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Persönlichkeitspsychologie, sozial gesundes Handeln und nachhaltige Entwicklung

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Abstract

Sozial gesundes Handeln ist im Rahmen dieser Arbeit definiert als Handeln, das das Wohlbefinden aller davon Betroffenen zum Ziel hat. Eine Aufgabe der Persönlichkeitspsychologie ist es, zukünftiges Handeln von Menschen an Hand der Analyse ihrer Persönlichkeit einzuschätzen. Diese Arbeit stellt dar, dass Menschen, die an bestimmten Persönlichkeitsstörungen leiden, eine erhöhte Neigung zu sozial ungesundem Handeln aufweisen. Gleichzeitig sind Menschen, die an denselben Persönlichkeitsstörungen leiden, nach aktueller Datenlage überproportional in Machtpositionen von Wirtschaft und Politik vertreten. Dadurch wirkt sich das sozial ungesunde Handeln dieser Personen auf einen überproportional großen Teil der Menschheit aus. Schließlich schlägt diese Arbeit vor, dass und wie das Wissen über die hier dargestellten Zusammenhänge im Sinne der Nachhaltigen Entwicklung genutzt werden könnte. An den Beispielen Sicherheitsverwahrung und Personalauswahlverfahren wird gezeigt, wie Erkenntnisse dieser Art bereits praktische Anwendung finden.
CURA ANIMARUM 2018(1) (www.cura-animarum.de)
Persönlichkeitspsychologie,
sozial gesundes Handeln und
nachhaltige Entwicklung
Nathanael Meyer
Abstract
Sozial gesundes Handeln ist im Rahmen dieser Arbeit definiert als Handeln, das das Wohlbefinden aller davon Be-
troffenen zum Ziel hat. Eine Aufgabe der Persönlichkeitspsychologie ist es, zukünftiges Handeln von Menschen an
Hand der Analyse ihrer Persönlichkeit einzuschätzen. Diese Arbeit stellt dar, dass Menschen, die an bestimmten Per-
sönlichkeitsstörungen leiden, eine erhöhte Neigung zu sozial ungesundem Handeln aufweisen. Gleichzeitig sind Men-
schen, die an denselben Persönlichkeitsstörungen leiden, nach aktueller Datenlage überproportional in Machtpositio-
nen von Wirtschaft und Politik vertreten. Dadurch wirkt sich das sozial ungesunde Handeln dieser Personen auf einen
überproportional großen Teil der Menschheit aus. Schließlich schlägt diese Arbeit vor, dass und wie das Wissen über
die hier dargestellten Zusammenhänge im Sinne der „nachhaltigen Entwicklung“ genutzt werden könnte. An den Bei-
spielen „Sicherheitsverwahrung“ und „Personalauswahlverfahren“ wird gezeigt, wie Erkenntnisse dieser Art bereits
praktische Anwendung finden.
Einleitung
Als normatives Leitbild ist nachhaltige Entwicklung weltweit in Politik und Wirtschaft etabliert (Grunwald & Kopfmüller,
2012). Konkrete Ziele wurden zum Beispiel in Form der Sustainable Development Goals (SDG) der Vereinten Nationen
formuliert (UN, General Assembly, 2015). Diese beinhalten unter anderem eine Bekämpfung von Armut und Hunger.
Weitere Ziele sind Geschlechtergleichberechtigung, die Realisierung der allgemeinen Menschenrechte für jeden Men-
schen und Gesellschaften ohne Furcht und Gewalt: „We are determined to foster peaceful, just and inclusive societies
which are free from fear and violence. There can be no sustainable development without peace and no peace without
sustainable development.“ (UN, General Assembly, 2015). Momentan ist man jedoch weit davon entfernt, diese bis 2030
ehrgeizig gesteckten Ziele zu realisieren (ebd.).
Diese Arbeit möchte einen Denkansatz vorstellen, der dabei helfen könnte, diese Ziele zu erreichen. Zuerst werden
Persönlichkeitsstörungen vorgestellt, welche als Prädisposition zu sozial ungesundem Handeln betrachtet werden kön-
nen. Anschließend wird herausgestellt, dass gerade durch die Prävalenz genau dieser Persönlichkeitsstörungen in
Machtpositionen sozial ungesundes Handeln dort überproportional vertreten ist. Zum Schluss will diese Arbeit Wege
aufzeigen, wie man diese Erkenntnisse nutzen könnte, um sozial ungesundes Handeln in Machtpositionen zu reduzie-
ren und dadurch einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung zu leisten.
Erkenntnisse der Persönlichkeitspsychologie werden in dieser Art schon bei der Sicherheitsverwahrung strafrechtlich
Verurteilter und dem Auswahlverfahren in Bewerbungsverfahren von Unternehmen eingesetzt. Bei der Sicherheitsver-
wahrung werden Menschen zum Wohl der Allgemeinheit und zum Schutz potenzieller Opfer in ihrer Freiheit erheblich
eingeschränkt. Mit diesem Aufsatz schlage ich nun vor, nach demselben Prinzip Menschen mit bestimmten Persönlich-
keitsstörungen (zum Beispiel einer Antisozialen Persönlichkeitsstörung) in ihrer Freiheit der Ausübung von Machtposi-
tionen einzuschränken.
Dem Artikel liegt die Annahme zu Grunde, dass es der nachhaltigen Entwicklung entgegenwirkt, wenn Menschen,
die zu sozial ungesundem Handeln neigen, Macht besitzen. Bei Akzeptanz dieser Annahme liefert der Beitrag folgende
Hauptergebnisse:
Er bietet eine Definition von sozial gesundem und sozial ungesundem Handeln, die dringend notwendig ist, um
über sozial (un)gesundes Handeln, zum Beispiel im Kontext nachhaltiger Entwicklung, kommunizieren zu können.
Er zeigt, dass bestimmte Persönlichkeitsstörungen zumindest als Prädisposition für sozial ungesundes Verhalten
gesehen werden können. Darüber hinaus könnte man sogar argumentieren, dass Menschen, die unter bestimmten
Ausprägungen bestimmter Persönlichkeitsstörungen leiden, nicht sozial gesund handeln können.
Außerdem stellt diese Arbeit Rechercheergebnisse vor, welche nahe legen, dass gerade die zuletzt genannten Men-
schengruppen, die eine Tendenz zum sozial ungesunden Handeln aufweisen, in Machtpositionen überproportional
vertreten sind.
Um nachhaltige Entwicklung und die SDG zu realisieren, könnte es daher von entscheidender Bedeutung sein, dass
Menschen mit Prädispositionen zu sozial ungesundem Handeln der Zugriff auf Machtpositionen nur eingeschränkt
ermöglicht wird.
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Nachhaltige Entwicklung und sozial gesundes
Handeln
Gemäß der Definition aus dem Brundtland-Bericht (Brundtland, 1987), der einen Meilenstein in der Geschichte der
nachhaltigen Entwicklung darstellt, ist nachhaltige Entwicklung dann gegeben, wenn sie „die Bedürfnisse der Gegen-
wart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen kön-
nen“ (Hauff, 1987). Das Ziel nachhaltiger Entwicklung ist die Befriedigung der Bedürfnisse aller jetzt und aller zukünftig
lebenden Menschen (Grunwald & Kopfmüller, 2012). Die World Health Organisation WHO definiert Gesundheit in ihrer
Gründungssatzung von 1948 wie folgt (WHO, 2018): „Gesundheit ist ein Zustand völligen psychischen, physischen und
sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen.“ In Anlehnung an die soziale Dimen-
sion dieser Definition der WHO wird „sozial gesundes Handeln“ im Rahmen dieser Arbeit definiert als Handeln, das das
Wohlbefinden aller davon Betroffenen zum Ziel hat. Sozial gesundes Handeln ist ganzheitlich rücksichtsvolles Handeln: ein
Handeln, das so weit wie möglich zur Gesundheit gemäß WHO-Definition der betroffenen Personen beiträgt. Sozial
ungesundes Handeln ist damit definiert als Handeln, das nicht das Wohlbefinden aller davon Betroffenen zum Ziel hat.
Das kann bedeuten, dass der Handelnde sein eigenes Wohlbefinden oder das Wohlbefinden anderer nicht stark genug
oder zu stark gewichtet.
„Wohlbefinden“ wird allgemein definiert als „gutes körperliches, seelisches Befinden“ (Duden, 2017). Was das prak-
tisch bedeutet, hängt von subjektiven Aspekten ab: Für den einen kann Wohlbefinden etwas anderes bedeuten als für
einen anderen. Sozial gesundes Handeln stellt die Realisierung nachhaltiger Entwicklung auf persönlicher Ebene dar.
Sowohl nachhaltige Entwicklung als auch sozial gesundes Handeln haben die Befriedigung der Bedürfnisse aller betei-
ligten Personen zum Ziel.
Es ist anzunehmen, dass es im Großen und Ganzen der nachhaltigen Entwicklung umso dienlicher ist, je weniger
Macht in den Händen von Menschen liegt, die eine Prädisposition zu sozial ungesundem Handeln aufweisen.
Antisoziale Persönlichkeitsstörung und sozial
ungesundes Handeln
Menschen, die unter einer schweren Form der Antisozialen Persönlichkeitsstörung (APS; auch Dissoziale Persönlichkeits-
störung, DPS genannt) leiden, werden auch Psychopathen genannt. Die Soziopathie ist eine der APS ähnliche Persönlich-
keitsstörung. Die drei Begriffe werden häufig uneinheitlich verwendet, meinen aber prinzipiell dieselbe Persönlichkeits-
störung mit unterschiedlicher Ausprägung und voneinander abweichenden Nuancen. Es gibt keine Beweise dafür, dass
Psychopathen behandelbar sind, wohl aber, dass sie eine erfolgreiche Behandlung zum eigenen Vorteil vortäuschen
können (Babiak & Hare, 2007) (Kernberg, 2016). Therapie-Ansätze beruhen in der Regel darauf, dem Patienten sozialver-
trägliches Verhalten zum eigenen Vorteil nahe zu legen (Rotgers & Maniacci, 2007).
Die neurophysiologischen Ursachen für die APS wurden noch nicht abschließend entschlüsselt. Eine Ursache wird in
einer Störung des Serotonin-Dopamin-Stoffwechsels gesehen. In der Literatur wurde Psychopathie auch als eine Störung
des Empathievermögens bezeichnet, welche auf Fehlfunktionen des Gehirns zurückzuführen ist (Soderstrom, 2003). Der
Psychopathieforscher Robert D. Hare ist der Ansicht, dass eine Psychopathie sowohl auf bestimmte Gene als auch auf
Umwelteinflüsse zurückzuführen ist (Hare, 2005).
Psychopathen sind nicht in der Lage, sich in die Gefühlslage anderer zu versetzen (Fuchs, 2014; Babiak & Hare, 2007).
Auch im ICD-10, dem weltweit wichtigsten Klassifizierungssystem für medizinische Diagnosen, wird „mangelnde Em-
pathie und Gefühlskälte gegenüber anderen“ als eins von sieben Kriterien für eine APS angegeben (World Health
Organization, 1992). Dieser Sachverhalt legt nahe, dass den Betroffenen eine wichtige Voraussetzung zu sozial gesun-
dem Handeln fehlt. Diese Vermutung wird durch die Beschreibung der Symptome von Psychopathen und Menschen
mit APS bestätigt. So ist ein weiteres Kriterium des ICD-10 für eine ASP das unberechtigte Beschuldigen anderer, wel-
ches eine Form von sozial ungesundem Handeln darstellt (World Health Organization, 1992). Ein weiteres gemeinsames
Merkmal von Menschen mit APS ist, dass sie ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse ihrer Mitmenschen handeln und diese
ausbeuten, ohne dafür jemals Bedauern oder Reue zu empfinden (Hare R. D., 1978; Babiak & Hare, 2007; Stout, 2006;
Kernberg, 2016). Ihre Mitmenschen sind ihnen gleichgültig (Fuchs, 2014). Falls diese Behauptungen wahr sind, muss
man also zu dem Schluss kommen, dass Menschen mit einer APS im hier definierten Sinne auf Grund ihrer Persönlich-
keitsstörung gar nicht sozial gesund handeln können. Dies kann sich unterschiedlich stark praktisch auswirken; je nach-
dem, welche Bedürfnisse der Mensch mit APS und die haben, die mit ihm in Berührung kommen. Die Assoziation zwi-
schen der APS und sozial ungesundem Verhalten ist in der Geschichte der Psychotherapie so ausgeprägt, dass man
davon ausgehen kann, dass viele kriminell unauffällige Menschen mit APS in der Vergangenheit nicht diagnostiziert
wurden (Rotgers & Maniacci, 2007), da man von Menschen mit APS sozial ungesundes Handeln in so starker Ausprä-
gung erwartet hatte, dass dieses strafrechtlich relevant geworden wäre.
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Die Dunkle Triade und sozial ungesundes Handeln
Als Dunkle Triade bezeichnet man die Persönlichkeitstypen Machiavellist, Psychopath und Narzisst (Rauthmann, 2016;
Paulhus & Williams, 2002; Furnham, Richards & Paulhus, 2013). Die Ausprägungen des jeweiligen Typus liegen dabei
im subklinischen Bereich. Der Begriff Dunkle Triade“ wurde eingeführt, weil diese drei Persönlichkeitstypen viele
Gemeinsamkeiten haben oder sogar gemeinsam auftreten können, aber dennoch die Subtypen voneinander unter-
scheidbar sind. Alle drei Persönlichkeitstypen zeichnet die Tendenz aus, andere zum eigenen Vorteil zu manipulieren
und auszubeuten. Mit anderen Worten: diese Persönlichkeitstypen neigen zu sozial ungesundem Handeln. Das vielleicht
wichtigste Merkmal dieser Persönlichkeitstypen ist das begrenzte Empathievermögen (Paulhus & Williams, 2002).
Das Konzept der Dunklen Triade erinnert daran, dass es auch im subklinischen Bereich Menschen gibtt, die eine
ausgeprägte Neigung zu sozial ungesundem Handeln aufweisen. Die Gruppe der zu sozial ungesundem Handeln nei-
genden Personen vergrößert sich damit weit über das Maß der Menschen hinaus, die an einer klinischen APS oder Nar-
zisstischen Persönlichkeitsstörung (NPS) leiden.
Sozial ungesundes Handeln in unserer Gesellschaft
Nachdem wir nun wissen, dass die Tatsache, ob ein Mensch zu sozial gesundem Handeln neigt, auch von Persönlich-
keitsstörungen abhängt, drängt sich die Frage auf, wie sich das auf unsere Gesellschaft auswirkt. Befinden sich Men-
schen, die an einer APS oder NPS leiden, in Kliniken? Gibt es so wenige, dass diese nur kaum ins Gewicht fallen?
Es ist allgemein bestätigt worden, dass Menschen, die an einer starken APS leiden (Psychopathen), in Gefängnissen
deutlich überrepräsentiert sind: etwa 15% der Gefängnisinsassen sind Psychopathen, wobei der Gesamtanteil von Psy-
chopathen in der Gesamtbevölkerung bei etwa 1% liegt (Babiak & Hare, 2007). Aber auch Führungspersonen von Unter-
nehmen sind Studien zu Folge häufiger von einer APS betroffen (Korten, 2001). 3-4% aller Chefpositionen (CEOs) seien
mit Psychopathen (im Sinne einer besonders starken APS) besetzt, worunter die Autoren ausdrücklich nicht Menschen
mit normal ausgeprägter APS verstehen (Babiak & Hare, 2007). Andere Quellen sprechen von knapp unter 6% Psycho-
pathen unter den CEOs und zusätzlich über 10% subklinischen „psychopathischen“ CEOs, die man zur Dunklen Triade
zählen kann (Saft, 2017). Das ergäbe über 16% Menschen in Chefpositionen, die eine starke Veranlagung und Bereit-
schaft dazu haben, andere auszubeuten und sozial ungesund zu handeln machiavellistische und narzisstische Persön-
lichkeitstypen sind bei dieser Zahl noch nicht berücksichtigt. Dem Wirtschaftspsychologen diger Hossiep zufolge zei-
gen Manager „überzufällig oft psychopathische, narzisstische und machiavellistische Auffälligkeiten […]. Je höher in der
Hierarchie man kommt, desto mehr Manager betrifft das.“ (Jimenéz, 2017). Der Wirtschaftspsychologe Uwe Kanning
findet dazu eine Erklärung: „Es ist naiv zu glauben, dass man in jeder beruflichen Position ein höflicher, offener und
ehrlicher Mensch sein könnte“ (Jimenéz, 2017). Die Bereitschaft zu sozial ungesundem Verhalten scheint also ein Vorteil
für den hierarchischen Aufstieg in der Wirtschaft zu sein. Damit übereinstimmend ist laut des Forschungspsychologen
Kevin Dutton die Funktion des CEO die berufliche Position mit dem höchsten Anteil an Psychopathen (Dutton, 2013). In
einem Interview mit der „ZEIT“ bestätigt der Psychologe Jens Hoffman diese Aussagen über Psychopathen in Chefetagen
(Groll, 2014). Ihm zufolge leiden bis zu 20% der Chefs an einer NPS. Denn nicht nur Psychopathen, auch „[n]arzisstische
Führungskräfte besetzen viele wirtschaftliche, politische, militärische und religiöse Führungspositionen“ (Furtner, 2017).
In der Summe ergäbe das ein Anteil von narzisstischen und psychopathischen Chefs von bis 36%. Dazu kommt noch der
Anteil der Machiavellisten, zu denen für diese Arbeit leider keine Zahlen vorlagen.
Wenn man einigen Experten Glauben schenken darf, handelt es sich beim aktuellen Präsidenten der Vereinigten
Staaten von Amerika, Donald Trump, um einen Menschen, der unter einer NPS leidet (Schadwinkel, 2017; Link, 2017;
Drach, 2017), was impliziert, dass er dazu tendiert, sozial ungesund zu handeln. Politikern wie Jörg Haider, Silvio Berlu-
sconi und George Bush Junior werden psychopathische Züge zugesprochen (Groll, 2014).
Wie kommt es dazu? Wieso lässt eine Gesellschaft, in der es überwiegend Menschen gibt, die man nicht an einer NPS
oder APS leiden, zu, dass überproportional viel Macht ausüben? Der Wirtschaftspsychologe Ronald Riggio macht dafür
drei Mechanismen verantwortlich: erstens das (naive) Vertrauen der nicht-ausbeuterischen, also tendenziell sozial ge-
sund handelnden Menschen, zweitens der missbräuchliche Gebrauch von Autorität und Charme durch Menschen der
Dunklen Triade und drittens der sogenannte Bystander-Effekt: weil viele Menschen den jeweiligen Verstoß sehen, denkt
jeder, dass der andere ja etwas tun könnte (Jimenéz, 2017). Die Bereitschaft von Psychopathen, alles zu tun, um im Ge-
schäft erfolgreich zu sein, verhilft ihnen oft spielend leicht zu entsprechenden Stellungen (Babiak & Hare, 2007). Außer-
dem können Psychopathen in Chefpositionen ihr Dominanzbedürfnis gut ausleben, während Machiavellisten per Defini-
tion nach Macht streben und Narzissten ihren Geltungsdrang in Chefpositionen besser befriedigen können (Groll, 2014).
Wir sehen also, dass die drei Ausprägungen der „Dunklen Triade“, die von Mangel an Empathie, Ausbeutung anderer
und damit sozial ungesundem Handeln geprägt ist, von Machtpositionen aus verschiedenen Gründen angezogen wer-
den. Sie stellen auch deshalb dort einen sehr viel größeren Anteil dar als in der Gesamtbevölkerung.
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Sicherheitsverwahrung und Personalauswahl-verfahren
In der Sicherheitsverwahrung nach Paragraph 66 des Strafgesetzbuches (Kindhäuser, Neumann, Albrecht & Paeffgen,
2005) werden Menschen zum Wohl der Allgemeinheit festgehalten. Damit setzt man Erkenntnisse der Persönlichkeits-
psychologie um. Die Sicherheitsverwahrung beruht auf der Annahme, dass man das Verhalten von Menschen, die zum
Beispiel unter bestimmten Persönlichkeitsstörungen leiden, vorhersagen kann. Konkret heißt das, dass manche Men-
schen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit extrem sozial ungesund handeln werden, wenn sie davon nicht mit Freiheits-
entzug abgehalten werden.
Menschen mit Überausprägungen der Merkmale der „Dunklen Triade“ können für bestimmte Positionen in Unter-
nehmen unerwünscht sein. Deshalb wird das hier vorgestellte Wissen über den Zusammenhang der „Dunklen Tria-
de“ und dem Handeln der davon Betroffenen bereits bei Personalentscheidungen eingesetzt (Schuler, 2014). Hier sehen wir
bereits, wie das Prinzip, Menschen mit bestimmten Persönlichkeitsstörungen bei der Besetzung bestimmter Positionen
nicht zu berücksichtigen, in der Praxis angewendet werden kann. Es wäre zu wünschen, dass dieses Prinzip auf alle mit
Macht verbundenen Positionen in Wirtschaft und Politik ausgedehnt würde.
Anwendungsmöglichkeiten
Um den psychologischen Ansatz zur Realisierung der SDG nutzen zu können, muss dieser zuerst gründlich und wissen-
schaftlich untersucht werden. Die Forschung daran sollte so gefördert werden wie beispielsweise durch Forschungsgel-
der und Subventionen die Erforschung alternativer Energiequellen gefördert wird. Eine wichtige Aufgabe in diesem
Rahmen ist es, die Möglichkeiten und Grenzen von Persönlichkeitstests zu untersuchen. Ob und in welchem Ausmaß es
Menschen mit der Tendenz zu sozial ungesundem Handeln gelingen kann, im Rahmen solcher Tests sich als sozial ge-
sund zu präsentieren, muss dringend festgestellt werden. Es sollten möglichst objektive Tests entwickelt werden, die
dazu auch von Insidern schwer zu überlisten sind. In diesem Kontext sollte auch die Aussagekraft physiologischer und
neurologischer Testansätze untersucht werden.
Die Aufklärung und Information über Zusammenhänge von Erkenntnissen der Persönlichkeitspsychologie und
sozial (un)gesundem Verhalten ist von höchster Wichtigkeit. Nur wenn der breiten Bevölkerung die Bedeutung und das
Potenzial dieses Denkansatzes bekannt ist, kann es tiefgreifende und nachhaltige Veränderungen geben. Persönlich-
keitspsychologie sollte daher altersgerecht Bestandteil jeder Schullaufbahn sein. Möglichst viele Menschen sollten ver-
stehen, dass es sich entscheidend auf die Realisierung nachhaltiger Entwicklung und damit auch auf ihr eigenes Wohl-
befinden auswirkt, wie die Persönlichkeit derer beschaffen ist, die Macht über sie besitzen. So kann in der breiten Be-
völkerung Motivation und damit Triebkraft entstehen, damit dieser sungsansatz langfristig und mit größerem Res-
sourceneinsatz verfolgt werden kann. Die Psychologin Martha Stout schrieb in ihrem Buch über Soziopathen: „Das Vor-
handensein oder Fehlen des Gewissens ist eine tiefe Kluft, die die Menschheit spaltet, wohl signifikanter als Intelligenz,
Rasse oder sogar das Geschlecht.“ (Stout, 2006). Es ist wichtig, dass dieser Sachverhalt mit seinen Implikationen von der
Bevölkerung verstanden wird.
Eine weitere Möglichkeit, diese Erkenntnisse zum Gemeinwohl mit anderen Worten: sozial gesund einzusetzen,
besteht in regelmäßigen Persönlichkeitstests von Menschen, die Machtpositionen innehaben. Von besonderer Bedeutung
ist dabei wiederum die Garantie der Zuverlässigkeit solcher Tests. Mit solchen Tests könnte der Manipulationsmacht
von Propaganda, wie sie etwa bei Wahlkämpfen alltäglich ist, entgegengewirkt werden. Wenn ein Kandidat die betref-
fenden Persönlichkeitsstörungen aufweist und dies allgemein bekannt gemacht wird, kann der Wähler mit dieser In-
formation auf sein zukünftiges Verhalten schließen.
Fazit
Das Anliegen dieses Artikels ist es, auf das Potenzial aufmerksam zu machen, das darin liegt, Erkenntnisse der Persön-
lichkeitspsychologie für die Erreichung der SDG der Vereinten Nationen einzusetzen. Bestimmte Persönlichkeitsstörun-
gen erschweren oder verhindern, dass ein Mensch sozial gesund denken und handeln kann. Es wäre im Sinne der nach-
haltigen Entwicklung, wenn Menschen, die unter Persönlichkeitsstörungen dieser Art leiden, nur eingeschränkten Zu-
gang zu Machtpositionen erhalten. Im Gegensatz dazu scheinen momentan die offiziellen und inoffiziellen Auswahlver-
fahren für Machtpositionen Menschen mit diesen Störungen eher zu begünstigen.
Diese Arbeit wirft viele Fragen auf, die es zu erforschen lohnt: Gibt es Persönlichkeitseigenschaften oder -typen, die
sozial gesundes Handeln begünstigen? Verändert sich die Persönlichkeit eines Menschen, wenn seine Macht sich vergrö-
ßert, wie es zum Beispiel die Ergebnisse des Stanford-Prison-Experiments nahezulegen scheinen (Haney, Banks &
Zimbardo, 1973)? Und wie hängen beispielsweise die Ergebnisse des Milgram-Experiments (Milgram, 1963) und sozial
ungesundes Handeln zusammen?
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Der Autor
Nathanael Meyer, Jg. 1990; M.Sc. (Master of Molecular Biosciences Major Evolution and Ecology); aktuell Studium der Informatik
(Bsc.) im 6. Fachsemester.
E-Mail: nathanael.meyer@gmx.de
www.weltfrieden.blog
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Full-text available
Of the offensive yet non-pathological personalities in the literature, three are especially prominent: Machiavellianism, subclinical narcissism, and subclinical psychopathy. We evaluated the recent contention that, in normal samples, this ‘Dark Triad’ of constructs are one and the same. In a sample of 245 students, we measured the three constructs with standard measures and examined a variety of laboratory and self-report correlates. The measures were moderately inter-correlated, but certainly were not equivalent. Their only common Big Five correlate was disagreeableness. Subclinical psychopaths were distinguished by low neuroticism; Machiavellians, and psychopaths were low in conscientiousness; narcissism showed small positive associations with cognitive ability. Narcissists and, to a lesser extent, psychopaths exhibited self-enhancement on two objectively scored indexes. We conclude that the Dark Triad of personalities, as currently measured, are overlapping but distinct constructs.
Chapter
Dieses Kapitel gibt einen kompakten Überblick über essenzielle Grundlagen der Persönlichkeitspsychologie. Dadurch können die später dargestellten Ansätze besser verstanden, verglichen und bewertet werden. Folgende Inhalte werden behandelt:
Menschenschinder oder Manager: Psychopathen bei der Arbeit
  • P Babiak
  • R Hare
Babiak, P., Hare, R. (2007). Menschenschinder oder Manager: Psychopathen bei der Arbeit. München: Hanser.
Report of the World Comission on environment and development: "our common future
  • G H Brundtland
Brundtland, G. H. (1987). Report of the World Comission on environment and development: "our common future". United Nations. Drach, M. C. (2017). Die Psyche des US-Präsidenten und das Dilemma der Experten -10.8.2017. Süddeutsche Zeitung: http://www.sueddeutsche.de/gesundheit/narzissmus-trumps-psyche-und-das-dilemma-der-experten-1.3615637. Abruf 31.08.2017
Psychopathen: Was man von Heiligen
  • K Dutton
Dutton, K. (2013). Psychopathen: Was man von Heiligen, Anwälten und Serienmördern lernen kann. München: Deutscher Taschenbuch Verlag.
Emotionserkennung und Empathie: Eine multimethodale psychologische Studie am Beispiel von Psychopathie und sozialer Ängstlichkeit
  • K A Fuchs
Fuchs, K. A. (2014). Emotionserkennung und Empathie: Eine multimethodale psychologische Studie am Beispiel von Psychopathie und sozialer Ängstlichkeit. Wiesbaden: Springer VS.
The Dark Triad of personality: A 10 year review. Social and Personality Psychology Compass
  • A Furnham
  • S Richards
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