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Machen Gewohnheiten uns (un)aufmerksam gegenüber Medieninhalten? Der Zusammenhang zwischen wiederholter Nutzung, automatischer Selektion und Aufmerksamkeit gegenüber Inhalten während der Rezeption

Authors:
1
Machen Gewohnheiten uns (un)aufmerksam gegenüber
Medieninhalten? Der Zusammenhang zwischen wieder-
holter Nutzung, automatischer Selektion und Aufmerk-
samkeit gegenüber Inhalten während der Rezeption
Teresa K. Naab & Anna Schnauber-Stockmann1
Die meisten Menschen wiederholen einen großen Teil ihrer alltäglichen
Mediennutzung. Allerdings ist wenig darüber bekannt, wie wiederholte
Nutzung mit der Verarbeitung des Medieninhaltes in Zusammenhang steht.
ProgrammplanerInnen schreiben der wiederholten Mediennutzung hohe
Relevanz zu und arbeiten daran, die Loyalität ihres Publikums zu festigen
(Brosius, Wober & Weimann, 1992; Cooper, 1996). Dem liegt die An-
nahme zugrunde, dass Loyalität die Aufmerksamkeit gegenüber redaktio-
nellen Inhalten und Werbung erhöht (Meyer & Muthaly, 2008). Gleichzei-
tig wird eine wiederholte Mediennutzung aber häufig auch in enger Verbin-
dung mit habitualisierter Nutzung gesehen und sowohl einige ForscherIn-
nen als auch Laien vermuten, dass Gewohnheiten mit niedriger Elaboration
des ausgeführten Verhaltens einhergehen (Verplanken & Aarts, 1999;
Wood & Neal, 2007; Wood, Quinn, & Kashy, 2002). Der Zusammenhang
zwischen den scheinbar eng verwandten Konzepten Wiederholung und Ge-
wohnheit wurde bislang kaum systematisch untersucht. Infolgedessen wur-
den auch die Zusammenhänge zwischen Wiederholung und habitueller Me-
diennutzung mit Aufmerksamkeit gegenüber Medieninhalten kaum im De-
tail betrachtet. Diese Zusammenhänge sind jedoch für die Medienwirkungs-
forschung von hoher Relevanz, denn Aufmerksamkeit gegenüber Medien-
inhalten gilt als zentraler Mediator im Medienwirkungsprozess.
Der vorliegende Beitrag befasst sich mit dem Verhältnis von Aufmerk-
samkeit, Wiederholung und Gewohnheit. Wir betrachten zu Beginn die
Verarbeitung von Medieninhalten während der Rezeption. Anschließend
arbeiten wir das hier zugrundeliegende Verständnis von Gewohnheiten her-
1 Wir danken Natalia Sander und weiteren Studierenden der Universität Augsburg
für die Mitarbeit an der Konzeption und Datenerhebung des Materials, das die-
sem Aufsatz zugrunde liegt, sowie Alicia Gilbert, die bei der Arbeit an diesem
Beitrag mitgewirkt hat.
Machen Gewohnheiten uns (un)aufmerksam gegenüber Medieninhalten?
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aus, indem wir zwischen Wiederholung und automatischer Selektion unter-
scheiden. Empirische Befunde aus zwei Studien mit Fokus auf verschiede-
nen Mediennutzungsverhalten dienen schließlich der Prüfung der aus der
Theorie abgeleiteten Annahmen.
Aufmerksame Mediennutzung
Kognitive Verarbeitung bezeichnet im Allgemeinen die Konzentration kog-
nitiver Kapazitäten auf eine (mediale) Botschaft (Kahneman, 1973). Die
mentalen Kapazitäten werden für verschiedene Teilprozesse benötigt
(Lang, 2006): Encodierung, Abruf und Speicherung. Unter Encodierung ist
der »process of selecting information from the environment for further
processing« (Lang, 2006, S. 59) zu verstehen. Diese Selektion findet auf
mehreren Ebenen statt: Zunächst wählen RezipientInnen zwischen Medien-
nutzung und nicht-mediale Aktivitäten. Im Anschluss daran folgt die Selek-
tion einer Mediengattung, eines Kanals oder Programms (Webster, Phalen,
& Lichty, 2006). Diese Auswahl kann sowohl auf einer (mehr oder weniger
elaborierten) Entscheidung basieren oder automatisch geschehen (siehe
hierzu ausführlicher im folgenden Kapitel »Mediengewohnheiten: Wieder-
holte und automatisch initiierte Mediennutzung«). Schließlich müssen Re-
zipienten während des Encodierungsprozesses beispielsweise einen konkre-
ten Zeitungsartikel oder eine Fernsehsendung und darin wiederum einzelne
Informationseinheiten auswählen. Die Wahrnehmung bestimmter Elemente
des Medieninhaltes wird dabei auch als Encodierung oder Aufmerksamkeit
gegenüber einem Medieninhalt bezeichnet (Eveland, 2002; Perse, 1990a).
Die Forschung zeigt, dass Aufmerksamkeit, also Encodierung, eine notwen-
dige (wenn auch nicht ausreichende, siehe z. B. Lang, 2006) Voraussetzung
für nachfolgende Verarbeitungsschritte, also den Abruf zuvor gespeicherter
Informationen für das Verstehen der aktuellen Botschaft und die Speiche-
rung der neuen Informationen, ist (Eveland, Hutchens, & Shen, 2009;
Griffin, Neuwirth, Giese, & Dunwoody, 2002; Perse, 1990b). Aus diesem
Grund fokussiert sich der vorliegende Beitrag auf die den anderen Prozes-
sen zugrundeliegende Aufmerksamkeit.
Zwei wichtige Faktoren, die Verarbeitungsprozesse und damit Aufmerk-
samkeit beeinflussen, sind Kapazität und Motivation (z. B. Fazio, 1990).
Erstere kann situativ beispielweise durch die parallele Verarbeitung mehre-
rer Botschaften oder kognitive Überlastung durch nicht-mediale Aktivitäten
gemindert werden (Betsch, Brinkmann, Fiedler, & Breining, 1999). In Hin-
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blick auf motivationale Faktoren wird in Zweiprozessmodellen der Infor-
mationsverarbeitung insbesondere der Einfluss von Involvement auf eine
intensive Verarbeitung angeführt. Involvement bezeichnet einen Zustand
der wahrgenommenen Relevanz eines Objekts oder Themas. Hoch invol-
vierte Personen weisen eine intensive kognitive Verarbeitung von Inhalten
auf, die sich u. a. in hoher Aufmerksamkeit gegenüber einem Objekt oder
Thema zeigen kann (Kahlor, Dunwoody, Griffin, Neuwirth, & Giese, 2003;
Kim & Rubin, 1997).
Mediengewohnheiten: Wiederholte und automatisch initiierte Nutzung
Basierend auf Definitionen aus der Sozialpsychologie werden Gewohnhei-
ten in der Kommunikationswissenschaft als in Form von Skripten gespei-
cherte Wissensstrukturen verstanden, die aufgrund ihrer hohen Verfüg-
barkeit in wiederholt auftretenden, alltäglichen Situationen automatisch
ausgelöst werden können (z. B. Koch, 2010; LaRose, 2010; Naab, 2013;
Schnauber, 2017). Folglich charakterisieren zwei Komponenten Gewohn-
heiten: Wiederholung und automatische Initiation bzw. Selektion, d. h. von
geringer Aufmerksamkeit, Bewusstheit und Kontrolle geprägte Selektion
(Bargh, 1994; Verplanken & Orbell, 2003). Die automatische Selektion
wird von situativen Faktoren (cues) ausgelöst, welche ebenfalls im entspre-
chenden Skript abgelegt sind. Diese Faktoren signalisieren die Angemes-
senheit des Verhaltens unter den aktuellen Umständen und weisen auf den
»entry path leading to the script« (Abelson, 1981, S. 723).
Aus der Definition ergibt sich, dass die Entwicklung und Verfügbarkeit
von Skripten und damit die Entstehung von Gewohnheiten von der Wieder-
holung eines Verhaltens abhängen (z. B. Verplanken & Aarts, 1999). Damit
ist Wiederholung einerseits eine (notwendige, aber nicht hinreichende) Vo-
raussetzung für die Entstehung von Gewohnheiten. Umgekehrt führen etab-
lierte Gewohnheiten wiederum zu Wiederholung: Gewohnheiten werden
automatisch initiiert die Ausführung des Verhaltens bedarf keiner bewuss-
ten Entscheidungsfindung. Deshalb stellen Individuen ihre habituelle Me-
dienselektion nicht explizit in Frage, weswegen es wahrscheinlicher ist,
dass ein habituelles Verhalten häufig ausgeführt wird. Aus diesem Grund
nehmen wir einen wechselseitigen Zusammenhang an:
H1: Automatische Selektion und Wiederholung stehen in einem
positiven Zusammenhang.
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Zusammen bilden die Konstrukte Wiederholung und automatische
Selektion die Gewohnheitsstärke (Verplanken & Orbell, 2003). Es ist aber
möglich, dass beide Konstrukte verschiedene Auswirkungen auf Aufmerk-
samkeit bei der letztlichen Ausführung des Verhaltens, also der Medienre-
zeption, haben. Deshalb wird im Folgenden zwischen Wiederholung und
automatischer Selektion unterschieden und ihre jeweiligen Beziehungen zu
Aufmerksamkeit betrachtet.
Zusammenhänge mit aufmerksamer Rezeption
Die obige Definition von Gewohnheiten fokussiert auf die automatische
Selektion von wiederholtem Verhalten. Jedoch bedeutet das nicht, dass das
gesamte, im Skript gespeicherte Verhalten automatisch ablaufen muss. So
heben Naab und Schnauber (2016) hervor: »What is decisive […] and unites
all habits, is the automatic activation of the script. Once activated, the
scripted behavior itself can be performed automatically (e.g., smoking
without thinking about it) or with high awareness and involvement (e.g.,
watching the course of events of a habitually chosen daily soap)« (S. 128;
siehe auch Gardner, 2015; Gardner, Phillips, & Judah, 2016; Schnauber,
2017). Ein Medienformat kann stetig neue Botschaften enthalten. Das ist
beispielsweise bei täglich aktuellen Nachrichteninhalten der Fall oder bei
einer Serie mit fortlaufendem Plot. Während die Selektion automatisch er-
folgen kann, wenden die meisten RezipientInnen jedoch für die Verarbei-
tung des Medieninhalts durchaus mentalen Aufwand auf; sie müssen auf-
merksam gegenüber dem laufenden Inhalt sein, um den vollen Nutzen dar-
aus zu ziehen.
Empirische Ergebnisse zum Verhältnis zwischen automatischer Selek-
tion und aufmerksamer Rezeption sind rar und inkonsistent: In ihrer frühen
Forschung zu Publikumsaktivität heben Levy und Windhal (1984) drei zeit-
liche Dimensionen der Publikumsaktivität hervor. Sie nehmen an, dass
MediennutzerInnen mehr oder weniger aufmerksam vor, während und nach
der Rezeption sein können und dass die Aktivität in einer Phase nicht
notwendigerweise in Verbindung mit der Aktivität in einer anderen Phase
steht. Die automatische Selektion ist ein effizienter Umgang mit kognitiven
Ressourcen in der präkommunikativen Phase. Die Ausführung eines Ver-
haltens ist Teil der kommunikativen Phase. Dabei kann, muss aber nicht,
viel Aufmerksamkeit auf den Inhalt gerichtet werden. Dies spricht dafür,
dass automatische Selektion und Aufmerksamkeit während der Rezeption
nicht zusammenhängen.
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In seinen viel beachteten Arbeiten unterscheidet Rubin (z. B. 1984) zwi-
schen ritueller und instrumenteller Nutzung. Erstere steht in Zusammen-
hang mit Motiven wie Gewohnheit, Zeitvertreib und Entspannung. Rituelle
ZuschauerInnen wenden weniger Ressourcen für die Selektion auf und
zeigen geringere Aufmerksamkeit und Elaboration während der Rezeption.
Im Gegensatz dazu geht instrumentelle Nutzung mit höherer Selektivität
sowie einer zielgerichteten Rezeption bestimmter Inhalte einher. Diese
Muster wurden für die Nutzung von Fernsehnachrichten und Seifenopern
bestätigt (Perse, 1990b, 1998; Rubin, 1985, 1987; Rubin & Perse, 1987).
Aus dieser Forschungstradition lässt sich ableiten, dass automatische
Medienselektion mit weniger Aufmerksamkeit gegenüber dem rezipierten
Inhalt in Verbindung stehen könnte. Jedoch sollten die Ergebnisse mit
Bedacht interpretiert werden, da die zitierten AutorInnen vom heutigen
Gewohnheitsverständnis abweichen und sich auf generelle Rezeptionsori-
entierungen beziehen. Hierdurch kommt es zu einer Vermischung von
Gewohnheiten, Nutzungsmotiven und inhaltlichen Präferenzen, die für sich
allein mehr oder weniger mit Aufmerksamkeit gegenüber dem Medienin-
halt verbunden sein dürften.
Wood und Kollegen (2002) beleuchten ebenfalls das Verhältnis
zwischen automatischer Verhaltensauslösung und kognitiver Verarbeitung
während der Verhaltensausführung. Sie stellen fest, dass gewohnheitsmä-
ßige im Vergleich zu nicht-gewohnheitsmäßigen Verhaltensweisen mit sig-
nifikant weniger verhaltensbezogenen Gedanken einhergehen. Die Teilneh-
merInnen ihrer Studie bewerten Gewohnheiten als weniger aufmerksam-
keitsfordernd als Nicht-Gewohnheiten. Trotzdem denken die Teilnehmer-
Innen während 40 % der gewohnheitsmäßigen Verhaltensweisen über diese
nach.
Eine weitere Facette fügen Bayer, Dal Cin, Campbell und Panek (2016)
zum heterogenen Bild hinzu. Sie finden einen positiven Zusammenhang
zwischen Automatismus und Immersion beim Schreiben von Nachrichten.
Automatismus kommt vor allem am Beginn des Schreibprozesses zum Tra-
gen (z. B. wenn der Eingang neuer Nachrichten geprüft wird), während Im-
mersion besonders mit dem eigentlichen Schreiben verbunden ist. Dies un-
terstreicht die zuvor dargelegte Unterscheidung zwischen der Initiation ei-
nes Verhaltens, welche automatisch verlaufen kann, und der Ausübung ei-
nes Verhaltens, das dennoch mit einem hohen Maß an Aufmerksamkeit er-
folgt. Ausgehend von den inkonsistenten Befunden formulieren wir fol-
gende Forschungsfrage:
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FF1: In welchem Zusammenhang stehen die automatische Selek-
tion von Medieninhalten und die Aufmerksamkeit gegenüber den
Inhalten während der Rezeption?
Der Zusammenhang zwischen wiederholter Nutzung und aufmerksamer
Verarbeitung von Medieninhalten ist bislang wenig erforscht. Da die
wiederholte Nutzung eines Mediengenres oder -programmes die Vertraut-
heit mit dessen Inhalten erhöht und Vertrautheit mit den Themen wiederum
die Transportation (in narrative Inhalte) steigert (Green, 2004), spricht dies
für einen positiven Zusammenhang: Wiederholte Nutzung geht mit größe-
rer Aufmerksamkeit einher (siehe auch Green, Kass, Carrey, Herzig,
Feeney, & Sabini, 2008). Auch schematheoretische Überlegungen stützen
die Befunde aus der Narrationsforschung (z. B. Wicks, 1992): Erfahrungen
mit Medieninhalten unterstützen die Konstruktion eines mentalen Modells.
In darauffolgenden Nutzungsepisoden fördert jenes mentale Modell die
Informationsverarbeitung. Wir postulieren deshalb, dass wiederholte
Mediennutzung aufmerksame Rezeption fördert.
H2: Wiederholte Nutzung steht in einem positiven Zusammenhang
mit der Aufmerksamkeit gegenüber den Inhalten während der Re-
zeption.
Neben den individuellen Einflüssen von Wiederholung und automati-
scher Selektion besteht die Möglichkeit, dass sie gemeinsam die Aufmerk-
samkeit gegenüber Inhalten während der Rezeption beeinflussen:
FF2: Interagieren die wiederholte Nutzung und die automatische
Selektion von Medieninhalten in ihrem Einfluss auf die Aufmerk-
samkeit gegenüber den Inhalten während der Rezeption?
Methode
Die Zusammenhänge zwischen Wiederholung, automatischer Selektion
und Aufmerksamkeit hängen vermutlich auch von den spezifischen Cha-
rakteristika des Mediennutzungsverhaltens ab. Bisherige Befunde deuten
darauf hin, dass Aufmerksamkeit (Perse, 1998) sowie Gewohnheitsstärke
(Rubin, 1984) vom genutzten Genre abhängen. Um die empirischen
Befunde auf eine breitere Basis zu stellen und so eine höhere externe Vali-
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dität der Ergebnisse zu gewährleisten, wurden zwei Studien zu verschiede-
nen Mediennutzungsverhalten durchgeführt, die sowohl verschiedene
GenresNachrichten und Serien also auch verschiedene Mediengattun-
genFernseher und Smartphone abdecken.
In Studie 1 beantworteten die TeilnehmerInnen Fragen zu ihrer Nutzung
von Fernsehnachrichten und von Nachrichten-Apps für das Smartphone.
Studie 2 untersuchte Fernsehserien. Diese Mediennutzungsverhalten unter-
scheiden sich in zentralen Aspekten voneinander. Erstens basieren Serien
auf einer fortlaufenden Handlung, während Nachrichten aus weitgehend un-
verbundenen Inhalten bestehen. Zweitens sind Fernsehnachrichten und -se-
rien audiovisuell, wohingegen Nachrichten-Apps meist vor allem textba-
siert sind. Drittens ist das Fernsehprogramm linear strukturiert, während
Apps Inhalte nicht-linear präsentieren, wodurch z. B. weitere Selektions-
schritte notwendig werden, sobald eine App gewählt ist.
Stichproben
Studie 1. Die Stichprobe basierte auf für die deutsche Bevölkerung im Alter
zwischen 18 und 50 Jahren repräsentativen Quoten bezüglich Alter,
Geschlecht und Bildungsniveau. Insgesamt nahmen zwischen Dezember
2013 und Februar 2014 380 Personen an einer Online-Befragung teil. Teil-
nehmerInnen, welche weder Nachrichten-Apps nutzten noch Fernsehnach-
richten schauten, wurden aus der Auswertung ausgeschlossen. Nach Daten-
bereinigung konnten 278 TeilnehmerInnen in die folgenden Analysen ein-
bezogen werden. Das Durchschnittsalter betrug 34,24 Jahre (SD = 10,60),
50 % der TeilnehmerInnen waren weiblich, und 47 % verfügten über
(Fach-)Hochschulreife. Die Stichprobe spiegelt die deutsche Bevölkerung
in Hinblick auf soziodemografische Verteilungen angemessen wider, je-
doch waren hochgebildete Teilnehmer leicht überrepräsentiert (41 % der
deutschen Bevölkerung haben (Fach-)Hochschulreife).
Die TeilnehmerInnen wurden gefragt, wie häufig sie Fernsehnachrichten
und mobile Nachrichten-Apps nutzen. TeilnehmerInnen, die diese Ange-
bote mindestens einmal im Monat nutzten, wurden zufällig zu Fernsehnach-
richten (n = 196) oder zu Nachrichten-Apps (n = 82) befragt.
Studie 2. Das Convenience Sample umfasste TeilnehmerInnen im Alter
von 18 bis 50 Jahren. Feldphase war Juni 2014. TeilnehmerInnen, die die
Befragung nicht vollständig ausfüllten oder nicht mindestens einmal im
Monat eine Fernsehserie schauen, wurden von der Auswertung ausge-
schlossen. Insgesamt schlossen 122 Teilnehmer die Befragung ab. 67 % der
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TeilnehmerInnen waren weiblich, 89 % hochgebildet ((Fach-)Hochschul-
reife) und das Durchschnittsalter lag bei 23,41 Jahren (SD = 4,84).
Operationalisierungen
In beiden Studien wurden die gleichen Messinstrumente eingesetzt. Die
TeilnehmerInnen bewerteten alle Items auf fünfstufigen Skalen. Tabelle 1
fasst zentrale Kennwerte zusammen.
Aufmerksamkeit gegenüber Inhalten während der Rezeption. Wir ver-
wendeten eine adaptierte Version der Attention Allocation Scale von
Vorderer und Kollegen (2004) mit fünf Items, um Aufmerksamkeit wäh-
rend der Rezeption zu messen (z. B. »Ich konzentrierte mich auf [Medien-
nutzungsverhalten). Die TeilnehmerInnen wurden dazu angehalten, ihre
Bewertung auf die letzte Nutzungsepisode zu beziehen anstatt eine gene-
relle Bewertung abzugeben. Diese Vorgehensweise wurde gewählt, da das
untersuchte Konstrukt situativer Natur ist. Selbsteinschätzungen zu spezifi-
schen Episoden der Mediennutzung sind im Vergleich zu Generalisierun-
gen weniger verzerrt (Kahlor et al., 2003). Die interne Konsistenz kann in
beiden Studien als gut bewertet werden (α zwischen ,77 und ,93).
Automatische Medienselektion. Sieben auf dem Self-Report Habit Index
(SRHI, Verplanken & Orbell, 2003) basierende Items maßen automatische
Selektion. Diese wurden so adaptiert, dass sie sich explizit auf die der
letzten Nutzungsepisode vorausgehende automatische Selektion, nicht die
automatische Rezeption bezogen (Gardner et al., 2016; z. B. »Ich habe die
Sendung/Serie eingeschaltet/die App geöffnet, ohne viel darüber nachzu-
denken«, »Es wäre mir schwergefallen, die Sendung/Serie nicht einzuschal-
ten/die App nicht zu öffnen«). Die Messung war intern konsistent (α zwi-
schen ,70 und ,72).
Wiederholung. Wiederholung wurde mit vier Items gemessen, die die-
Häufigkeit und Regelmäßigkeit abbildeten, mit der das jeweilige Medien-
nutzungsverhalten ausgeführt wird. Drei Items basierten auf dem SRHI
(z.B.: »[Mediennutzungsverhalten] ist etwas, das ich regelmäßig tue«; Ver-
planken & Orbell, 2003). Ein zusätzliches Item erfasste die allgemeine Nut-
zungshäufigkeit (1 = nur dieses eine Mal, 5 = mindestens einmal am Tag).
Die internen Konsistenzen waren in beiden Studien mindestens zufrieden-
stellend (α zwischen ,72 und ,81).
Tabelle 1: Deskriptive Statistik
Machen Gewohnheiten uns (un)aufmerksam gegenüber Medieninhalten?
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M SD Min.
Max.
α
Studie 1: Fernsehnachrich-
ten (N = 196)
Aufmerksamkeit 2,84 0,75 1,00 5,00 ,77
Wiederholung 3,63 0,98 1,00 5,00 ,81
Automatische Selektion 2,15 0,58 1,00 4,00 ,71
Kapazität 3,88 1,15 1,00 5,00 -
Motivation (Involvement) 3,36 0,69 1,00 5,00 ,83
Studie 1: Nachrichten-Apps
(N = 82)
Aufmerksamkeit 2,88 0,85 1,00 5,00 ,78
Wiederholung 3,80 1,03 1,00 5,00 ,80
Automatische Selektion 2,23 0,78 1,00 3,88 ,70
Kapazität 3,73 1,20 1,00 5,00 -
Motivation (Involvement) 3,42 0,94 1,00 5,00 ,89
Studie 2: Fernseh-Serien
(N = 122)
Aufmerksamkeit 3,69 1,00 1,00 5,00 ,93
Wiederholung 3,58 0,93 1,00 5,00 ,72
Automatische Selektion 2,38 0,61 1,00 4,25 ,72
Kapazität 3,45 1,33 1,00 5,00 -
Motivation (Involvement) 2,98 1,06 1,00 5,00 ,92
Erläuterung: Alle Skalen von 1 bis 5, wobei hohe Werte eine hohe Aufmerksamkeit,
häufige Wiederholung, automatische Selektion, hohe Kapazität und eine hohe Motiva-
tion repräsentieren.
Kontrollvariablen. Um die Kapazität für eine aufmerksame Rezeption
während der letzten Nutzungsepisode zu erfassen, wurde die Ablenkung
durch Parallelbeschäftigungen mit einem Item gemessen (»Haben Sie
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parallel zu [Mediennutzungsverhalten] etwas anderes getan?«). Die Teil-
nehmerInnen antworteten auf einer Skala von 1 = Ich war sehr beschäftigt
damit, etwas parallel zu tun bis 5 = Ich habe nichts anderes parallel ge-
macht. Hohe Werte stehen für eine hohe Kapazität. Motivation während der
letzten Nutzungsepisode wurde anhand des Involvements in den Inhalt
basierend auf Zaichokwsky (1994) gemessen (fünf Items, z. B. »der Inhalt
war… unwichtig für mich wichtig für mich«, höhere Werte stehen für
höheres Involvement). Es zeigten sich gute interne Konsistenzen (α zwi-
schen ,83 und ,92).
Ergebnisse
Automatische Selektion und Wiederholung korrelierten positiv für zwei der
drei Mediennutzungsverhalten, nämlich Nachrichten-Apps und Fernsehse-
rien (Fernsehnachrichten: r = -,11, p = ,130; Nachrichten-Apps: r = ,32,
p = ,003; Fernsehserien: r = ,38, p < ,001; H1 teilweise bestätigt). Zur Be-
antwortung der FF1 und 2 und Prüfung der H2 dienen die Ergebnisse dreier
multipler Regressionsanalysen (Tabelle 2). Kapazität, Motivation und So-
ziodemografika wurden als Kontrollvariablen aufgenommen. Während der
Einfluss der anderen Kontrollvariablen zwischen den drei Mediennutzungs-
verhalten variierte, führte höhere Motivation konsistent zu mehr Aufmerk-
samkeit (Fernsehnachrichten: b = 0,36, p < ,001; Nachrichten-Apps:
b = 0,31, p = ,001; Fernsehserien: b = 0,32, p < ,001).
Für keines der drei untersuchten Mediennutzungsverhalten zeigte sich
ein Zusammenhang zwischen automatischer Selektion und Aufmerksam-
keit während der Rezeption (FF1; Fernsehnachrichten: b = 0,05, p = ,578;
Nachrichten-Apps: b = 0,10, p = .387; Fernsehserien: b = -0,20, p = ,112).
Wiederholung beeinflusste die Aufmerksamkeit während der Rezeption im
Falle von zwei der drei Mediennutzungsverhalten, nämlich für Nachrichten-
Apps (b = 0,30, p = .002) und Fernsehserien (b = 0,14, p = .092), jedoch
nicht für Fernsehnachrichten (b = 0,07, p = ,214; H2 teilweise bestätigt).
Zudem zeigten sich keine signifikanten Interaktionen zwischen Wiederho-
lung und automatischer Selektion bei den drei untersuchten Mediennut-
zungsverhalten (Fernsehnachrichten: b = 0,00, se = 0,09, t = -0,05, p = ,961;
Nachrichten-Apps: b = -0,02, se = 0,11, t = -0,02, p = ,818; Fernsehserien:
b = 0,13, se = 0,11, t = 1,16, p = ,250).
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Tabelle 2: Die Auswirkungen von Wiederholung, automatischer Selektion,
Kapazität und Motivation sowie soziodemografischen Variablen auf die
Aufmerksamkeit gegenüber Inhalten während der Rezeption
Fernseh-
nachrichten
Nachrichten-
Apps
Fernsehserien
b (se) t b (se) t b (se) t
Wiederholung 0.08
(0.05) -1.62 0.25**
(0.08) 3.28 0.13
(0.07) 1.82
Automatische
Selektion
0.05
(0.09) 0.59 0.10
(0.11) 0.87 -0.21
(0.12) -1.65
Kapazität 0.08
(0.05) 1.62 -0.02
(0.07) -0.22 0.39***
(0.05) 7.33
Motivation
(Involvement)
0.36***
(0.07) 4.78 0.29**
(0.09) 3.24 0.31***
(0.07) 4.60
Geschlecht -0.02
(0.10) -0.23 0.09
(0.17) 0.55 -0.06
(0.14) -0.42
Alter 0.01
(0.01) 1.00 0.00
(0.01) 0.02 -0.03*
(0.01) -2.03
Bildung 0.08***
(0.10) 0.80 0.18
(0.16) 1.11 -0.42
(0.22) -1.94
korr .16*** .30*** .48***
N 196 82 122
Erläuterung: Unstandardisierte Koeffizienten; metrische Variablen sind mittelwert-
zentriert; *** p < .001; ** p < .01; * p < .05 p < .10.
Machen Gewohnheiten uns (un)aufmerksam gegenüber Medieninhalten?
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Diskussion
Der fehlende Zusammenhang zwischen automatischer Selektion und
Aufmerksamkeit entspricht der Annahme von Levy und Windahl (1984),
dass Aktivität in den unterschiedlichen kommunikativen Phasen getrennt
betrachtet werden sollte in diesem Fall automatische Selektion in der
präkommunikativen Phase und Aufmerksamkeit in der kommunikativen
Phase. Dies spricht gegen die häufig implizit oder explizit über Gewohn-
heiten getroffene Annahme, dass habituelle Mediennutzung mit einer
aufwandslosen Verarbeitung von Inhalten und dadurch mit einer weniger
effektiven Encodierung, einem schlechteren Informationsabruf und einer
weniger genauen Speicherung der Informationen im Gedächtnis einhergeht
(z. B. Rubin, 1984). Zwar sprechen die Ergebnisse auch nicht für den
umgekehrten Fall, dass Gewohnheiten mit einer aufmerksamen Rezeption
einhergehen; doch sie unterstützen die Vorstellung, dass nicht Gewohnhei-
ten für niedrige Aufmerksamkeit verantwortlich sind. Ein automatisch se-
lektierendes Publikum kann, muss aber nicht ein aufmerksames Publikum
sein.
Was im Rahmen der untersuchten Mediennutzungsverhalten jedoch Wir-
kung zeigt, ist die wiederholte Nutzung. Wiederholte NutzerInnen sind
aufmerksamer, unabhängig davon, ob sie Inhalte automatisch oder nicht
automatisch selektiert haben. Daher scheint es essentiell, zwischen Wieder-
holung und automatischer Selektion beides Komponenten von Gewohn-
heiten zu unterscheiden. Eine stabile Nutzerschaft, die sich einem spezi-
fischen Inhalt wiederholt zuwendet, führt also nicht nur zu einer höheren
Reichweite, sondern dürfte sich auch in aufmerksameren RezipientInnen
niederschlagen. Wir finden allerdings gattungs- und genrebezogene Unter-
schiede. Die Aufmerksamkeit gegenüber Fernsehserien steht in einem
tendenziell positiven Zusammenhang mit wiederholter Nutzung. Während
Nachrichten sowohl innerhalb einer Sendung als auch zwischen mehreren
Sendungen vergleichsweise unverbundene Inhalte präsentieren, haben
Serien eine fortschreitende Handlung. Vermutlich ist eine wiederholte
Nutzung vor allem dann zufriedenstellend, wenn die RezipientInnen den
Plot stetig aufmerksam verfolgen.
Für die Nachrichtennutzung sind die Ergebnisse weniger konsistent. Wie
erwartet richten regelmäßige NutzerInnen von Nachrichten-Apps mehr
Aufmerksamkeit auf die vermittelten Inhalte. Die Aufmerksamkeit gegen-
über Fernsehnachrichten wird dagegen nicht durch eine wiederholte Nut-
zung beeinflusst. Regelmäßige, genauso wie gelegentliche NutzerInnen
widmen Fernsehnachrichten also ein gleich hohes (oder gleich niedriges)
Machen Gewohnheiten uns (un)aufmerksam gegenüber Medieninhalten?
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Maß an Aufmerksamkeit. Dies spricht für einen gattungsspezifischen Ef-
fekt. Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass Fernsehnachrichten haupt-
sächlich rezipiert werden, um das Bedürfnis nach Umweltbeobachtung zu
befriedigen (Vincent & Basil, 1997). Innerhalb der ersten Minuten einer
Nachrichtensendung erhalten RezipientInnen einen Eindruck davon, ob et-
was Wichtiges geschehen ist oder nicht. Ist dies der Fall, richten sie ihre
Aufmerksamkeit auf die Nachrichtenbeiträge. Dies wird durch das Ergebnis
der vorliegenden Studien unterstützt: TeilnehmerInnen, die in einer Nut-
zungsepisode ein höheres Involvement gegenüber den Medieninhalten auf-
weisen, sind diesen gegenüber aufmerksamer. Messen die TeilnehmerInnen
den Inhalten weniger Relevanz bei, sinkt ihre Aufmerksamkeit. Trotzdem
können sie ihr Bedürfnis nach Umweltbeobachtung stillen. Dies ist mög-
lich, da innerhalb von linearen, audiovisuellen Fernsehnachrichten nach
dem Einschalten keine aktive Auswahl bestimmter Nachrichten mehr nötig
ist. Eine regelmäßige Nutzung von Fernsehnachrichten kann deshalb auch
ohne ein hohes Maß an Aufmerksamkeit während der Rezeption zufrieden-
stellend sein. Die Nutzung einer Nachrichten-App bedarf dagegen eines hö-
heren Maßes an Aktivität, um zufriedenstellend zu sein. Da Nachrichten-
Apps oftmals textbasiert und nicht-linear strukturiert sind, müssen Rezipi-
entInnen im Vergleich zu Fernsehnachrichten mehr Aufmerksamkeit auf-
wenden, um Artikel auszuwählen und diese zu lesen. Besonders regelmä-
ßige NutzerInnen haben mehr Erfahrung darin, die für sie selbst interessan-
ten Nachrichten zu selektieren. Daher erscheint es plausibel, dass sie auf-
merksamer gegenüber den spezifisch ausgewählten Inhalten der Nachrich-
ten-App sind. Interessanterweise finden sich keine Belege für einen Inter-
aktionseffekt, wonach eine wiederholte und gleichzeitig automatische Se-
lektion die Aufmerksamkeit beeinflussen könnte. Dies betont die Unabhän-
gigkeit von kognitivem Input in der Selektions- und in der Rezeptionsphase.
Während sich für Fernsehserien und Nachrichten-Apps der postulierte
Zusammenhang zwischen wiederholter Nutzung und automatischer Selek-
tion zeigte, war dies für Fernsehnachrichten nicht der Fall. Zunächst er-
scheint das überraschend, da ein Großteil der ForscherInnen von einer Ver-
bindung zwischen Wiederholung und Gewohnheitsstärke ausgeht. Ge-
wohnheiten entwickeln sich aus einem (erfolgreich) wiederholten Verhal-
ten (Lally et al., 2010). Ist eine Gewohnheit einmal etabliert, sollte ihre au-
tomatische Aktivierung zu einer wiederholten Ausführung des Verhaltens
führen. Die Ergebnisse der vorliegenden Studien zeigen ein interessantes
Muster: Einige Personen schalten Fernsehnachrichten regelmäßig und au-
tomatisch ein, andere wiederum selten und doch automatisch (und umge-
Machen Gewohnheiten uns (un)aufmerksam gegenüber Medieninhalten?
14
kehrt). Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass die Rezeption der Abend-
nachrichten (der Großteil der TeilnehmerInnen bezog sich auf die Nach-
richtensendung »Tagesschau«) eine in Familien geteilte Gewohnheit dar-
stellt. Eine solche Gewohnheit kann bereits in der Kindheit entstanden und
heute noch ausgeprägt sein, auch wenn sie nur selten aktiviert wird. Solch
ein stabiles Muster ist bei Fernsehserien und Nachrichten-Apps
unwahrscheinlicher. Die automatische Selektion dürfte dann relevanter für
die wiederholte Nutzung solcher Inhalte sein.
Die vorliegenden Ergebnisse müssen wegen mehrerer Limitationen mit
Bedacht interpretiert werden. Die erste Einschränkung bezieht sich auf die
Generalisierbarkeit der Ergebnisse. Zum einen sollten die Ergebnisse mit
Zufallsstichproben validiert werden. Außerdem beziehen sich die Studien
zwar auf zwei verschiedene Genres und Mediengattungen, um die Ergeb-
nisse auf eine breitere empirische Basis zu stellen. Eine Replikation mit
weiteren Mediengattungen, Genres, Formaten oder einzelnen Programmen
kann zu einem umfassenderen Bild der Zusammenhänge zwischen Wieder-
holung, automatischer Selektion und Aufmerksamkeit beitragen. In diesem
Kontext erscheint es besonders wertvoll, Mediennutzungsverhalten einzu-
beziehen, die eine höhere physische Aktivität während der Rezeption erfor-
dern, etwa das Spielen von Computerspielen. Die Bedienung eines Control-
lers oder einer Tastatur während des Spielens bedarf kognitiver Ressourcen
und könnte von der Aufmerksamkeit gegenüber der Handlung ablenken.
Jedoch ist nicht nur wahrscheinlich, dass SpielerInnen bei wiederholter
Nutzung ein mentales Skript für die automatische Selektion eines Compu-
terspiels ausbilden, sondern auch, dass sie lernen, einen Controller automa-
tisch zu bedienen (siehe auch Gardner et al., 2016). Dadurch würden wie-
derum kognitive Ressourcen für die Aufmerksamkeit gegenüber dem Inhalt
frei.
Zweitens variieren zwei zentrale Konstrukte der Studien intra-individu-
ell: RezipientInnen können zu einem Zeitpunkt automatisch selektieren,
während sie zu einem anderen Zeitpunkt mehr Ressourcen auf ihre Auswahl
der gleichen Inhalte aufwenden (Gardner, 2015). Dies hängt von der
Verfügbarkeit situativer Cues, die eine automatische Selektion auslösen,
und von situativer Motivation und Kapazität zur optimierten Entschei-
dungsfindung ab (Fazio, 1990). Auch die Aufmerksamkeit gegenüber
einem Fernsehprogramm sowie einer Smartphone-App variiert über
Rezeptionsepisoden hinweg. In den vorliegenden Studien wurden die
Zusammenhänge zwischen automatischer Selektion und Aufmerksamkeit
in einer konkreten Nutzungssituation untersucht, weil Selbstauskünften
über einzelne Episoden im Vergleich zu Generalisierungen über Situationen
Machen Gewohnheiten uns (un)aufmerksam gegenüber Medieninhalten?
15
hinweg eine höhere Validität zugeschrieben wird. Zukünftige Forschung
sollte die intra-individuelle Stabilität oder Variation der Beziehung
zwischen den Konstrukten beachten.
Drittens bestehen Limitationen bezüglich der Operationalisierungen:
Selbstauskünfte werden häufig zur Messung von Informationsverarbeitung
angewendet (Kahlor et al., 2003). Sie bergen jedoch Validitätsprobleme:
Menschen verfügen lediglich über eingeschränkte Fähigkeiten, mentale
Prozesse zu berichten (Nisbett & Wilson, 1977). Psychophysiologische
Messungen kognitiver Prozesse bieten eine Alternative zur Erfassung von
Aufmerksamkeit gegenüber Medieninhalten. Diese Methoden sind jedoch
auf Laborforschung beschränkt. Da Gewohnheiten in hohem Maße von im
Alltag individuell auftretenden situativen Faktoren abhängen, erschweren
Laborsettings allerdings deren Untersuchung.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Aufmerksamkeit
gegenüber medienvermittelten Inhalten eine zentrale Variable innerhalb der
Mediennutzungs- und Wirkungsforschung darstellt. Sie ist gleichsam für
Medienschaffende von Interesse. Der vorliegende Aufsatz leistet einen
Beitrag zur wenig beachteten, jedoch hochrelevanten Erforschung des Ver-
hältnisses zwischen Aufmerksamkeit und Gewohnheiten.
Machen Gewohnheiten uns (un)aufmerksam gegenüber Medieninhalten?
16
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Article
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The conceptualization of the Personal Involvement Inventory was a context-free measure applicable to involvement with products, with advertisements, and with purchase situations. The empirical work to develop this measure was mainly validated with respect to product categories. This paper extends the construct validation of the PII to involvement with advertisements and also demonstrates that the PII may be reliably reduced from twenty items to ten items. There is some indication the revised PII may then be broken into two subscales representing a cognitive and affective grouping.
Article
The schema construct has received considerable attention in the mass communication literature during the last decade because it has helped to explain the cognitive processes associated with information processing. However, the fuzziness of the concept and difficulties associated with schema measurement may have prevented it from blossoming into a more widely used theoretical construct. This chapter endeavors to explicate the schema construct as it applies to mass communication research. It concludes with recent examples of schema measurement strategies that have been employed by social psychologists and communication researchers.
Article
Evidence is reviewed which suggests that there may be little or no direct introspective access to higher order cognitive processes. Subjects are sometimes (a) unaware of the existence of a stimulus that importantly influenced a response, (b) unaware of the existence of the response, and (c) unaware that the stimulus has affected the response. It is proposed that when people attempt to report on their cognitive processes, that is, on the processes mediating the effects of a stimulus on a response, they do not do so on the basis of any true introspection. Instead, their reports are based on a priori, implicit causal theories, or judgments about the extent to which a particular stimulus is a plausible cause of a given response. This suggests that though people may not be able to observe directly their cognitive processes, they will sometimes be able to report accurately about them. Accurate reports will occur when influential stimuli are salient and are plausible causes of the responses they produce, and will not occur when stimuli are not salient or are not plausible causes.
Article
Objectives: 'Habit' is a process whereby situational cues generate behaviour automatically, via activation of learned cue-behaviour associations. This article presents a conceptual and empirical rationale for distinguishing between two manifestations of habit in health behaviour, triggering selection and initiation of an action ('habitual instigation'), or automating progression through subactions required to complete action ('habitual execution'). We propose that habitual instigation accounts for habit-action relationships, and is the manifestation captured by the Self-Report Habit Index (SRHI), the dominant measure in health psychology. Design: Conceptual analysis and prospective survey. Methods: Student participants (N = 229) completed measures of intentions, the original, non-specific SRHI, an instigation-specific SRHI variant, an execution-specific variant, and, 1 week later, behaviour, in three health domains (flossing, snacking, and breakfast consumption). Effects of habitual instigation and execution on behaviour were modelled using regression analyses, with simple slope analysis to test habit-intention interactions. Relationships between instigation, execution, and non-specific SRHI variants were assessed via correlations and factor analyses. Results: The instigation-SRHI was uniformly more predictive of behaviour frequency than the execution-SRHI and corresponded more closely with the original SRHI in correlation and factor analyses. Conclusions: Further, experimental work is needed to separate the impact of the two habit manifestations more rigorously. Nonetheless, findings qualify calls for habit-based interventions by suggesting that behaviour maintenance may be better served by habitual instigation and that disrupting habitual behaviour may depend on overriding habits of instigation. Greater precision of measurement may help to minimize confusion between habitual instigation and execution. Statement of contribution What is already known on this subject? Habit is often used to understand, explain, and change health behaviour. Making behaviour habitual has been proposed as a means of maintaining behaviour change. Concerns have been raised about the extent to which health behaviour can be habitual. What does this study add? A conceptual and empirical rationale for discerning habitually instigated and habitually executed behaviour. Results show habit-behaviour effects are mostly attributable to habitual instigation, not execution. The most common habit measure, the Self-Report Habit Index, measures habitual instigation, not execution.
Book
Die Begriffe Gewohnheit und Ritual werden oft zur Beschreibung von Fernsehnutzungsverhalten herangezogen, ihre Verwendung ist jedoch wenig differenziert. Auf Basis sozial¬psychologischer und soziologischer Ansätze arbeitet die Dissertation analytische Defini¬tionen für Fernsehnutzungsgewohnheiten und rituale heraus: Eine Gewohn¬heit ist ein Verhalten, das auf einer vereinfachten Verarbeitungsstrategie beruht. Situative Reize aktivieren ein kognitives Skript, welches Fernsehnutzung als geeignetes Verhalten in der gegebenen Situation beinhaltet. Auf Basis dieses Skripts führt der Akteur die Gewohn¬heit aus. Erfolgreiches früheres Rezeptionsverhalten wird wiederholt, Nutzungsalternativen werden nur eingeschränkt abgewogen, wodurch die Gewohnheit effizient ist. Hat der Rezipient geringe Motivation oder wenig Gelegenheit zur Reflexion, wird er bei seiner Fernsehgewohnheit bleiben, auch wenn diese nicht die optimale Lösung für die Erreichung seiner Ziele ist. Fernsehnutzungsrituale sind ebenfalls wiederholtes Verhalten. Ihre Bedeutung geht jedoch über Effizienzstreben hinaus. Rituale dienen der symbolischen Verarbeitung sozialer, zeitlicher und räumlicher Ordnung und Kontinuität. Die Rezipienten schreiben rituellen Nutzungsakten große Wichtigkeit zu und inszenieren sie mit formalen Mitteln. Nach der theoretischen Explikation der Begriffe wendet sich die Dissertation der Frage nach der Messbarkeit der Konstrukte zu, um die empirische Gewohnheits und Ritual¬forschung in der Kommunikationswissenschaft voranzutreiben. Sie diskutiert bestehende operationale und metho¬dische Zugänge. In zwei empi-rischen Studien werden ausgewählte Vorschläge unter einer messtheoretischen und verfahrenstechnischen Perspektive praktisch erprobt. In einer Medientagebuchstudie werden verschiedene Erhebungs- und Analysemöglichkeiten hinsichtlich ihrer Eignung erörtert, die mit Gewohnheiten und Ritualen verbundene Wiederholung der Fernsehnutzung und ihre Bindung an ein konstantes Rezeptionsumfeld zu messen. In einer standardisierten Befragung werden Indikatoren zur Messung der habituellen Verarbeitung bei der Selektion einer Fernsehsendung behandelt. Darüber hinaus wird ein Vorschlag zur quantitativen Erfassung ritueller Fernsehrezeption unterbreitet. Mithilfe der entwickelten Indikatoren können abschließend Fernsehnutzungsgewohnheiten und rituale integrativ analysiert werden. Dadurch kann die in der Literatur vorherrschende unzusammenhängende Bearbeitung der Konstrukte aufgelöst werden. Television viewing habits and rituals Theoretical concept and measurement perspectives Television viewing is often considered to be a habit or a ritual. Despite the frequent use of these terms, detailed and appropriate conceptions of the constructs are rare. Based on social-psychological and sociological approaches the dissertation thesis proposes a conception of habits and rituals in television use: A habit emerges through a simplified information pro¬cessing strategy. Situational cues activate a cognitive script. This script involves television use as apt behavior in the given situation. Pursuing the script the individual performs the habit. Successful previous television behavior is repeated, viewing alternatives are only considered to a limited extent, which makes habits efficient. In case of low motivation or limited opportunity for reflexion on the behavioral alternatives the individual maintains the habit regardless of its effectivity. Television viewing rituals are repeated behavior, too. Their function goes beyond efficiency, however. Rituals carry symbolic meaning with regard to social, temporal and spacial order and continuity in personal and social life. Recipients therefore attach high importance to their ritual television viewing and celebrate it by formal means. After the theoretical elaboration of the constructs, the dissertation thesis addresses questions of measurement to advance empirical communication research on habits and rituals. Based on a thorough discussion of existing approaches selected suggestions are road-tested paying attention primarily to questions of measurement, sound procedure and analysis strategy. In a media diary study several options are discussed regarding their adequacy to measure repetition of television use indicat-ing habitual and ritual behavior and to ascertain data on the variation of situational cues during television use. A quantitative survey is conducted to measure habitual processing when selecting a television show. Furthermore a standardized ascertainment of ritual television use is suggested. In conclusion, the developed indicators allow for an integrative analysis of television habits and rituals to overcome the predominantly disconnected treatment of the constructs in literature.
Article
This investigation examined the role of motives, attitudes, and audience activity in explaining the affective, cognitive, and behavioral involvement of 328 daytime soap opera viewers. Because inter correlations were found among motives, attitudes, activities, and involvement variables, canonical correlation analysis was used. There were two multivariate patterns. First, except for viewing to pass time, more salient viewing motivations (especially exciting entertainment and social utility), perceived realism, viewing intention, and attention were related to parasocial interaction, post viewing cognition, and post viewing discussion. Second, viewing for social utility, but not for voyeurism, and the lack of realism were related to post viewing discussion, but not to parasocial interaction. These audience orientations and the role of involvement in media uses and effects were discussed.
Article
The everyday use of mobile devices is sometimes performed in a highly unconscious manner (e.g., automaticity, habits, impulses), whereas other times it is performed in a highly conscious manner (e.g., immersion, presence, absorption). In Study 1, we surveyed individuals (n = 250) to evaluate the seemingly oppositional relationship between automatic (less conscious) and immersive (more conscious) tendencies toward texting. Despite their standard separation, confirmatory factor analyses revealed that automaticity and immersion are actually positively related independent of usage frequency. In Study 2 (n = 526), these consciousness tendencies were related to select facets of trait self-control and mindfulness. Together, these studies underline the importance of media cognition in combination with personality factors for understanding the psychology of mobile device use.