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Exnovation und ihre Gestaltung: Die unterbelichtete Seite der Transformationsmedaille

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Exnovation und ihre Gestaltung
Die unterbelichtete Seite der Transformationsmedaille
Dirk Arne Heyen, Öko-Institut
Berlin, 17. April 2018
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Einleitung
Bisheriger Fokus in Forschung & Politik auf Innovation(sförderung)
Transformation ist auch Ablösung des Alten, Nicht-Nachhaltigen
Exnovation manchmal aus ökonomischen Gründen, manchmal aber
auch nicht: Neues ergänzt das Alte nur statt es zu ersetzen
Ist das Alte nicht nachhaltig, braucht es zusätzliche Maßnahmen
Vergangene Fälle: FCKW, DDT, Asbest, verbleites Benzin, Glühlampen
Laufende / anstehende Fälle: Atomkraft, Kohle, Verbrennungsmotor
àNeben Innovations- braucht es auch aktive Exnovationspolitik
àNeben Innovations- braucht es auch Exnovationsforschung
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Einleitung (Forts.)
Definition Exnovation: Prozess, in dem etwas Bestehendes (fast)
vollständig aus einem System ausgeführt wird
Begriff nicht neu, im Nachhaltigkeitskontext aber erst jüngst verstärkt
Soziologie-Tagung 2014 & Sammelband 2015 „Innovation Exnovation“
Projekt 2016 am Öko-Institut und Folgepublikationen
Mehrere Ausschreibungen von BMU/UBA zuletzt
Exnovation ersetzt nicht, sondern ergänzt Innovation
Innovation und Exnovation stehen in Wechselverhältnis
Exnovation ohne Alternative schwierig
Exnovation kann Innovationen befördern (Bsp. Leuchtmittel)
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Hürden & Herausforderungen
Pfadabhängigkeiten
Ökonomisch, technologisch, infrastrukturell
Rechtlich, Organisations- und Nutzerbezogen
Exnovation betrifft Besitzstände und Routinen und entsprechend
materielle & ideelle Interessen etablierter Akteure
Besitzstandswahrer besonders motiviert: Angst vor Verlusten wiegt
schwerer als Aussicht auf Gewinne (Psychologie)
konzentrierte Kosten, verteilter Nutzen = schwierige Interessenslage
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Hürden & Herausforderungen (Forts.)
Betroffene oft auch unterstützt durch sektorzuständige Fachpolitiker/-
beamte und regionale Politikvertreter
Bsp. Landesregierungen NRW & Brandenburg bei Kohle
Mächtiges diskursives Mittel: Drohen mit Arbeitsplatzverlusten
Rechtliche Hürden
Berührt Grundrechte wie Eigentum und Berufsfreiheit
Vertrauensschutz und Verhältnismäßigkeit zu beachten
BVerfG-Urteil zum Atomausstieg aber ermutigend (auch für Kohleausstieg)
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Exnovations-Governance
Ist mehr als nur eine Frage von Politikinstrumenten
Strategische und prozessuale Fragen
4 Governance-Dimensionen [nach Heyen/Hermwille/Wehnert 2017]:
Akteurskonstellationen
Instrumentierung der Exnovation
Abfederung/Gestaltung des Strukturwandels
Zeit (-Horizont)
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1) Akteurskonstellationen
Exnovationstreiber können verschiedene Akteure sein:
Politik/Staat oft auf gesellschaftlichen Druck hin (z.B. Atomausstieg)
NGOs (z.B. Greenpeace bei FCKW-Kühlschränken und Chlorbleiche)
Pioniere unter den Unternehmen
Breite Akteurskoalitionen grundsätzlich vorteilhaft
inkl. Akteuren mit anderen Motiven, aber ähnlichen Zielen
Bsp. Wasserwerke bzgl. Braunkohle; Bundesärztekammer bzgl. Diesel
Ggü. Betroffenen: Konfrontation oder Konsenssuche?
Deutschland als „Verhandlungsdemokratie“
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1) Akteurskonstellationen: Ausstieg im Konsens?
Verhandlungsanreize (wenn kein klares Machtgefälle):
Für Politik: Vermeidung von Widerstand (inkl. Klagen)
Für Betroffene: „Schatten der Hierarchie“
Für beide: Rechts- und Planungssicherheit, vertrauensvolle
Akteursbeziehung, öffentliches Ansehen
Übliches Ergebnis: Kompromiss, Paket- und Tauschlösungen
Nicht für alle Exnovationsfälle notwendig oder machbar, aber v.a.
empfehlenswert bei hohen (rechtlichen) Hürden und bei drohenden
sozioökonomischen Strukturbrüchen (z.B. Kohle)
Einige Eckpunkte wie Ausstiegsziel und zentrale Umweltziele sollten
feststehen. Über den genauen Ausstiegspfad wird offen verhandelt
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2) Instrumentierung der Exnovation
Erster Schritt: Subventionsabbau & Divestment öffentlicher Gelder
Bsp. Steinkohlebergbau
Direkte Exnovations-Instrumente
Unmittelbare Verbote (Bsp. DDT, bleihaltiges Benzin)
Gestaffelte Phase-out-Fristen (Bsp. Asbest, FCKW)
Instrumente mit indirekter Exnovations-Wirkung
Anspruchsvolle Effizienzvorschriften / Grenzwerte
Bsp. Ökodesign Leuchtmittel; künftige Pkw-CO2-Grenzwerte in Richtung 0g/km
Hohe Besteuerung
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3) Abfederung / Gestaltung des Strukturwandels
Soziökonomische Implikationen für Unternehmen, Angestellte und
Regionen ernst nehmen und, falls nötig, abfedern
Unternehmen: direkte Entschädigung vermeiden wegen möglicher
Mitnahmeeffekte, falscher Anreize, Kettenreaktionen und Beihilferecht
nur in Ausnahmefällen, wenn etwa verfassungsrechtlich geboten
Beschäftigte unterstützen durch Weiterbildung, evtl. Anpassungsgelder
Notfalls: Teil-/Kurzarbeit-Regelungen, Frühverrentung
Bei regionaler Konzentration: regionale Strukturförderung
verstärkte Ausrichtung bestehender Wirtschafts- und Infrastruktur-
Förderprogramme an (ökolog.) Nachhaltigkeitszielen/-prozessen
Abfederung durch zeitliche Streckung à
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4) Zeit(-Horizont)
fixes oder flexibles Enddatum (Bsp. Atomausstieg I und II)
kurzfristiger oder langfristiger Ausstieg
zeitliche Streckung, um Widerstand, Entschädigungspflichten und/oder
sozioökonomischen Friktionen zu vermeiden
dann aber frühzeitig kommunizieren & entscheiden
z.B. Exnovation Kohle und Verbrennungsmotor bis 2030/35 jetzt einleiten
auch im Sinne von Planungs- und Investitionssicherheit von Unternehmen,
Arbeitnehmer/innen (Berufswahl) und Konsument/innen
Nachteil: Revidierbarkeit durch neue politische Mehrheit
Bsp. rot-grüner Atomausstieg; Nachtspeicheröfen
à All-Parteien-Konsens hilfreich
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Fazit
Exnovationen sind notwendiger Teil von Transformationen
Exnovation und Innovation stehen in einem Wechselverhältnis
Exnovationen verdienen stärkere Beachtung in Forschung & Politik
Was kann man aus vergangenen Prozessen für künftige lernen?
Politische Forcierung von Exnovationen ist möglich
Sozioökonomische Implikationen sind zu berücksichtigen
Politisch gestaltete Prozesse langfristig, aber frühzeitig begonnen
mit klaren politischen Ausstiegszielen und -instrumenten haben
Vorteile gegenüber Abwarten und potenziell disruptivem Wandel
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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Haben Sie Fragen oder Anmerkungen?
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Kontakt
Dirk Arne Heyen
Senior Researcher
Öko-Institut e.V.
Büro Berlin
Schicklerstraße 5-7
10179 Berlin
Telefon: +49 30 405085-356
E-Mail: d.heyen@oeko.de
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