“
neuer Währungseinheiten bzw. der Einsatz von Rechenleistung
(Mining), kann als Werk- oder Dienstvertrag zu behandeln sein.
2. Bezahlung mit Kryptowährungen
Kryptowährungen werden teilweise zur Bezahlung von Waren
und Dienstleistungen akzeptiert.76
76 Z.B. Expedia, abrufbar unter: https://bit.ly/2Jphkui; für eine Karte mit Annah-
mepunkten, abrufbar unter: https://bit.ly/2GBXtGp; s.a. Münzer, abrufbar unter:
https://bit.ly/2Iv9xd3.
Dennoch ist auch hierfür
eine präzise rechtswissenschaftliche Einordnung bisher nicht er-
folgt. Vertreten werden die Annahme eines Kaufvertrags,77
77 Martens (o. Fußn. 13), S. 106.
Tauschs78
78 Eckert (o. Fußn. 23), S. 2110; Engelhardt/Klein (o. Fußn. 4), S. 359; Spindler/Bil-
le (o. Fußn. 8), S. 1362; a.A. Djazayeri (o. Fußn. 18)
oder eines Vertrags „sui generis“.79
79 Boehm/Pesch (o. Fußn. 4), S. 78.
a) Kaufvertrag oder Tausch – auf den ursprünglichen
Parteiwillen kommt es an
Kaufpreis i.S.d. § 433 BGB ist – unabhängig von der konkreten
Währung – Geld im Rechtssinne. Die Gegenleistung beim Kauf-
vertrag kann also trotz ihrer Währungsunabhängigkeit nur eine
Geldschuld sein.80
80 Beckmann, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2014, § 433 Rdnr. 75; Berger,in:
Jauernig, BGB, 16. Aufl. 2015, § 433 Rdnr. 26, Westermann (o. Fußn. 61),
Rdnr. 16.
Da Kryptowährungen jedoch weder Geld
noch Gegenstand einer Geldschuld sind, stellt der Erwerb einer
Sache oder eines Rechts – einigen sich die Parteien bei Vertrags-
schluss auf die Zahlung mit einer Kryptowährung – bereits aus
diesem Grunde keinen Kaufvertrag dar.81
81 Zutr. Pesch (o. Fußn. 15), S. 133.
Es handelt es sich hier-
bei vielmehr um einen Tausch gem. § 480 BGB.82
82 Westermann (o. Fußn. 61), Rdnr. 16; ebenso Pesch (o. Fußn. 15), S. 135; a.A.
Beck/König (o. Fußn. 7), S. 133 f.
Definiert wird der Tausch nicht, jedoch handelt es sich nach
Rechtsprechung und Literatur hierbei um einen gegenseitigen,
verpflichtenden (synallagmatischen) Vertrag, der im Austausch
von Rechten, Sachinbegriffen und anderen vermögenswerten
Positionen bestehen kann, sofern diese in einer von der Rechts-
ordnung gebilligten Weise übertragen werden können. Dies
schließt explizit die in § 453 Abs. 1 Alt. 2 BGB erfassten Gegen-
stände ein. Der Unterschied zwischen Tausch- und Kaufvertrag
liegt lediglich darin, dass statt der Leistung eines Kaufpreises die
Leistung eines Rechts oder anderer vermögenswerter Positionen
– wie ein bestimmter Betrag einer Kryptowährung – vereinbart
wird. Obwohl die praktische Bedeutung des Tauschs in der funk-
tionierenden Geldwirtschaft als gering eingestuft wird, könnte
er also nun seine Renaissance erleben. Gem. § 480 BGB finden
auch beim Tausch die Vorschriften der §§ 433 ff. BGB entspre-
chende Anwendung.
Wurde zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses als Gegenleistung
für die Übergabe und Eigentumsverschaffung der Sache bzw.
die Rechtsverschaffung i.S.d. § 453 BGB zunächst die Zahlung
einer bestimmten Geldsumme vereinbart und erfolgt die Zah-
lung auf diese Geldschuld dann abweichend in einer Krypto-
währung, ist die Problematik bei §§ 362 ff. BGB zu verorten.83
83 Schroeder (o. Fußn. 71), Abs. 46 f.
Es handelt sich in diesem Fall um einen Kaufvertrag mit der Ver-
pflichtung des Käufers zur Kaufpreiszahlung gem. § 433 Abs. 2
BGB. Die Erfüllung tritt jedoch nicht durch Bewirken der ge-
schuldeten Leistung i.S.d. § 362 Abs. 1 BGB ein, sondern der
Gläubiger nimmt die Kryptowährung als von der Kaufpreiszah-
lung abweichende Leistung als Erfüllung, also als Leistung an Er-
füllung statt gem. § 364 Abs. 1 BGB, an.84
84 So zutr. auch Schroeder (o. Fußn. 71), Abs. 62; Pesch (o. Fußn. 15), S. 133.
Für die schuldrechtliche Einordnung des Geschäfts ist folglich al-
lein der Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblich. Liegt da-
nach ein Kaufvertrag und eine anschließende Leistung an Erfül-
lungs statt vor, ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass der
Schuldner gem. § 365 BGB wegen eines Mangels im Recht oder
wegen eines Mangels der Sache in gleicher Weise wie ein Ver-
käufer Gewähr zu leisten hat. Damit können jedoch nur solche
Mängel gemeint sein, die der Leistung anhaften, namentlich
wertbildende Faktoren. Der Wert der Leistung selbst ist hiervon
ausgenommen. Hat der Gläubiger somit eine Kryptowährung
als Leistung an Erfüllung statt angenommen, kann er sich nicht
darauf berufen, deren Wert entspräche nicht (mehr) dem ge-
schuldeten Kaufpreis. Alleine für die Werthaltigkeit im Zeit-
punkt der Annahme durch den Gläubiger mag man eine nur teil-
weise Erfüllung annehmen; in diesem Fall obliegt jedoch dem
Gläubiger gem. § 363 BGB die Beweislast dafür, dass die Leis-
tung unvollständig, d.h. nicht werthaltig, war.
b) Kryptowährung als Gegenleistung beim Werk- und
Dienstvertrag?
Auch eine Vergütung von Werk- und Dienstleistungen (ein-
schließlich Gehaltszahlungen) mit Kryptowährungen ist denk-
bar.85
85 Plitt/Fischer, NZA 2016, 799.
Ihr Charakter als „sonstiger Gegenstand“ steht dem nicht
entgegen, da Dienst- und Werkvertrag in §§ 611 und 631 BGB
lediglich eine „vereinbarte Vergütung“ fordern. Diese ist aber
im Vergleich zum Kaufpreis nicht auf Geldzahlungen be-
schränkt, sondern erfasst Gegenleistungen aller Art.86
86 BGH BeckRS 1974, 31125333; Preis, in: Erfurter Komm. zum Arbeitsrecht,
18. Aufl. 2018, § 107 Rdnr. 4; Mansel, in: Jauernig,Komm. zum BGB, 16. Aufl.
2015, § 631 Rdnr. 20.
Obwohl
§ 107 Abs. 1 GewO die grundsätzliche Berechnung und Aus-
zahlung eines Arbeitsentgelts in Euro vorsieht, können gem. Ab-
satz 2 auch Sachbezüge als Teil des Arbeitsentgelts geleistet
werden. Den Parteien steht es insoweit offen, eine entsprechen-
de Vereinbarung zu treffen.87
87 Plitt/Fischer (o. Fußn. 85), S. 803.
3. Mischformen und alternative Zahlungsmodelle
Auch atypische Dienstverträge sind denkbar. Vor Kurzem hat
der Softwarehersteller Qbix Inc. ein innovatives Geschäftsmo-
dell präsentiert, bei dem die Nutzer seiner Software „Calendar
2“ durch die Aktivierung eines im Hintergrund laufenden Mi-
ning-Prozesses weitere Softwarefunktionen „kostenlos“ frei-
schalten konnten.88
88 Oestreich, abrufbar unter: https://bit.ly/2H85m7y.
Zwar wurde diese „Zahlung mit Rechenleis-
tung“ umgehend heftig kritisiert und ist inzwischen wieder de-
aktiviert worden.89
89 Goodin, abrufbar unter: https://bit.ly/2FxbCIr.
Dieses Beispiel veranschaulicht jedoch die
Mannigfaltigkeit der Vertragsgestaltung, insbesondere im Be-
reich der Softwareverträge und Kryptowährungen. Es zeigt,
dass auch die Abkehr vom reinen Kaufvertrag oder der reinen
Miete einer Software hin zu einem typengemischten Dauer-
schuldverhältnis mit dienst- und mietvertraglichen Elementen
denkbar ist.
IV. Fazit
Kryptowährungen und etwaige zukünftige Erscheinungsfor-
men digitaler Güter bedürfen nicht zuletzt auf Grund ihres mo-
netären Werts ebenso des Schutzes durch die Rechtsordnung,
wie es für Daten allgemein der Fall ist. Die Verortung der „Da-
ten-Straftatbestände“ in §§ 303a und 303b StGB unter dem
Untertitel der Sachbeschädigungsdelikte zeigt insoweit die Nä-
he der digitalen Güter zu Sachen i.S.d. § 90 BGB. Aus Sicht des
Rechtsverkehrs erscheint es geboten, Klarheit über die recht-
liche Einordnung derartiger Inhalte auch in zivilrechtlicher Sicht
zu schaffen. Nur so fördert man die Entwicklung innovativer,
wirtschaftlicher Konzepte und gibt der Wirtschaft die für ihr täg-
liches Geschäft wichtige Rechtssicherheit in einer digitalisierten
Welt. Nimmt der Gesetzgeber dies nun zum Anlass, spezifische
Tatbestände für digitale Inhalte zu schaffen oder diese explizit
den bestehenden Instituten (allen voran dem Sachbegriff in § 90
BGB) zuzuordnen, wären auch aus Sicht der Rechtsanwender
viele Probleme gelöst und Streitstände gegenstandslos. Der Ge-
setzgeber sollte jedoch Vorsicht walten lassen, um nicht durch
eine vorschnelle Fiktion, die allen digitalen Inhalten Sacheigen-
schaft zuspricht, das gesamte System der gewerblichen Schutz-
rechte in Frage zu stellen.
Aus größerer Perspektive erscheinen auch abseits der bloßen
Rechtsnatur einer Kryptowährung gesetzliche Regelungen ge-
boten. Obgleich die Schaffung anonymer90
90 S. Erbguth/Fasching (o. Fußn. 3), S. 561 ff. und Bechtolf/Vog (o. Fußn. 3),
S. 68 f. zu Anonymität in der Blockchain und möglicher Identifizierung von Perso-
nen.
und autonomer
Zahlungssysteme aus datenschutzrechtlicher Sicht zu begrüßen
ist, lassen neben den Gesichtspunkten des Verbraucherschutzes
bei der „Investition“ in derartige Werte auch finanzpolitische Er-
wägungen ein gewisses Regelungsbedürfnis erkennen. Die un-
aufhaltsame Schaffung neuer, nicht staatlich regulierter Wäh-
rungen birgt insoweit das Risiko eines – nicht nur aus fiskal-
steuerlichen Gesichtspunkten unerwünschten – Kontrollverlus-
tes über den Geldverkehr innerhalb der Wirtschaftsordnung
und begünstigt den Missbrauch solcher Zahlungssysteme zur Fi-
nanzierung illegaler Geschäfte.91
91 Dazu auch Simmchen, MMR 2017, 162, 163 f.; Ekkenga, CR 2017, 762.
Leonid Shmatenko
ist Rechtsanwalt in der Kanzlei LALIVE in Genf, Doktorand
am Lehrstuhl für Deutsches und Ausländisches Öffent-
liches Recht, Völkerrecht und Europarecht an der Hein-
rich-Heine-Universität Düsseldorf und Lehrbeauftragter
Wirtschaftsrecht an der Nationalen Technischen Universi-
tät „Kiewer Polytechnisches Institut Ihor Sikorskyj“.
Stefan Möllenkamp
ist Rechtsanwalt in der IP/IT-Boutique FREY Rechtsanwälte
in Köln, Doktorand am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht,
Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung sowie
Privatversicherungsrecht an der Heinrich-Heine-Universi-
tät Düsseldorf und Software-Entwickler.
Die hier geäußerten Ansichten sind ausschließlich die der
Autoren und müssen nicht den Ansichten der Kanzleien LALIVE und
FREY Rechtsanwälte oder deren Mandanten entsprechen.