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Das Konzept der Exnovation - und Beispielprozesse wie der Kohleausstieg aus einer politikwissenschaftlichen Perspektive

Authors:
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Das Konzept der Exnovation
und Beispielprozesse wie der
Kohleausstieg aus einer politik-
wissenschaftlichen Perspektive
Dirk Arne Heyen, Öko-Institut
Berlin, 20. April 2018
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Agenda
Kapitelüberschrift
Einführung
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Hürden & Herausforderungen von Exnovationen
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Governance von Exnovationen
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Fazit und Forschungsthemen
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Einführung / Prämissen
Bisheriger Fokus in Forschung & Politik auf Innovation(sförderung)
Nachhaltigkeit und v.a. Transformationsprozesse bedeuten auch
Ablösung von alten, nicht-nachhaltigen Strukturen: Exnovation
Exnovation manchmal aus ökonomischen Gründen, manchmal aber
auch nicht: Neues ergänzt das Alte nur statt es zu ersetzen
Bsp.: EE <-> Kohle; Elektromobilität <-> fossiler Verkehr
Ist das Alte nicht nachhaltig, braucht es zusätzliche Maßnahmen
àNeben Innovations- braucht es auch aktive Exnovationspolitik
àNeben Innovations- braucht es auch Exnovationsforschung
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Begriff: Definition und Geschichte
Definition: Prozess, in dem etwas Bestehendes (fast) vollständig aus
einem System ausgeführt wird
Begriff nicht neu (Organisationsforschung, Kimberly 1981)…
…im Nachhaltigkeitskontext aber erst jüngst verstärkt
N. Paech 2005 und Borderstep Institut (aber jeweils nur am Rande)
Soziologie-Tagung 2014 & Sammelband 2015 „Innovation Exnovation“
Projekt 2016 am Öko-Institut und Folgepublikationen
Mehrere Ausschreibungen von BMU/UBA zuletzt
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Begriff: Alternativen im Vergleich
Andere verwendete Begriffe:
Ausstieg(sprozess)
phase-out
managed decline
just transition
discontinuation (governance)
system destabilisation
(nur) Exnovation funktioniert in vielen Sprachen
Exnovation ist intuitiv als Pendant zu Innovation verständlich
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Theoretische und empirische Basis
Nachhaltigkeits- und Transformationsliteratur zu Exnovation (David)
und ähnlichen Konzepten: regime destabilisation (Geels),
discontinuation governance (Stegmeier, Kuhlmann)
wenig Literatur bisher
wenig praktische Handlungsempfehlungen bisher
Politikwissenschaftliche Literatur, insbesondere zu policy change,
policy termination / dismanteling (Bardach, Behn, de Leon, Bauer),
(welfare) loss imposition (Pierson), politics of pain“ (Pal, Weaver)
Fokus auf ‚termination of policies‘ statt ‚policies for termination
wenig Umweltbezug (eher Haushalts- und Sozialpolitik)
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Theoretische und empirische Basis (Forts.)
ökonomische & wirtschaftsgeografische Strukturwandel-Literatur
Fokus auf Folgen von (v.a. ökonomisch bedingter) Exnovation
empirische Fälle und aktuelle gesellschaftlichen Debatten
Vergangene Fälle: FCKW, DDT, Asbest, verbleites Benzin
Fortgeschrittene Fälle: Steinkohlebergbau, Atomkraft, Glühlampen
Anstehende Fälle: (Braun-)Kohle, Verbrennungsmotor
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Hürden & Herausforderungen von
Exnovationen
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Hürden & Herausforderungen
Pfadabhängigkeiten (Beyer, Clausen, Geels)
Ökonomisch
Technologisch
Infrastrukturell
Nutzerbezogen
Organisatorisch
Rechtlich
Exnovation betrifft Besitzstände und Routinen und entsprechend
materielle & ideelle Interessen etablierter Akteure
„Kohleregionen“
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Hürden & Herausforderungen (Forts.)
Besitzstandswahrende Kräfte / ‚vested interests‘ (Bardach) oft
besonders motiviert (bzw. leicht mobilisierbar) und stark:
Angst vor Verlusten wiegt bei vielen Menschen schwerer als Aussicht auf
(gleichhohe) Gewinne (Kahneman & Tversky) und motiviert eher zum
Handeln (Pierson, Pal, Weaver)
konzentrierte Kosten mobilisieren stärker als ein verteilter (Umwelt-)
Nutzen (Olson, Wilson)
Betroffene oft unterstützt durch sektorzuständige Fachpolitiker/-beamte
und regionale Politikvertreter (‚anti termination coalition‘, Bardach)
Wirtschafts-, Verkehrs-, Landwirtschaftsministerien
Landesregierungen NRW, Brandenburg, Sachsen bei Kohle
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Hürden & Herausforderungen (Forts.)
Mächtiges diskursives Mittel: Drohen mit Arbeitsplatzverlusten
Rechtliche Hürden
Berührt Grundrechte wie Eigentum und Berufsfreiheit
Vertrauensschutz und Verhältnismäßigkeit zu beachten
BVerfG-Urteil zum Atomausstieg aber ermutigend (auch für Kohleausstieg)
Keine Enteignung, sondern nur Inhalts- und Schrankenbestimmung
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Governance von Exnovationen
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Exnovations-Governance
Ist mehr als nur eine Frage von Politikinstrumenten
Strategische und prozessuale Fragen
4 Governance-Dimensionen [nach Heyen/Hermwille/Wehnert 2017]:
Akteurskonstellationen
Instrumentierung der Exnovation
Gestaltung des Strukturwandels
Zeit (-Horizont)
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1) Akteurskonstellationen
Exnovationstreiber können verschiedene Akteure sein:
Politik/Staat oft auf gesellschaftlichen Druck hin (z.B. Atomausstieg)
NGOs (z.B. Greenpeace bei FCKW-Kühlschränken und Chlorbleiche)
Pioniere unter den Unternehmen
Breite Akteurskoalitionen grundsätzlich vorteilhaft
inkl. Akteuren mit anderen Motiven, aber ähnlichen Zielen
Bsp. Wasserwerke bzgl. Braunkohle; Bundesärztekammer bzgl. Diesel
Ggü. Betroffenen: Konfrontation oder Konsenssuche?
Deutschland als „Verhandlungsdemokratie“ (insb. auch in Energiepolitik)
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Akteurskonstellationen: Ausstieg im Konsens?
Verhandlungsanreize (wenn kein klares Machtgefälle) (Benz, Scharpf):
Für Politik: Vermeidung von Widerstand (inkl. Klagen)
Für Betroffene: „Schatten der Hierarchie“
Für beide: Rechts- und Planungssicherheit, vertrauensvolle
Akteursbeziehung, öffentliches Ansehen
Übliches Ergebnis: Kompromiss, Paket- und Tauschlösungen (Benz)
Bsp. Atomausstieg, Steinkohlebergbau
Nicht für alle Exnovationsfälle notwendig oder machbar, aber v.a.
empfehlenswert bei
hohen (rechtlichen) Hürden und/oder
drohenden sozioökonomischen Strukturbrüchen (z.B. Kohle)
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Exkurs: Kohlekonsenskommission
Es sollte eine pluralistisch besetzte Kommission geben, die auf einem
Mandat des Bundestages beruht (ähnlich Endlagerkommission).
Das Mandat sollte die Einhaltung der Klimaziele als Eckpunkt setzen.
Über den genauen Ausstiegspfad sollte offen verhandelt werden.
Die Aspekte Ausstiegspfad, Strukturwandelförderung und Ewigkeits-
kosten sollten verknüpft werden (ähnlich Steinkohlebergbau).
Der Kommission sollte ein Zieldatum zur Kompromissfindung gesetzt
werden. Es sollte klar sein, dass ohne Konsensfindung die Politik
einen Kohleausstieg beschließen wird („Schatten der Hierarchie“).
Das Ergebnis sollte in Gesetzesform „gegossen“ werden.
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2) Instrumentierung der Exnovation
Erster Schritt: Subventionsabbau & Divestment öffentlicher Gelder
Bsp. Steinkohlebergbau
Direkte Exnovations-Instrumente
Unmittelbare Verbote (Bsp. DDT, bleihaltiges Benzin)
Gestaffelte Phase-out-Fristen (Bsp. Asbest, FCKW)
Instrumente mit indirekter Exnovations-Wirkung
Anspruchsvolle Effizienzvorschriften / Grenzwerte
Bsp. Ökodesign Leuchtmittel; künftige Pkw-CO2-Grenzwerte in Richtung 0g/km
Hohe Besteuerung
(funktionierender) Emissionshandel
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3) Abfederung / Gestaltung des Strukturwandels
Grundsätzlich:
Soziökonomische Implikationen für betroffene Unternehmen,
Angestellte und Regionen ernst nehmen
Aus normativen und Steuerungsgründen (Widerstandsreduktion)
V.a. relevant, wenn Exnovation kurzfristig, Kerngeschäftsmodelle von
Firmen und regional konzentrierte Arbeitsplätze betreffend
Bsp. (Braun-)Kohleausstieg & Tagebauregionen
Soziale und ökonomische Härten abfedern, als auch neue und
langfristig tragbare Perspektiven fördern
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Umgang mit Unternehmen
Kompensationszahlungen vermeiden, wegen möglicher Mitnahme-
effekte, falscher Anreize, Kettenreaktionen und Beihilferecht
Kompensation nur in Ausnahmefällen, wenn etwa verfassungs-
rechtlich geboten („unverhältnismäßig“)
Wenn ansonsten Kompensation, dann möglichst mit Bedingungen:
Investitionen in neue Geschäftsmodelle
Negativbeispiel: Stilllegungsprämien für Kohlekraftwerke
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Unterstützung für Beschäftige
Zunächst Unternehmen gefordert: neue Geschäftsmodelle
Rechtzeitig Weiterbildungsangebote und Anpassung der Ausbildung
Teilzeit- und Kurzarbeit-Regelungen
Notfalls „sozialverträglicher“ Personalabbau (inkl. Frühverrentung)
Evtl. staatliche Anpassungsgelder/-beihilfen
Strukturförderung in der Region à
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Unterstützung für Regionen
Exnovation lokal konzentrierter Branchen hat negative Auswirkungen
auch auf Region (Kaufkraft, Steuereinnahmen, evtl. Dividende)
gefährdet Finanzierung kommunaler Infrastrukturen & Angebote, die
wiederum wichtig sind für neue Wirtschaftszweige und Fachkräfte
Förderung höherer politischer Ebenen angemessen: neben allg.
Infrastrukturförderung Fokussierung auf Zukunftsbranchen unter
Berücksichtigung regionaler Potenziale & Standortfaktoren
Clusterbildung?
Nicht top-down vorgehen, sondern bottom-up-Prozesse unterstützen
zur Leitbild- und Ideenentwicklung mit starker lokaler Beteiligung
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Finanzierung der Hilfen
verstärkte Ausrichtung bestehender Wirtschafts- und Infrastruktur-
förderprogramme an nachhaltigkeitsmotivierten Prozessen
Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur
Europäischer Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE)
Europäischer Fonds für Strategische Investitionen (EFSI)
bei besonders einschneidenden Strukturwandelprozessen kann mit
speziellen Förderprogrammen / Strukturfonds gearbeitet werden
Bsp. Strukturfonds Braunkohleregionen
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4) Zeit(-Horizont)
kurzfristiger oder langfristiger Ausstieg
zeitliche Streckung, um Widerstand, Entschädigungspflichten und/oder
sozioökonomischen Friktionen zu vermeiden
dann aber frühzeitig kommunizieren & entscheiden
z.B. Exnovation Kohle und Verbrennungsmotor bis 2030/35 jetzt einleiten
auch im Sinne von Planungs- und Investitionssicherheit von Unternehmen,
Arbeitnehmer/innen (Berufswahl) und Konsument/innen
Nachteil: Revidierbarkeit durch neue politische Mehrheit
Bsp. rot-grüner Atomausstieg; Nachtspeicheröfen
à All-Parteien-Konsens hilfreich
fixes oder flexibles Enddatum (Bsp. Atomausstieg I vs. II)
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Fazit und Forschungsthemen
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Zusammenfassung
Exnovationen sind notwendiger Teil von Nachhaltigkeit
Exnovation und Innovation stehen in einem Wechselverhältnis
Exnovationen verdienen stärkere Beachtung in Forschung & Politik
Was kann man aus vergangenen Prozessen für künftige lernen?
Politische Forcierung von Exnovationen ist möglich
Sozioökonomische Implikationen sind zu berücksichtigen
Politisch gestaltete Prozesse langfristig, aber frühzeitig begonnen
mit klaren politischen Ausstiegszielen und -instrumenten haben
Vorteile gegenüber Abwarten und potenziell disruptivem Wandel
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Verhältnis Innovation & Exnovation
Exnovation ersetzt nicht, sondern ergänzt Innovation(sfokus)
„zwei Seiten einer Medaille“
Innovation und Exnovation stehen in einem Wechselverhältnis
Exnovation ohne Alternative schwierig; Innovation erleichtert Exnovation
Exnovationsentscheidungen können Innovationen befördern (Bsp.
Weiterentwicklung Leuchtmittel)
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Forschungsthemen
Vertiefte, auch vergleichende Analyse von Exnovationsfällen
Neben Technologien auch Ausstieg aus sozialen Praktiken
Erfolgsbedingungen
Akteurskonstellationen und Akteursverhalten
Konfrontation vs. Konsens
Diskurse, Narrative, Frames
Instrumentenoptionen im Vergleich
Strukturwandel, Arbeitsplatzeffekte
Verhältnis von Innovationen und Exnovationen
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Dirk Arne Heyen
Senior Researcher
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Schicklerstraße 5-7
10179 Berlin
Telefon: +49 30 405085-356
E-Mail: d.heyen@oeko.de
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