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Gewaltprävenon durch Karate: Chancen und Risiken für die Arbeit mit männlichen
Jugendlichen im Feld der emoonalen und sozialen Entwicklungsförderung
Luca Meyer und Prof. Dr. Joachim Bröcher*
Europa-Universität Flensburg, Abteilung Pädagogik und Didakk zur Förderung der emoonalen und sozialen Entwicklung
Ausgewählte Literatur
Baier, B. (1999).
Kampfsport – ein wirksames Miel in der sozialpädagogischen Arbeit, um
aggressives Verhalten von Jugendlichen zu modizieren?
Berlin. Pro Business GmbH.
Baran, N. (2017).
Baran Kampfsport. Kampunst – Selbstverteidigung – Fitness.
Verfügbar
unter hp://barankampfsport.de/news.htm [15.05.2018]. Link
Barnickel, L. (2009).
Gewaltprävenon durch Kampfsport. Theorie, Einussfaktoren und
praksche Anwendung
. München: AVM.
Bröcher, J. (2005).
Didaksche Variaonen bei Schulverweigerung und Verhaltensproble-
men. Impulse für Schul- und Unterrichtsentwicklung, sozialpädagogische Projekte und
Coaching.
Band I– III. Niebüll: Videel. Download Band I, Band II, Band III
Bröcher, J., Künzler-Knunke, R. und Steimann, A. (2017).
Pädagogische Beziehungen im
schulischen Förderschwerpunkt der emoonalen und sozialen Entwicklung: Hochschuldi-
daksche Impulse für das eigenständige, verefende Studium
. ResarchGate, 14.8.17, DOI:
10.13140/RG.2.1.1531.6560/2, Download
Bröcher, J., Künzler-Knunke, R. und Steimann, A. (2017).
Outdoor, Wilderness, Adven-
ture, Experience: Erlebnispädagogik im Förderschwerpunkt der emoonalen und sozialen
Entwicklung. Hochschuldidaksche Impulse für das eigenständige, verefende Studium
.
ResearchGate, 8.6.17, DOI: 10.13140/RG.2.2.10260.30086/1, Download
Gugel, G. (2007).
Gewalt und Gewaltprävenon. Grundfragen, Grundlagen, Ansätze und
Handlungsfelder von Gewaltprävenon und ihre Bedeutung für Entwicklungszusammen-
arbeit
. Tübingen: Instut für Friedenspädagogik.
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Der Zorn junger Männer
. Leipzig. Weitere Informaonen siehe Link. Ver-
fügbar unter hp://www.ardmediathek.de/ bis 7.8.18.
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Gewaltprävenon durch Karate. Chancen und Risiken für die Arbeit mit
männlichen Jugendlichen im Feld der emoonalen und sozialen Entwicklungsförderung
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Flensburg (unveröentlichte Master-Arbeit).
Petermann, F., Döpfner, M. & Schmidt, M.H. (2007).
Aggressiv-dissoziale Störungen
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Schla (1999).
Enzyklopädie des Shotokan-Karate
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Smit, S. (2002).
Karate. Tradionen - Grundlagen - Techniken
. Stugart: Pietsch.
Gewaltprävenon in der ES-Pädagogik
In der ES-Pädagogik gibt es unterschiedliche Ansätze, die der Förderung der
emoonalen und sozialen Entwicklung, und damit auch der Prävenon von
Gewaltverhalten, dienen. Diejenigen Ansätze, die in Kombinaon mit Kara-
te als besonders geeignet erscheinen, sind folgende:
Lebensweltorienerung
Um gewalägem Verhalten vorzubeugen, geht es einerseits um die
Schaung oder Stabilisierung infrastruktureller Hilfen in der direkten Um-
welt eines Jugendlichen und andererseits um das Auf– und Ausbauen indi-
vidueller Kompetenzen, die in der konkreten Lebenswelt erprobt werden.
Erlebnispädagogik
Beim Karate werden Lernerfahrungen durch Grenzerfahrungen und ge-
meinsames Erleben iniiert. Um die neuen Erfahrungen in den Alltag zu
übertragen und Kompetenzen zu schulen, ist eine fokussierte Reexion des
Erlebten unabdingbar.
Bindungsgeleitete Pädagogik
Das Karate-Training mit Kindern und Jugendlichen enthält auch eine Bezie-
hungskomponente. Unsichere Bindungsmuster, welche sich omals auch
bei aggressiven Jugendlichen feststellen lassen, sollen im Rahmen von Bin-
dungsarbeit verändert werden.
Karate als gewaltprävenves Konzept
im Kontext der ES-Pädagogik
Eine besondere Chance liegt darin, dass Karate als Kampfsport an der Le-
benswelt gewaläger Jugendlicher ansetzt. Innerer Druck und Aggressi-
onen können in einem sozialverträglichen Rahmen abgebaut und ausge-
lebt werden.
Ein rein sportliches Karatetraining ist allerdings von sich aus nicht gewalt-
prävenv. Es kommt in diesem Zusammenhang besonders auf die Kompe-
tenzen des Trainers und damit der Bindungsperson an. Wird der We-
kampfgedanke in den Fokus des Trainings gerückt, könnte dies den Druck
auf die Jugendlichen sogar verstärken, sich und ihre Männlichkeit be-
haupten zu müssen.
Vielmehr sollte der Trainer die übergeordneten Ziele des Karate, nämlich
die Gedanken des Respekts, der Gemeinsamkeit und der Charakterbil-
dung, in den Fokus des Trainings rücken.
Besonders, wenn mit Jugendlichen gearbeitet wird, die bereits durch ge-
waläges Verhalten aufgefallen sind, sollten fokussierte Reexionspha-
sen in das Training eingebunden und dadurch stabile gewaläge Verhal-
tensmuster durchbrochen werden. Karate bietet durch seine Prinzipien
als Kampfsport vielfälge Möglichkeiten einen Einseg in Reexionspha-
sen zu nden. So kann im Training ein Bogen zwischen den Aspekten Sieg
und Niederlage bzw. Täter und Opfer gezogen werden.
Es besteht die Möglichkeit, dass Jugendliche durch stege Fortschrie im
Karate ein echtes Selbstbewusstsein auauen. Dies macht erhabener ge-
genüber äußeren Belastungsfaktoren, wodurch letztlich wieder Aggressi-
onen verringert werden können. Gleichzeig werden Kompetenzen zur
Wahrnehmungsfähigkeit und Selbstbeherrschung geschult, die dabei hel-
fen können, den Anforderungen des Alltags besser gerecht zu werden.
Betrachtet man den Aspekt der Lebensweltorienerung, so kann ein fest
integriertes und regelmäßig staindendes Karatetraining zu einem sinn-
vollen Unterstützungssystem im Leben eines Jugendlichen werden. Dabei
sollte stets bedacht werden, dass Karate nur im Rahmen eines mulpro-
fessionellen Netzwerkes eine gewaltprävenve Wirkung enalten kann.
Was ist Karate?
Karate ist eine asiasche Kampunst, deren Techniken (Schlagen, Treten,
Blocken) überwiegend aus stehenden Posionen heraus Anwendung n-
den. Aufgrund der kleinschrig aufeinander auauenden Trainingsinhal-
te kann jeder, unabhängig vom Leistungsniveau, mit Karate beginnen und
steg Erfolge erzielen.
Besonders am Karate ist, dass es neben dem Ausführen von Techniken
auch auf das Training der Geisteshaltung ankommt und hierauf in der Re-
gel großen Wert gelegt wird:
„Das höchste Ziel im Karate-Do ist nicht der Sieg oder die Niederlage, sondern die Perfek-
on des menschlichen Charakters.“ (Funakoshi, ziert nach Schla, 1999, S. 213)
Aggression & Gewalt
Aggression ist, vereinfacht ausgedrückt, ein unangepasstes und böswilliges
Verhalten, durch die eine Person oder Sache physisch oder psychisch zu
Schaden kommen soll bzw. kommt. Omals wird Aggression auch als die
direkte Vorstufe von Gewalt angesehen.
Gewaltverhalten entsteht v.a. durch Lernerfahrungen (omals frühkind-
lich), z.B. durch unsichere Bindungserfahrungen, soziale Ablehnung durch
Gleichaltrige und negave Erziehungsprakken.
Im Jugendalter reichen Bewälgungskompetenzen omals nicht aus, um
mit den gesellschalichen Anforderungen zurecht zu kommen. Durch Ge-
waltverhalten kann sich eine Identät geschaen und Aufmerksamkeit er-
langt werden. Besonders auf männlichen Jugendlichen lastet der Druck ei-
nem Männlichkeitsideal der Stärke entsprechen zu müssen. Fehlende Rol-
lenvorbilder sind hierfür genau so verantwortlich, wie die Anforderungen,
die unterschiedliche Sozialisaonsinstanzen omals an männliche Jugend-
liche und sogar männliche Kinder stellen.
Gewaltprävenon
Alle Menschen haben einen Anspruch auf ein Leben ohne Gewalt. In
der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte wird ausdrücklich
das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person […] formu-
liert. Die Achtung der Würde des Menschen […] ist ein unveräußerli-
ches Recht aller Menschen (Gugel, 2007, S. 23).
Gewalt beeinusst nicht nur das Leben des Opfers, sondern auch das des
Täters. Das Leben des Opfers und dessen Angehörigen wird nicht nur
durch etwaige körperliche Verletzungen beeinusst, auch das potenelle
Vorhandensein von Gewalt verändert Einstellungen und das Verhalten in
sozialen Situaonen. Auf der anderen Seite gerät der Täter potenell in
eine Abwärtsspirale, die das ganze Leben beeinussen kann. Zu dieser ge-
hören z.B. kriminelle Subkulturen, Drogenprobleme, psychiatrische Symp-
tome und chronische Delinquenz.
Um Gewalt zu verhindern, wird auf verschiedenen Ebenen gearbeitet. Die
primäre Ebene spricht jeden an und zielt darauf ab, gewaläge Verhal-
tensformen gar nicht erst entstehen zu lassen. Auf der terären Ebene
sollen feste, gewaläge Verhaltensformen verändert werden.
Einige Prävenonsmaßnahmen setzen eher an dem Symptom des ge-
walägen Verhaltens, andere eher an dessen Ursprung an.
* Dieses Theorieposter basiert auf der Abschlussarbeit von Luca Meyer, im Studiengang Master of
Educaon, Lehramt Sonderpädagogik, Schwerpunkt Pädagogik und Didakk zur emoonalen und
sozialen Entwicklung, ferg gestellt im Juni 2018. Joachim Bröcher war der Betreuer dieser Arbeit.