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Gewaltprävention durch Karate: Chancen und Risiken für die Arbeit mit männlichen Jugendlichen im Feld der emotionalen und sozialen Entwicklungsförderung

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Abstract

Eine besondere Chance liegt darin, dass Karate als Kampfsport an der Lebenswelt gewalttätiger Jugendlicher ansetzt. Innerer Druck und Aggressionen können in einem sozialverträglichen Rahmen abgebaut und ausgelebt werden. Ein rein sportliches Karatetraining ist allerdings von sich aus nicht gewaltpräventiv. Es kommt in diesem Zusammenhang besonders auf die Kompetenzen des Trainers und damit der Bindungsperson an. Wird der Wettkampfgedanke in den Fokus des Trainings gerückt, könnte dies den Druck auf die Jugendlichen sogar verstärken, sich und ihre Männlichkeit behaupten zu müssen. Vielmehr sollte der Trainer die übergeordneten Ziele des Karate, nämlich die Gedanken des Respekts, der Gemeinsamkeit und der Charakterbildung, in den Fokus des Trainings rücken. Besonders, wenn mit Jugendlichen gearbeitet wird, die bereits durch gewalttätiges Verhalten aufgefallen sind, sollten fokussierte Reflexionsphasen in das Training eingebunden und dadurch stabile gewalttätige Verhaltensmuster durchbrochen werden. Karate bietet durch seine Prinzipien als Kampfsport vielfältige Möglichkeiten einen Einstieg in Reflexionsphasen zu finden. So kann im Training ein Bogen zwischen den Aspekten Sieg und Niederlage bzw. Täter und Opfer gezogen werden. Es besteht die Möglichkeit, dass Jugendliche durch stetige Fortschritte im Karate ein echtes Selbstbewusstsein aufbauen. Dies macht erhabener gegenüber äußeren Belastungsfaktoren, wodurch letztlich wieder Aggressionen verringert werden können. Gleichzeitig werden Kompetenzen zur Wahrnehmungsfähigkeit und Selbstbeherrschung geschult, die dabei helfen können, den Anforderungen des Alltags besser gerecht zu werden. Betrachtet man den Aspekt der Lebensweltorientierung, so kann ein fest integriertes und regelmäßig stattfindendes Karatetraining zu einem sinnvollen Unterstützungssystem im Leben eines Jugendlichen werden. Dabei sollte stets bedacht werden, dass Karate nur im Rahmen eines multiprofessionellen Netzwerkes eine gewaltpräventive Wirkung entfalten kann.
Gewaltprävenon durch Karate: Chancen und Risikenr die Arbeit mit männlichen
Jugendlichen im Feld der emoonalen und sozialen Entwicklungsförderung
Luca Meyer und Prof. Dr. Joachim Bröcher*
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Gewaltprävenon in der ES-Pädagogik
In der ES-Pädagogik gibt es unterschiedliche Ansätze, die der Förderung der
emoonalen und sozialen Entwicklung, und damit auch der Prävenon von
Gewaltverhalten, dienen. Diejenigen Ansätze, die in Kombinaon mit Kara-
te als besonders geeignet erscheinen, sind folgende:
Lebensweltorienerung
Um gewalägem Verhalten vorzubeugen, geht es einerseits um die
Schaung oder Stabilisierung infrastruktureller Hilfen in der direkten Um-
welt eines Jugendlichen und andererseits um das Aufund Ausbauen indi-
vidueller Kompetenzen, die in der konkreten Lebenswelt erprobt werden.
Erlebnispädagogik
Beim Karate werden Lernerfahrungen durch Grenzerfahrungen und ge-
meinsames Erleben iniiert. Um die neuen Erfahrungen in den Alltag zu
übertragen und Kompetenzen zu schulen, ist eine fokussierte Reexion des
Erlebten unabdingbar.
Bindungsgeleitete Pädagogik
Das Karate-Training mit Kindern und Jugendlichen enthält auch eine Bezie-
hungskomponente. Unsichere Bindungsmuster, welche sich omals auch
bei aggressiven Jugendlichen feststellen lassen, sollen im Rahmen von Bin-
dungsarbeit verändert werden.
Karate als gewaltprävenves Konzept
im Kontext der ES-Pädagogik
Eine besondere Chance liegt darin, dass Karate als Kampfsport an der Le-
benswelt gewaläger Jugendlicher ansetzt. Innerer Druck und Aggressi-
onen können in einem sozialverträglichen Rahmen abgebaut und ausge-
lebt werden.
Ein rein sportliches Karatetraining ist allerdings von sich aus nicht gewalt-
prävenv. Es kommt in diesem Zusammenhang besonders auf die Kompe-
tenzen des Trainers und damit der Bindungsperson an. Wird der We-
kampfgedanke in den Fokus des Trainings gerückt, könnte dies den Druck
auf die Jugendlichen sogar verstärken, sich und ihre Männlichkeit be-
haupten zu müssen.
Vielmehr sollte der Trainer die übergeordneten Ziele des Karate, nämlich
die Gedanken des Respekts, der Gemeinsamkeit und der Charakterbil-
dung, in den Fokus des Trainings rücken.
Besonders, wenn mit Jugendlichen gearbeitet wird, die bereits durch ge-
waläges Verhalten aufgefallen sind, sollten fokussierte Reexionspha-
sen in das Training eingebunden und dadurch stabile gewaläge Verhal-
tensmuster durchbrochen werden. Karate bietet durch seine Prinzipien
als Kampfsport vielfälge Möglichkeiten einen Einseg in Reexionspha-
sen zu nden. So kann im Training ein Bogen zwischen den Aspekten Sieg
und Niederlage bzw. Täter und Opfer gezogen werden.
Es besteht die Möglichkeit, dass Jugendliche durch stege Fortschrie im
Karate ein echtes Selbstbewusstsein auauen. Dies macht erhabener ge-
genüber äußeren Belastungsfaktoren, wodurch letztlich wieder Aggressi-
onen verringert werden können. Gleichzeig werden Kompetenzen zur
Wahrnehmungsfähigkeit und Selbstbeherrschung geschult, die dabei hel-
fen können, den Anforderungen des Alltags besser gerecht zu werden.
Betrachtet man den Aspekt der Lebensweltorienerung, so kann ein fest
integriertes und regelmäßig staindendes Karatetraining zu einem sinn-
vollen Unterstützungssystem im Leben eines Jugendlichen werden. Dabei
sollte stets bedacht werden, dass Karate nur im Rahmen eines mulpro-
fessionellen Netzwerkes eine gewaltprävenve Wirkung enalten kann.
Was ist Karate?
Karate ist eine asiasche Kampunst, deren Techniken (Schlagen, Treten,
Blocken) überwiegend aus stehenden Posionen heraus Anwendung n-
den. Aufgrund der kleinschrig aufeinander auauenden Trainingsinhal-
te kann jeder, unabhängig vom Leistungsniveau, mit Karate beginnen und
steg Erfolge erzielen.
Besonders am Karate ist, dass es neben dem Ausführen von Techniken
auch auf das Training der Geisteshaltung ankommt und hierauf in der Re-
gel großen Wert gelegt wird:
„Das höchste Ziel im Karate-Do ist nicht der Sieg oder die Niederlage, sondern die Perfek-
on des menschlichen Charakters.(Funakoshi, ziert nach Schla, 1999, S. 213)
Aggression & Gewalt
Aggression ist, vereinfacht ausgedrückt, ein unangepasstes und böswilliges
Verhalten, durch die eine Person oder Sache physisch oder psychisch zu
Schaden kommen soll bzw. kommt. Omals wird Aggression auch als die
direkte Vorstufe von Gewalt angesehen.
Gewaltverhalten entsteht v.a. durch Lernerfahrungen (omals frühkind-
lich), z.B. durch unsichere Bindungserfahrungen, soziale Ablehnung durch
Gleichaltrige und negave Erziehungsprakken.
Im Jugendalter reichen Bewälgungskompetenzen omals nicht aus, um
mit den gesellschalichen Anforderungen zurecht zu kommen. Durch Ge-
waltverhalten kann sich eine Identät geschaen und Aufmerksamkeit er-
langt werden. Besonders auf männlichen Jugendlichen lastet der Druck ei-
nem Männlichkeitsideal der Stärke entsprechen zu müssen. Fehlende Rol-
lenvorbilder sind hierfür genau so verantwortlich, wie die Anforderungen,
die unterschiedliche Sozialisaonsinstanzen omals an männliche Jugend-
liche und sogar männliche Kinder stellen.
Gewaltprävenon
Alle Menschen haben einen Anspruch auf ein Leben ohne Gewalt. In
der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte wird ausdrücklich
das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person […] formu-
liert. Die Achtung der Würde des Menschen […] ist ein unveräußerli-
ches Recht aller Menschen (Gugel, 2007, S. 23).
Gewalt beeinusst nicht nur das Leben des Opfers, sondern auch das des
Täters. Das Leben des Opfers und dessen Angehörigen wird nicht nur
durch etwaige körperliche Verletzungen beeinusst, auch das potenelle
Vorhandensein von Gewalt verändert Einstellungen und das Verhalten in
sozialen Situaonen. Auf der anderen Seite gerät der Täter potenell in
eine Abwärtsspirale, die das ganze Leben beeinussen kann. Zu dieser ge-
hören z.B. kriminelle Subkulturen, Drogenprobleme, psychiatrische Symp-
tome und chronische Delinquenz.
Um Gewalt zu verhindern, wird auf verschiedenen Ebenen gearbeitet. Die
primäre Ebene spricht jeden an und zielt darauf ab, gewaläge Verhal-
tensformen gar nicht erst entstehen zu lassen. Auf der terären Ebene
sollen feste, gewaläge Verhaltensformen verändert werden.
Einige Prävenonsmaßnahmen setzen eher an dem Symptom des ge-
walägen Verhaltens, andere eher an dessen Ursprung an.
* Dieses Theorieposter basiert auf der Abschlussarbeit von Luca Meyer, im Studiengang Master of
Educaon, Lehramt Sonderpädagogik, Schwerpunkt Pädagogik und Didakk zur emoonalen und
sozialen Entwicklung, ferg gestellt im Juni 2018. Joachim Bröcher war der Betreuer dieser Arbeit.
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