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COMMUNICATION INSIGHTS
Chancen, Voraussetzungen und Anwendungen für
die Unternehmenskommunikation
FUR BIG DATA
Issue 4
STARTKLAR
INHALTSVERZEICHNIS
Wie verändern Big Data die Unternehmenskommunikation? 04
Das Forschungsprojekt und die zentralen Ergebnisse auf einen Blick
Wie aus Big Data Wissen entsteht 08
In sieben Schritten Daten für die Unternehmenskommunikation analysieren
Big-Data-Analysen für die strategische Kommunikation 11
Analysen mit mehr Breite und Tiefe unterstützen den Kommunikationsplanungsprozess
Die passende Dateninfrastruktur 16
Technische Voraussetzungen für die Nutzung von Big Data
Die geeignete Organisationsstruktur 20
Big-Data-Anwendungen erfordern Interdisziplinarität und eine abteilungsübergreifende Zusammenarbeit
Neue Kompetenzen sind gefragt 22
Die Nutzung von Big Data erfordert mehr Technikverständnis und Datenafnität
Ein Ethik-Kodex als Handlungsleitfaden 25
Ethische Leitlinien für die Nutzung von Big Data in der strategischen Kommunikation
Das digitale Publishing House von Bosch 29
Mehr Relevanz und eine bessere Reputation durch eine datenbasierte Kommunikation
Datenbasiertes Online-Marketing bei OTTO 34
Ein Interview mit Kerstin Pape, Leiterin Online-Marketing
Wohin geht die Reise? 37
Zukünftige Anwendungsfelder von Big Data in der strategischen Kommunikation
Glossar: Was ist was? 38
Zentrale Begriffe aus der Big-Data-Welt
Quellenverzeichnis 39
Value Creating Communication 40
Akademische Gesellschaft 41
Impressum
Herausgeber: Akademische Gesellschaft für Unternehmensführung & Kommunikation
Eine Initiative der Günter Thiele Stiftung für Kommunikation & Management
Burgstraße 21, 04109 Leipzig, Germany | info@academic-society.net | www.academic-society.net
Autoren: Dr. Christian Wiencierz, Karen Berger, Prof. Dr. Ulrike Röttger, Carl Wietholt
Fotos: Adobe Stock Pictures: Anna_leni (S. 11), bizvector (S. 25), ellagrin (S. 20), kmlmtz66 (S. 13), mast3r (S. 16), ShpilbergStudios (S. 38),
wilkat (S. 4); Bosch (S. 29); OTTO (S. 34); Tobias Tanzyna (S. 3, S. 27)
Konzept, Layout, Graken: Zitronengrau GbR, Leipzig, Germany
Druck: MERKUR Druck- und Kopierzentrum GmbH & Co. KG
Zitation (APA): Wiencierz, C., Berger, K., Röttger, U. & Wietholt, C. (2017): Startklar für Big Data. Chancen, Voraussetzungen und Anwendungen für die
Unternehmenskommunikation. (Communication Insights, Issue 4) Leipzig, Deutschland: Akademische Gesellschaft für Unternehmensführung & Kommunikation.
Alle Rechte vorbehalten. Dezember 2017
Anmerkung: Obwohl aus Gründen der Lesbarkeit im Text die männliche Form gewählt wurde, beziehen sich die Angaben immer auf Angehörige
beider Geschlechter.
EDITORIAL
Daten werden als die Währung des 21. Jahrhunderts gehandelt. Die Potenziale
für die Unternehmenskommunikation sind in der Tat vielversprechend: Big Data
bilden eine überaus wertvolle Informationsquelle, die die Kommunikationspla-
nung, Umsetzung sowie Evaluation der Kommunikationsaktivitäten nachhaltig
verbessern können. Sie erlauben einen umfassenden Einblick in die Interessen,
Bedürfnisse und Gewohnheiten von Menschen und ermöglichen eine individuelle
Ansprache.
Trotz dieser enormen Potenziale wurde bislang jedoch kaum erforscht, welche
Daten wie für welche Kommunikationsprobleme sinnvoll genutzt werden können.
Nur wenige Kommunikationsabteilungen und Agenturen nutzen derzeit Big-
Data-Anwendungen für ihre Arbeit. Dieser Forschungslücke hat sich ein Team an
der Universität Münster unter der Leitung von Dr. Christian Wiencierz und mir
gewidmet. Ein herzliches Dankeschön an dieser Stelle für die Unterstützung von
Günter Bentele (Universität Leipzig), Karen Berger (Akademische Gesellschaft)
sowie die Kommunikationsverantwortlichen von ARAG, B. Braun Melsungen,
Deutsche Post DHL Group und GIZ, die uns beratend zur Seite standen.
Die Studie ist Teil des Forschungsprogramms Value Creating Communication, das
von der Akademischen Gesellschaft für Unternehmensführung & Kommunika-
tion 2015 initiiert wurde. Ziel des Forschungsprojekts war es, die Potenziale,
Voraussetzungen und Herausforderungen für Big Data in der Unternehmens-
kommunikation besser zu verstehen. Hierfür wurde vorhandene Literatur
recherchiert, zahlreiche Experten aus Praxis und Wissenschaft befragt und die
gewonnenen Erkenntnisse analysiert. Die Ergebnisse, insbesondere der Experten-
interviews, werden in dieser Ausgabe „Startklar für Big Data“ präsentiert und
ergänzen Ausgabe 2 der Communication Insights „Wohin geht die Reise?“, die
2016 erschien. Vorgestellt wird u.a. ein neues Modell, wie Big Data im Rahmen
des Kommunikationsplanungsprozesses eingesetzt werden können und welche
Voraussetzungen bezüglich Technik, Organisationsstrukturen und Know-how
erfüllt sein müssen. Zudem geben zwei Case Studies zum datenbasierten Content-
Marketing bei Bosch und zum Online-Marketing bei OTTO einen spannenden
Einblick in die Praxis. Auffallend war, dass das Marketing in puncto Big Data der
Unternehmenskommunikation voraus ist und sich viele Erkenntnisse in dieser
Ausgabe daher auf die Erfahrungen im Marketing stützen.
Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen und hoffen, dass Sie die Erkenntnisse
bei Ihrer eigenen Arbeit unterstützen.
Prof. Dr. Ulrike Röttger
Universitätsprofessorin für Public-Relations-Forschung,
Westfälische Wilhelms-Universität Münster
3
COMMUNICATION INSIGHTS – ISSUE 4
WIE VERÄNDERN BIG DATA
DIE UNTERNEHMENSKOMMUNIKATION?
DAS FORSCHUNGSPROJEKT UND DIE ZENTRALEN ERGEBNISSE AUF EINEN BLICK
Von 2015 bis 2017 erforschte ein Team an der Universität Münster unter Leitung von Prof. Dr. Ulrike Röttger und Dr. Christian Wiencierz
die Potenziale, Herausforderungen und Voraussetzungen der Nutzung von Big Data in der Unternehmenskommunikation.
Vorgehen im Rahmen des Forschungsprojekts
Identizierung der wichtigsten Megatrends
Ausgangspunkt war die Frage, welche Megatrends und Rahmen-
bedingungen die Unternehmenskommunikation in Zukunft prägen.
Eine Befragung von über 50 Kommunikationsexperten aus Wirt-
schaft und Wissenschaft ergab, dass die Digitalisierung mit
Abstand der wichtigste Megatrend für die nächsten 10 bis 15 Jahre
sein wird. Aber auch die Individualisierung und die Globalisierung
haben einen wesentlichen Einuss und werden die Kommunikation
verändern.
Literaturrecherche zu den Potenzialen von Big Data für
die Unternehmenskommunikation
Um die Herausforderungen der Digitalisierung und deren Auswir-
kungen auf die Unternehmenskommunikation besser zu verstehen,
wurde zunächst der aktuelle Stand der Wissenschaft aus den Berei-
chen Kommunikationswissenschaft, Marketing und Wirtschaftsin-
formatik analysiert. Die Auswertung zeigt, dass es bis dato nur sehr
wenige Studien zu den Potenzialen von Big Data für die Unterneh-
menskommunikation gibt. Die meisten beziehen sich dabei auf das
Marketing und liefern lediglich Anhaltspunkte für die strategische
Kommunikation. (Wiencierz & Röttger, 2017)
Experteninterviews zum Wandel der strategischen
Kommunikation durch Big Data
Um diese Forschungslücke zu schließen, wurden 35 Experten aus
Praxis und Wissenschaft zur Bedeutung und Nutzung von Big
(Social) Data interviewt. Die Experteninterviews wurden 2016-
2017 durchgeführt. (Siehe Übersicht auf S. 5)
18 Experten aus international ausgerichteten Kommuni-
kationsabteilungen wurden zur Anwendung von Big Data
interviewt. Erfragt wurden beispielsweise die Chancen und
Herausforderungen der Nutzung von Kunden-, Markt-, oder
Unternehmensdaten für eine internationale, regionalspezi-
sche Unternehmenskommunikation.
17 Experten wurden speziell zur Anwendung von Daten aus
sozialen Medien (Big Social Data) befragt. Der Fokus lag
darauf, wie diese Daten für eine individualisierte Stakehol-
derkommunikation genutzt werden können.
Für die Interviews wurden bewusst nicht nur Kommunikatoren
ausgewählt. Stattdessen wurde ein interdisziplinäres Sample aus
Personen auch aus dem Marketing oder der (Wirtschafts)Infor-
matik zusammengestellt, die über umfangreiches Wissen zu Big
(Social) Data verfügen.
4COMMUNICATION INSIGHTS – ISSUE 4
Der Interviewleitfaden für das erste Sample beinhaltete Fragen
zum Verständnis des Begriffs Big Data, zu den Potenzialen
und Herausforderungen von Big Data für die Unternehmens-
kommunikation in global agierenden Unternehmen und zum
Prozess der Datennutzung. Der Leitfaden für das zweite Sample
enthielt die gleichen Fragen bezogen auf Big Social Data und
deren Potenziale für eine individualisierte Kommunikation mit
Stakeholdern. Beide Leitfäden beinhalteten zudem Fragen zur
Veränderung des Berufsfeldes und des Anforderungsprols für
Kommunikatoren.
Case Study
Anfang 2017 wurde zudem eine Case Study bei der Robert Bosch
GmbH durchgeführt, eines der führenden Unternehmen Deutsch-
lands bei der Nutzung von Daten für die digitale Kommunikation
und für das Content-Marketing. Das Team wird geleitet von Dr.
Michael Schmidtke und ist in der Abteilung Corporate Communi-
cations, Brand Management and Sustainability unter der Leitung
von Dr. Christoph Zemelka angesiedelt. Vier Mitarbeiter wurden
ausführlich zum eigenen Tätigkeitsbereich, zum Verständnis und
zu den Arbeitsprozessen des Content-Marketings befragt.
Befragte Experten zu den Schwerpunkten Big Data und Social Media Analytics
SCHWERPUNKT BIG DATA
SCHWERPUNKT SOCIAL-MEDIA-ANALYTICS
UNTERNEHMENDIENSTLEISTERUNIVERSITÄTEN
Linda Rutherford
Vice President, Chief Communications Ocer, Southwest Airlines
Jochen Specht
Vice President, Demand Generation & MarCom Programs, Siemens
Dr. Thomas Hill
Executive Director Analytics, Statistica, Quest Software
Reza Rahimi
Senior Algorithm and Software Architect, Huawei R&D Innovation
Center (FutureWei)
Anonymsierte Expertin*
Kommunikationsmanagerin, Chemiekonzern
Anonymsierter Experte*
Head of Data Driven Marketing & Digital Advertising,
Telekommunikationsunternehmen
Anonymsierter Experte*
Chief Data Scientist, Versicherungskonzern
Dr. Thomas Keil
Manager Field Marketing, SAS Institute
Patrick Ebert
Manager Business Development International, Think Big Analytics,
A Teradata Company
Wolfgang Hennes
Co-Founder, Digital Public Aairs
Andreas Kulpa
Chief Executive Ocer, DATAlovers
Marco Silbernagel
Senior Field Marketing Manager EMEA, Datameer
Hans-Henning Gabriel
Data Scientist, Datameer
Patrick Goldschmidt
Senior Data Analyst, Ubermetrics Technologies
Curt Harlinghausen
CEO, akom360 GmbH; CDO, Starcom Worldwide; Practice Lead Business
Transformation, Publicis Media
Klaas-Wilhelm Bollhoefer
Unabhängiger Data & AI Consultant
Hilke Hobein
Director Data Solutions, PACT SALES
Susanne Ullrich
Marketing Director DACH / FR, Brandwatch
Yasan Budak
Authorized Manager & Co-Founder, VICO Research & Consulting
Björn Tantau
Online-Marketing Experte, bjoerntantau.com
Niklas Ramon Pucknat
Social Media Strategist, DDB Hamburg
Richard Bagnall
CEO, PRIME Research UK & SVP PRIME Research Europe
Paige Brockmyre
Director, Digital Marketing, The Wisdom Link;
Owner Maddog Social Media, LLC.
Mark Weiner
CEO, PRIME Research Americas
Marc Smith
Director, Social Media Research Foundation
Craig Stoe
Product Management Executive, Linqia
Nicolas Chabot
Senior Vice President EMEA, Traackr
Prof. Dr. Nils Urbach
Universitätsprofessor, Wirtschaftsinformatik, Universität Bayreuth
Jun-Prof. Dr. Matthias Hagen
Junior Professor, Big Data Analytics, Bauhaus-Universität Weimar
Prof. Dr. Stefan Stieglitz
Universitätsprofessor, Leitung des Fachgebiets Professionelle Kommunika-
tion in elektronischen Medien / Social Media, Universität Duisburg-Essen
Daniela Kluge
Corporate Communications, Bertelsmann
Hendrick Lange
Corporate Communications, Arvato /Bertelsmann
Christian Hodbod
Senior Social Media Manager, Swisscom
Magnus Hüttenberend
Head of Digital Communications, TUI Group
Arik Reiter
Chief Product Ocer, HBC Europe/ Galeria Kaufhof
Silke Wieland
Managerin Social Media, Siemens
Alex Stein
Director of Marketing Analytics and Social Media Analytics,
Marriott International
Funktion und Zugehörigkeit zum Unternehmen zum Zeitpunkt der Befragung
* Auf Wunsch der Experten wurden die Angaben zu Person und zum Unternehmen anonymisiert
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COMMUNICATION INSIGHTS – ISSUE 4
ZENTRALE FORSCHUNGSFRAGEN UND DIE WESENTLICHEN ERKENNTNISSE
I. Wie können Big Data in der strategischen
Kommunikation genutzt werden?
Big Data können alle Phasen des strategischen Kommunikati-
onsplanungsprozesses unterstützen und diesen effektiver und
efzienter gestalten – angefangen von der Situationsanalyse
über die Strategieentwicklung und die Durchführung bis hin
zur Evaluation.
Dazu werden vielfältige, innovative Analysen genutzt und
kombiniert, die Einblicke in die Markt- und Wettbewerbssitua-
tion liefern können, detaillierte Stakeholder- und Themenana-
lysen ermöglichen sowie (Real-Time-) Evaluationen erlauben.
Die Big-Data-Analysen sollten als iterativer Prozess
gestaltet werden, bestehend aus den sieben
Phasen Zieldenition, Datengenerierung,
Datenbereinigung, Datentransformation,
Datenanalyse, Interpretation/Evaluation und
Ergebnisaufbereitung. Iterativ bedeutet, dass
die einzelnen Phasen ausprobiert und ggf.
Neun Beiträge in dieser Ausgabe fassen die Erkenntnisse des Forschungsprojekts zusammen. Sie gliedern sich in die folgenden drei Bereiche:
wiederholt werden müssen, bis aus Daten tatsächlich Erkennt-
nisse gewonnen werden, die die weitere Kommunikationspla-
nung unterstützen. Kontinuierliche Feedbackschleifen sind in
diesem Prozess üblich und notwendig.
» In sieben Schritten Daten
für die Unternehmenskommuni-
kation analysieren
» Big-Data-Analysen für die
strategische Kommunikation
» Technische Voraussetzungen
für die Nutzung von Big Data
» Die geeignete Organisations-
struktur für Big-Data-Anwen-
dungen
» Neue Kompetenzen für die
Nutzung von Big Data
» Ethische Leitlinien für Big-
Data-Analysen in der strategischen
Kommunikation
» Datenbasiertes Content-
Marketing bei Bosch
» Datenbasiertes Online-
Marketing bei Otto
» Zukünftige Entwicklungen
von Big Data in der strategischen
Kommunikation
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I. DER BIG-DATA-
ANWENDUNGSPROZESS
II. VORAUSSETZUNGEN FÜR
DIE IMPLEMENTIERUNG III. ANWENDUNGSBEISPIELE
www.akademische-gesellschaft.com
Situations-
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STRATEGISCHER
KOMMUNIKATIONS-
PLANUNGSPROZESS
Ergebnis-
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Strategie
Umsetzung
Evaluation
Big-Data-Anwendungen im strategischen Kommunikationsplanungsprozess
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6COMMUNICATION INSIGHTS – ISSUE 4
Die Experten empfehlen bei der Datenanalyse einen Hybridan-
satz: Einerseits sollten Analysen entsprechend einer klaren Ziel-
denition durchgeführt werden. Andererseits sollte genügend
Raum für ungerichtete, explorative Analysen bleiben, um neue
Zusammenhänge, Muster oder Entwicklungen zu entdecken.
Der Blick in die Zukunft durch prädiktive Datenanalysen wird
kontrovers diskutiert: Befürworter glauben, mit dieser Methode
die Wahrscheinlichkeit von Entwicklungen vorhersagen zu
können. Skeptiker hingegen bezweifeln die Verlässlichkeit
von derartigen Prognosen für die Kommunikation, da zu viele
interne und externe Einüsse nicht ausreichend berücksichtigt
werden können.
Mehr dazu ab Seite 8.
II. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein,
um Big Data in der Unternehmenskommunikation
erfolgreich einsetzen zu können?
Technische Voraussetzungen sind eine geeignete Soft- und
Hardware, mit denen große Informationsbestände mit hetero-
genen Daten bei Bedarf in Echtzeit generiert und analy-
siert werden können. Idealerweise wird ein Data Laboratory
mit einem Data Lake geschaffen, in den Daten jeglicher Art
einießen können.
Die abteilungsübergreifende und interdisziplinäre Zusammen-
arbeit wird an Bedeutung gewinnen, beispielsweise mit der
IT-Abteilung. Hierfür müssen geeignete Organisationsstruk-
turen entwickelt und Prozesse angepasst werden. Geeignet sind
interdisziplinäre Subteams bestehend aus Kommunikatoren,
Datenanalysten und IT-Experten, die sich einem spezischen
Aufgabenfeld oder Kommunikationsproblem widmen. Ein abtei-
lungsübergreifendes Command Center, in dem Informationen
an zentraler Stelle gebündelt werden, kann diese Subteams mit
jenen Analysen und Informationen versorgen, die für sie rele-
vant sind.
Kommunikatoren müssen nicht zwangsläug zu Datenexperten
werden. Aber sie sollten ein Gespür dafür entwickeln, was mit
Daten machbar ist und sie sollten die Analysen hinterfragen
können. Zwingend notwendig werden Technikverständnis und
Datenafnität bzw. Statistikkenntnisse sein, wobei traditio-
nelle Fähigkeiten wie strategisches Denken und Kreativität
nicht an Bedeutung verlieren.
Die universitäre Ausbildung sollte die Anwendung von Big
Data in das Curriculum aufnehmen. Unternehmen sollten
interne Fort- und Weiterbildungen anbieten. Und von Kommu-
nikatoren wird viel Selbstinitiative verlangt, um sich in das
Thema einzuarbeiten und auf dem Laufenden zu bleiben.
Nicht zu vernachlässigen sind ethische Richtlinien, die
den Handlungsrahmen abstecken, in welcher Art und Weise
Daten gesammelt und analysiert werden sollten.
Mehr dazu ab Seite 16.
III. In welchen Bereichen kommen Big-Data-
Anwendungen bereits zum Einsatz?
Big-Anwendungen werden zur Optimierung der Marktkom-
munikation in einigen führenden Unternehmen bereits recht
intensiv genutzt: Das Content-Marketing an der Schnitt-
stelle von Unternehmenskommunikation und Marketing ist
ein Bereich, der besonders stark von Big Data protieren
kann. Unsere Case Study zeigt, wie dies bei Bosch – einem
der führenden Unternehmen in diesem Bereich – gelingt.
Auch das Online-Marketing protiert von Big-Data-Auswer-
tungen, wie das Interview mit Kerstin Pape, Leiterin des
Online-Marketings bei dem Online-Händler OTTO verdeut-
licht. Die Optimierung der Kundenkommunikation oder
Real-Time-Advertising sind weitere von den befragten
Experten genannte Anwendungsbereiche.
Im Bereich Public Relations können mittels eines daten-
basierten Issues Managements bzw. Listenings Themen,
Trends oder auch potenzielle Krisen frühzeitig im Netz
erkannt werden. Ebenso lassen sich mittels Big Data rele-
vante Multiplikatoren in verschiedenen Regionen identi-
zieren, die Reputation oder den Share of Voice eines Unter-
nehmens messen oder sie unterstützen die Markenführung.
Bereits weit verbreitet sind automatisierte Presse-Clip-
pings.
Auch für die Mitarbeiterkommunikation sagen die Experten
ein großes Potenzial voraus, auch wenn dieses bislang noch
nicht ausgeschöpft wird.
Mehr dazu ab Seite 29.
7
COMMUNICATION INSIGHTS – ISSUE 4
WIE AUS BIG DATA WISSEN ENTSTEHT
IN SIEBEN SCHRITTEN DATEN FÜR DIE UNTERNEHMENSKOMMUNIKATION ANALYSIEREN
Die Nutzung von Big Data wird die strategische Kommunikation verändern, denn sie führt zu einer neuen Art, Kommunikationsprozesse zu planen
und zu steuern. Zunächst müssen jedoch aus der riesigen Datenmenge nicht nur Informationen, sondern sinnvolle Erkenntnisse und Wissen
gewonnen werden – eine anspruchsvolle und komplexe Aufgabe. Hierfür wurde ein idealtypischer Prozess entwickelt, der sieben Schritte umfasst.
Ein Modell für Big-Data-Anwendungen in der
Unternehmenskommunikation
Zu Beginn des Forschungsprojekts wurde von Ulrike Röttger und
Christian Wiencierz – aufbauend auf den Erkenntnissen der Litera-
turrecherche – zunächst ein erstes Big-Data-Modell vorgeschlagen,
dass vier Phasen umfasste: Bedarfsanalyse, Datengenerierung,
Datenanalyse und Evaluation. (Wiencierz et al., 2016) Dieses
Modell diente als Ausgangspunkt für unsere Experteninterviews.
Während der Gespräche wurde jedoch deutlich, dass die bisher
beschriebenen vier Schritte die Komplexität der Datenanwendung
nicht ausreichend abbilden, sondern der Prozess kleinteiliger ist.
Von den Experten wurden Aufgaben wie Datensammlung, Datenin-
tegration, Datenvorbereitung, Analyse, Evaluierung und Visualisie-
rung genannt. Diese Schritte stimmen weitestgehend mit dem aus
der Wirtschaftsinformatik stammenden Prozess Knowledge Disco-
very in Databases (KDD) überein, der 1996 von den Wissenschaft-
lern Usama Fayyad, Gregory Piatetsky-Shapiro und Padhraic Smyth
entwickelt wurde.
Das Modell Knowledge Discovery in Databases wurde seit seiner
Veröffentlichung von vielen Autoren weiterentwickelt. In seiner
ursprünglichen Form ist es aber noch immer das am häugsten
verwendete Modell für die Auswertung von Big Data (Hendler,
2014) und eignet sich auch für die strategische Kommunika-
tionsplanung.
Da die Experten die Big-Data-Nutzung meist anhand von
Beispielen beschrieben, die sich den vier typischen Phasen
der strategischen Kommunikationsplanung (Situationsanalyse,
Strategieformulierung, Durchführung und Evaluation) zuordnen
lassen, wurden diese mit dem Knowledge-Discovery-in-Databa-
ses-Prozess verknüpft (siehe Abbildung unten). Beide Prozesse
sind nicht neu, doch die Verknüpfung der beiden Ansätze ergibt
eine neue Heuristik. Das Modell verdeutlicht die Komplexität von
Datenanwendungen in der Unternehmenskommunikation und
bietet Orientierung für die Kommunikationsplanung.
Big-Data-Anwendungen im strategischen Kommunikationsplanungsprozess
www.akademische-gesellschaft.com
Situations-
analyse
STRATEGISCHER
KOMMUNIKATIONS-
PLANUNGSPROZESS
Ergebnis-
bericht
Zieldenition
Zieldenition
Zieldenition
Zieldenition
Strategie
Umsetzung
Evaluation
Big-Data-Anwendungen im strategischen Kommunikationsplanungsprozess
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8COMMUNICATION INSIGHTS – ISSUE 4
Big-Data-Anwendungsprozess mit sieben Schritten
Um aus Daten Erkenntnisse und Wissen zu gewinnen, sollten
idealerweise sieben Schritte durchlaufen werden:
1. Ziele denieren
Damit Big-Data-Anwendungen die einzelnen Phasen der strate-
gischen Kommunikationsplanung (von der Situationsanalyse bis
zur Evaluation) maßgeblich
unterstützen, müssen klare
Ziele und Fragestellungen für
die Datenauswertung formu-
liert werden. Dabei können für
jede Phase des strategischen
Kommunikationsplanungspro-
zesses eigene Ziele deniert
und entsprechende Datenanalysen durchgeführt werden, wie im
nächsten Kapitel ab Seite 11 noch näher vorgestellt wird.
2. Daten generieren und selektieren
Nachdem die Ziele deniert wurden, muss ein Datenpool aufgebaut
werden. Die befragten Experten prüfen je nach Anwendungsfall
welche Daten bereits zur Verfügung stehen und welche weiteren
Datenquellen genutzt werden können. Dann wird entsprechend der
3 V’s – Variety, Volume und Velocity (siehe Glossar zu Big Data,
S. 38) speziziert: Welche Daten müssen in welchem Umfang und
in welcher Geschwindigkeit bzw. über welchen Zeitraum vorliegen,
um die formulierten Ziele zu erreichen? Die Generierung der Daten
ist nicht banal, denn es gibt unterschiedliche Datenformate, für
die wiederum unterschiedliche Generierungs- und Speicherme-
thoden benötigt werden. Mehr dazu ab Seite 16.
3. Daten bereinigen & aufbereiten
Nach der Datensammlung müssen diese bereinigt und
für die weitere Bearbeitung vorbereitet werden. Das
heißt, der Datensatz muss von Spam und anderen
irrelevanten Daten gesäubert werden, beispiels-
weise von Bot-generierten Inhalten. Zumeist erfolgt
dies durch einen entsprechenden Algorithmus. Im
Anschluss werden die Texte häug noch einmal stich-
probenartig gelesen, händisch geprüft, eingruppiert
und gegebenenfalls korrigiert.
Diese Phase wird von den meisten Experten als
aufwändiger, aber entscheidender Schritt beschrieben.
Nur wenn die gesammelten Daten bezogen auf die Fragestellungen
richtig erhoben wurden und verlässlich sind (Kriterium der Vera-
city, siehe Glossar S. 38), können damit wertschöpfende Analysen
durchgeführt werden.
4. Daten transformieren
Der Schritt der Datentransformation beschreibt die Umwand-
lung der Rohdaten in andere Datenformate. Die Daten müssen
so transformiert werden, dass sie von den jeweiligen Analyse-
tools bearbeitet werden können, beispielsweise wenn Text- oder
Bilddateien in großer Menge aber in unterschiedlichen Datenfor-
maten vorliegen. Ein Hauptziel dieser Phase liegt darüber hinaus
in der Datenreduktion, indem so viele Variablen wie möglich zu
einzelnen Merkmalen zusammengefasst werden.
Wie die Transformation im Detail durchgeführt
werden muss, ist abhängig von der eigentlichen
Fragenstellung aus Schritt 1. (Fayyad et al., 1996)
5. Daten analysieren (Data Mining)
In diesem Schritt wird mittels statistischer
Methoden aus den bereinigten Daten computergestütztes Wissen
gewonnen (Data Mining). Die Analysephase beginnt damit,
Ziele für das Data Mining festzulegen: Was genau soll analysiert
werden? Welches Verfahren eignet sich hierfür? Dementsprechend
wird der passende Algorithmus ausgewählt, der nach Mustern,
Korrelationen oder Trends sucht.
Dann schließt sich zumeist eine deskriptive Analyse an. Hierbei
werden Häugkeiten, wie die Zahl der Follower, Likes oder Page
Views ausgewertet.
Im nächsten Schritt gehen die Analysen mehr in die Tiefe und
es werden Gründe, Zusammenhänge und Muster in einer diag-
nostischen Analyse geprüft. So kann beispielsweise die Viralität
von Themen bzw. die Karriere von Meldungen zusammen mit den
Gründen für die Entwicklung dargestellt werden.
Auch prädiktive Analysen, d. h. eine Vorhersage zu den
Wahrscheinlichkeiten von zukünftigen Ereignissen, können Teil
des Data Minings sein.
Hierbei gilt der Grund-
satz: Je mehr Daten und
Muster aus den Analysen
der Vergangenheit
vorliegen und auf zukünf-
tige Entwicklungen über-
tragen werden können,
desto verlässlicher sind
die Prognosen. Hieraus
lassen sich Themenkarri-
eren skizzieren und auf deren Basis eine Kommunikationsstra-
tegie formulieren. Wie zuverlässig prädiktive Analysen sind, ist
unter Experten jedoch umstritten. (Mehr dazu auf S. 13)
6. Ergebnisse interpretieren und evaluieren
»I think everything comes back
to the question ‘Why‘. That is
not asked enough by people.«
Richard Bagnall, PRIME Research UK
»Der größte Zeitfresser ist die
Bereinigung der Daten. Es kostet
viel Zeit, das nachzubearbeiten –
und wenn man keine gute Frage
hat, ist eigentlich alles unnütz.«
Jun.-Prof. Dr. Matthias Hagen,
Bauhaus- Universität Weimar
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COMMUNICATION INSIGHTS – ISSUE 4
In einem nächsten Schritt müssen die analysierten Muster, Zusam-
menhänge oder Prognosen interpretiert (präskriptive Analysen)
und daraus Handlungsempfehlungen abgeleitet werden. Bevor
diese in einem Report den Entscheidern vorgelegt werden,
sollte der gesamte Datenanwendungsprozess jedoch noch einer
Evaluation unterzogen werden. Hier wird geprüft, ob die rich-
tigen Analysen mit den passenden Daten verlässlich durchge-
führt wurden. Als Referenzpunkt werden die Ziele aus dem ersten
Schritt herangezogen.
7. Ergebnisse aufbereiten und berichten
Der letzte Schritt ist die Aufbereitung und Vermittlung der Kernergeb-
nisse in einer aggregierten und visualisierten Form für Entscheider,
z. B. in Form von Netzwerkgraphen, Diagrammen oder mit Hilfe von
Realtime-Dashboards. Grundsätzlich sollten Datenanalysten und
Kommunikatoren absprechen, in welcher Form und wann bzw. wie
oft Reports erstellt werden sollen. Entscheidend ist, dass die für das
Kommunikationsziel passenden Kernergebnisse mit den richtigen
KPIs verständlich aufbereitet werden. Es sind auch automatisierte
Verfahren möglich, z. B. Alarmmeldungen, wenn das Unternehmen
vermehrt kritisch genannt wird.
Feedbackloops verbessern den Analyseprozess
Die Experten beschreiben die Nutzung von Big Data in der Unter-
nehmenskommunikation nicht als linearen, sondern als iterativen
Prozess. Das bedeutet, bestimmte Schritte müssen ggf. solange
wiederholt werden, bis das Ergebnis dem geforderten Anspruch
für die Zielerreichung entspricht. So werden beispielsweise bei der
Analyse von sozialen Medien solange Suchwörter bestimmt und
ausprobiert, bis die benötigte Online-Kommunikation mit diesen
Wörtern erfasst wird. Im Verlauf des Big-Data-Anwendungsprozesses
können sich zudem immer wieder Änderungen ergeben, die frühere
Schritte betreffen. In dem Fall muss zu den vorherigen Schritten
zurückgegangen werden (im Modell durch die inneren Pfeile darge-
stellt). Zum Beispiel können während der Analysen neue relevante
Variablen oder Suchwörter identiziert werden, sodass unter verän-
derten Bedingungen die früheren Schritte wiederholt und angepasst
werden müssen.
Genügend Raum zum Experimentieren
Ein besonderer Reiz von Big-Data-Anwendungen ist das Experi-
mentieren mit Daten, das Entdecken von bislang Unbekanntem.
Daher mag es widersprüchlich erscheinen, dass am Anfang des
Prozesses klare Fragen formuliert werden sollten. Zielgerichtetes
Analysieren soll jedoch nicht heißen, dass der Freiraum für die
Entdeckung unbekannter Muster verloren geht.
Um mit einem Datensatz zu experimentieren, sollten so viele
Daten wie möglich vorhanden sein. Auf diese Weise lassen sich
Zusammenhänge und Muster erkennen, die durch eine gezielte
Anwendung möglicherweise nicht offensichtlich wurden. Gleich-
zeitig braucht es grobe Zielsetzungen, um ‚Datenfriedhöfe‘ zu
vermeiden oder sich im Klein-Klein des Datendschungels zu
verlieren. Als ideale Lösung wird deswegen von vielen Experten
ein Hybridansatz beschrieben, in dem Big Data zielgerichtet
eingesetzt und gleichzeitig Ressourcen für eine experimentelle
Datenanwendung gewährt werden.
»Wenn man seine Big-Data-Analysen
nicht evaluiert, hätte man sie vorher nicht
machen müssen.«
Patrick Ebert, Think Big Analytics
»Try, measure, learn, improve.«
Arik Reiter, HBC Europe/Galeria Kaufhof
• Um Big-Data-Analysen in der strategischen Kommunika-
tion anzuwenden, sollten folgende sieben Schritte durch-
laufen werden: 1. Zieldenition, 2. Datengenerierung,
3. Datenbereinigung, 4. Datentransformation, 5. Datenana-
lyse, 6. Evaluation und 7. Ergebnisaufbereitung.
• Dieser Prozess ist mit viel Ausprobieren und Feedback-
schleifen verbunden, bis das richtige Datenset vorliegt
und daraus verlässliche Erkenntnisse gewonnen werden
können.
• Auch wenn die Datenanalysen in erste Linie einer
bestimmten Zielsetzung folgen, sollte noch genügend
Raum für neue, explorative Analysen bleiben. (Hybridan-
satz)
Auf einem Blick
10 COMMUNICATION INSIGHTS – ISSUE 4
BIG-DATA-ANALYSEN FÜR DIE STRATEGISCHE
KOMMUNIKATION
ANALYSEN MIT MEHR BREITE UND TIEFE UNTERSTÜTZEN DEN
KOMMUNIKATIONSPLANUNGSPROZESS
Big Data verändern die strategische Kommunikation, indem sie den Planungsprozess von der Situationsanalyse bis zur Evaluation mit
Daten und Erkenntnisse unterfüttern und somit deren Efzienz und Effektivität steigern können. Im Beitrag „Wie aus Big Data Wissen
entsteht“ (S. 8) wurden zunächst die sieben Schritte der Datenverarbeitung vorgestellt. In diesem Kapitel zeigen wir auf, wie die Erkennt-
nisse aus den Big-Data-Analysen für die vier Phasen der strategischen Kommunikationsplanung genutzt werden können.
Potenziale von Big-Data-Analysen in der Kommu-
nikationsplanung
Kommunikatoren können durch Big-Data-Anwendungen eine brei-
tere Entscheidungsgrundlage für alle Phasen der Kommunikations-
planung und -durchführung erhalten. Wesentliche Potenziale sind:
Unternehmen können unterschiedliche Informationen und
Meinungen der verschiedenen Stakeholder aus den verschie-
denen Regionen der Welt deutlich schneller und efzienter
einfangen und verarbeiten.
Die Kommunikationsmanager können auf globaler Ebene
umfassendere Analysen oder auf regionaler/lokaler Ebene
punktuell tiefergehende Auswertungen vornehmen.
Einige Unternehmen haben hierfür bereits elaborierte
Listening-Systeme installiert. Durch die Analyse von Big
Social Data erfassen sie u.a. Wahrnehmungsveränderungen
bezüglich ihrer Unternehmen, ihrer Marken und Produkte in
verschiedenen Ländern mehr oder weniger in Echtzeit.
Big-Data-Analysen können einen umfassenden Einblick in die
Bedürfnisse, Meinungen, Einstellungen und das Nutzerver-
halten von Zielgruppen vermitteln und so eine individuellere
Kommunikation als in der Vergangenheit ermöglichen.
Unternehmen können noch schneller und effektiver untersu-
chen, wie ihre Themen bei den Stakeholdern ankommen und
ob diese weiterverbreitet werden.
Dass die hier beschriebenen Potenziale nicht immer reibungslos
umgesetzt werden können, zeigt die Infobox über die Herausfor-
derungen, Big-Data-Analysen in der Unternehmenskommunikation
umzusetzen (S. 15).
Darüber hinaus werden die vier Phasen der strategischen Kommu-
nikationsplanung heutzutage auch kritisiert, da die zunehmende
Geschwindigkeit der Kommunikation eine agilere Planung erfor-
dert. Doch um die Potenziale von Big-Data-Anwendungen für die
Unternehmenskommunikation zu veranschaulichen, werden sie hier
dennoch herangezogen.
11
COMMUNICATION INSIGHTS – ISSUE 4
I. Big-Data-Anwendungen für die Situationsanalyse
Zunächst betonen alle befragten Experten, wie wichtig es ist,
dass sich Big-Data-Anwendungen an den Unternehmenszielen
orientieren. Vor der Anwendung muss klar sein, auf welche Unter-
nehmensziele diese einzahlen. Laut der Experten sind folgende
Analyseverfahren verbreitet, um eine breitere Wissensbasis für
die Situationsanalyse zu erhalten:
Markt- und Wettbewerbsanalysen liefern u. a. Erkenntnisse
darüber, wie die eigene Marke bzw. das eigene Unternehmen
im Vergleich zur Konkurrenz wahrgenommen wird und wer die
Hauptakteure sind. Besonders häug wird hierfür der Share of
Voice analysiert, um einen regionalspezischen Wettbewerbs-
überblick zu erhalten.
Reputationsanalysen und marketingspezische Konkurrenz-
analysen geben einen Einblick in die Stärken und Schwächen der
Mitbewerber. Auf diese Weise gewinnen Kommunikatoren einen
besseren Überblick über den Status quo des Marktes und des
eigenen Unternehmens.
Explorative Analysen helfen dabei, neue Themen, Trends oder
Erkenntnisse zu entdecken. Die beiden Wirtschaftswissenschaftler
Health Manufacturing, Oil,
Education, Agriculture (17%)
Security
(17%)
Innovation in Smart
Homes and Industrial
Internet Consortium
(15%)
*Stichprobe besteht aus 1.158 englischen Online-Beiträgen von journalistischen und sozialen Medien;
Erhebungszeitraum: 26.04. – 12.07.2015
Privacy, Big Data
(15%)
Wearables – Apple Watch
& Google Wristband (13%)
Smart Cities /
Connected Cars (12%)
Start-ups / Funding
(11%)
Das vereinfachte Netzwerkdiagramm zeigt auf Basis der Auswertung von Online-Kommentaren und Online-Nachrichten auf, dass das Thema
„Internet of Things“ u. a. zu 17 Prozent im Zusammenhang mit Sicherheitsaspekten diskutiert wurde. Da dieses Cluster in der Mitte des
Netzwerkdiagramms liegt, wird deutlich, dass Sicherheitsaspekte in den Diskussionen rund um die zunehmende Vernetzung zwischen Daten,
Dingen und potentiell jedem Gegenstand zentral sind. Darüber hinaus können Kommunikatoren anhand des Abstands zwischen den Clustern
erkennen, dass Sicherheitsaspekte oft in Zusammenhang mit Smart Homes diskutiert wurden. (Weiner & Kochhar, 2016)
Themenanalyse zum Begriff Internet of Things basierend auf der Kommunikation in sozialen Netzwerken
12 COMMUNICATION INSIGHTS – ISSUE 4
Prof. Dr. Bernd Skiera und Daniel M. Ringel (Goethe-Universität
Frankfurt) haben beispielsweise einen Ansatz entwickelt, um auf
Basis von Suchanfragen, sogenannter „Big Search Data“, den
Wettbewerb zwischen Produkten zu untersuchen.
Ebenso ist eine Kombination verschiedener Analysen möglich.
Beispielsweise können Social-Media-Analysen mit Markt- und
Wettbewerbsdaten verknüpft werden.
II. Big-Data-Anwendungen für die Strategiephase
Aufbauend auf den Erkenntnissen der Situationsanalyse beginnt
auch die Strategiephase mit der Formulierung von Kommunika-
tionszielen: Welche strategischen Ziele sollen erreicht werden?
Soll die Bekanntheit gesteigert werden? Möchte man sich von der
Konkurrenz abgrenzen? Oder neue Zielgruppen erschließen und
Beziehungen pegen? Die folgenden Analysemethoden können
bei der Formulierung der Strategie und Taktik unterstützen:
Stakeholderanalysen: Was sind die wichtigsten Ziel- und
Bezugsgruppen, die angesprochen werden sollen?
Anhand von nutzergenerierten Inhalten in den sozialen Netz-
werken, beispielsweise Tweets, können einussreiche Blogger
und Inuencer herausgeltert werden. Dies erfolgt zumeist durch
eine Netzwerkanalyse. Der Kommunikationsmanager kann daraus
erkennen, welche Inuencer in welchen Regionen welche Themen
und Meinungen vertreten, wie groß deren Reichweite ist und über
welchen Einuss sie verfügen.
Themenanalysen: Wie können Themen identiziert, differen-
ziert und besetzt werden?
Bei detaillierten Themenanalysen werden Themengebiete auf
unterschiedliche Facetten und Meinungen hin untersucht. Das
Beispiel auf S. 12 zeigt anhand des Themas Internet of Things,
welche Aspekte dabei online besprochen werden.
Analysen dieser Art ermöglichen es Unternehmen, Themen
zu differenzieren und Schwerpunkte zu identizieren. Darauf
aufbauend können sie eine entsprechende Strategie entwickeln,
ein geeignetes Thema besetzen bzw. sich thematisch positio-
nieren. Relevant ist für Unternehmen auch, in welchem Zusam-
menhang sie oder ihre Produkte besprochen werden.
Analyse der Instrumente und Kanäle: Was sind geeignete
Kommunikationsinstrumente, -kanäle und -formen?
Die Analyse von Online-Touchpoints berücksichtigt sowohl
Kommunikationskanäle als auch Zielgruppen und ermöglicht eine
genaue Ausspielung von Unternehmensbotschaften. Genutzt wird
dies bereits im Marketing. Hierfür werden zunächst relevante
Webseiten, Blogs, Foren oder Social Media Accounts identiziert,
MIT BIG DATA DIE ZUKUNFT
VORHERSAGEN – GEHT DAS?
Bei prädiktiven Analysen geht es darum, auf Basis von
Daten aus der Vergangenheit und der Gegenwart Prognosen
zu erstellen, wie sich etwas entwickeln wird. Prädiktive
Analysen werden mittlerweile in vielen Bereichen eingesetzt
– beispielsweise im Online-Handel, um das Kundenverhalten
zu prognostizieren, oder im Marketing, um den Verkauf von
Produkten vorherzusagen.
Unter den interviewten Experten sind prädiktive Analysen
jedoch sehr umstritten. Befürworter betonen die Chance,
komplexe wirtschaftliche Zusammenhänge vorherzusagen
und sich dadurch einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.
Skeptiker bezweifeln die Validität der Analysen, gerade für
die Kommunikation.
Potenziale von prädiktiven Analysen für die Kommunikation
• Im Bereich der Kundenansprache können durch eine
Analyse der bisherigen Kundenkommunikation via
E-Mail, Chats, Telefon etc. Prognosen erstellt werden,
wann und wie mit Kunden kommuniziert werden
sollte, um die Wahrscheinlichkeit einer Response zu
erhöhen.
• Im Bereich des Content-Marketings kann der Erfolg
von Themen prognostiziert werden. Parameter für
die Berechnung sind u. a. welche Inhalte in sozialen
Netzwerken diskutiert werden und die verwendeten
Formulierungen.
• Zudem lassen sich Themenkarrieren prognosti-
zieren: Dazu werden Wahrscheinlichkeiten errechnet,
wie lange sich die Netzöffentlichkeit voraussichtlich
mit einem Thema beschäftigen wird. Daraus können
Handlungsempfehlungen abgeleitet werden, wann
eine neue Botschaft wie verbreitet werden sollte.
Mehrere Experten bezweifeln, dass prädiktive Analysen in
der Unternehmenskommunikation angesichts der Vielzahl
an intervenierenden Variablen sinnvoll durchgeführt werden
können und verlässliche Ergebnisse hervorbringen. Gerade
die unerwarteten Trends seien häug die interessantesten.
Doch diese können mit einer Analyse von wiederkehrenden
Mustern, worauf prädiktive Analysen im Kern beruhen, nicht
erfasst werden.
13
COMMUNICATION INSIGHTS – ISSUE 4
die sich für eine Kooperation, für Bannerwerbung oder Inter-
essens-Targeting auf Social-Media-Kanälen eignen und von den
avisierten Zielgruppen genutzt werden. Das heißt konkret wie,
wann und vor allem wo – an welchen Online-Touchpoints – sucht
die Zielgruppe Informationen über eine Produktgruppe oder ein
Thema und in welcher Tonalität äußert sie ihre Meinung?
In Bezug auf die Zielgruppe können insbesondere Aspekte wie
Region und Demograe, aber auch Interessen und Beruf analysiert
werden, um das Nutzerverhalten von alters- und geschlechtsseg-
mentierten Zielgruppen bezogen auf ein Produkt oder ein Thema
verstehen zu können. Darüber hinaus kann untersucht werden,
warum welche Zielgruppe auf bestimmten Kanälen über ein
Produkt oder ein Thema kommuniziert.
III. Big-Data-Anwendungen in der Durchführungs-
phase
In dieser Phase können die bereits begonnenen Analysen fortgeführt
werden, um die Durchführung der Kommunikationsmaßnahmen zu
überwachen. Aufbauend auf den Ergebnissen der Touchpoint-Ana-
lysen kann beispielsweise spezische Banner- oder Social-Me-
dia-Werbung erstellt und verbreitet werden. Oder es können automa-
tisierte Big-Data-Anwendungen zum Einsatz kommen, beispielsweise
in Form von Bots bei Kundenanfragen. Folgende Big-Data-Anwen-
dungen werden insbesondere im Marketing genutzt:
Real-Time-Advertising
Programmatic Advertising bzw. Real-Time Advertising ist eine rein
datenbasierte Ausspielung von Werbeinhalten, die auf prädiktiven
Analysen beruht. Innerhalb kürzester Zeit werden beim Aufruf von
Webseiten die verfügbaren Werbeplätze an die Höchstbietenden
versteigert. Während in der Strategiephase die Bieterstrategie festge-
legt wird, erfolgt die tatsächliche Selektion der Adressaten und ihre
Ansprache in dieser Phase – und zwar vollautomatisch.
Individualisierte Ausspielung von (Werbe-) Inhalten
Ein weiteres Beispiel für Automatisierung ist eine individuelle Anpas-
sung von (Werbe-) Inhalten. Potenziell können Motive, Farben oder
Texte so erstellt werden, dass sie modular zu einer einheitlichen
Botschaft zusammengesetzt werden. Die Erstellung erfolgt auf Basis
von Big-Data-Auswertungen. Zum Beispiel können verschiedene Testi-
monials genutzt und je nach der wahrscheinlich besten Wirkung auf
den Rezipienten ausgespielt werden.
Tchibo hat beispielsweise individuelle, zielgenaue Videos für eine
Kaffeesorte erstellt und an sieben verschiedene Zielgruppensegmente
zielgenau auf Facebook ausgespielt – angepasst an die unterschied-
lichen Lebenswelten der Rezipienten und ihr Konsumverhalten. Nach
eigenen Angaben erzielte Tchibo damit eine sehr gute Awareness und
höherer Verkaufszahlen. (Facebook, 2016; Gondorf, 2016)
» Visits
» View Rates
» Verweildauer
» Downloads
» Viralität
» Click-Through-Rates etc.
» Likes
» Kommentare
» Akzeptanzquotient
» Shares
» Retweets oder andere Zahlen
der Weiterempfehlungen
» Zuwachs bei den Followern
» Zahl der geäußerten Kauf-
intentionen etc.
» Conversion Rates
» Cost per Click
» Umsatz
» Projektabschlüsse
» Kostenreduktion
» Immaterielle Werte in Form
von Image- bzw. Reputa-
tionsindizes etc.
OUTPUT OUTCOME OUTFLOW
Beispi
ele für von den Experten genannte Kennzahlen, die für die Erfolgskontrolle aus Big Data gewonnen werden können.
Beispielhafte KPIs für die Erfolgskontrolle
14 COMMUNICATION INSIGHTS – ISSUE 4
IV. Evaluation
Big-Data-Anwendungen haben auch das Potenzial, die Erfolgs-
messung deutlich zu optimieren und in Echtzeit durchzuführen.
Folgende Anwendungen sind u.a. möglich:
Werbewirkung testen: Es können verschiedene Werbe-
formen in unterschiedlichen Versionen verbreitet werden,
um herauszunden, welche Version besser funktioniert.
Zielgruppen überprüfen: Im Bereich Inuencer-Marketing
kann analysiert werden, welche Inuencer, mit denen das
Unternehmen zusammenarbeitet, in welchen Märkten am
erfolgreichsten sind. Hierfür können die Reichweite bzw. die
Viralität der Posts sowie die Reaktionen der Nutzer als Kenn-
zahlen herangezogen werden. Diese Analysen geben auch
Aufschluss, welche Posts zu welchen Zeiten am besten funktio-
nieren und welcher Sprachstil am besten ankommt.
Share of Voice überwachen: Ebenso kann eine kontinuier-
liche Analyse des Share of Voice Aufschluss geben, ob und
wie sich die öffentliche Aufmerksamkeit zu der Marke, zu
den Produkten oder zum Unternehmen im Vergleich zu den
Mitbewerbern verändert. Sie ermöglicht es auch, direkt auf
die Konkurrenz zu reagieren.
• In den vier Phasen des strategischen Kommunika-
tionsplanungsprozesses – Situationsanalyse, Strategie,
Implementierung und Evaluation – können unter-
schiedliche Big-Data-Analysen durchgeführt werden
und die Kommunikation optimieren.
• Bereits etablierte Analysen wie Share of Voice, Touch-
points oder Stakeholderanalysen können durch Big-Da-
ta-Anwendungen mit einer deutlich größeren Daten-
basis und einer höheren Geschwindigkeit, z. T. nahezu
in Echtzeit durchgeführt werden.
• Viele dieser Anwendungen kommen bislang vor allem
im Marketing zum Einsatz, können aber auch auf die
Unternehmenskommunikation übertragen werden.
• Voraussetzung für eine erfolgreiche Anwendung von
Big Data sind klar formulierte Ziele, die messbar und
realistisch sind. Nur so können Big Data gezielt einge-
setzt und der Erfolg der Maßnahmen bewertet werden.
Lesetipp: BVDW – Bundesverband Digitale Wirt-
schaft e.V. (2017): Social Media Monitoring in der
Praxis. Grundlagen, Praxis-Cases, Anbieterauswahl
und Trends. (www.bvdw.org)
Auf einem Blick
WARUM ES MANCHMAL
NICHT KLAPPT?
HERAUSFORDERUNGEN BEI DER UMSETZUNG
VON BIG-DATA-ANALYSEN
Big Data haben ein großes Potenzial, die strategische Unter-
nehmenskommunikation zu optimieren. Gleichzeitig sind
mit der Nutzung aber viele Herausforderungen verbunden.
Diese drei Schwierigkeiten wurden am häugsten von den
befragten Experten genannt:
1
Dezite bei der Zielformulierung und Evaluation:
Viele Unternehmen formulieren Ziele nur vage und
messen keinen sauberen Ist-Zustand.
2 Keine Unterhaltung gelingt ohne Zuhören:
Um einen tatsächlichen Dialog auf Augenhöhe mit
den Kunden zu führen, müssen Kommunikatoren
genau zuhören, was diese beschäftigt und wie man
sie erreichen kann.
3 Grenzen der Technik:
Wer versucht, komplexe Kommunikationsprozesse stark
zu vereinfachen, wird immer auf natürliche Grenzen
stoßen – beispielsweise bei der Sentimentanalyse.
Sprachliche Aussagen lassen sich oft nicht in simple
Muster einordnen. Und es bedarf immer einer mensch-
lichen Kontrolle.
»The big mistake is to start working and
looking at this big data and say, ‘How do I
measure success?’ without having defined
success in the first place.«
Nicolas Chabot, Traackr Inc.
»They try to use social media as a broadcast
tool for pumping out their own messages,
but they‘re not actually engaging in proper
conversation.«
Richard Bagnall, PRIME Research UK
»Der Gedanke, dass ein Algorithmus perfekt
sein sollte, ist ein Trugschluss. Entscheidend
ist, dass die neuen Tools besser sind als das,
was ich davor hatte.«
Andreas Kulpa, DATAlovers
15
COMMUNICATION INSIGHTS – ISSUE 4
DIE PASSENDE DATENINFRASTRUKTUR
TECHNISCHE VORAUSSETZUNGEN FÜR DIE NUTZUNG VON BIG DATA
Eine wesentliche Voraussetzung, die für die Anwendung von Big Data erfüllt sein muss, ist eine geeignete Dateninfrastruktur. Um die
riesige Datenmenge zu bewältigen, bedarf es spezischer technischer Voraussetzungen. Dazu zählt neben der geeigneten Hardware
auch die passende Big-Data-Software. Die IT-Lösungen entwickeln die befragten Unternehmen zumeist nicht selbst, sondern kooperieren
hierbei mit Dienstleistern.
Uneinheitliche Datenstrukturen und fehlende
Expertise
Um Big Data verarbeiten zu können, sind spezielle Soft- und Hard-
ware nötig. Zumeist müssen hierfür die technischen Strukturen
der Bereiche Business Intelligence und Business Analytics (siehe
Glossar, S. 38) erweitert werden, so dass eine computergestützte
und automatisierte Datengenerierung und -analyse nahezu in Echt-
zeit möglich wird. Das Problem ist jedoch, dass den meisten Unter-
nehmen eine solche Infrastruktur noch fehlt.
Zudem behindern häug inefziente Dateninfrastrukturen die
strategische Nutzung von Big Data. Viele Unternehmen operieren
mit vielen unterschiedliche Datenquellen und Speicherorten, wie
Curt Harlinghausen von Akom360 bestätigt: „Oft stammt ein Teil
der Daten aus SAP, ein anderer Teil aus SharePoint-Strukturen.
Zudem haben sie unterschiedliche CRM-Systeme. Unternehmen
fehlt oft der Überblick über die Informationen, die sie haben, und
wie sie diese zusammengebringen können. Zudem mangelt es an
Benchmarks, um die Datenqualität bewerten und die Daten kate-
gorisieren zu können.“
Eine weitere zentrale Herausforderung ist fehlende Expertise.
Insbesondere in internationalen Unternehmen werden Daten-Ex-
perten nicht nur in der Zentrale sondern auch vor Ort benötigt: „Es
hilft nichts, wenn wir in Deutschland versuchen, lokale chinesische
Aktivitäten über Baidu oder WeChat auszuwerten. Wir schauen,
dass unsere Infrastruktur es ermöglicht mit chinesischen Tools zu
arbeiten. Die lokalen Schlüsse aus den Analysen zu ziehen ist eine
Aufgabe der Kollegen vor Ort“, so Jochen Specht von Siemens.
Data Laboratory mit Data Lake
Ein Big-Data-Laboratory wird von mehreren Experten als Königsweg
beschrieben. Das Konzept beruht auf einer Mischung der Elemente
Technologie, Organisation und Personen. Es ist ein Forschungs-
labor, in dem innovative Big-Data-Anwendungen für bestimmte
Anwendungsfälle oder auch explorativ entwickelt werden. Die
entwickelten, ausgereiften Anwendungen können dann den Abtei-
lungen wie der Kommunikation für die tägliche Arbeit zur Verfü-
gung gestellt werden. Zentraler Bestandteil eines Data Labora-
tories ist ein Data Lake, in dem verschiedenen Daten in-house
gesammelt, verwaltet und analysiert werden.
16 COMMUNICATION INSIGHTS – ISSUE 4
Im Vergleich dazu beinhaltet ein Data Warehouse (siehe Glossar,
S. 38) bisher eher interne Daten für analytische Zwecke. In einem
Data Laboratory kommen nun neue Informationen wie Sens-
ordaten oder Daten aus Apps und sozialen Medien hinzu. Viele
Unternehmen haben es bislang jedoch noch nicht geschafft, diese
(un)strukturierten Daten so zu integrieren, dass die verschiedenen
Abteilungen wie die Unternehmenskommunikation, der Kunden-
service, die Geschäftsführung etc. gleichermaßen darauf zugreifen
können. Wichtig ist, dass zwischen den einzelnen Abteilungen
keine Datensilos entstehen. Die Unternehmenskommunikation
sollte, wie alle anderen Abteilungen
auch, Zugriff auf die Daten oder
zumindest die Analysen der Bereiche
Business Intelligence bzw. der
Business Analytics haben. Zudem
müssen immer die entsprechenden
Datenschutzgesetze berücksichtigt
werden. (Siehe S. 18)
Bertelsmann hat diese Leitidee
bereits umgesetzt und Datenpools
eingerichtet, die unterschied-
liche Daten abbilden. Auf diese
Pools können die Mitarbeiter der
verschiedenen Bereiche zugreifen.
Ein solcher Zugang ermöglicht es
auch Daten aus verschiedensten Töpfen miteinander zu kombi-
nieren: „Man bewertet nicht nur separat die Social-Media-Statis-
tiken, sondern betrachtet gleichzeitig Google-Analytics-Zahlen,
Abverkaufszahlen etc. und analysiert, wie sich alles aufeinander
auswirkt“, erklärt Susanne Ullrich von Brandwatch, die Command
Centers speziell für Kunden wie Bertelsmann entwickeln.
Bei der Diskussion um Big Data darf jedoch nicht der Eindruck
entstehen, dass traditionelle Daten, sogenannte Small Data, in der
Unternehmenskommunikation keine Rolle mehr spielen – ganz im
Gegenteil, wie Prof. Dr. Christof Ehrhart von Deutsche Post DHL Group
im Interview betont. (Siehe S. 19) Letztendlich muss die Dateninfra-
struktur sowohl für Big als auch für Small Data funktionieren.
Unterstützung durch Dienstleister
Neben der Partizipation am Business-Intelligence- bzw. Busi-
ness-Analytics-Prozess kann es für die Unternehmenskommuni-
kation Sinn machen, zusätzlich eigene Analysen von sozialen
Medien vorzunehmen, die in den bestehenden Prozessen nicht
durchgeführt werden – gleichwohl die Erkenntnisse auch in
den Datenpool einießen sollten. Auffällig ist, dass von den
befragten Unternehmen noch keines eigene Big-Data-Tools für
die Kommunikation entwickelt hat. Sie kooperieren hierfür meist
mit Dienstleistern. Es gibt verschiedene Arten von Dienstleistern
(BVDW, 2017):
Software-as-a-Service-Anbieter (SaaS) stellen Software
über ein Online-Portal bereit. Mit diesen Tools können
Kommunikatoren Details des Monitorings, wie etwa die
Untersuchungsobjekte, Quellen oder Suchbegriffe, selbst
bestimmen. Meist wird Hilfe bei der Datenbereinigung
angeboten sowie ein Dashboard, auf dem die Ergebnisse
mittels standardisierter Kennzahlen
eingesehen werden können.
Agenturen bieten zumeist Dienst-
leistungen an, die deutlich breiter
und tiefer gehen als jene der SaaS-An-
bieter. Sie stellen die Qualität der
Datengenerierung sicher und führen
elaborierte Analysen durch, die sie
den Kommunikatoren zu einem abge-
sprochenen Zeitpunkt zur Verfügung
stellen. Neben der Analyse von Big
Social Data können diese Agenturen
auch bei der Planung und Umsetzung
von datenbasierten Strategien unter-
stützen.
Marktforschungsunternehmen sind ebenfalls im Bereich
Social-Media-Analytics aktiv. Sie verfügen über einen großen
Datenfundus und nutzen zudem vielfältige Methoden, wie stan-
dardisierte Befragungen oder Wettbewerbsanalysen, um
weitere Daten zu erheben. Indem sie ihre zahlreichen Untersu-
chungen verknüpfen, können sie noch speziellere oder breitere
Fragestellungen bedienen.
Kosten für Big-Data-Lösungen
Die befragten Experten beschreiben, dass die Kerntechnologie um
Big Data zu managen und anzuwenden, d. h. die Bibliothek mit den
Algorithmen, frei verfügbar ist. Entsprechend sind die Kosten für
die Software im Grunde überschaubar. Zentraler Bestandteil vieler
Applikationen ist die Open-Source-Software Hadoop (siehe Glossar,
S. 38). Um diese für das Unternehmen nutzbar zu machen, müssen
jedoch auf Basis von Hadoop eigene, unternehmensspezische
Softwarelösungen entwickelt werden.
Alternativ können Programme und Lizenzen eingekauft werden.
Mittlerweile gibt es viele Anbieter im Bereich Big-Data-Consulting
(z. B. T-Systems, Atos und IBM) oder Datenbanken und Datenma-
nagement-Lösungen (z. B. IBM, Oracle, SAP und Microsoft).
»
Selbst wenn man einen
ausführlichen Pitch macht, um das
perfekte Tool zu finden, kann die-
ses nach einem halben Jahr schon
wieder veraltet sein. Es ist eine
große Herausforderung, dass sich
der Markt erst noch entwickelt und
auch die Social Networks ständig
neue Features hinzufügen.
«
Magnus Hüttenberend, TUI Group
17
COMMUNICATION INSIGHTS – ISSUE 4
WELCHE DATEN SIND FÜR DIE
KOMMUNIKATION RELEVANT?
Es können grob drei verschiedene Arten von Daten
unterschieden werden, die auch für die strategische
Kommunikation relevant sind:
First party data (interne Daten):
In diese Kategorie fallen alle Daten, die ein Unternehmen
besitzt und kontrollieren kann:
• Kommunikationsdaten, z. B. aus bisherigen Kampagnen
und Publikationen, von eigenen Webseiten, Apps oder
Social-Media-Kanälen
• CRM-Daten, z. B. Kundenstammdaten (Adress- und
Kontaktdaten), Kundencharakteristika (Demograe,
Psychograe, Soziograe – wie Haushaltsstruktur,
soziale Vernetzung etc.)
• Transaktionsdaten, wie Kaufhistorie, Kontakthistorie,
Kundenansprache (z. B. aus dem Kundenservice)
• Mitarbeiterdaten, Inventurdaten, Markt- und Wettbe-
werbsdaten, Medienanalysen, Verbraucheranalysen
,
Daten aus Studien für das Unternehmen, etc.
Second party data (gemeinsam genutzte Daten):
Diese Art von Daten stammen von einem anderen Unter-
nehmen oder werden mit anderen Unternehmen geteilt, z. B.:
• Informationen aus Loyalty- und Reward-Programmen
wie Payback
• Daten aus einem Sponsoring, einer Partnerschaft oder
anderen Aktivitäten des Unternehmens in Kooperation
mit anderen Organisationen
• Daten von externen Portalen und Kanälen, die für
die Distribution eigener Waren und Dienstleistungen
genutzt werden
Third party data (externe Daten):
• Externe Daten kann das Unternehmen aus verschie-
denen Quellen außerhalb der Organisation beziehen.
Diese Art von Daten sind schwierig bis überhaupt nicht
durch das Unternehmen zu kontrollieren. Ein Unter-
nehmen kann externe Daten selbst generieren oder
sie von Dienstleistern, wie Marktforschungsinstituten,
kaufen. Beispiele sind:
• Social-Media-Daten aus Medien und Nachrichten
• Daten von Behörden
• Wissenschaftliche Studien
DATENSCHUTZ UND PRIVACY
Alle Big-Data-Anwendungen müssen mit den geltenden Daten-
schutzgesetzen der jeweiligen Länder vereinbar sein. Um insbeson-
dere in Ländern mit einem hohen Datenschutzniveau wie Deutsch-
land persönliche Daten nutzen zu können, müssen Unternehmen
Techniken der Anonymisierung und Pseudonymisierung oder
synthetische Daten herstellen (siehe Glossar, S. 38), um die Privat-
heit der Nutzer sicherzustellen. Dann sind die Anwendungen mit
geltendem Recht vereinbar.
Grundsätzlich sind die persönlichen Daten der einzelnen Kunden
wie Name, Anschrift, Telefonnummer, etc. für die Datenexperten
häug gar nicht relevant. Stattdessen sollen Kundengruppen mit
aggregierten, typischen Nutzungsmustern beschrieben werden.
Internationale Unternehmen oder Dienstleister nutzen die unter-
schiedlichen Datenschutzregelungen zum Teil bewusst für Testläufe:
„Zu Beginn pilotieren und testen wir oft in den USA. Erst wenn es
dort funktioniert, weiten wir das Projekt auf andere Regionen aus.
Dann wissen wir, dass sich die Anpassungen für alle anderen Länder
lohnen“, erklärt Jochen Specht von Siemens.
• Unternehmen sollten eine transparente Dateninfrastruktur
schaffen, auf die die einzelnen Abteilungen zugreifen
können. Als Ideal wird von vielen Experten ein Data Labo-
ratory mit einem Data Lake beschrieben, in den alle Daten
und somit das gesammelte Wissen einießen.
• Bei der Datensammlung und -analyse muss dem geltenden
Recht entsprochen werden. Dazu können Unternehmen
Verfahren der Anonymisierung und Pseudonymisierung oder
der Synthetisierung von Daten entwickeln bzw. einkaufen.
• Kommunikatoren sollten wissen, welche Daten im Unter-
nehmen vorhanden sind und welche sie davon poten-
ziell für die strategische Kommunikationsplanung nutzen
können.
• Überlegt werden muss immer, ob Big-Data-Lösungen
intern, d. h. in-house, durchgeführt werden oder von
externen Dienstleistern. Eine interne Umsetzung ist bei
langfristigen, kampagnenübergreifenden Anwendungen
sinnvoll.
Lesetipp: Bitkom (2016): „Germany - Excellence in Big
Data“. Die Publikation liefert eine Übersicht über die
verschiedenen Dienstleister und Anbieter im Bereich Big
Data. (www.bitkom.org)
BVDW – Bundesverband Digitale Wirtschaft e.V. (2016):
„Social Media Monitoring in der Praxis. Grundlagen, Praxis-
Cases, Anbieterauswahl und Trends.“ (www.bvdw.org)
Auf einem Blick
18 COMMUNICATION INSIGHTS – ISSUE 4
Prof. Dr. Christof E. Ehrhart leitet seit 2009 als Executive Vice President
den Zentralbereich Konzernkommunikation & Unternehmensverantwortung
von Deutsche Post DHL Group. Der promovierte Politikwissenschaftler ist
zudem seit 2013 Honorarprofessor für Internationale Unternehmenskom-
munikation am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der
Universität Leipzig. Als Mitglied des Beirats stand er dem Forschungsteam
dieser Studie beratend zu Seite.
Prof. Dr. Ehrhart, Sie sprechen von Big Data und Small Data. Was
ist der Unterschied?
Mit Big Data werden kontinuierliche Echtzeit-Datenströme
bezeichnet, die gewaltig, komplex, volatil und zunächst unstruktu-
riert sind. Im Gegensatz dazu zeichnen sich Small Data durch eher
begrenzte Volumina, eine eher unregelmäßige Datenerfassung und
kleinere Abgrenzungen aus. Small Data ist oft das Ergebnis von
Interviews und dem direkten Austausch – etwa mit Fachkollegen.
Gewöhnlich entstehen diese Daten, wenn konkrete Fragen gestellt
und beantwortet werden und sie geben sehr spezische Einblicke.
Die Datenqualität ist also sehr hoch.
Welche Relevanz haben Small Data bei Ihnen in der Unter-
nehmenskommunikation?
Die Relevanz von Small Data, die in der eher beziehungsorien-
tierten Frühzeit des Kommunikationsmanagements – der „Öffent-
lichkeitsarbeit“ – immer schon eine Rolle gespielt haben, wird
gerade wiederentdeckt und ihre Bedeutung wächst. Auch bei uns.
Durch den Wandel von unidirektionalen Kommunikationskanälen zu
Social Media sind heutige Stakeholder keine passiven Zielgruppen
mehr sondern aktive Teilnehmer an der öffentlichen Debatte. Im
Kern geht es in der postmodernen Unternehmenskommunikation
daher auch um die Beziehungen zwischen Unternehmen und
Anspruchsgruppen, die eben auch den empathischen Dialog erfor-
derlich macht. Dabei entstehen Small Data.
Was verändert sich durch Big Data?
Allein durch die erfassten Volumina, die Vielfalt, die Schnelligkeit
und die Verfügbarkeit eröffnen Big Data vielfältige neue Möglich-
keiten. So lassen sich zum Beispiel für das Reputationsmanage-
ment entscheidende digitale Meinungsführer, die Inuencer, iden-
tizieren. Gleichzeitig kann der Austausch mit Online-Communities
intensiviert werden. Marktentwicklungen, Feedback der Kunden,
akute Medienlagen können auch kurzfristig ermittelt und zum
Abgleich der kommunikativen Ausrichtung mit der gesellschaftli-
chen Realität eingesetzt werden. Wir arbeiten hierzu zum Beispiel
mit einem Issues-Monitoring-Tool, das uns in Echtzeit mit Lagebil-
dern versorgt.
Welche Relevanz haben Big Data für das Kommunikations-
Controlling?
Im Umgang mit „Big Numbers“ – große Zahlen im Sinne großer
Umfragestichproben für die Evaluation – hat das Kommunikati-
onsmanagement ja schon reichlich Erfahrung. Big Data können
uns aber in Bezug auf die zeitliche Verfügbarkeit, die Eingren-
zung der Fragestellung und die Tiefe der Analysen neue Horizonte
eröffnen. Gleichzeitig entstehen dadurch neue Herausforderungen.
Da Kommunikation weiter einer zutiefst menschlichen Logik folgen
wird und soll, müssen die Kommunikatoren ihre Rolle behaupten.
Es gilt mit sozialer Intelligenz, Empathie und Überzeugungskraft
den „umgekehrten Turing-Test“ zu bestehen – also zu beweisen,
dass man Mensch und nicht Maschine ist.
»
Die Relevanz von
Small Data wächst
«
19
COMMUNICATION INSIGHTS – ISSUE 4
DIE GEEIGNETE ORGANISATIONSSTRUKTUR
BIG-DATA-ANWENDUNGEN ERFORDERN INTERDISZIPLINARITÄT UND EINE
ABTEILUNGSÜBERGREIFENDE ZUSAMMENARBEIT
Die Anwendung von Big Data hat nicht nur einen Einuss auf die technische Dateninfrastruktur, sondern sie verändert auch die Organisa-
tionsstruktur und bewirkt eine intensivere abteilungsübergreifende Zusammenarbeit. Auch für die Unternehmenskommunikation hat dies
Konsequenzen. Um zukünftig Kommunikationsprobleme zu lösen, müssen Mitarbeiter interdisziplinär zusammenarbeiten und ihr jeweiliges
Wissen einießen lassen. Dies führt zu einer stärker horizontalen Abteilungsstruktur, in der sich Teams selbständig organisieren und exibel
agieren. Input bekommen sie aus einem Command Center, in dem Informationen für eine spezische Anwendung, wie das Issues Manage-
ment, gesammelt und gebündelt werden. Voraussetzung für eine solche Struktur ist eine transparente, klar denierte Aufgabenverteilung.
Interdisziplinäre, agile Subteams
Die Organisation von Abteilungen wie der Unternehmenskommuni-
kation wird sich durch den Bedeutungsgewinn von Big Data verän-
dern. Viele Experten, u.a. der Data Consultant Klaas-Wilhelm Boll-
hoefer, sagen eine Entwicklung voraus, in der Abteilungsgrenzen
zunehmend verschwimmen und mehr interdisziplinäre Zusammenar-
beit entsteht: „Ich glaube, dass wir bald über ganz andere Bereiche
reden, die viel integrierter und mit mehr Technologieverständnis
funktionieren. Die granulare Aufteilung der
Geschäftseinheiten in Marketing, Unternehmens-
kommunikation, HR usw. werden wir bald nicht
mehr brauchen.“
Auch der Experte im Bereich Business-Intelli-
gence-Lösungen Patrick Ebert glaubt, dass eine
wachsende Interdisziplinarität die klassischen Strukturen von
Abteilungen wie der Unternehmenskommunikation immer mehr
auösen werden: „Egal in welchem Bereich – ob in der Unter-
nehmenskommunikation oder in der Fertigung – es wird immer
mehr kleine Subteams geben. Diese bestehen aus verschiedenen
Mitarbeitern, die Ahnung vom Geschäft, von IT oder vom opera-
tiven Handling haben. Unternehmen werden deutlich horizon-
taler organisiert werden.“
Ein zentrales Command Center für Social-Media-
Anwendungen
Neben der Auösung von Datensilos zwischen den verschiedenen
Abteilungen und einer stärker horizontalen Organisation im Zuge
von Big-Data-Anwendungen beobachten Experten eine Zentrali-
sierung bestimmter Funktionen, in der Expertise gebündelt wird.
Für den Bereich Social-Media-Analytics hat sich beispielsweise das
Konzept eines Command Centers etabliert. (Siehe Infobox Praxisbei-
spiele, S. 21)
Im Command Center laufen alle Social-Me-
dia-Daten zusammen und werden für Vertrieb,
Marketing, Unternehmenskommunikation oder
andere Abteilungen erhoben, ausgewertet und
verarbeitet. Die Spezialisten agieren als zentrale
Dienstleister für alle anderen Unternehmensbereiche und geben
relevante Informationen nach Bedarf an die Fachbereiche weiter.
Command Centers bestehen oft aus offenen Büros mit großen Bild-
schirmen, auf denen in Echtzeit u. a. Informationen zu Unterneh-
mens-Posts, Zielgruppeninformationen, relevanten Themen und
ausgesuchten Stichwörtern zu sehen sind.
Ähnlich hat die Siemens AG den Bereich Social-Media-Analytics
organisiert: Kollegen können weltweit aus den verschiedenen Berei-
»
Big Data is
breaking silos.
«
Nicolas Chabot, Traackr Inc.
20 COMMUNICATION INSIGHTS – ISSUE 4
chen des Unternehmens auf die gewonnenen Erkenntnisse aus den
Social-Media-Daten zurückgreifen. Zur Qualitätssicherung ndet die
Datengenerierung und Auswertung jedoch zentral statt.
Command Centers können u. a. auch für die Krisenkommunikation,
Real-Time-Marketing oder den Kundenservice eingesetzt werden –
Bereiche, die in den meisten Unternehmen bislang getrennt vonein-
ander geführt werden.
Solche zentralisierten Ansätze funktionieren jedoch nur, wenn die
verschiedenen Abteilungen des Unternehmens miteinander und mit
dem Command Center vernetzt sind. Und es bedarf eines hohen Maßes
an Offenheit und Kritikfähigkeit im Unternehmen, da Marken oder
Produkte im Social Web auch negativ besprochen werden.
Der Newsroom als Verbindung von agilen Teams und
Command Center?
Flexible Subteams und zentrale Command Centers sind Entwicklungen,
die bereits zu beobachten sind und häug im Zusammenhang mit
Newsroom-Konzepten diskutiert werden. Im Vergleich zum herkömm-
lichen Newsroom-Konzept könnten die gemischten Teams zukünftig
nicht mehr nur aus Kommunikationsexperten für Themen und Kanäle
bestehen sondern auch aus Technikern und Datenexperten.
Das Command Center hat die Aufgabe, Wissen an zentraler Stelle
zusammenzuführen und jene Analysen und Informationen bereitzu-
stellen, die für die spezischen Subteams, wie z. B. das Issues Manage-
ment, von Interesse sind. Zu klären wird sein, ob das Command Center
im Bereich Social-Media-Analytics Teil der Unternehmenskommunika-
tion, d. h. auch des Newsrooms, sein wird oder eine abteilungsunab-
hängige Stelle der Real-Time-Datengenerierung und -analyse inner-
halb des Unternehmens.
Das Social Media Listening Command Center von Dell wurde
bereits 2010 gegründet. Es verbindet Social-Media-Beob-
achtung und Customer Relationship Management. Typische
CRM-Daten, wie z. B. Kundendaten, die Kundenkontakthis-
torie oder die Kaufhistorie, werden mit Web- und Social-Me-
dia-Daten verknüpft. Somit können die CRM-Daten durch
die erfasste Kommunikation mit und von (potenziellen)
Kunden in sozialen Medien ergänzt werden. Die gewonnenen
Erkenntnisse werden u. a. dem Marketing, dem Vertrieb und
der Unternehmenskommunikation zur Verfügung gestellt.
(Alt & Reinhold, 2016)
DEUTSCHE TELEKOM
SOCIAL LISTENING CENTER
Die Deutsche Telekom hat ein Social Listening Center einge-
richtet, um ein Echtzeit-Krisenmonitoring durchführen und
unvorhersehbare Ereignisse beobachten zu können. Anhand
festgelegter Kriterien werden kontinuierlich die eigenen Kanäle
sowie soziale Netzwerke und andere Webseiten beobachtet.
Stellt das System deutliche Veränderungen der Grenzwerte fest,
wird automatisch eine Meldung an das entsprechende Team
verschickt. Ergänzt wird die Technik durch einen internen Krisen-
plan, wie in welcher Situation zu verfahren ist. (BVDW, 2017)
DELL
SOCIAL MEDIA LISTENING COMMAND CENTER
• Um Big Data in der Kommunikation nutzen zu können,
werden eine stärker interdisziplinäre Zusammenarbeit
und horizontale Strukturen an Bedeutung gewinnen.
• Idealerweise arbeiten exible Subteams, bestehend aus
nur wenigen Experten mit unterschiedlichen fachlichen
Hintergründen, abteilungsübergreifend zusammen.
• Das Command Center, beispielsweise für Social-Me-
dia-Auswertungen, hat die Aufgabe, Wissen an zent-
raler Stelle zusammenzuführen und andere Abteilungen
im Unternehmen mit Analysen und Informationen zu
unterstützen.
• Das beste Command Center bringt keinen Mehrwert,
wenn nicht klare Verantwortlichkeiten festgelegt und
Prozesse beschrieben werden, wie mit den Erkennt-
nissen umzugehen ist.
Auf einem Blick
21
COMMUNICATION INSIGHTS – ISSUE 4
NEUE KOMPETENZEN SIND GEFRAGT
DIE NUTZUNG VON BIG DATA ERFORDERT MEHR TECHNIKVERSTÄNDNIS
UND DATENAFFINITÄT
Die Anwendung von Big Data erfordert ein spezielles Know-how und eine Datenafnität, die bislang nur wenige Kommunikationsmitarbeiter
mitbringen. Auch wenn nicht jeder Kommunikator ein Data-Scientist werden muss, so ist ein tieferes Verständnis für die Potenziale und Abläufe
von Big-Data-Anwendungen in Zukunft unerlässlich. Kommunikatoren müssen in dem Bereich besser ausgebildet werden, damit sie die neuen
Anforderungen bewältigen können. Letztendlich wird dies auch das Berufsfeld und die Ausbildung prägen. Doch wie sehen die neuen Anforde-
rungen konkret aus und wie können Kommunikatoren sich dieses Know-how aneignen?
Neue Kompetenzen und neues Know-how
Um auf Basis von Big-Data-Analysen strategisch zu kommuni-
zieren, wird laut der befragten Experten wie Daniela Kluge und
Hendrick Lange von Bertelsmann/Arvato ein „intuitiverer Umgang
mit Daten“ erforderlich. Kommunikatoren sollten in der Lage sein
zu verstehen, was mit Daten machbar ist, welche relevant sind,
wie Daten generiert werden und wie diese anschließend analy-
siert und visualisiert werden können. Statistische Grundkennt-
nisse sind dabei unerlässlich, denn nur so können Ergebnisse
richtig interpretiert und für die strategische Kommunikationspla-
nung genutzt werden.
Trotz der zunehmenden Technisierung werden bewährte Fähig-
keiten von Kommunikatoren, wie Planungs- und Manage-
ment-Skills, das Schreiben von
pointierten Texten, ein Gespür
für Themen und Menschen sowie
Kreativität weiterhin einen hohen
Stellenwert haben. Es ist nach wie
vor wichtig zu wissen, „wie ich
Menschen erreiche, sie begeistern
und mitnehmen kann auf meine
Reise“, so der Social-Media-Stratege Niklas Ramon Pucknat.
Für Kommunikationsabteilungen ist es momentan nicht einfach,
Datenexperten zu nden: “Data scientists are expensive, hard to
hire, and hard to keep”, gibt Dr. Thomas Hill von Quest Soft-
ware zu bedenken. Umso wichtiger ist es, die Kompetenzen und
das Know-how von Mitarbeitern durch Aus- und Weiterbildung
zu fördern.
Eigeninitiative
Grundvoraussetzungen sind ein persönliches Interesse und Aufge-
schlossenheit für die neuen Technologien. Die Vermittlung von
Big-Data-Kompetenzen kann nicht ausschließlich Aufgabe der
Hochschulen oder der Unternehmen sein: „Es wird Eigeninitiative
erwartet und nötig sein, um in jeder Karrierestufe am Puls der
Zeit zu bleiben“, fordert der Digital Strategist Christian Hodbod.
Doch hier besteht noch Nachholbedarf: Fast jeder zweite Kommu-
nikationsexperte in Europa verfügt nach eigenen Angaben nicht
über ausreichende analytische Fähigkeiten für Big-Data-Ana-
lysen, wie die Ergebnisse des European Communication Monitors
2016 belegen – einer europaweiten Umfrage unter knapp 2700
Kommunikationsexperten (Zerfass et al., 2016).
Anforderungen an die universitäre Ausbildung
Um grundlegende Kenntnisse und Kompetenzen im Bereich
Big Data zu vermitteln, sollten Kommunikatoren bereits in
der Ausbildung in Kontakt mit diesen Technologien kommen.
Doch wie weit IT und Technik im
Mittelpunkt eines Kommunikati-
onsstudiums stehen sollten, ist
umstritten. Prof. Dr. Ulrike Röttger
vom Institut für Kommunikations-
wissenschaft an der Universität
Münster sieht eher spezialisierte
Studiengänge als Lösung. (Siehe
Interview, Seite 24). Auch einige der befragten Experten, u. a.
Magnus Hüttenberend (TUI Group), der selbst Kommunikations-
wissenschaft studierte, sehen es eher als Aufgabe der Kommuni-
kationswissenschaft, zeitloses Wissen, wie grundlegende theore-
tische Kommunikationstheorien und analytische Fähigkeiten, zu
vermitteln. Andere hingegen wünschten sich eine stärkere Beach-
tung dieser Themen im Studium. Es sollte darum gehen, Studie-
rende ein besseres Gespür für die Möglichkeiten und Grenzen von
Big-Data-Anwendungen zu vermitteln. Hans-Henning Gabriel &
Marco Silbernagel von Datameer schlagen beispielsweise vor, dass
Kommunikationsstudenten an den Universitäten eigenständig
einfache Big-Data-Analysen wie eine Twitter-Sentiment-Analyse
durchführen.
Darüber hinaus wird von vielen Experten eine stärker interdis-
ziplinäre Forschung und Ausbildung angeregt. Auf diese Weise
»
Communicators can‘t just be a person
of words and language. You need to be
a person of numbers as well.
«
Craig Stoe, Linqia
22 COMMUNICATION INSIGHTS – ISSUE 4
können die verschiedenen Fachrichtungen ein besseres Verständnis
füreinander entwickeln, um später in interdisziplinären Teams
arbeiten zu können.
Aus- und Weiterbildung in Unternehmen
Um Mitarbeitern und neuen Kollegen ein besseres Verständnis für
Big-Data-Technologien und die eigenen Datenanalysen zu vermit-
teln, setzen viele Unternehmen auf interne Weiterbildungen. Die
beschriebenen Schulungen sind vielfältig und reichen von internen
Seminaren über Hospitanzen bis hin zu eigens entwickelten
Online-Tutorials beispielsweise im Bereich des Datenschutzes.
Einige Unternehmen haben spezielle Schulungen entwickelt, wie
Texte und Multimedia-Inhalte in großen Mengen generiert, analy-
siert und richtig interpretiert werden können. Dazu zählt auch, wie
man Suchanfragen erstellt, wie Realtime-Dashboards interpretiert
und die Kennzahlen richtig eingeordnet werden können.
Zum Teil sind diese internen Schulungen für neue Kommunikatoren
verpichtend. Ziel ist es, die neuen Mitarbeiter auf ein einheitli-
ches Niveau zu bringen, welche Informationen wie in dem Unter-
nehmen genutzt werden, welche Eigenheiten die jeweiligen Daten
haben und wo die Informationen geteilt werden.
Auch Unternehmen wie die Siemens AG bilden ihre Kommunika-
toren stetig weiter: „Wir trainieren unsere Kollegen und Mitar-
beiter aus dem Bereich Social Media dahingehend, dass sie die
Daten selbst verstehen und erfassen können und in der Lage sind,
eigenständig Reports zu erstellen“, so Silke Wieland, Managerin
Social Media.
Kenntnisse des Datenschutzes
Nicht zu vernachlässigen ist, dass Mitarbeiter auch im Bereich
des Datenschutzes geschult werden, bzw. mit Datenschutzbe-
auftragten und Justiziaren zusammenarbeiten müssen. Viele
Dienstleister raten ganz bewusst zu einer engen Zusammenarbeit
mit Datenschützern, da sie selbst die juristische Beratung nicht
leisten können.
Die unterschiedlichen Gesetzeslagen in den jeweiligen Ländern
mit extrem unterschiedlichen Datenschutzniveaus sollten dabei
nicht unterschätzt werden. Die Herausforderung ist enorm, die
unterschiedlichen nationalen Datengesetze, aber auch die sich
stetig wandelnden AGBs der Social-Media-Plattformen zu über-
blicken. Erschwerend kommt hinzu, dass manche Datenschutz-
gesetze ungenau formuliert sind und Raum für Interpretationen
lassen. Umso dringlicher ist die Zusammenarbeit mit Daten-
schutzbeauftragten oder Justiziaren.
» Technisches Grundinteresse
» Selbstinitiative
» Strategische, kreative &
technische, analytische
Kenntnisse
» Statistische
Grundprinzipien
» Umgang mit Big-Data-
Innovationen
» Interdisziplinarität
» Trainingsprogramme
» Stetige Weiterbildung
www.akademische-gesellschaft.com
Drei Säulen für den Aufbau von Big-Data-Kompetenzen
INDIVIDUUM
AUSBILDUNG UNTERNEHMEN
23
COMMUNICATION INSIGHTS – ISSUE 4
• Ein profundes Verständnis von Big-Data-Technologien und
Statistikkenntnisse sind Voraussetzungen, um Big Data in
der Unternehmenskommunikation anwenden zu können.
• Big Data sollten auch in der kommunikationswissenschaft-
lichen Ausbildung an Universitäten eine größere Rolle
spielen und Grundkenntnisse vermitteln.
• Damit Kommunikatoren den zukünftigen Anforderungen
gewachsen sind, bedarf es aber auch eigener Anstrengung
sowie einer verbesserten Ausbildung im Unternehmen.
• Um Datenschutzregelungen einzuhalten, sollten Kommu-
nikatoren eng mit Datenschutzbeauftragten oder Justizi-
aren zusammenarbeiten.
Auf einen Blick:
Frau Prof. Dr. Röttger, welche Kompetenzen sollte die universi-
täre Ausbildung in puncto Big Data vermitteln?
Schon heute nimmt die Vermittlung von Forschungsmethoden,
also von Erhebungsmethoden und Auswertungsverfahren/Statistik,
einen wesentlichen Stellenwert in kommunikationswissenschaft-
lichen Studiengängen ein. Diese Absolventen verfügen über eine
hohe Methodenkompetenz und bringen wesentliche Vorausset-
zungen für eine datenbasierte Kommunikationsarbeit mit. Auch
spielen zunehmend Fragen der automatisierten Datengewinnung
und -auswertung eine Rolle. Dies ist eine sehr gute Basis für
weitere Spezialisierungen im Bereich der Big-Data-Anwendungen,
die dann in der Praxis oder in berufsbegleitenden Weiterbildungen
vertieft werden können.
Ich halte zudem explizite Studiengänge, die eine enge Verbindung
von Kommunikationswissenschaft und Informatik herstellen, für
sinnvoll. Hierfür bestehen bereits entsprechende Planungen an
einigen deutschen Unis.
Welchen Beitrag kann die Kommunikationswissenschaft zur
Erforschung des Themas Big Data leisten?
Das besondere Potenzial der Kommunikationswissenschaft sehe ich
darin, die Effekte von Big-Data-Anwendungen auf die öffentliche
Kommunikation und Meinungsbildungsprozesse zu analysieren. Dabei
sind auch die Auswirkungen auf Unternehmen und ihre Kommunikation
entscheidend. Ein Beispiel: Welche Folgen hat es für die Unternehmens-
kommunikation, wenn Öffentlichkeit zunehmend auf Basis algorithmi-
scher Entscheidungen, z.B. bei Google oder Facebook, hergestellt wird?
Die Experten fordern mehr interdisziplinäre Forschung zu Big
Data. Wie klappt die Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen?
Komplexe Phänomene wie Big Data erfordern mit Blick auf ihre
vielfältigen und vernetzten Voraussetzungen und Effekte einen
fächerübergreifenden Forschungsansatz. Interdisziplinarität war
und ist auch bei unserer Forschung zentral. Ein gutes Beispiel
ist die Einbeziehung von Prof. Dr. Stefan Stieglitz aus der Wirt-
schaftsinformatik in die Leitung der Akademischen Gesellschaft für
Unternehmensführung & Kommunikation oder unsere Forschungs-
workshops mit einem interdisziplinär zusammengesetzten Exper-
tenteam.
Jenseits der Arbeit der Akademischen Gesellschaft existieren zudem
zahlreiche spannende, interdisziplinäre Forschungsverbünde. So
zum Beispiel das Projekt „Propstop. Erkennung, Nachweis und
Bekämpfung verdeckter Propaganda-Angriffe über Online-Medien“,
in dem Wirtschaftsinformatiker, Kommunikationswissenschaftler
und Informatiker gemeinsam an der Analyse und Identikation
von verdeckten Propagandaangriffen im Netz arbeiten.
Prof. Dr. Ulrike Röttger ist Professorin für Public-Relations-Forschung am
Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Münster. Gemeinsam
mit Dr. Christian Wiencierz leitete sie das Forschungsprojekt zu den Megatrends
der Unternehmenskommunikation und Big Data.
»
Komplexe Phänomene wie Big Data
erfordern Interdisziplinarität
«
24 COMMUNICATION INSIGHTS – ISSUE 4
EIN ETHIK-KODEX ALS HANDLUNGSLEITFADEN
ETHISCHE LEITLINIEN FÜR DIE NUTZUNG VON BIG DATA IN DER STRATEGISCHEN
KOMMUNIKATION
Mit der europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) greifen ab Mai 2018 neue gesetzliche Regelungen zum Umgang mit Big Data.
Parallel werden auch ethische Aspekte der Big-Data-Nutzung intensiv diskutiert. Die Kommunikationsbranche konnte sich jedoch noch auf keine
allgemeingültigen Leitlinien verständigen. Dabei wäre dies ein entscheidender Schritt, um Glaubwürdigkeit, Vertrauen und Legitimität aufzu-
bauen und zu erhalten. Deswegen sollen hier ethische Leitlinien zur Nutzung von Big Data in der strategischen Kommunikation vorgeschlagen
werden, die auf Basis der Forschungsergebnisse sowie bestehender PR-Kodizes entwickelt wurden.
Mehr Transparenz gegen eine wachsende Skepsis
Durch einen intransparenten Umgang mit Nutzerdaten wurde in
der Vergangenheit viel Vertrauen verspielt und die Akzeptanz
für eine datenbasierte Kommunikation hat in der Öffentlich-
keit stark gelitten. Zudem wächst die Skepsis, dass persönliche
Daten von Organisationen gespeichert und genutzt werden,
ohne dass es im Sinne der Verbraucher wäre (Norberg & Horne,
2014; Vodafone, 2016). Um die Nutzung dieser Technologien
sowohl im Unternehmen als auch in der Unternehmenskommu-
nikation zu legitimieren, ist Vertrauen nötig. Vertrauen kann
jedoch nur wachsen, wenn die Kommunikation mehr Transpa-
renz zur Verwendung von Big Data schafft: Welche Daten werden
gesammelt? Wie werden sie gespeichert? Wie werden sie ausge-
wertet? Und was passiert danach damit?
Zehn Leitlinien für einen ethisch verantwortungs-
vollen Umgang mit Big Data
Unsere Recherchen sowie die Interviews mit den Experten zeigen,
dass Kommunikatoren noch relativ wenig Erfahrung im Umgang
mit Big Data besitzen. Umso hilfreicher können ethische Leitlinien
sein, die Orientierung geben. Zwar gibt es bereits einige Leitlinien
für Kommunikatoren, beispielsweise den Deutschen Kommunikati-
onskodex, die DRPR-Richtlinien oder internationale Codizes wie der
Code de Lisbonne. Allerdings wurde noch nicht ausreichend disku-
tiert, ob die bestehenden Kodizes für die Nutzung von Big Data in
der Unternehmenskommunikation ausreichen.
Um ethische Leitlinien zu formulieren, die einen verantwortungs-
vollen Umgang mit Big Data durch die Unternehmenskommuni-
kation gewährleisten sollen, haben wir u. a. bestehende Kodizes
herangezogen.
25
COMMUNICATION INSIGHTS – ISSUE 4
Was besagen die 10 Leitlinien?
Die Leitlinien 1 bis 4 beschreiben, WAS zu den Big-Data-Anwen-
dungen im Unternehmen kommuniziert werden sollte. Gefordert
wird mehr Transparenz bezüglich der Nutzungsabsicht der Daten.
Es sollte klar kommuniziert werden, wofür die Daten genutzt sowie
welche persönlichen Daten dafür verwendet werden. Gleichzeitig
sollte mehr Transparenz hergestellt werden, wie die persönlichen
Daten analysiert werden. Und viertens sollte offen kommuniziert
werden, wie reliabel die Analyseergebnisse sind. Diese vier Leitli-
nien sind zwar teilweise durch das Datenschutzgesetz abgedeckt,
denn hier müssen die Nutzer der Verwendung persönlicher Daten
zu bestimmten Zwecken zustimmen. Allerdings nimmt die Öffent-
lichkeit die Transparenz diesbezüglich als unzureichend wahr, was
das Misstrauen gegenüber der Nutzung von Daten schürt. (Siehe
Beitrag „Mehr Vertrauen für Big-Data-Anwendungen“, S. 28)
Die Leitlinien 5 bis 10 verdeutlichen, WIE die Kommunikation zu
Big-Data-Anwendungen stattnden sollte. Dazu zählen die Einhal-
tung von Werten, Normen und Gesetzen, Aufrichtigkeit, Offenheit
sowie Wahrhaftigkeit. Durch die Verpichtung gegenüber dem
Auftraggeber benden sich Kommunikatoren in einem Spagat
zwischen den Interessen des eigenen Unternehmens und jenen
der Öffentlichkeit. Die Lösung ist eine funktionale Transparenz
im Sinne des Kommunikationswissenschaftlers Peter Szyszka
(2004): In Breite und Tiefe sollten die Organisationen immer
so viel Transparenz zulassen wie nötig, um im Wettbewerb zu
bestehen und die eigenen strategischen Vorteile zu nutzen.
Auch diese strategische Transparenz fördert Vertrauen, wenn
die Stakeholder die Transparenz subjektiv als ausreichend wahr-
nehmen.
Ganz besonders sind die Richtlinien 6 und 7 zu betonen.
Bewusste oder unbewusste Irreführung und Diskriminierung
müssen vermieden werden. Zudem ist es unerlässlich, die Inst-
rumente und Methoden der Big-Data-Anwendungen soweit zu
durchdringen, dass beurteilt werden kann, ob die Ergebnisse
verlässlich sind oder nicht.
...
Kommunikatoren…
ZEHN ETHISCHE LEITLINIEN FÜR DIE NUTZUNG VON BIG DATA
IN DER STRATEGISCHEN KOMMUNIKATION
kommunizieren, welche Ziele mittels der Big-
Data-Anwendungen erreicht werden sollen.
machen kenntlich, welche Daten auf welche Weise
gesammelt und gespeichert werden.
kommunizieren, wie die Daten konkret analysiert
werden.
machen deutlich, wie verlässlich die Generierung,
Analyse sowie die Ergebnisse der Big-Data-Anwen-
dungen sind.
kommunizieren offen, aufrichtig und wahrhaftig über
die eigene Anwendung von Big Data.
unterlassen es, Dritte bezüglich der Anwendung von
Big Data zu täuschen oder irrezuführen.
unterlassen es, bestimmte Menschengruppen durch
die Anwendung von Big Data zu diskriminieren.
sind dem Auftraggeber verpichtet und kommuni-
zieren im Sinne des Auftraggebers transparent über
die Big-Data-Anwendungen.
übernehmen nur Aufgaben im Bereich der Datennut-
zung, die mit den Gesetzen der jeweiligen Länder in
Einklang stehen.
beherrschen die Instrumente und Methoden, um
Daten verlässlich zu generieren und auszuwerten.
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
26 COMMUNICATION INSIGHTS – ISSUE 4
Prof. Dr. Günter Bentele war bis September 2014 Inhaber des
ersten deutschen Lehrstuhls für Öffentlichkeitsarbeit/PR an der
Universität Leipzig. Seit 2012 ist Bentele Vorsitzender des Deut-
schen Rats für Public Relations, dem Organ der freiwilligen Selbst-
kontrolle für das Berufsfeld Public Relations.
Warum sind ethische Leitlinien für den Einsatz von Big Data in
der strategischen Kommunikation wichtig?
Wie für alle Bereiche der öffentlichen Kommunikation sind „Regeln
der guten Kommunikation“, also Codizes, Leitlinien, etc. nötig.
Solche Leitlinien, die man nicht in Gesetze fassen kann, können
Orientierung geben. Sie helfen, ein ganzes Berufsfeld zu professio-
nalisieren und die eigene Kommunikation und die der Organisation
zu reektieren. Ethische Richtlinien helfen zudem das kommunika-
tive Handeln gegenüber der Außenwelt zu legitimieren. Auch für
den Umgang mit Big Data in der strategischen Kommunikation
sind ethische Richtlinien höchst sinnvoll.
Reichen die bestehenden PR-Kodizes für die Anwendung von Big
Data in der strategischen Kommunikation aus?
Ich denke, dass es Sinn macht, hier eine spezialisierte Richtlinie
bzw. Leitlinien zu entwickeln, ebenso wie es DRPR-Richtlinien zur
Pressearbeit, zur Online-Kommunikation oder zum Lobbying gibt.
An den hier vorgestellten Leitlinien nde ich insbesondere die
ausführliche und differenzierte Thematisierung des Transparenzge-
bots positiv, das in diesem Kontext sehr wichtig ist und das darauf
abzielt, Vertrauensbildung zu ermöglichen.
Welche Herausforderungen bestehen bei der Implementie-
rung solcher Leitlinien?
Es reicht nicht aus, wenn Kodizes und Leitlinien nur auf den
Websites der entsprechenden Selbstkontrollorgane, wie des Deut-
schen Rats für Public Relations (DRPR) stehen. Die Normen müssen
vor allem bei den Organisationen, die damit umgehen, bekannt
und verbindlich gemacht werden. Die Organisationen und die
betroffenen MitarbeiterInnen sollten sich beispielsweise mit dem
Arbeitsvertrag verpichten, sie einzuhalten. Ich kann mir auch
vorstellen, dass einige der Punkte des hier vorgelegten Entwurfs in
eine DRPR-Richtlinie integriert werden.
»
Regeln der guten Kommunikation
sind auch für Big Data unerlässlich
«
• Die hier vorgestellten Leitlinien sollen als Vorschlag für
einen verantwortungsvolleren Umgang mit Big-Data-An-
wendungen verstanden werden.
• In Wissenschaft und Praxis besteht ein großer Diskussi-
onsbedarf, inwiefern bestehende Kodizes für die Anwen-
dung von Big Data in der strategischen Kommunikation
ausreichen. Bei dieser Diskussion sollten die Chancen
aber auch die Risiken für Organisationen und die Stake-
holder berücksichtigt werden.
• Ziel sollte es sein, verbindliche Leitlinien für das Berufs-
feld zu denieren, die Kommunikatoren entlasten, die die
Anwendung von Big Data legitimieren und das Vertrauen
der Öffentlichkeit fördern.
Auf einen Blick:
LESETIPP: Bitkom (2015): Leitlinien für den Big-Data-Einsatz. (www.bitkom.org)
27
COMMUNICATION INSIGHTS – ISSUE 4
MEHR VERTRAUEN FÜR BIG-DATA-ANWENDUNGEN
WAS UNTERNEHMEN BEACHTEN SOLLTEN
Wie kann es Unternehmen gelingen, Vertrauen in die Nutzung von Big Data herzustellen? Was erwartet die Bevölkerung? Für eine Studie
des Vodafone Instituts für Gesellschaft und Kommunikation wurden über 8000 Bürger aus acht europäischen Ländern repräsentativ
befragt, was sie über den Umgang mit ihren persönlichen Daten und Privatheit denken.
Das generelle Fazit der Studie lautet: Die befragten Europäer stehen
dem Phänomen Big Data eher skeptisch gegenüber. Weniger als ein
Drittel erkennt darin mehr persönliche Vorteile, bei mehr als der
Hälfte der befragten Nutzer überwiegen in der persönlichen Einschät-
zung die Nachteile. In Deutschland sind es sogar 62 Prozent.
Vor allem die Ergebnisse zum Umgang mit Daten und zum Schutz
der Privatsphäre sind alarmierend: Nur zwei von zehn Befragten
fühlen sich ausreichend darüber informiert, wo und von wem
ihre Daten gespeichert und verwendet werden. Lediglich jeder
Vierte hat Vertrauen, dass Unternehmen und Institutionen den
Schutz ihrer persönlichen Daten respektieren. Für Anbieter von
Suchmaschinen, sozialer Netzwerke oder Online-Shops liegen
die Vertrauenswerte noch deutlich darunter – bei gerade einmal
11-17 Prozent.
Vertrauen stärken
Doch was können Unternehmen beachten, um das Vertrauen der
Nutzer in die Big-Data-Anwendungen zu stärken?
der befragten Bevölkerung wünschen sich AGBs, die deut-
lich knapper und verständlicher verfasst sind als bisher.
Bislang werden die AGBs nur von 12 Prozent gelesen.
der befragten Europäer fordern ein höheres Maß an
Transparenz bei der Verwendung ihrer persönlichen
Daten.
glauben, dass die Vermeidung von Kleingedrucktem
das Vertrauen in Big-Data-Analysen langfristig stei-
gern würde.
plädieren dafür, die Einstellungen zur Privatsphäre
individuell denieren zu können, um so einen besseren
Schutz ihrer persönlichen Daten zu erreichen.
befürworten öffentliches Benutzerfeedback.
haben mehr Vertrauen in eine bekannte und etab-
lierte Marke als in unbekannte Unternehmen.
Einstellung zu Big-Data-Anwendungen
Im länderübergreifenden, europäischen Vergleich wird deutlich,
dass die Deutschen der Nutzung ihrer persönlichen Daten beson-
ders kritisch und sensibel gegenüber stehen. Andere Nationen, wie
Iren, Briten, Holländer oder die Südeuropäer haben hierzu eine
entspanntere Haltung.
Auch ältere Menschen und Personen mit einem niedrigeren
formalen Bildungsniveau sind tendenziell kritischer und fühlen
sich schlechter informiert als jüngere Personen oder höhere
Bildungsschichten.
Zudem wären 55 Prozent der befragten Europäer bereit, eher Geld
für die Nutzung eines Service zu bezahlen anstatt es zuzulassen,
dass persönliche Daten vom Anbieter gesammelt und genutzt
werden dürfen (39 Prozent).
Hausaufgaben für die Unternehmen
Wollen Unternehmen das Potenzial von Datenanalysen dauerhaft
ausschöpfen, müssen sie Vertrauen aufbauen. Vertrauen bildet die
Basis für eine stabile und langfristige Interaktion zwischen Bürgern
und Institutionen. Sie müssen die Bevölkerung mitnehmen,
für Transparenz sorgen, sich an die Bedürfnisse der Stakeholder
anpassen – insbesondere wenn es seitens der Politik hierzu keine
strengeren Vorgaben gibt. Passende Regeln aufzustellen, die
sowohl ökonomischen als auch ethischen Ansprüchen genügen, ist
eine der zentralen Herausforderungen unseres digitalen Zeitalters.
68%
51%
40%
34%
64%
56%
Lesetipp:
Vodafone Institut für Gesellschaft & Kommu-
nikation (2016): Big Data. Wann Menschen
bereits sind, ihre Daten zu teilen.
(www.vodafone-institut.de)
28 COMMUNICATION INSIGHTS – ISSUE 4
DAS DIGITALE PUBLISHING HOUSE VON BOSCH
MEHR RELEVANZ UND EINE BESSERE REPUTATION DURCH EINE DATENBASIERTE
KOMMUNIKATION
Bosch ist einer der Vorreiter in Deutschland für digitale, datenbasierte Kommunikation. Das Unternehmen verfolgt einen integrierten
„Publishing House“-Ansatz und rückt nicht mehr nur die eigene Marke oder Produkte in den Mittelpunkt. Stattdessen werden Themen aus
dem Netz geltert, die für die Stakeholder besonders relevant sind. Die zentrale Rolle hierbei spielt die Abteilung Digitale Kommunikation
unter Leitung von Dr. Michael Schmidtke. Das Team verantwortet die digitalen Kanäle und Methoden und hilft die richtigen Inhalte an
die richtigen Zielgruppen zu vermitteln. Für die Fallstudie wurden Anfang 2017 vier Experteninterviews mit Führungskräften und Mitar-
beitern der Abteilung Digitale Kommunikation geführt. Näher beleuchtet wird, wie Daten in den einzelnen Planungsschritten des Content
Marketings strategisch genutzt werden.
Die Abteilung Digitale Kommunikation
Die Abteilung Digitale Kommunikation ist Teil des Bereiches Corpo-
rate Communications und Brand Management unter der Leitung von
Dr. Christoph Zemelka. Rund 15 Mitarbeiter arbeiten im Team von
Dr. Michael Schmidtke an den Standorten Stuttgart und Chicago.
Konkrete Aufgabenfelder liegen u. a. in der technologischen Umset-
zung und Weiterentwicklung der digitalen Unternehmensauftritte
(von Bosch.com über BoschGlobal auf Social Media bis zu VR Experi-
ences und Zukunftsthemen wie Bots), in der inhaltlichen Bespielung
und Orchestrierung dieser Kanäle bis hin zum Dialog und dem Bezie-
hungsmanagement mit Schwerpunkt auf den digitalen Zielgruppen
und Online Inuencern. Die Abteilung wurde 2010 ins Leben
gerufen – in einer Zeit, in der die digitalen Kanäle sowie die digi-
talen Zielgruppen immer wichtiger für die Reputation von Bosch
wurden. Bis heute ist das digitale „Publishing-House“ ein wich-
tiger Hebel, um die Relevanz und Reputation von Bosch weiter
zu steigern.
In der Abteilung arbeiten Spezialisten aus drei verschiedenen
Bereichen zusammen: Analytics & Data, Content & Dialog sowie
Technology & Innovation. Das Analytics-Team nutzt bestehende
Datenbestände und generiert aktuelle Online-Daten. Gemeinsam
mit dem Content-Team werden durch die Analyse dieser Daten
Erkenntnisse für die optimale Erstellung und Verbreitung von
Content gewonnen. Die Content-Mitarbeiter kommen aus den
Bereichen PR oder Journalismus und übernehmen, teilweise im
Zusammenspiel mit entsprechenden Agenturen, die redaktionelle
bzw. dialogorientierte Arbeit. Sie sind zusammen mit anderen
Content-Abteilungen im Sinne einer integrierten Kommunikation
29
COMMUNICATION INSIGHTS – ISSUE 4
»
Es ist heute unabdingbar, dass die unterschiedlichen Disziplinen – von Tech über
Content bis Analytics – direkt und jederzeit im Austausch sind und ein gemeinsames Ergebnis
schaffen. Ansonsten wird man den Anforderungen der digitalen Arenen kaum gerecht.
«
Dr. Michael Schmidtke
für die Erstellung bzw. Anpassung von Inhalten für die digitalen
Auftritte der Unternehmenskommunikation zuständig. Anderer-
seits führen sie den Dialog mit den digitalen Zielgruppen und
Inuencern auf den eigenen Kanälen und darüber hinaus. Das
Tech(nology)-Team ist wiederum für innovative technische
Formate, wie neuste Web oder Social Media Formate, Virtual
Reality, die Anwendung von Chatbots sowie für die technische
Umsetzung der Content-Verbreitung zuständig. Wie der Content
auf Webseiten oder Apps verbreitet und dargestellt werden soll,
geben die Content-Mitarbeiter vor.
00110
01010
Analytics & Data Content & Dialog Technology & Innovation
-
» Situationsanalysen
» (Real-time)Evaluationen
» Optimierung und
Aussteuerung
» Content Creation
und Dialog
» Redaktionelle und
kreative Arbeit
» Technische Umsetzung
und Innovation
» Management von
Plattformen und Tools
Aufgabenfelder der Abteilung Digitale Kommunikation der Robert Bosch GmbH
Aufgabenfelder der Abteilung Digitale Kommunikation der Robert Bosch GmbH
Dr. Michael Schmidtke, Director Digital Communications
Schmidtke leitet seit 2010 die digitale Kommunikation bei Bosch. Die Abtei-
lung ist u. a. für die strategische, technische und inhaltliche Weiterentwick-
lung der digitalen Unternehmensauftritte von den Corporate Websites über
Social Media und bis hin zu im Mobile Web verantwortlich. Die Arbeit der Abtei-
lung wurde bereits mit zahlreichen nationalen und internationalen Preisen im
Bereich der Marketing-, PR- sowie Onlinekommunikation ausgezeichnet.
30 COMMUNICATION INSIGHTS – ISSUE 4
Katharina Sorg, Digital Communications Manager
Die Kommunikationswissenschaftlerin und ausgebildete Journalistin
arbeitet seit 2013 bei Bosch und verantwortet digitale, internationale
Kampagnen. Ihr besonderer Fokus liegt dabei auf dem Thema Content
Marketing im Zeitalter des Internet der Dinge und der daraus entste-
henden notwendigen Verbindung von Content und Technik.
Erfolgsfaktor interdisziplinäre Zusammenarbeit
Die Digitale Kommunikation bei Bosch ist ein gutes Beispiel dafür,
wie eine Abteilung interdisziplinär arbeiten und verschiedene
Fachkräfte erfolgreich in eine gemeinsame Organisationsstruktur
integrieren kann. Bereits im Recruiting-Prozess wird darauf
geachtet, dass die Kandidaten Grundwissen und Interesse an
mindestens zwei der drei Aufga-
bengebiete mitbringen. Zudem
muss jeder Content-Mitarbeiter
für einige Zeit im Tech- oder im
Analytics-Team hospitieren, um die
Technologien besser zu verstehen.
Die Interdisziplinarität des Teams
wird als zentraler Erfolgsfaktor
für die Abteilung erkannt, auch
wenn damit gleichzeitig Heraus-
forderungen verbunden sind – wie
das Finden einer gemeinsamen
Sprache. Die Mitarbeiter der drei Teams stammen zumeist aus
verschiedenen Disziplinen mit unterschiedlichen Fachsprachen
und Denkweisen. Durch Hospitanzen in den verschiedenen Teams
und direkte Kommunikation in kleinen Gruppen können Kommu-
nikationsprobleme minimiert werden. Auch der tägliche Jour xe
für alle Mitarbeiter trägt dazu bei.
Die Bedeutung von Daten im Kommunikations-
planungsprozess
Der Planungsprozess in der digitalen Kommunikation bei Bosch
ist als Endlosschleife angelegt. Das heißt, dass die Erkenntnisse
aus der kontinuierlichen Evaluation aller Schritte in die nächste
Planungsphase einießen. Laut Dr. Michael Schmidtke gliedert
sich der Prozess in:
Analytics-Phase
Content-Strategie
Content-Erstellung und -verbreitung
Evaluationsphase (parallel zu den Aktivitäten)
Situationsanalysen und Strategieformulierung
Die strategische Ausrichtung der digitalen Kommunikation ist grund-
sätzlich eng an die Unternehmensstrategie von Bosch angelehnt. Es
werden kontinuierlich Markt-, Wettbewerbs- und Themenanalysen
durchgeführt, an denen sich die Kommunikatoren bei der Erstellung
und Verbreitung von Inhalten orientieren. Die Datenanalysen geben
Antworten auf folgende Fragen:
Welche Themen sind für unsere
digitalen Zielgruppen relevant?
Welche inhaltlichen Aspekte stehen
im Vordergrund? Wo kann Bosch
inhaltlich anknüpfen? Wie nehmen
Wettbewerber Stellung und wie hoch
ist deren Deutungsmacht (Stichwort
Share of Voice)? Diese Situationsana-
lysen bilden den Ausgangspunkt, um
konkrete Ziele und Maßnahmen zu
formulieren.
Am Beispiel Automatisiertes Fahren – ein Thema, das für Bosch von
großer strategischer Bedeutung ist – wird das Vorgehen deutlich.
Neben Analysen des Marktes und der Wettbewerber wurden weitere
Schritte unternommen, um die Kommunikationsstrategie über einen
Zeitraum von nunmehr mehr als drei Jahren zu optimieren. U.a.
setzte die verantwortliche Content-Mitarbeiterin Alexandra Linsen-
meier in Zusammenarbeit mit dem Anbieter eines Social-Media-Mo-
nitoring-Tools Analysen auf, die eine Reihe von Erkenntnissen zum
automatisierten Fahren generieren: Welche Themenaspekte sind für
den Nutzer relevant? Welche Fragen haben sie? Welche Marken werden
in dem Kontext genannt? Wie sind die Wettbewerber positioniert? Wie
wird Bosch assoziiert?
An Komplexität gewinnen die Themenanalysen durch die globale
Ausrichtung der Abteilung Digitale Kommunikation. Bei länderüber-
greifenden Analysen sind auch die lokalen Kommunikationsabtei-
lungen von Bosch involviert. Aus der Zentrale wird laut Kai Fetzer „ein
Grundgerüst, ein analytischer Rahmen“ vorgegeben. Die Durchführung
der Analysen erfolgt lokal. Anders könne man der Mehrsprachigkeit
und den kulturellen Unterschieden der semantischen Abfrage nicht
gerecht werden. Auf dieser Grundlage werden schließlich länderspezi-
sche Content-Kampagnen konzipiert und durchgeführt.
»
Für uns ist die digitale datenbasierte
Kommunikation eine Form, bei der sich
PR und Marketingkommunikation treffen.
Für uns ist es daher ein ganz wichtiger
strategischer Schritt hier weiterzugehen,
weil wir denken, dass das auch
die Zukunft ist.
«
Katharina Sorg
31
COMMUNICATION INSIGHTS – ISSUE 4
Kai Fetzer, Digital Analytics Manager
Kai Fetzer beschäftigt sich im Team mit der Erfassung, Verarbeitung,
Visualisierung und Analyse von Online-Daten. Innerhalb des Bosch
Konzerns ist er zusätzlich Produktverantwortlicher der externen Social
Media Monitoring Lösung.
»
Wir sind sehr offen und
experimentierfreudig. Wenn die Analysen
uns sagen, das ist positiv, dann gehen
wir den nächsten Schritt. Irgendwann
wird daraus vielleicht eine größere
Kampagne.
«
Kai Fetzer
Die Kreation und Verbreitung von Content
Die Aufarbeitung der Themen erfolgt größtenteils in der Abteilung
selbst und wird gegebenenfalls durch verschiedene Agenturen bzw.
Tools (z.B. Social Media Monitoring, Webtracking) unterstützt.
Anhand der Daten wird festgelegt, über welche Kanäle welcher
Content ausgespielt wird. Auf Basis von Zielgruppenanalysen
werden spezische Formate für die jeweiligen Kanäle entwickelt.
Nicht jeder Content wird dabei neu kreiert. Bei jedem Thema wird
recherchiert, welche „Content-Stücke“ in der digitalen Kommuni-
kation oder in anderen Abteilungen
und Geschäftsbereichen bereits
erstellt wurden. Diese können
dann für die Zielgruppe in einem
passenden Format und bezogen auf
den Anlass neu aufbereitet werden.
Um die Verbreitung von Inhalten
auf den eigenen digitalen Kanälen
zu unterstützen, spielt eine
Paid-Media-Strategie eine wichtige
Rolle. Dadurch wird den Zielgruppen gezielt die Inhalte angeboten,
die für sie mit hoher Wahrscheinlichkeit relevant und interessant
sind. Dies führt zu einer deutlich höheren Interaktion der Nutzer
mit den Inhalten und fördert die Weiterverbreitung in deren
eigenen Netzwerken.
Die Abteilung Digitale Kommunikation setzt zudem auf neue,
unkonventionelle Kommunikationsmaßnahmen und lässt sich dafür
von den Stakeholdern inspirieren. „Auf Facebook haben wir mehr
als eine Million Fans. Da kommen viele gute Ideen rein – wie für die
Kampagne Love my fridge“, so Alexandra Linsenmeier. Auch die von
Bosch initiierten Hackathons orientieren sich an den Interessen
der Stakeholder. Die Zielgruppen werden direkt involviert und sind
an der Content-Erstellung selbst beteiligt. In einigen Kampagnen
wurden die Blogger auch selbst zu Protagonisten.
Nicht jede Idee führt allerdings direkt zu einer größeren Kampagne.
Um ein Thema auszuloten, werden gern kleinere Kommunikations-
aktivitäten als Pilot genutzt, die wertvolles Analyse- und Daten-
material liefern.
Evaluation der Content-Maßnahmen
Für die Evaluation werden hauptsächlich Social-Media- und
Online-Analysen durchgeführt und zwar nicht erst am Ende einer
Kampagne, sondern begleitend. Mittels Echtzeitanalysen wird evalu-
iert, was funktioniert und was nicht. So können die Mitarbeiter
analysieren, „wie erfolgreich Kampagnen verlaufen und wie wir diese
operativ bzw. inhaltlich optimieren können“, erklärt Kai Fetzer. Auf
gleiche Weise können die Kommunikatoren auch den Erfolg von
Werbemaßnahmen bewerten und vergleichen.
Zusätzlich können herkömmliche
Marktanalysen mit Zielgruppenbe-
fragungen zum Einsatz kommen.
Diese sind allerdings aufwändiger
und teurer, so dass sie je nach
Budget ergänzend durchgeführt
werden.
Zentrale Steuerungsgröße der
Digitalen Kommunikation ist
die Reputation des Unternehmens. Weitere Zielgrößen, die für
die Evaluation der Einzelmaßnahmen herangezogen werden, sind
die Brand Awareness bezüglich eines bestimmten Themas, das
Customer Engagement oder die Höhe des Share of Voice im Vergleich
zur Konkurrenz. Bei der Digitalkampagne Love my fridge konnte
zudem ein signikanter Anstieg der Umsatzzahlen im Segment der
Retro-Kühlschränke gemessen werden. Die Evaluation ermöglicht
es auch, der Geschäftsführung den Wertbeitrag der durchgeführten
Maßnahmen zu belegen.
Welche Daten werden gesammelt und analysiert?
Für die Analysen greifen die Kommunikatoren auf eigene Kampa-
gnendaten zurück. Weiterhin werden Daten aus externen Quellen
analysiert, zumeist aus dem Social-Media- und Online-Bereich. Die
Daten sind am kostengünstigsten und die weltweite Verfügbarkeit
für das global aufgestellte Unternehmen wichtig.
Die Auswertung der eigenen Kampagnen vermitteln der Abteilung
wertvolle Erkenntnisse, welche Formate und welche Inhalte bzw.
32 COMMUNICATION INSIGHTS – ISSUE 4
Interdisziplinarität: Verschiedene Funktionen und Diszip-
linen werden in einer Abteilung integriert.
Diversität: Verschiedene Experten mit journalistischem,
technischem und analytischem Hintergrund bringen unter-
schiedliches Know-how mit.
Kommunikation: Regelmäßige Meetings und stetige
Kommunikation vor Ort fördern die Verständigung.
Lernen: Jeder Aspekt des Content-Marketing-Prozesses wird
evaluiert und die Erkenntnisse für zukünftige Maßnahmen
genutzt.
Experimentieren: In Pilotprojekten sammeln die Mitar-
beiter Erfahrung mit neuartigen, ideengenerierenden
Maßnahmen.
Datenbasierte Entscheidungsndung: Die Datenbasis
wird kontinuierlich erweitert, um die einzelnen Phasen des
Planungsprozesses zu optimieren und prädiktive Analysen
durchführen zu können.
Die Robert Bosch GmbH ist ein international führendes Technologie- und Dienstleistungsunternehmen mit weltweit rund 390.000
Mitarbeitern. Sie erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2016 einen Umsatz von 73,1 Milliarden Euro. Die Aktivitäten gliedern sich in die
vier Unternehmensbereiche Mobility Solutions, Industrial Technology, Consumer Goods sowie Energy and Building Technology. Stra-
tegisches Ziel der Bosch-Gruppe sind Lösungen für das vernetzte Leben. Das Unternehmen ist führender Anbieter im Bereich Internet
der Dinge (IoT). Hier bietet Bosch innovative Lösungen für Smart Home, Smart City, Connected Mobility und Industrie 4.0 an.
Alexandra Linsenmeier, Digital Communications Manager
Die Kommunikationswissenschaftlerin arbeitet seit 2012 bei Bosch
und verantwortet unter anderem die Content- und Kampagnen-
Steuerung
der „Bosch Global“ Social-Media-Kanäle. Dabei beschäf-
tigt sich Alexandra Linsenmeier insbesondere mit der Verzahnung
von Analytics und digitalem Content, um die nutzerzentrierte
Kommunikation voranzutreiben.
Texte bei welchen Zielgruppen gut funktionieren. Laut eigener
Aussage können die Kommunikatoren den Erfolg sogar recht
gut prognostizieren. Im Bereich
Social Media sind die Analysen so
verlässlich, dass sich identizierte
Muster auf die Zukunft übertragen
lassen. Und auch wenn viele der
Analysen teilweise automatisiert
ablaufen, so bleibt der mensch-
liche Aspekt zentral: „Wir haben
keine einzige Sache bei uns, die
voll automatisiert ist“, erklärt Dr.
Michael Schmidtke. Die qualitative Grundlage sowie die spätere
qualitative Einordnung der Ergebnisse werden immer durch die
Mitarbeiter durchgeführt.
Bei der Datengenerierung und -nutzung orientiert sich Bosch an
den deutschen bzw. europäischen Datenschutzstandards. Inner-
halb dieses rechtlichen Rahmens
werden die Social-Media-Daten u. a.
mit den Analysen der zahlrei-
chen Webseiten und Apps sowie
den Erkenntnissen von Agenturen
verknüpft. So werden beispiels-
weise zu einem bestimmten Thema
die Ergebnisse von Mediareso-
nanzanalysen in den Datenpool
aufgenommen sowie Agenturinfor-
mationen zu relevanten Zielgruppen und deren Mediennutzungs-
verhalten. Wie viele Daten herangezogen werden, hängt letztend-
lich immer vom Kampagnenbudget ab.
»
Jedes erfolgreiche datenbasierte
Projekt lebt davon, dass die Content-
Verantwortlichen die Datenqualität sicher-
stellen. Ansonsten messen und kommuni-
zieren wir an der Realität vorbei.
«
Alexandra Linsenmeier
33
COMMUNICATION INSIGHTS – ISSUE 4
Erfolgsfaktoren der datenbasierten digitalen Kommunikation bei Bosch
DATENBASIERTES ONLINE-MARKETING BEI OTTO
EIN INTERVIEW MIT DER LEITERIN DES ONLINE-MARKETINGS KERSTIN PAPE
OTTO ist Deutschlands größter Onlinehändler für Fashion und Lifestyle. 1949 wurde das Unternehmen als einer der ersten Katalogver-
sender gegründet und hat erfolgreich den Wandel zum modernen E-Commerce-Unternehmen gemeistert. Über 90 Prozent aller Produkte
werden heute online verkauft. Big Data spielen für das Unternehmen dabei eine entscheidende Rolle. Über 900 verschiedene Datenpunkte
können pro Kunde ausgewertet werden. Kerstin Pape, Bereichsleiterin des Online Marketings bei OTTO, gibt einen Ein- und Ausblick, wie
Big Data im Unternehmen genutzt werden.
Frau Pape, auch in der Vergangenheit agierte OTTO mit einer
großen Zahl an Kundendaten. Was ist das Neue an Big Data?
Das Besondere an Big Data ist die Möglichkeit, riesige Datenmengen
nahezu in Echtzeit zu sammeln, auszuwerten und entsprechend zu
nutzen. Das macht das Thema für uns richtig spannend. Ich möchte
aber gleich am Anfang betonen, dass wir bei OTTO ausschließ-
lich anonymisierte Nutzerdaten
verwenden, die keinen Rückschluss
auf persönliche Informationen
ermöglichen und alle Datenschutz-
bestimmungen und geltenden
Gesetze einhalten.
Zurück zu Big Data: Unser Ziel
ist es, dass wir innerhalb von 30
- 60 Minuten die aktuellen Online-
Daten mit weiteren Daten aus dem Back-end verknüpfen und unsere
Kommunikation entsprechend aussteuern können. Voraussetzungen
dafür sind leistungsfähige Big-Data-Plattformen sowie intelligente
Algorithmen. Diese Infrastruktur haben wir in den letzten Jahren
in-house aufgebaut. Dies bedeutet für uns einen großen Fortschritt
bei der Digitalisierung unseres Geschäfts-
modells und aller Geschäftsprozesse. Ob
Einkauf, Vertrieb oder Marketing – alle
Bereiche werden durch die Digitalisierung
verändert – nur der Reifegrad ist noch
unterschiedlich. Das Online-Marketing ist
sicherlich einer der Vorreiter im Unter-
nehmen.
Warum werden alle Daten in-house
bearbeitet und nicht an externe
Dienstleister auslagert?
Der Hauptgrund ist die Sicherstellung
größtmöglicher Datensicherheit und
Privatsphäre, indem jeder Aspekt des
Datenmanagements im eigenen Haus
kontrolliert wird. Vorteil ist dabei vor
allem, dass wir die Hoheit über unsere
Nutzerdaten haben und diese auch
für eine orchestrierte Aussteuerung
nutzen können. Wir möchten dem Kunden entlang seiner Customer
Journey das relevante Werbemittel zur relevanten Zeit im relevanten
Umfeld zeigen und dies bestmöglich mit unseren Daten über alle
Touchpoints aussteuern. Außerdem wollen wir unsere Daten nicht
zwangsläug mit Agenturen oder anderen Dienstleistern teilen, die
im Zweifel auch für den Wettbewerb arbeiten.
Wo kann man mit Big Data am
meisten herausholen?
Big Data bietet die größten Poten-
ziale vor allem da, wo nutzerbasiert
agiert wird – beispielsweise für unsere
Online-Plattformen wie otto.de, für
Real-Time-Advertising oder für den
personalisierten Newsletter. Hinzu
kommen Push-Meldungen in der App
oder auch Chat-Bots. Wir versuchen alle Kanäle übergreifend zu
steuern und zu optimieren und wollen in Zukunft auch die Ofine-Ka-
näle mit einbinden. Zudem können unsere Datenanalysen die Stra-
tegie unterstützen, indem größere Trends identiziert werden.
»
Als Familienunternehmen hat die
Datensicherheit einen sehr hohen Stel-
lenwert bei OTTO. Deswegen messen wir
eigentlich alles selbst.
«
Kerstin Pape
34 COMMUNICATION INSIGHTS – ISSUE 4
Über prädiktive Analysen wird aktuell intensiv diskutiert.
Inwiefern können aus Ihrer Sicht Big-Data-Analysen die
Zukunft vorhersagen?
Das Thema ist für uns sehr interessant. Predictive Analytics
unseres eigenen Business-Intelligence-Teams helfen uns entschei-
dend dabei, den Produktlebenszyklus
eines Artikels vorherzusagen – von
der Trenderkennung über die Sortim-
entsplanung und Absatzprognose bis
hin zur Abverkaufsoptimierung. Der
Algorithmus stammt ursprünglich aus
der experimentellen Kernphysik, lässt sich aber auch auf betriebs-
wirtschaftliche Fragestellungen anwenden. Auf Basis von Vergan-
genheitsdaten in Kombination mit rund 200 aktuellen Variablen
prognostiziert er das Einkaufsverhalten auf otto.de. So erreichen
wir eine gute Lieferbereitschaft bei geringen Restbeständen, von
der unsere Kunden, unser Unternehmen und die Umwelt gleicher-
maßen protieren. Recht intensiv nutzen wir prädiktive Analysen
mittlerweile auch für unser Attributionsmodell, für Prognosen des
Nettoumsatzes, von eingekauften Clicks, Visits, Conversions, oder
Produkt- & Markenafnität. Perspektivisch werden die zukünftigen
Prognosen noch an Umfang gewinnen.
Nutzen Sie Daten auch zur Erfolgskontrolle?
Auf jeden Fall! Um den Erfolg unserer Marketing-Anstrengungen
bewerten zu können, tragen wir in-house viele detaillierte Erfolgs-
indikatoren aus verschiedenen Quellen zusammen – angefangen
beim Budget, Umsatz und Ergebnis. Dann Impressions, Click-Rates,
Conversion-Rates, Retouren, Neukundenquoten usw. Der Überblick
über beispielhafte KPIs (siehe Abbildung oben) zeigt, welche Daten
u. a. auf unserer Website gesammelt werden. Welche konkreten
Indikatoren im Anschluss für welche Evaluation genutzt werden,
hängt dabei immer vom einzelnen Anwendungsfall ab. Zudem
evaluieren wir einmal pro Woche unseren eigenen Business-Intel-
ligence-Prozess für das Attributionsmodell. Hierzu wird ein Quali-
tätsfaktor bestimmt, der die Genauigkeit unseres Prognose-Modells
bewertet. Ist er zu niedrig, müssen wir nachjustieren oder neue
Kennzahlen ergänzen. So reagieren
wir dynamisch auf Entwicklungen
in der Unternehmensumwelt und
verbessern permanent die Genauig-
keit der Big-Data-Anwendungen.
Individuelle Kundenansprache durch Big Data ist ein zent-
rales Ziel des Online-Marketings bei OTTO. Wie granular
werden Kundendaten heruntergebrochen?
Wir können über 900 einzelne Datenpunkte sammeln und auswerten
– zum Kaunteresse, Kaufverhalten, Retoureverhalten und noch
viele mehr. Wir können auch die Region zuordnen, woher ein Kunde
kommt, auch wenn diese Zuordnung durch mobile Daten schnell
verfälscht werden kann. Dies ermöglicht uns ein regionales Targe-
ting. All diese Daten werden in unsere Prognosen integriert, die wir
für verschiedene Use Cases anwenden.
Spielt das Bauchgefühl angesichts all der Daten überhaupt
noch eine Rolle?
Ich glaube, Intuition spielt eine extrem große Rolle. Idealerweise
kombiniert man beides – Datenanalysen und Bauchgefühl. Aber es
ist wichtig, mit menschlicher Expertise kritisch auf die Daten zu
schauen und zu bewerten, ob sie stimmig sind. Und wir wollen auch
nicht alles automatisieren. Es gibt bestimmte Inhalte, für die wir
bewusst keine automatisierten Texte verschicken wollen, um uns
»
Im digitalen Umfeld ist das Thema
Automatisierung alternativlos.
«
Kerstin Pape
Beispiel-KPIs für das Online-Marketing bei OTTO
» Eingesetztes Budget
» Impressions
» Clicks
» (qualizierte) Visits
» (qualizierte) Conversion
» Höhe des Warenkorbes
» Art des Sortiments/
der Artikel
» Gutschein ja/nein
» Sofort-Stornos
» Lieferausfälle
» Retourenquote
» Print-Faktoren
» Variable Kosten
» Neukundenleistung
ONLINE-MARKETING KANÄLE OTTO.de (TRACKING) INFOS AUS BACKEND-
SYSTEMEN
35
COMMUNICATION INSIGHTS – ISSUE 4
vom Wettbewerb zu differenzieren. Auch Algorithmen werden in
letzter Instanz immer noch einmal von einem Menschen bewertet.
Ich glaube nicht daran, dass Maschinen in naher Zukunft alles
selbstständig machen, sondern es wird noch länger eine Kombina-
tion von beidem sein.
Wie sieht Ihr Team aus? Sitzen bei Ihnen zukünftig nur noch
IT- und Data-Experten?
Nein – eigentlich gar nicht. Bei OTTO gibt es eine zentrale Busi-
ness-Intelligence-Unit, in der die Data Scientists sitzen. Mit denen
arbeiten wir als Online-Marketing eng zusammen. Grundsätzlich ist
aber die Teamzusammensetzung schon eine Herausforderung. Auf
der einen Seite brauchen wir Spezialisten, weil wir immer arbeitstei-
liger werden. Gleichzeitig brauchen wir aber auch Generalisten, die
in der Lage sind, Channel-übergreifend zu denken und selbstständig
zu agieren. Richtige Data Scientists sind im Online-Marketing nicht
notwendig – diese sind in einer zentralen Einheit gebündelt. Analy-
tische Grundkenntnisse und zum Teil erweiterte Kenntnisse bei
Einzelpersonen in den Teams setzen wir hingegen schon voraus. Ich
brauche keine Leute bei mir, die Modelle bauen. Aber ich brauche
Leute, die eine hohe Afnität zu analytischen Themen haben sowie
ein wachsendes Technologie-Verständnis und technologische Fähig-
keiten.
Gibt es Probleme bei der Zusammenarbeit?
Mit der Abteilung Business Intelligence und innerhalb unseres
Teams sind Kommunikationsprobleme erfahrungsgemäß trotz der
unterschiedlichen Funktionen kein Problem. Im Bereich der Soft-
ware-Entwicklung ist das anders. Hier ist es durchaus sinnvoll, dass
jemand an der Schnittstelle zwischen IT und Marketing sitzt, der
zwischen den verschiedenen „Sprachen“ vermitteln kann. Generell
achte ich darauf, dass Mitarbeiter teamorientiert denken und inter-
disziplinär zusammenarbeiten wollen.
Abschließend noch ein Blick in die Zukunft: Was wird Sie in
den nächsten Jahren beschäftigen?
Für mich ist es vor allem das Thema Automatisierung. Die Komple-
xität im Marketing-Bereich explodiert durch die wachsende Zahl
der Kanäle, Digital Devices und mobiler Anwendungen. Um diese
Komplexität zu bewältigen, brauche ich entweder viel mehr Mitar-
beiter oder automatisierte Anwendungen. Am Anfang muss man
hier recht viel investieren, aber ich bin mir sicher, dass sich das
auszahlt.
Vielen Dank für das ausführliche Interview!
OTTO hat den Onlinehandel von Beginn an als Chance begriffen. Schon 1995 war OTTO als einer der ersten deutschen
Versandhändler mit einem ausgewählten Angebot unter OTTO.de im Netz vertreten. Seit 1997 ist das komplette Katalog-
sortiment online verfügbar, inzwischen über 2,2 Millionen Artikelpositionen. Anderthalb Jahrzehnte Erfahrung und ein
ausgeprägtes Verständnis für Kundenwünsche zahlen sich heute aus: Als größter deutscher Onlinehändler im Bereich Fashion
und Lifestyle erwirtschaftet OTTO über 90 Prozent des Umsatzes im Netz.
Kerstin Pape ist Leiterin des Bereichs Online-Marketing bei OTTO mit
über 100 Mitarbeitern. Pape verantwortet das Search Engine Optimiza-
tion, Search Engine Advertising, die Preis- und Produktsuchmaschinen,
das Afliate-Marketing, Display/Programmatic Buying und Social
Media. Angesiedelt ist die Abteilung in der Direktion Customer & Sales.
36 COMMUNICATION INSIGHTS – ISSUE 4
WOHIN GEHT DIE REISE?
ZUKÜNFTIGE ENTWICKLUNGEN VON BIG DATA IN DER STRATEGISCHEN KOMMUNIKATION
Die interviewten Experten sind sich einig: Die Unternehmenskommunikation wird zukünftig datenbasierter und automatisierter. Doch welche
Bereiche werden am meisten von dieser Entwicklung protieren? Wie weit wird die Automatisierung in der strategischen Kommunikation gehen?
Die Meinungen gehen hierzu auseinander. Einigkeit besteht jedoch darin, dass sich die Disziplin mit Zukunftstechnologien wie neuen und sich
verändernden Social-Media-Plattformen, Virtual Reality und vor allem künstlicher Intelligenz auseinandersetzen muss. Die Übersicht zeigt, wie
sich die Kommunikation nach Aussage der Experten durch die Möglichkeiten von Big Data verändern könnte.
KÜNSTLICHE
INTELLIGENZ
INDIVIDUELLE
ONE-TO-ONE-
KOMMUNIKATION
VIRTUELLE
SPRACHASSISTENTEN
UND NEUE
TECHNOLOGIEN
Eine wachsende Zahl an Daten und Kommunikationskanälen,
die mittels Big-Data-Analysen ausgewertet werden, erlauben
eine individuellere Kunden- und Stakeholderansprache (nahezu)
in Echtzeit.
Sprachsteuerung durch virtuelle, sprachbasierte Assistenten
wie Siri, Alexa & Co. werden an Bedeutung gewinnen und unsere
Kommunikationsgewohnheiten verändern. Gleichzeitig werden
diese zu neuen Gatekeepern. Zudem werden neue Technologien,
wie 3D oder Virtual Reality noch stärker genutzt werden.
Künstliche Intelligenz ist eine zentrale Herausforderung
für eine automatisierte Kommunikation und wird verstärkt
Einzug in die Kommunikation halten.
» Automatisierte Texterstellung
» Individuelle One-to-One-Ansprache
» Service Bots
» Automatisierte Datenanalysen zur Evaluation
MARKTKOMMUNIKATION
Die Kundenkommunikation wird laut
Experten am meisten von Big-Data-Analysen
protieren – beispielsweise durch:
» Individuelle Produkt- und Marken-
kommunikation
» Online-Touchpoint-Analysen
» Prädiktive Analysen zur Verbreitung von
Produkt- und Markenbotschaften
» Identikation von Themen für das
Content-Marketing
» Verarbeitung von umfangreichen
Kundendaten für das Online-Marketing
nahezu in Echtzeit
» Bestimmung von Marktanteilen durch
Share-of-Voice-Analysen
PUBLIC RELATIONS
Die PR werden Big-Data-Analysen in Zukunft
noch stärker nutzen für:
» Individuelle Kommunikation mit
Journalisten, Investoren, Politikern etc.
» Online-Touchpoint-Analysen
» Identikation von Themen für das
Storytelling
» Issues-Analysen und Themenanalysen für
das Issues Management bzw. Krisen-
kommunikation
» Identikation von relevanten Inuencern
» Verbesserung des Reputationsmanagement
» Share-of-Voice-Analysen u.a. zur Erfolgs-
messung
INTERNE KOMMUNIKATION
Die Möglichkeiten von Big Data für die
interne Kommunikation werden trotz
gewaltiger Potenziale bislang eher
stiefmütterlich behandelt. Denkbar wären:
» Individuelle Kommunikation
mit Mitarbeitern
» Automatisierte Evaluation der internen
Kommunikationsmaßnahmen
» Wahrnehmung und Verständnis von
Botschaften
» Nutzungsgewohnheiten von internen
Medien und Kanälen
37
COMMUNICATION INSIGHTS – ISSUE 4
Anonymisieren ist das Verändern personenbezogener Daten, so
dass die Einzelangaben nicht mehr oder nur mit einem unverhält-
nismäßig großen Aufwand an Zeit, Kosten und Arbeitskraft einer
bestimmten Person zugeordnet werden können. Pseudonymisieren
ist das Ersetzen des Namens und anderer Identikationsmerkmale
durch ein Kennzeichen zu dem Zweck, die Bestimmung des Betrof-
fenen auszuschließen oder wesentlich zu erschweren. (BFDI, 2010)
Big Data wird als Begriff sehr häug, dabei aber sehr inkonsis-
tent gebraucht. Wir verstehen unter Big Data große Informa-
tionsbestände, die sich durch ein hohes Volumen (Volume), eine
hohe Geschwindigkeit (Velocity), eine große Vielfalt (Variety) und
eine hohe Genauigkeit (Veracity) auszeichnen. Sie werden mittels
Computer- und digitaler Speichersysteme erzeugt und gesammelt, so
dass sie von Organisationen und Personen genutzt werden können.
(Wiencierz & Röttger, 2017)
Big-Data-Laboratory ist ein Forschungslabor, in dem Mitarbeiter
experimentell mit einer hohen Fehlertoleranz arbeiten können, um
innovative Big-Data-Verfahren zu entwickeln, z. B. für eine Optimie-
rung des Issues Managements. Hierzu werden verschiedene Daten
gesammelt, verwaltet und analysiert. Während ein Data Warehouse
bisher eher interne Daten für analytische Zwecke beinhalte, kommen
nun neue Informationen wie Sensordaten, App-Daten, Daten aus
sozialen Medien etc. hinzu, die in einem Date Lake gesammelt
werden.
B
usiness Intelligence und Business Analytics sind Sammelbe-
griffe für IT-gestützte Verfahren und Prozesse zur systematischen
Sammlung, Auswertung und Darstellung von Daten. Sie helfen
dem Unternehmensmanagement bei der Entscheidungsndung
und Steuerung. Während Business Intelligence sich eher auf die
Auswertung von Daten aus der Vergangenheit bis hin zur Gegen-
wart fokussiert, werden mittels Business Analytics Simulationen
oder Prognosen für die Zukunft erstellt. Bei beiden Prozessen
werden die Methoden des Data Minings genutzt. (Chen, Chiang &
Storey, 2012; Davenport, 2006)
In einem Command Center werden spezische, bereits optimierte
Big-Data-Anwendungen zentral durchgeführt, wie z. B. Social-Me-
dia-Analytics oder Issues Management. Die Spezialisten im Command
Center agieren als zentrale Dienstleister für alle anderen Unternehmens-
bereiche und leiten relevante Informationen an zuständige Fachbe-
reiche und Spezialisten weiter. Die Nähe zum Big-Data-Laboratory ist
vorhanden, gleichwohl die Auswertungen in einem Command Center
spezialisierter und aufgabenspezischer sind und keine bzw. eine
geringe Fehlertoleranz nötig ist.
Ein Data Warehouse ist eine für Analysezwecke optimierte, zentrale
Datenbank, in der unternehmensspezische, historische Daten zusam-
mengetragen und verdichtet werden. Daten werden aus mehreren, in
der Regel heterogenen Quellen zur Archivierung zusammengeführt.
Ziel des Data Warehouse ist ein historischer Datenpool für weitere
Analysen und Erkenntnisse als betriebswirtschaftliche Entscheidungs-
hilfe. In einem Data Warehouse sind häug Daten für die Durchfüh-
rung des Business Intelligence und der Business Analytics gespeichert.
(Wierse & Riedel, 2017, S. 33)
Im Gegensatz zum Data Warehouse, indem nur verdichtete Daten
gespeichert werden, liegen in einem Data Lake strukturierte, semi-
oder unstrukturierte Daten nah am Rohdatenformat schemafrei vor. Die
Struktur folgt mit der Anwendung, wenn die Daten gebraucht werden.
(BARC, 2016, S. 25) Das Konzept des Data Lakes wird als ein Daten-
archiv und eine Ablaufumgebung für fortgeschrittene Analysen und
Explorationen gesehen.
Unter Data Mining versteht man die Anwendung von Methoden und
Algorithmen zur möglichst automatischen Extraktion empirischer
Zusammenhänge zwischen Planungsobjekten, deren Daten in einer
hierfür aufgebauten Datenbasis bereitgestellt werden. (Lackes, 2017)
GLOSSAR: WAS IST WAS?
ZENTRALE BEGRIFFE AUS DER BIG-DATA-WELT
Z
38 COMMUNICATION INSIGHTS – ISSUE 4
Z
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QUELLENVERZEICHNIS
Hadoop ist eine in Java programmierte und frei verfügbare Big-Da-
ta-Software. Mit Hadoop können rechenintensive Prozesse mit großen
Datenmengen auf Computerclustern, d. h. auf verschiedenen mitein-
ander verknüpften Computern oder Servern im Petabyte-Bereich
(1.000.000 Gigabyte) mit enormer Geschwindigkeit durchgeführt
werden. Hadoop gilt als Pionier und bekanntestes Beispiel für Big-Da-
ta-Software. Prominente Nutzer sind u. a. Facebook, IBM, LinkedIn
oder Spotify. (Apache Hadoop, 2017)
Ein iterativer Prozess beschreibt einen Prozess mit mehrfachen
Wiederholungen, in denen gleiche oder ähnliche Handlungen
schrittweise solange durchgeführt werden, bis das Ergebnis der
Anwendung dem geforderten Anspruch für die Zielerreichung
entspricht. So werden beispielsweise bei der Analyse von sozialen
Medien solange Suchwörter bestimmt und ausprobiert, bis die
benötigte Online-Kommunikation mit diesen Wörtern erfasst wird.
Queries sind eine Zusammensetzung von Keywords bzw. Suchwörtern
auf Basis von festgelegten Themen und Interessensschwerpunkten,
die sich beliebig miteinander und mit Suchoperatoren kombinieren
lassen, um damit im World Wide Web zielgerichtet Inhalte zu identi-
zieren und zu generieren. Auch Ausschlusskriterien können zu diesen
Queries gehören, z. B. Suchwörter, die unwichtige Beiträge aufnden.
Die Queries bestehen meist aus einer Kombination aus Suchwörtern,
welche durch Suchoperatoren oder konkret durch die boolschen Logik-
operatoren wie UND, ODER, NICHT verknüpft werden (BVDW, 2017).
Synthetische Daten sind künstlich erzeugte Daten auf Basis eines
Ausgangsdatensatzes, die keinen direkten Bezug zu den Ursprungs-
daten haben, aber weitestgehend die gleiche Qualität besitzen. Auf
diese Weise können z. B. persönliche Daten in synthetische Daten
irreversibel überführt werden, um diese beliebig zu verwenden. Rück-
schlüsse auf die ursprünglichen Personen sind nicht möglich.
39
COMMUNICATION INSIGHTS – ISSUE 4
Stärkung der internen und externen Akzeptanz von
Unternehmenskommunikation
Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses der Profession
Überzeugende Vermittlung des Wertbeitrags von Kommuni-
kation für die Unternehmensziele
Austausch von Best Practices und Benchmarks
Relevante wissenschaftliche Erkenntnisse für die Praxis
Orientierung für die universitäre Ausbildung sowie die
Fortbildung in Unternehmen
Stärkung der wissenschaftlichen Forschung
VALUE CREATING COMMUNICATION
DAS FORSCHUNGSPROGRAMM DER AKADEMISCHEN GESELLSCHAFT
Die Zukunft der Unternehmenskommunikation gestalten, ein
konsistentes Prol der Profession erarbeiten und die wichtigsten
Herausforderungen besser verstehen – das sind die zentralen Ziele
des Forschungsprogramms Value Creating Communication, das die
Akademische Gesellschaft für Unternehmensführung & Kommuni-
kation seit 2015 bearbeitet.
Wissenschaftler an verschiedenen deutschen und europäischen
Universitäten arbeiten interdisziplinär zusammen, um zentrale
Fragen für jede Kommunikationsabteilung zu beantworten –
beispielsweise wie Megatrends die Unternehmenskommunikation
verändern, welchen Beitrag sie zur Wertschöpfung im Unternehmen
leisten oder wie die Kommunikationsabteilung zukünftig hierfür
aufgestellt sein muss. Hinsichtlich des Umfangs und der Inhalte, der
beteiligten Experten und des Budgets ist es das bislang umfassendste
Forschungsprogramm in
der Disziplin Unternehmenskommunikation.
Praxis und Wissenschaft – eine Win-Win-Situation
Unterstützt werden die Wissenschaftler von den Kommunika-
tionsleiter/innen globaler Unternehmen, die ihre Expertise und
Erfahrung aus der Praxis einbringen. Die enge Zusammenarbeit
zwischen Wissenschaft und Wirtschaft bei diesem Forschungs-
programm ist ein Novum. Knapp 40 Unternehmen sind betei-
ligt – eine Win-Win-Situation für beide Seiten. Jedes Modul wird
inhaltlich von einem Beirat ausgewählter Kommunikationsleiter
begleitet, um die Praxisrelevanz der Forschung sicherzustellen.
Forschungsmodule
Value Creating Communication ist mit den folgenden drei
Forschungsmodulen gestartet:
Modul I: Wie verändern neue gesellschaftliche Rahmenbedingungen
und Megatrends die Unternehmenskommunikation – allen voran die
Digitalisierung und Big Data? (2015-2017, Leitung Prof. Dr. Ulrike
Röttger)
Hierzu sind erschienen:
Communication Insights,
Issue 2:
Wohin geht die Reise?
Communication Insights,
Issue 4:
Startklar für Big Data
Modul II:
Wie trägt Kommunikation zum Unternehmenserfolg
bei?
Wie gelingt das Strategic Alignment von Kommunikations- und Unter-
nehmensstrategie? (2015-2017, Leitung Prof. Dr. Ansgar Zerfaß)
Hierzu sind erschienen:
Communication Insights,
Issue 1:
Was bringt das alles?
Communication Insights,
Issue 3:
How to play the game
Modul III:
Welche Formen der internen und externen Kooperation
sind für die Unternehmenskommunikation in agilen und exiblen
Organisationen bedeutsam? Wie können diese erfolgreich gestaltet
werden? (2017-2019, Leitung Prof. Dr. Ulrike Röttger, Prof. Dr.
Ansgar Zerfaß, Prof. Dr. Sabine Einwiller)
COMMUNICATION INSIGHTS
Strategic tools for managing corporate communications
and creating value for your organization
HOW TO PL AY
THE GAME
Issue 3
40 COMMUNICATION INSIGHTS – ISSUE 4
Die Akademische Gesellschaft für Unternehmensführung & Kommunikation ist eine gemeinsame Initiative von Wirtschaft und Wissen-
schaft, die durch Forschung und Erfahrungsaustausch die Unternehmenskommunikation voranbringen will. Sie wurde 2010 gegründet
und wird mittlerweile von sechs Universitäten sowie knapp 40 führenden deutschen und internationalen Unternehmen unterstützt. Die
Initiative verfolgt das Ziel, Wissenschaft und Praxis enger zusammenzubringen und gemeinsam die Unternehmenskommunikation weiter
zu professionalisieren.
Die akademische Leitung haben die Professoren Günter Bentele, Sabine Einwiller, Claudia Mast, Ulrike Röttger, Joachim Schwalbach
Stefan Stieglitz und Ansgar Zerfaß übernommen. Unter ihrer Leitung wurden bislang mehr als ein Dutzend Forschungsprojekte realisiert.
2015 startete mit Value Creating Communication das bislang umfassendste Forschungsprogramm in der Geschichte der Unternehmens-
kommunikation.
Die Akademische Gesellschaft ist Teil der Günter Thiele Stiftung für Kommunikation & Management und im Stifterverband für die Deutsche
Wissenschaft verankert.
www.akademische-gesellschaft.com
Förderer
Akademische Leitung
AKADEMISCHE GESELLSCHAFT FÜR
UNTERNEHMENSFÜHRUNG & KOMMUNIKATION
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COMMUNICATION INSIGHTS – ISSUE 4
Akademische Gesellschaft
für Unternehmensführung & Kommunikation
Burgstraße 21
04109 Leipzig
Tel: +49 (0)341 97-35052
info@akademische-gesellschaft.com
www.akademische-gesellschaft.com
Dezember 2017