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COUP D’ŒIL
Der Lego-Spieler-Fuss
Häuger Grund für fehldiagnostizierte Exostosen oder Ganglien beim Kind
Hanspeter Huber
Abteilung für Kinderorthopädie und Traumatologie, Kinderspital, Zürich
Quintessenz
In unsere Sprechstunde werden häug Kinder zugewie-
sen mit Verdacht auf Exostosen oder auch Ganglien im
Bereich des Rückfusses. Diese scheinbaren Raumforde-
rungen treten in der Regel bei Plantarexion und Ad-
duktion des Fusses deutlich stärker hervor (Abb. 1 ),
sind meist von knochenharter Konsistenz und im Be-
reich der Haut von einer mehr oder minder ausgeprägten
Kallosität (Abb. 2 ) bedeckt. In seltenen Fällen können
sie sich auch als leicht schmerzhaft präsentieren.
Aus der Anamnese ergibt sich, dass diese Kinder oft be-
geistert und lange mit Lego-Steinen oder Spielzeugau-
tos am Boden spielen, weshalb ich die Fussdeformität
oftmals auch etwas scherzhaft als «Lego-Fuss» be-
zeichne. Der genaue Fussuntersuch in Kenntnis der
knöchernen Anatomie zeigt, dass diese Vorwölbungen
in den meisten Fällen dem Talus-Kopf und dem Proces-
sus anterior des Calcaneus oder auch nur einem der
beiden entsprechen (Abb. 3 ). Durch die ständige
Überdehnung beim Sitzen auf dem unter das Gesäss ge-
schlagenen Fuss kommt es zu einer Adduktionsinstabi-
lität im Bereich des Chopart-Gelenkes mit einer Über-
dehnung des Ligamentum bifurcatum und der dorsalen
Kapsel anteile. Wenn das Kind gebeten wird, sich auf
der Untersuchungsliege hinzuknien, kann dessen El-
tern das Phänomen meist schön präsentiert werden
(Abb. 4 ). Durch die Druckbelastung der Haut über
den exponierten Knochenstellen ergibt sich damit
gleich auch der Grund für die Kallositäten.
«Lego-Fuss» und Einwärtsgang
Da ab der Oberstufe deutlich weniger am Boden ge-
spielt wird, verschwindet das Phänomen meist von
selbst, und es kommt nur selten zu echten Problemen.
Manchmal kann jedoch bei diesen Kindern auch ein
deutlicher Einwärtsgang beobachtet werden, welcher
wohl durch verschiedene Faktoren bedingt ist. Anato-
misch gesehen besteht schon von Beginn weg meist
eine geringe Tibiaaussenkreiselung, da sonst ein Sitzen
auf dem unters Gesäss geschlagenen Fuss kaum möglich
ist. Ob durch die Druckbelastung bei diesem Sitzen, ins-
Der Autor hat keine
Interessenkonikte
zu deklarieren.
Abbildung 1
Ausgeprägte Prominenz des Ta lus-Kopfes (schwarzer Pfeil), weniger des vorderen
Calcaneus-Fortsatzes (weisser Pfeil) bei Adduktion/Plantarexion des Fusses.
Abbildung 2
Unter Abduktion und Dorsalextension verschwindet die Prominenz,
dafür zeigt sich eine Kallosität im Hautbereich des Talus-Kopfes
(schwarzer Pfeil) und des vorderen Calcaneus-Fortsatzes (weisser Pfeil).
Forum Med Suisse 2014;14(48):915–916
COUP D’ŒIL
Forum Med Suisse 2014;14(48):915–916 916
besondere durch die Rotationskräfte auf die distale
Wachstumsfuge des Unterschenkels, zusätzlich die Aus-
senkreiselung der Tibia sich noch vermindert, ist nicht
klar. Jedoch kommt es durch die Überdehnung der aussen
verlaufenden Peronealmuskulatur gelegentlich zu einem
Übergewicht der Inversion, so dass bei der ersten Phase
des Abrollens bis zum achen Aufsetzen des Fusses
eine Innenrotation des in Adduktion instabilen Fusses
auftreten kann. Diese relative Schwäche der Peroneal-
muskeln kann beim Fersengang gelegentlich an einem
leichten Absinken des äusseren Fussrandes beobachtet
werden. In dieser Situation ist es oft schwer zu sehen,
welche Komponenten in welchem Ausmass am Ein-
wärtsgang beteiligt sind. Eine vorübergehende Physio-
therapie zur Kräftigung der Peronealmuskeln und kon-
sequentes Vermeiden des Auf-dem-Fuss-Sitzens können
jedoch in unserer Erfahrung zu einer Verbesserung des
Gangbildes führen.
Schlussfolgerung
Obwohl das Phänomen des «Lego-Fusses» eine sehr
häuge Beobachtung in der kinderorthopädischen
Sprechstunde darstellt,ndet sich kaum eine Beschrei-
bung hiervon in Lehrbüchern oder in der Fachliteratur.
Die anatomischen und teilweise auch funktionellen Ver-
änderungen am Fuss durch das Sitzen auf dem unter-
geschlagenen Fuss sollten dem Allgemeinpraktiker und
insbesondere Pädiater bekannt sein, damit den Eltern
der Grund für solche scheinbaren Exostosen erklärt
werden kann. Auch bei der Beurteilung eines Einwärts-
ganges sollte nach solchen Stigmata eines «Lego-Fus-
ses» gesucht werden.
Korrespondenz:
Dr. med. Hanspeter Huber
Oberarzt Kinderorthopädie
Facharzt für Orthopädie und Traumatologie
des Bewegungsapparates
Kinderspital Zürich
Steinwiesstrasse 75
CH-8032 Zürich
hanspeter.huber[at]kispi.uzh.ch
Abbildung 3
Am Skelettmodell zeigt sich die Prominenz des Ta lus-Kopfes (schwarzer Pfeil)
und des vorderen Calcaneus-Fortsatzes (weisser Pfeil).
Abbildung 4
Typische Sitzposition eines Kindes mit linksseitigem «Lego-Fuss».
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