Politische Entscheidungsträger:innen formulieren zunehmend Strategien, u. a. die (holzbasierte) Bioökonomie, die darauf abzielen, die Wirtschaft auf nachhaltigere Grundlagen zu stellen. Auch die Schweiz hat, wie zahlreiche europäische Länder, verschiedene Konzepte entwickelt und Gesetze verabschiedet, die den Weg zu einer nachhaltigeren Wirtschaft ebnen sollen. Die Entscheidungen haben auch Auswirkungen auf die Waldpolitik, als ein Sektor, der zu einer nachhaltigen Wirtschaft beiträgt. Beispielsweise kann die verstärkte Nutzung von Holz für die Bioenergieproduktion, ein zentraler Punkt von Bioökonomiestrategien, den Wald unter Druck setzen, da sie zu einem grösseren Konsum an Holzprodukten führt. Entwicklungen in anderen Politikfeldern, die mit der nachhaltigen Wirtschaft in Verbindung stehen, können den Wald ebenfalls negativ beeinflussen, insbesondere solche in der Landwirtschaft und im Energiesektor. Dies geschieht beispielsweise, wenn Energieinfrastrukturen, wie Windräder, in Wäldern errichtet werden, was mit der grundsätzlichen Konkurrenz um knappe Flächen in der dicht besiedelten Schweiz zusammenhängt. In den verschiedenen Nachhaltigkeitsstrategien spielt der Wald also entweder eine Schlüsselrolle, etwa durch die vom Bund geförderte Bereitstellung des nachwachsenden Rohstoffs Holz oder er ist von Strategien aus anderen Sektoren betroffen. Vor diesem Hintergrund beschäftige ich mich in der vorliegenden Arbeit mit Zielkonflikten im Schweizer Wald – also sich teils widersprechender Ziele verschiedener Politikfelder –, die sich auf dem Weg zu einer nachhaltigen Wirtschaft ergeben können. Ich analysiere die aktuelle Situation und befasse mich mit Konflikten, die aufgrund verschiedener Ansprüche, die an den Wald gestellt werden, sowie der gesetzlich vorgeschriebenen Multifunktionalität im Waldgesetz aktuell auftreten bzw. in Zukunft höchstwahrscheinlich auftreten werden. Konkret analysiere ich dabei in vier Forschungsartikeln vier unterschiedliche, gleichwohl zusammenhängende Themen. Die Artikel werden durch die übergreifende Forschungsfrage verknüpft, die die Rolle von Akteur:innen und Institutionen für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung im Rahmen der Transition zu einer nachhaltigen Wirtschaft untersucht. Der Forschungsrahmen, auf dem diese Arbeit aufbaut, basiert auf der Metatheorie Critical Realism. Critical Realism hebt die dialektische Beziehung von Akteur:innen und Institutionen hervor und dient als wissenschaftliches Paradigma. Darüber hinaus zeigt der Forschungsrahmen Verknüpfungen zwischen den vier Forschungsartikeln und ihrem jeweiligen Fokus auf Akteur:innen und/oder Institutionen auf. Empirisch bediene ich mich qualitativen und quantitativen Methoden, in Form einer Online-Befragung und standardisierten Fragebögen sowie Expert:inneninterviews und Literaturrecherchen. Um den Schweizer Waldsektor und Degrowth zu verknüpfen, führe ich zudem eine konzeptionelle Diskussion durch. Thematisch analysiere ich erstens, welche Rolle der Wald im Rahmen der gesetzlichen Multifunktionalität in der Schweiz zu erfüllen hat und wie diese mit der zunehmenden Nichtbewirtschaftung des Waldes durch Kleinwaldbesitzer:innen im Widerspruch steht. Da die Nichtbewirtschaftung die Multifunktionalität gefährdet, schlage ich anschliessend ein hypothetisches Programm vor, das zu einer Übertragung von Eigentumsrechten führen könnte, um eine nachhaltige Waldbewirtschaftung zu gewährleisten, die allen (gesetzlichen) Ansprüchen gerecht wird. Zweitens gebe ich in dieser Arbeit einen umfassenden Überblick über bestehende (und zukünftige) Zielkonflikte im Schweizer Wald, indem die Einschätzungen relevanter Waldakteur:innen präsentiert werden. Dabei lege ich ihre Präferenzen und Bewertungen von Politikinstrumenten dar, die ihrer Meinung nach am besten geeignet sind, die von ihnen identifizierten Zielkonflikte zu lösen. Drittens beschäftige ich mich mit einem Zielkonflikt bezüglich der Kohlenstoffspeicherung, nämlich ob eine verstärkte Holzernte zur Speicherung von Kohlenstoff in Holzprodukten oder eine verstärkte Kohlenstoffspeicherung im Wald eine vorteilhaftere Klimaschutzmassnahme ist. Im Rahmen der Untersuchung setze ich mich mit der Lage im Kanton Luzern auseinander, die aufgrund der vielen Privatwaldbesitzer:innen als ein Extremfall innerhalb der Schweiz angesehen werden kann. Ich analysiere den Fall, indem ich die Präferenzen der Akteur:innen sowie ihre Stellung und ihren Einfluss innerhalb des Netzwerks der Waldakteur:innen erfasse. Viertens untersuche ich die Rolle des Waldsektors aus Sicht von Degrowth (Postwachstum). Bei Degrowth handelt es sich um ein Konzept, das auf den Zielkonflikt zwischen Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit hinweist. Dabei verknüpfe ich erstmals die Idee von Degrowth mit dem Waldsektor, wobei die Schweiz als Fallbeispiel dient. Dabei zeige ich auf, dass der Schweizer Forstsektor bereits bestimmten Degrowth-Prinzipien folgt, während es in anderen Bereichen Diskrepanzen gibt. Insgesamt trage ich mit dieser Arbeit zu einem besseren Verständnis von Zielkonflikten im Wald bei, die durch den Weg zu einer nachhaltigeren Wirtschaft entstehen (können) und präsentiere auch mögliche Lösungsvorschläge. Dabei zeige ich auf, dass Konflikte meistens entstehen, wenn andere (wirtschaftliche) Zweige Ansprüche auf die traditionelle Nutzung von Waldressourcen oder -flächen stellen. Ferner beleuchte ich spezifische Zielkonflikte genauer: Hinsichtlich des Konflikts zwischen der Nichtbewirtschaftung von Wäldern und Multifunktionalität schlage ich ein Schenkungsprogramm vor, das auf unterschiedlichen Politikinstrumenten fusst – von informationellen bis hin zu regulativen. Dies könnte zu einer Übertragung von Eigentumsrechten und folglich klareren Zuständigkeiten führen, um eine nachhaltige Bewirtschaftung zu gewährleisten. Bezüglich der Frage, ob vermehrt Kohlenstoff in Holzprodukten oder im stehenden Wald gespeichert werden soll, zeige ich auf, dass die Akteure in Luzern eindeutig die Kohlenstoffspeicherung in Holzprodukten bevorzugen. Des Weiteren analysiere ich die Rolle des Waldsektors anhand von Degrowth-Prinzipien – die auf dem grundlegenden Konflikt zwischen Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit beruht –, indem ich den Schweizer Waldsektor mit Degrowth-Prinzipien verknüpfe und damit einen Gegenentwurf zu den vielen wachstumsbasierten Nachhaltigkeitsstrategien, wie der holzbasierten Bioökonomie, präsentiere.