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Abstract

Die Property-Rights-Theorie liefert Ansätze, um die biologische Vielfalt der Erde zu bewahren. Wenn die Ursprungsländer durch klar zugewiesene Verfü-gungsrechte Erträge aus den genetischen Ressourcen ziehen können, bekommen sie auch einen Anreiz, in den Erhalt dieser Ressourcen zu investieren.
PROJEKTE UND KONZEPTE
Zuweisung von Verfügungsrechten verbessert den Schutz biologischer Ressourcen
Eintrittsgeldr Artenvielfalt
Die Property-Rights-Theorie liefert Ansätze, um die biologische Vielfalt der
Erde zu bewahren. Wenn die Ursprungsländer durch klar zugewiesene Verfü-
gungsrechte Erträge aus den genetischen Ressourcen ziehen können, bekommen
sie auch einen Anreiz, in den Erhalt dieser Ressourcen zu investieren.
t"
I
Von
Achim
Lerch
n Übereinstimmung mit einer zentralen Aus-
sage der ökonomischen Theorie der Verfü-
gungsrechte, wonach immer dann ein Anreiz zur
Definiüon und Durchsetzung von Eigentums-
rechten an einer Ressource entsteht, wenn der
damit verbundene Nutzen die Kosten übersteigt,
ist seit einigen Jahren die Etablierung von Eigen-
tumsrechten an genetischen Ressourcen zu
beobachten. Sowohl in internationalen Verhand-
lungen als auch im Rahmen von Verträgen zwi-
schen Ursprungsländern und interessierten
Unternehmen aus der Pharma-, Saatgut- oder
Kosmetikbranche wird der Zugang zu diesen
Ressourcen zum Teil neu geregelt. Andererseits
gibt es starke Anhaltspunkte dafür, daß - wie-
derum in Übereinstimmung mit den Vorhersa-
gen der ökonomischen Theorie - bislang feh-
lende oder unzureichend spezifizierte Eigen-
tumsrechte an biologischen Ressourcen mit zu
der beobachteten weltweiten Gefährdung der
Artenvielfalt beitragen.
Die ambivalente Formel vom
gemeinsamen Menschheitserbe
Stellt man zunächst die grundsätzliche Frage,
wem die Eigentumsrechte an den biologischen
Ressourcen zukommen - wem die biologische
Vielfalt des Planeten „gehört" -, so lautet die
Antwort häufig, daß es sich hierbei um das
„gemeinsame Erbe der Menschheit" handle. Die
Schwierigkeiten, die mit diesem wohlklingen-
den Begriff verbunden sind, zeigen sich jedoch
bei genauerem Hinsehen. Der Gedanke des
„gemeinsamen Menschheitserbes" enthält zwei
Elemente, die zunächst getrennt werden sollten.
Zum einen das Prinzip der Gemeinsamkeit, das
heißt, des gemeinsamen Zugangsr alle, zum
anderen den Gedanken des Erbes, und das heißt
auch des Vererbens an nachfolgende Generatio-
nen, den Gedanken des Bewahrens.
Beachtenswert ist, daß sich beide Elemente bei
einer oberflächlichen Interpretation unter
gewissen Umständen gegenseitig ausschließen
Ökologisches Wirtschaften 3/4 1997
können. Wenn etwa der gemeinsame Zugang zur
„common heritage" ausdrücklich mit der
„Abwesenheit von Eigentum" gleichgesetzt wird,
also vom freien, unbeschränkten Zugangr alle
ausgegangen wird, so ist damit ja gerade eine
Open-access-Situation beschrieben, die bekann-
termaßen starke Anreize zur Übernutzung impli-
ziert. Dies ist aber unvereinbar mit der Forde-
rung nach Bewahrung und Vererbung an
nachfolgende Generationen. Soll also das
gemeinsame Menschheitserbe als funktionie-
rendes Gemeineigentum verstanden werden, so
bedeutet es gerade nicht die Abwesenheit von
Eigentum, sondern erfordert die klare Zuwei-
sung von möglichst genau spezifizierten Verfü-
gungsrechten. Ein „gemeinsames Menschheits-
erbe" allein entbindet also nicht von der
Notwendigkeit, genau festzulegen, wer in wel-
chem Maße an diesem gemeinsamen Erbe par-
tizipieren darf.
Mit der Formel des gemeinsamen Menschheits-
erbes und unter Verweis auf die Kollektivgutei-
genschaften haben in der Vergangenheit vor
allem die Nachfrager nach biologischen Res-
sourcen in den Industrieländern den freien
Zugang zu und die kompensationslose Entnah-
me von Pflanzen und Tieren in den artenreichen
Ländern des Südens gerechtfertigt. In dieser
Argumentation wurde einerseits das positive
Merkmal öffentlicher Güter, die Nichtaus-
schließbarkeit, ins Normative gewendet: Aus der
Tatsache, daß niemand von der Nutzung eines
Kollektivgutes ausgeschlossen werden kann,
wurde gefolgert, daß auch niemand ausge-
schlossen werden solle. Aus allokationstheoreti-
scher Sicht hegt hierin jedoch eine Verwechs-
lung öffentlicher mit meritorischen Gütern.
Andererseits wurde das Merkmal der Nichtriva-
lität ganz nach dem Argumentationsmuster des
„Freifahrers" als Vorwand benutztr die Wei-
gerung, sich an der Erstellung des Kollektiv-
gutes zu beteiligen. Auch dies kann natürlich
aus allokationstheoretischer Sicht nicht über-
zeugen, da mit derartigem Freifahrerverhalten
volkswirtschaftliche Wohlfahrtsverluste verbun-
den sind. Die Ursprungsländer biologischer
Vielfalt stehen denn auch dem Konzept des
„gemeinsamen Menschheitserbes" eher ableh-
nend gegenüber, erkannten insbesondere einen
Widerspruch darin, daß ihre biologischen Res-
sourcen das frei zugängliche gemeinsame Erbe
darstellen sollen, sie aberr daraus entwickel-
tes Saatgut oder Medikamente bezahlen müssen.
Nicht zuletzt aus diesem Grund ist dann auch
der Begriff des „gemeinsamen Menschheitser-
bes" nicht in die Konvention zum Schutz der
biologischen Vielfalt eingegangen, die auf dem
Umweltgipfel in Rio de Janeiro 1992 verabschie-
det wurde. Die Konvention geht vielmehr davon
aus, daß grundsätzlich die jeweiligen Ur-
sprungsländer Verfügungsrechte über ihre bio-
logischen Ressourcen besitzen. Gleichwohl
spricht die Konvention vom Artenschutz als
gemeinsamem Anliegen der Menschheit („com-
mon concern of humankind"). Aus dem Recht
der Ursprungsländer, Erträge aus ihren geneti-
schen Ressourcen zu ziehen, folgt eben weder,
daß ihnen auch das Recht auf Vernichtung die-
ser Ressourcen zukommt, noch, daß ihnen alle
Anstrengungen zum Artenschutz allein aufge-
bürdet werden sollen. Die biologische Vielfalt
weist vielfach die Eigenschaften eines globalen
öffentlichen Gutes auf,r das weder eine voll-
ständige marktmäßige Bewertung noch eine
lückenlose Ausstattung mit Verfügungsrechten
möglich erscheint. Daher bleibt grundsätzlich
die Notwendigkeit bestehen, all jene zur Finan-
zierung dieses Kollektivgutes heranzuziehen, die
in irgendeiner Form Nutzen daraus ziehen.
Theorie und Praxis sprechen
r lokale Verfügungsrechte
In dem Maße, in dem Ursprungsländer biologi-
scher Vielfalt durch entsprechende Verfügungs-
rechte in die Lage versetzt werden, Erträge aus
diesen genetischen Ressourcen zu ziehen, steigt
auch ihr Anreiz, in den Erhalt dieser Ressourcen
zu investieren. Würde beispielsweise Madagas-
kar eine Beteiligung an den Gewinnen aus dem
Verkauf der Krebsmedikamente erhalten, die
aus dem Madagaskar-Immergrün (Catharanthus
roseus) entwickelt wurden und mit denen ein
jährlicher Umsatz von weit über 100 Millionen
Dollar erzielt wird, wäre dies eine bedeutende
Einnahmequeller das Land.
Gerade das Beispiel Madagaskar-Immergrün
verweist auch auf einen weiteren wichtigen
Aspekt: die Rechte der Bevölkerung vor Ort, sei-
PROJEKTE UND KONZEPTE
en es Farmer, die traditionell Saatgut kultivieren,
oder indigene Medizinmänner mit ihrem Wissen
um die Heilkraft von Pflanzen. So spielt gerade
bei der Suche nach neuen medizinischen Wirk-
stoffen die ethnobotanische Methode eine
wesentliche Rolle, und auch die Wirksamkeit
des Madagaskar-Immergrüns gegen Krebs wur-
de nicht zufällig, sondern nach einer systemati-
schen Untersuchung der von einheimischen
„Medizinmännern" verwendeten Heilpflanzen
entdeckt. Zudem sind zahlreiche Beispiele
dokumentiert, die zeigen, daß erst die Außer-
kraftsetzung traditioneller kommunaler und
lokaler Eigentumsrechte zu gravierenden Über-
nutzungen geführt hat, und das U.S. National
Resource Council stellte 1992 fest, darin hege
die wahre „Tragödie des Gemeineigentums".
Die Erkenntnis, daß die Außerkraftsetzung tra-
ditionellen, lokalen (Gemein-) Eigentums neben
der Zerschlagung sozio-kultureller Systeme
auch zur Bedrohung der biologischen Vielfalt
beiträgt, führt mittlerweile zunehmend zu der
Einsicht, daß umgekehrt die Stärkung bezie-
hungsweise Wiederzuweisung solcher lokaler
Verfügungsrechte zum Schutz der Biodiversität
beitragen kann. Diese Sicht sieht sich wiederum
im Einklang mit den zentralen Aussagen der
Property-Rights-Theorie, wonach das Prinzip
der Dezentralität maßgeblich istr die Effizienz
von Eigentumsrechtsgestaltungen. Aus diesen
Überlegungen folgt demnach, daß die grund-
sätzlich anzuerkennenden nationalen Verfü-
gungsrechte der konkreten Ausgestaltung auf
lokaler/kommunaler Ebene bedürfen. Nationa-
les Patrimonium heißt also nicht, daß die kon-
kreten Verfügungsrechte vollständig bei der
Zentralregierung angesiedelt sein müssen.
Das Beispiel Costa Rica
Auf welche Art und Weise Länder oder lokale
Gemeinschaften von genetischen Ressourcen
profitieren können, wenn ihre Verfügungsrechte
an diesen Ressourcen anerkannt werden, zeigt
das Beispiel der bilateralen Verträge zwischen
Ursprungsländern biologischer Vielfalt (bezie-
hungsweise lokalen Gemeinschaften innerhalb
dieser Länder) und interessierten Unterneh-
men. Das bekannteste derartiger Abkommen
dürfte das zwischen dem amerikanischen Phar-
makonzern Merck & Co. und dem Institutr
biologische Vielfalt (INBio) in Costa Rica dar-
stellen, das im Jahr 1991 geschlossen wurde.
Der Pharmakonzern zahlt jeweilsr einen
Zweijahreszeitraum insgesamt 1.135.000 Dollar
und erhält im Gegenzug eine (unbekannte) An-
zahl an Proben von Pflanzen und Insekten aus
den Nationalparks Costa Ricas. Sollte Merck aus
diesen Proben marktfähige Medikamente ent-
wickeln, erhält INBio Gewinnbeteiligungen aus
dem entsprechenden Erlös. INBio ist eine priva-
te Non-Profit-Organisation, deren Hauptaufgabe
in der Inventarisierung der biologischen Vielfalt
Costa Ricas besteht und das zu diesem Zweck
mit dem „Ministeriumr nationale Ressourcen,
Energie und Minen" einen Kooperationsvertrag
abgeschlossen hat. Im Gegenzugr die Erlaub-
nis zur Probensammlung in den Nationalparks
des Landes erhält das Ministerium 100.000
Dollar der 1,135 Millionen sowie 50 Prozent
aller Gewinnbeteiligungen.
In der öffentlichen Diskussion über den Merck-
INBio-Vertrag wurde insbesondere kritisiert,
daß Merck eine zu starke Exklusivitätr zuwe-
nig Geld eingeräumt würde. Diese Exklusivität
ist allerdings einerseits befristet und anderer-
seits eingeschränkt, da neben INBio auch ande-
re Unternehmen Probensammlungen in Costa
Ricas Nationalparks betreiben. Nur sehr schwer
zu beantworten ist die Frage, inwieweit die von
Merck gezahlte Summe einen angemessenen
Preisr die erbrachte Leistung darstellt, oder
ob hier, wie Kritiker meinen, Costa Ricas biolo-
gische Vielfalt „unter Wert verschleudert" wird.
Zu beachten ist dabei, daß diese Zahlung
zunächst nur das „Eintrittsgeld"r den Zugang
zu den potentiellen genetischen Ressourcen des
Landes darstellt und im Falle einer verwertbaren
Entdeckung Gewinnbeteiligungen hinzukom-
men, deren Höhe jedoch nur den Vertragspart-
nern bekannt ist. Vermutungen reichen hier von
einem bis 40 Prozent. Realistisch dürfte ein Wert
um fünf Prozent sein.
Aus ökonomischer Sicht besteht bei derartigen
Bioprospectingabkommen grundsätzlich das
Problem, den „optimalen Mix" zwischen „Ein-
trittsgeld" und Gewinnbeteiligung zu ermitteln.
Hohe „Eintrittsgelder" setzen eine relativ hohe
Exklusivität des Zutritts voraus. Der Vorteil
besteht dann in der sicheren Realisierung eines
gegenwärtigen Ertrages gegenüber relativ unsi-
cheren zukünftigen Gewinnbeteiligungen. Wird
hingegen mehreren Firmen Zugang gewährt
(bei geringeren „Eintrittsgeldern" aufgrund
geringerer Exklusivität), steigen durch erhöhten
Wettbewerb und breiter gestreute Forschung die
Chancen auf Entdeckung nützlicher Substanzen
und damit auch der Erwartungswert zukünftiger
Gewinnbeteiligungen.
Optimale Allokation
der Ressourcen nicht möglich
Aus ökonomischer Sicht scheint es nahehegend,
bilaterale Verträge wie den beschriebenen als
ein Beispielr Coase-Verhandlungen anzuse-
hen und unter dem Blickwinkel des Coase-
Theorems zu analysieren, wonach Verhandlun-
gen zwischen den von externen Effekten betrof-
fenen Parteien bei Abwesenheit von Transakti-
onskosten zu einer Pareto-optimalen Internali-
sierung führen. Abgesehen von der Tatsache,
daß die Transaktionskosten im vorhegenden
Fall natürlich nicht Null betragen und daß durch
mögliche Informationsasymmetrien oder die
ungleiche Anfangsausstattung der Verhand-
lungspartner weitere Probleme hinzukommen,
ergibt sich ein entscheidender Einwand gegen
die Effizienzvermutung des Coase-Theorems be-
reits aus der Tatsache, daß nicht alle von den
Externalitäten Betroffenen an den Verhandlun-
gen beteihgt sind - und im Falle zukünftiger
Generationen auch nicht sein können. Diese
sind aufgrund der Irreversibilität von Verlusten
der Artenvielfalt direkt betroffen, ohne ihre
Interessen im gegenwärtigen Verhandlungspro-
zeß vertreten zu können.
Die Hoffnung, die Zuweisung von klar definier-
ten Verfügungsrechten allein würde ausreichen,
um über das Instrument der Coase-Verhandlun-
gen die Pareto-optimaie Allokation biologischer
Ressourcen zu erreichen, erweist sich außer-
halb der Modellwelt als unerfüllbar. Dies bedeu-
tet allerdings nicht, daß durch bilaterale Ver-
handlungen wie die beschriebenen nicht
spürbare Pareto-Verbesserungen gegenüber
dem Status quo erreicht werden könnten.
Anmerkung
Zu einer ausführlichen Darstellung
und
umfangreichen Lite-
raturangaben siehe Lerch,
A.
(1996): Verfügungsrechte
und biologische Vielfalt. Eine Anwendung
der
ökonomi-
schen Analyse
der
Eigentumsrechte
auf die
spezifischen
Probleme genetischer Ressourcen, Marburg: Metropolis-Ver-
lag.
Der Autor
Dr. Achim Lerch
ist
wissenschaftlicher Mitarbeiter
am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften
an der
Universität Gesamthochschule Kassel.
Kontakt:
GhK,
FB 07.
Nota Platiel
Str. 4.
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Ökologisches Wirtschaften
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