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Die Konnektoren des Spanischen: eine experimentelle Annäherung

Authors:

Abstract

Der Beitrag soll die Funktion der Konnektoren (als Unterklasse der Diskursmarker), sprachlicher Einheiten mit einer hauptsächlich prozeduralen Bedeutung, in der ostensiv-inferenziellen Kommunikation aufzeigen. Diese spielen nicht nur eine wichtige Rolle bei der Verknüpfung komplexer Äußerungen zu kohärenten Texten (Schwerpunkt im HDK-1 2003 und HDK-2 2014), sondern sie stehen auch im Ruf als Anweisungen zu dienen, die die kognitiven Prozesse der Informationsverarbeitung steuern und somit die Ableitung von Inferenzen vereinfachen. Mit einer Reihe von Eyetracking-Experimenten analysieren wir am Beispiel des Spanischen, inwieweit argumentative Konnektoren die potenzielle Mehrdeutigkeit von Äußerungen beim Lesen einschränken. Die Ergebnisse der experimentellen Studie unterstützen drei theoretische Argumente in Bezug auf Konnektoren: a) in der Kommunikation können sie nicht als einfache „Füllwörter“ angesehen werden; b) sie kodieren eine hauptsächlich prozedurale Bedeutung; und c) die Verarbeitungsmuster, die sie hervorrufen, sind von der Interaktion zweier Faktoren abhängig: der Eigenschaften der Konnektoren selbst und der Eigenschaften der Äußerungen, in denen sie operieren. Unsere Studien sollen auch die Möglichkeiten einer experimentellen Methodologie zeigen, die als Ergänzung der korpusbasierten Arbeiten dient (wie im HDK-1 und HDK-2 anzusehen ist). This work aims at showing that connectives are linguistic devices used not only to link complex utterances to produce a coherent text (see HDK-1 2003 and HDK-2 2014), but also – due to their mainly procedural meaning and as a subclass of discourse markers –to ostensively guide a hearer during information processing facilitating inferential processes. By means of a set of eye-tracking reading experiments, we have analyzed how argumentative connectives contribute to constraining inferential computations during reading comprehension. Results, based on these experiments, provide empirical evidence that allows supporting three theoretical arguments concerning connectives: a) they are not irrelevant devices in communication; b) their meaning is of a mainly procedural nature; and c) the processing patterns to which connectives give rise in utterances depend on the interaction of two factors: the properties of connectives themselves and the properties of the utterances in which they occur. Finally, our study presents the possibilities for linguistic research offered by experimentation as a complementary approach to corpus-based works (like those in the HDK-1 and HDK-2).
Die Konnektoren des Spanischen: eine experimentelle Annäherung
Óscar Loureda
Laura Nadal
Inés Recio Fernández
Universität Heidelberg
Abstract
Der Beitrag soll die Funktion der Diskursmarker, sprachlicher Einheiten mit einer
hauptsächlich prozeduralen Bedeutung, in der ostensiv-inferentiellen Kommunikation
aufzeigen. Diese stehen im Ruf als Anweisungen zu dienen, die die kognitiven Prozesse
der Informationsverarbeitung steuern und somit die Ableitung von Inferenzen
vereinfachen. Mit einer Reihe von Eyetracking-Experimenten analysieren wir,
inwieweit argumentative Konnektoren die potenzielle Mehrdeutigkeit von Äußerungen
beim Lesen einschränken. Die Ergebnisse der experimentellen Studie unterstützen drei
theoretische Argumente in Bezug auf Diskursmarker: a) In der Kommunikation können
sie nicht als einfache „Füllwörter“ angesehen werden; b) sie kodieren eine
hauptsächlich prozedurale Bedeutung; und c) die Verarbeitungsmuster, die von
Diskursmarkern hervorgerufen werden, sind von der Interaktion zweier Faktoren
abhängig: der Eigenschaften der Diskursmarker selbst und den Eigenschaften der
Äußerungen, in denen sie operieren.
This work aims at showing that, due to their mainly procedural meaning, discourse
particles are linguistic devices used as instructions to ostensively guide a hearer during
information processing. By means of a set of eye-tracking reading experiments, we have
analyzed how argumentative connectives contribute to constraining inferential
computations during reading comprehension. Results, based on these experiments,
provide empirical evidence that allows supporting three theoretical arguments
concerning discourse markers: a) discourse markers are not irrelevant devices in
communication; b) discourse markers have a mainly procedural meaning; and c) the
processing patterns to which discourse particles give rise in utterances depend on the
interaction of two factors: the properties of discourse particles themselves and the
properties of the utterances in which they occur.
Einführung
Weitgehend vertreten ist die Auffassung, dass nicht alle Äußerungen den gleichen
Verarbeitungsaufwand bereiten (Blakemore 1987, 2002; Sperber/Wilson 1995, 2002;
Wilson/Sperber 2002). Informationen werden durch die Bildung mentaler
Repräsentationen verarbeitet, zu denen Sprecher durch Inferenzen unterschiedlicher Art
gelangen. So ist es erwartbar, dass die Sprachen über linguistische Ausdrücke verfügen,
die zur Steuerung solcher Interpretationsprozesse in einem kommunikativen Austausch
beitragen. Zu diesen Ausdrücken zählen unter anderem aber insbesondere
Diskursmarker, unflektierbare Spracheinheiten, die eben auf der Grundlage ihrer
unterschiedlichen morphosyntaktischen und semantischen Eigenschaften eine
Wir bedanken uns herzlich bei Dr. Frank J. Harslem für seine Kommentare zur ersten Fassung sowie für
das finale Korrekturlesen dieses Beitrags.
1
diskurssteuernde Funktion aufweisen (Martín Zorraquino/Portolés 1999, Murillo 2010,
Blühdorn/Foolen/Loureda 2017). Diese Definition beruht auf der Annahme, dass nicht
alle linguistischen Elemente zum interpretativen Prozess in gleicher Weise beitragen.
Manche Wörter wie Schwimmbad oder Schwimmer in (1) rufen konzeptuelle
Repräsentationen hervor:
(1) Peter geht sehr gerne ins Schwimmbad, allerdings ist er kein guter
Schwimmer.
Demgegenüber geben Ausdrücke, wie allerdings Anweisungen darüber, wie solche
konzeptuellen Repräsentationen untereinander oder mit dem Kontext kombiniert werden
sollen (Blakemore 2002; Escandell/Leonetti 2011). Im Beispiel (1) weist der Konnektor
allerdings darauf hin, dass das Diskurssegment, in dem er integriert ist, eine
Schlussfolgerung einführt, welche der aus dem ersten Diskurssegment inferierbaren
Schlussfolgerung widerspricht): Wenn jemand gerne schwimmt, ist zu erwarten, dass er
auch gut schwimmen kann, weil er zum Beispiel oft übt. Diese denkbare
Schlussfolgerung wird allerdings durch das zweite Diskurssegment verhindert
(Anscombre/Ducrot 1983; Anscombre 1989; Iten 1999; Portolés 2004). Aus kognitiver
Perspektive können Diskursmarker also den relevanten Kontext für die Ableitung einer
Inferenz (hergeleitet aus den Segmenten, über die der Diskursmarker operiert)
einschränken.
Aus den genannten Argumenten geht hervor, dass Diskursmarker (wie z.B.
Konnektoren) ein Aufmerksamkeitsfokus in der linguistischen Kommunikation
darstellen. Diese Behauptung steht dennoch in klarem Kontrast zur bislang
beschränkten Rolle, die Grammatiken, Wörterbücher und im Allgemeinen
sprachwissenschaftliche Studien diesen Elementen traditionell zugeteilt haben.
Theoretisch-deskriptive und kontrastive häufig korpusbasierte Studien zu
Diskursmarkern bieten eine grundlegende Analyse über deren Eigenschaften (unter
anderen, Martín Zorraquino/Portolés 1999; Briz/Pons/Portolés 2008; Aijmer/Simon-
Vandenbergen 2006; Fischer 2006; Loureda/Acín 2010). Experimentelle Studien wie
die vorliegende Arbeit, die auf den Annahmen und Vorgehensweisen der
Psycholinguistik beruhen (Sandra 2009), stellen einen komplementären Ansatz zur
Deskription und zum Kontrast dar, durch den sich mögliche Korrelationen zwischen
unterschiedlichen morphosyntaktischen, semantischen und pragmatischen
Eigenschaften der Diskursmarker und den von ihnen hervorgerufenen
Verarbeitungsmustern feststellen lassen. Solche datenbasierten Assoziationen erlauben
dem Wissenschaftler, zum einen, eine Generalisierung und Objektivierung
wissenschaftlicher Ergebnisse; zum anderen, Rückschlüsse für die Ursachen eines
Phänomens zu ziehen (Loureda et al. im Druck).
In diesem Beitrag sollen die Ergebnisse mehrerer experimenteller Studien präsentiert
werden, die auf die Überprüfung folgender Argumente zielen:
1. Diskursmarker wie etwa die Konnektoren sind keine „Füllwörter“ oder belanglose
Einheiten in der Kommunikation (vgl. 2.1).
2. Diskursmarker oder Konnektoren kodieren hauptsächlich eine prozedurale
Bedeutung (vgl. 2.2).
3. Die Verarbeitungsmuster, die durch die Konnektoren veranlasst werden, hängen
von deren Eigenschaften und von den Eigenschaften der Äußerungen, in denen sie
vorkommen ab (vgl. 2.3).
2
1. Experimentelles Design
1.1. Lesezeiten, Parameter
Die hier vorgestellten Studien wurden mittels der Eyetracking-Technik durchgeführt.
Durch die Aufzeichnung von Blickbewegungen beim Lesen ermöglicht das Eyetracking
die indirekte Beobachtung der kognitiven Aktivität von Lesern (Just/Carpenter 1980).
Die dadurch ermittelten Lese- bzw. die Verarbeitungsmuster, geben wiederum
Ausschluss über den kognitiven Verarbeitungsaufwand ganzer Äußerungen bzw. der
Eigenschaften bestimmter in ihnen beinhalteten sprachlichen Ausdrücken.
Beim Lesen werden graphische Zeichen vom menschlichen Auge durch nichtlineare
Bewegungen wahrgenommen, dabei alternieren kurze, schnelle Bewegungen
(Sakkaden) mit Fixationen (das Auge ruht auf dem fixierten Wort) (Rayner 1998).
Insbesondere während letzteren wird die Information aus den Wörtern extrahiert und
verarbeitet. In diesem Sinne ist die Dauer der Fixationen ein besonders starker Indikator
für den Verarbeitungsaufwand eines bestimmten Stimulus. In den Studien in diesem
Beitrag wurden Stimuli Äußerungen in sogenannte Areas of Interest (AOI)
aufgeteilt, wofür Durchschnittslesezeiten pro Wort berechnet wurden. Die ermittelten
Lesezeiten wurden in folgenden Messgrößen die abhängigen Variablen des
Experiments – operationalisiert:
-Total reading time: Summe aller Fixationen innerhalb einer AOI. Dieser Parameter
gibt Aufschluss über die von Lesern benötigte Gesamtlesezeit zur
Informationsextraktion bzw. -verarbeitung. Er umfasst demnach sowohl den ersten
als auch weitere Lesedurchgänge.
-First pass reading time: Summe aller Fixationen innerhalb einer AOI, bevor diese
zum ersten Mal verlassen wurde. Diese Messgröße reflektiert insbesondere den für
die Konstruktion einer ersten mentalen Repräsentation benötigten
Verarbeitungsaufwand.
-Second pass reading time: Summe aller Fixationen, die innerhalb einer AOI fallen,
nachdem sie schon einmal verlassen wurde, und gilt als Indikator für die
Rekonstruktion der kommunizierten Annahme (Rayner 1998; Hyöna/Lorch/Rinck
2003; Holmquist et al. 2011).
Die first- und second-pass-reading time bilden zwar in gewisser Hinsicht zwei Etappen
der Informationsverarbeitung bzw. der Konstruktion von mentalen Repräsentationen ab,
sie sollen aber nicht als strikte Trennung von Verarbeitungsprozessen verstanden
werden, denn die unterschiedlichen Ebenen der Informationsverarbeitung erfolgen
vielmehr parallel (Escandell 2005). Der erste und der zweite Lesedurchgang zeigen
somit jeweils auf die Konstruktion einer ersten Annahme hauptsächlich anhand
semantischer und syntaktischer Information, aber auch teilweise durch pragmatische
Bereicherung, sowie auf die Bestätigung, Ergänzung oder Ablehnung dieser ersten
Annahme, wenn sie mit dem Kontext und mit anderen im Gedächtnis des Lesers
gespeicherten Annahmen konfrontiert wird (Rayner/Sereno 1994;
Hyöna/Kaakinen/Lorch 2002).
1.2. Aufbau und Durchführung des Experiments, Probandengruppen
3
Für die hier vorgestellten Studien wurden unterschiedliche Leseexperimente entworfen.
Probanden, muttersprachlichen Lesern des Spanischen, wurden mit Äußerungen
konfrontiert, die auf einem Computerbildschirm gezeigt wurden. Diese bestanden aus
kritischen Stimuli (experimentelle Äußerungen) oder filler items, die nach dem Muster
eines lateinischen Quadrats in unterschiedlichen Stimuli-Listen kontrabalanciert
wurden.
Beim Entwurf der kritischen Stimuli wurden potenzielle Störvariablen kontrolliert (z.B.
Wortfrequenz oder Wortlänge eine inverse bzw. direkte Korrelation herrscht jeweils
zwischen Wortfrequenzgrad bzw. Wortlänge und Verarbeitungszeit [vgl. Staub/Rayner
2007]; gleiche Syntax bei allen Stimuli, Abwesenheit von Reflexiv- oder
Possessivpronomen, die zu Anapherauflösung führen konnten, und Ambiguität der
lexikalischen Elemente, die zur konkurrierenden lexikalischen Repräsentationen führen
kann [vgl. Duffy/Morris/Rayner 1998]). Ein kontrolliertes Design der
Experimentäußerungen ermöglicht die Vergleichbarkeit der Experimentbedingungen,
indem die potenziellen inferentiellen Wege zur Konstruktion bzw. Rekonstruktion einer
durch die Stimuli kommunizierten Annahme eingeschränkt werden. Ebenso wurden für
die Auswahl der Probanden in Hinsicht auf die Vermeidung potenzieller Störfaktoren
die Kriterien Altersgruppe (zwischen 20 und 40 Jahre alt) und Bildungsniveau
(Studierende bzw. Absolventen) herangezogen (vgl. Gries 2008; Sandra 2009;
Keating/Jegerski 2014).
Für die Durchführung des Experiments saßen die Probanden ca. 70 cm vom
Computerbildschirm entfernt, auf dem die zu lesenden Stimuli gezeigt wurden. Das
Experiment wurde mit einem RED 500 Eyetracker (SMI Research) mit einer Frequenz
von 500 Hz aufgenommen. Beim Experiment handelte es sich um stilles Lesen. Die
Probanden steuerten zudem selbst die Geschwindigkeit auf der sie von einem Stimulus
zum folgenden übergingen. Das Experiment startete mit einer Reihe von Anweisungen
über das Prozedere, die ebenfalls auf dem Computer gezeigt wurden. Dem folgten der
Kalibrierungsvorgang und das tatsächliche Leseexperiment. Nach Beendigung des
Experiments wurden die Teilnehmer über dessen Ziel aufgeklärt.
2. Hypothesen
2.1 Diskursmarker erfüllen keine belanglose Funktion in der Kommunikation
Wie andere Studien bereits gezeigt haben (Escandell/Leonetti 2004; Loureda/Acín
2010; Loureda/Nadal/Recio Fernández 2016a unter anderen), können Diskursmarker
weder aus diskurs-theoretischer noch aus experimenteller Sicht als „Füllwörter“
eingestuft werden. Würden sie eine belanglose Funktion im Diskurs erfüllen, dann wäre
es aus kognitiver Sicht zu erwarten, dass ihre Anwesenheit keinen Einfluss auf die
Informationsverarbeitung übt.
So wurde zum Beispiel bewiesen, dass ein argumentativer Konnektor wie das Spanische
sin embargo (de. trotzdem) in gegenargumentativen Äußerungen wie (2) ein
Aufmerksamkeitsfokus für die Leser darstellt.
(2) Juan y Ana comen mucho dulce. Sin embargo, están sanos.
Juan und Ana essen viele Süßigkeiten. Trotzdem sind sie gesund.
4
De facto weist der Konnektor als kritische Region einen höheren Verarbeitungsaufwand
auf als die Wörter mit konzeptueller Bedeutung innerhalb der Äußerung, in der der
Konnektor integriert ist (Loureda/Nadal/Recio Fernández 2016a). So beträgt die
durchschnittliche Gesamtlesezeit eines lexikalischen Wortes 195,45 Millisekunden
(ms), während sin embargo eine Verarbeitungszeit von 357,61 ms verlangt, ca. 83%
mehr Zeit als die restlichen anderen Ausdrücke1.
Durchschnitt der
lexikalischen Wörter Konnektor
Juan y Ana comen mucho dulce.
Sin embargo, están sanos. 195,54 ms 357,61 ms
Tabelle 1. Total reading time:
Durchschnittslesezeit eines lexikalischen Wortes vs. sin embargo (in Millisekunden)
Der Verarbeitungsaufwand eines Konnektors übersteigt allerdings nicht immer den
Aufwand eines lexikalischen Wortes. In unseren Arbeiten (Nadal et al. 2017) zeigt sich
auch die Tendenz, dass Konnektoren einen ähnlichen Verarbeitungsaufwand wie die
Elemente mit repräsentationeller Bedeutung, über die sie operieren, haben können. So
wurde durch Experimente zum spanischen additiven Konnektor además (in etwa
außerdem) festgestellt, dass der Konnektor in Äußerungen wie (3) keine statistisch
höheren Durchschnittslesezeiten als eine durchschnittliche lexikalische Einheit
aufweist:
(3) Estos niños comen mucha fruta. Además, beben mucha leche. Están sanos.
Diese Kinder essen viel Obst. Außerdem trinken sie viel Milch. Sie sind gesund.
Además präsentiert das Diskurssegment, in dem er integriert ist (trinken viel Milch), als
eine argumentativ koorientierte Ergänzung (Anscombre/Ducrot 1983; Martín
Zorraquino/Portolés 1999; Portolés 1998[2001]) zum vorherigen Argument (essen viel
Obst). Beide Argumente sind somit gleichwertig und führen gleichermaßen zur im
letzten Segment ([sie] sind gesund) dargestellten Schlussfolgerung. Im Gegensatz zur
gegenargumentativen Anweisung von sin embargo, negiert además keine vorherige
Annahme, sondern addiert das zweite Argument zu dem ersten. Tabelle 2 zeigt die
Gesamtlesezeiten jeweils für lexikalische Wörter und Konnektor:
Durchschnitt der
lexikalischen Wörter Konnektor
Estos niños comen mucha fruta. Además,
beben mucha leche. Están sanos. 371,90 ms 417,58 ms
Tabelle 2. Total reading time:
Durchschnittslesezeit eines lexikalischen Wortes vs. además
Ergebnisse zum kausal-konsekutiven Konnektor por tanto (de. daher) widerspiegeln
wiederum ähnliche Verarbeitungsmustern wie sin embargo (Tabelle 1) und weisen
höhere Lesezeiten (12,28%) als ein Durchschnittswort einer Äußerung auf:
Durchschnitt der
lexikalischen Wörter Konnektor
Marta y David practican mucho deporte.
Por tanto, están sanos. 226,29 ms 325,82 ms
1 Statistische Unterschiede zwischen Konditionen wurden anhand von gemischten Modellen (Fahrmeir et
al. 2013) berechnet: Differenzen unter 5% werden als marginalen Effekt betrachtet; eine Differenz
zwischen 5 und 9,99% wird als kleinen Effekt eingestuft; wenn die Differenz zwischen 10 und 19,99%
liegt, spricht man von einem mittleren Effekt und letztendlich geht man von einem großen Effekt aus,
wenn der Unterschied mehr als 19,99% beträgt.
5
Tabelle 3. Total reading time:
Durchschnittslesezeit eines lexikalischen Wortes vs. por tanto
Man kann in den vorliegenden Daten bereits zwei generalisierte Tendenzen
wiedererkennen. Der für die Verarbeitung eines Konnektors benötigter Aufwand a)
hängt von seiner Semantik bzw. seiner Funktion ab; und b) liegt nie unter den
Durchschnittsaufwand der lexikalischen Wörter seiner Äußerung2.
2.2. Diskursmarker kodieren hauptsächlich eine prozedurale Bedeutung
Die Dichotomie zwischen „prozeduraler“ und „konzeptueller“ fand zum ersten Mal in
Bezug auf Konnektoren mit den Arbeiten von Blakemore (1987, 2002) Anwendung.
Konnektoren wird infolgedessen eine interpretationssteuernde Semantik zugeschrieben,
d.h. sie geben Anweisungen zur Verarbeitung konzeptueller Elemente.
Die prozedurale Bedeutung zeichnet sich durch Asymmetrie und Rigidität gegenüber
der konzeptuellen Bedeutung aus (Escandell/Leonetti 2004, 2011). Erstens erfordern
Elemente prozeduraler Natur die Existenz einer konzeptuellen Repräsentation für ihre
Verwendung im Diskurs, so dass sie sich ausschließlich auf Äußerungen mit
propositionalem Inhalt auswirken können; und zweitens passt sich die konzeptuelle
Bedeutung der prozeduralen an, aber nicht umgekehrt.
Asymmetrie und Rigidität erklären, warum eine Äußerung wie (7) im Gegensatz zu (4),
(5), (6) schwer zu verstehen ist (adaptiert von Murillo 2010):
(4) Paula kommt aus Heidelberg und trotzdem redet sie viel.
(5) Paula kommt aus Heidelberg und daher redet sie viel.
(6) Er ist chinesischer Abstammung und trotzdem ist er ein hervorragender
Stierkämpfer.
(7) #Er ist chinesischer Abstammung und daher ist er ein hervorragender
Stierkämpfer.
In (4) und (5) kreieren trotzdem bzw. daher die nötigen Annahmen für die Verarbeitung
dieser Äußerung. Die konzeptuelle Bedeutung kann sich an die prozedurale Anweisung
des Konnektors anpassen: Aus Heidelberg zu sein, impliziert im Prinzip nicht, dass
jemand viel oder wenig spreche (der Sprecher verfügt nicht über eine im
Langzeitgedächtnis gespeicherte Annahme, die diese Vorstellung bestätigt)3. Bei (7)
dürfte eine solche Anpassung mit einem höheren kognitiven Aufwand verbunden sein.
De facto ist die Äußerung pragmatisch schwer nachzuvollziehen, aufgrund der
Inkompatibilität der daraus resultierenden Inferenz mit unserem Weltwissen: die
chinesische Abstammung scheint keine Ursache dafür zu sein, ein guter Stierkämpfer zu
werden. Dennoch bleiben die Anweisungen von trotzdem und daher in allen Beispielen
((4) bis (7)) konstant, unabhängig davon, ob die passenden kontextuellen Annahmen
vom Sprecher unterhalten werden (6) oder nicht (4) und (5).
2 Die gleichen Tendenzen wurden auch für Fokuspartikeln wie incluso (de. sogar) festgestellt (Cruz in
Vorbereitung).
3 Bei der Informationsverarbeitung kombiniert der Sprecher immer ein externes Input (linguistisch
kodiert) mit einem internen Input, d.h. die Annahmen zum Weltwissen, die im Langzeitgedächtnis in
Form von frames und scripts gespeichert sind (Portolés 2004:100-102). Wörter mit einer konzeptuellen
Bedeutung stellen eine Verbindung zum enzyklopädischen Weltwissen des Sprechers vor, so dass er bei
der Verarbeitung jeder Äußerung die Übereinstimmung der kommunizierten Annahme mit seinem
gespeicherten Vorwissen sucht (Pons 2004:33).
6
Die Auswirkungen beispielsweise in Form von potenziell unterschiedlichen
Verarbeitungsmustern der Asymmetrie und Rigidität der prozeduraler gegenüber der
konzeptuellen Bedeutung wurden ebenfalls experimentell überprüft. Den Studien lagen
die Hypothesen (i) und (ii) zugrunde.
i) Argumentative Konnektoren können den Verarbeitungsaufwand von
Äußerungen verringern, indem sie die semantische Relation zwischen
Diskurssegmenten explizit markieren
Der Konnektor des Spanischen sin embargo macht eine direkte Gegenargumentation
zwischen zwei Diskurssegmenten explizit, wie in (8):
(8) [Estos niños comen mucho dulce]DS1. [Sin embargo]K, [están sanos.]DS2.
Diese Kinder essen viele Süßigkeiten. Trotzdem sind sie gesund.
Wenn die Anweisung des Konnektors allerdings nicht konventionell kodiert ist (9),
kann die entgegengesetzte Relation zwischen den semantisch antiorientierten
Segmenten nur inferiert werden, da der Richtungswechsel in der Argumentation nicht
signalisiert wird:
(9) [Estos niños comen mucho dulce]DS1. [Están sanos.]DS2.
Diese Kinder essen viele Süßigkeiten. Sie sind gesund.
Unsere Arbeiten (Loureda/Nadal/Recio Fernández 2016a) haben gezeigt, dass im
Vergleich zu einer explizit markierten Äußerung wie (8) der durchschnittliche
Verarbeitungsaufwand pro Wort für die gleiche Äußerung ohne Konnektor (9) um
42,39% höher ist4:
ANOVA [F(1,38) = 5,65; p = 0.02]
0
100
200
300
400
500
316.27
450.36
mit Konnektor
ohne Konnektor
Grafik 1. Total reading time der Äußerung mit und ohne Konnektor
Sin embargo steuert in Äußerungen wie diese den Zugang zu einer mentalen
Repräsentation (Gegenargumentation) und vereinfacht die Integration des zweiten
Diskurssegments mit dem ersten. Dies zeigt sich im Schwund beim
Verarbeitungsaufwand der gesamten Äußerung und wird dadurch verursacht, dass der
Konnektor eine explizite Verbindung herstellt und sie argumentative Entgegensetzung
der von ihm verbundenen Segmente markiert.
4 Dieser Unterschied (berechnet nach einem ANOVA-Test) ist statistisch hoch signifikant, da der p-Wert
gleich 0,02 ist (siehe Grafik 1), das heißt, die Wahrscheinlichkeit, dass der Unterschied nicht durch die
experimentelle Variable, sondern nur durch Zufall, zu erklären ist, beträgt nur 2% (Gries 2008;
Keating/Jegerski 2014).
7
ii) Argumentative Konnektoren können den Verarbeitungsaufwand innerhalb
einer Äußerung umverteilen, indem sie den Diskurssegmenten konkrete
Funktionen zuordnen
Die unter (i) dargestellten Daten weisen ebenfalls nach, dass die Anwesenheit des
gegenargumentativen Konnektors sin embargo neben der Verringerung des
Gesamtverarbeitungsaufwands einer Äußerung, auch zu einer Umverteilung der
Lesezeiten bei den Konnektoren führt.
Tabelle 4 zeigt die Gesamtlesezeiten pro Wort für die jeweiligen Diskurssegmente der
Äußerung mit und ohne Konnektor:
Diskurssegment 1 Diskurssegment 2
[Estos niños comen mucho
dulce.]DS1. [Sin embargo]K, [están
sanos.]DS2
296,07 ms 366,78 ms
[Estos niños comen mucho
dulce.]DS1. [Están sanos.]DS2 378,04 ms 562,94 ms
Tabelle 4. Total reading time pro Wort für die Diskurssegmente
Die Ergebnisse zeigen keine signifikanten Unterschiede zwischen den ersten
Diskurssegmenten beider Konditionen (F[(1,38) = 1,81, p = 0,19]). Durch die
Verwendung von sin embargo ergibt sich dagegen eine signifikante Verringerung im
Verarbeitungsaufwand pro Durchschnittswort des zweiten Diskurssegments (F[(1,38) =
15,66, p < 0,01]), 34,84% niedriger als in der impliziten Kondition (ohne Konnektor).
Die prozedurale Anweisung von sin embargo bestimmt die argumentative Richtung
beider Segmente und schränkt somit die potenzielle Mehrdeutigkeit der Äußerung ein.
Der Konnektor „zwingt“ dem Leser zu einer einzig möglichen Interpretation: Die
Kinder sind gesund, obwohl sie viele Süßigkeiten essen, was der aus dem ersten
Segment erwartbaren Annahme widerspricht (die Einnahme von zu vielen Süßigkeiten
gilt in der Regel als gesundheitsschädlich). Die prozedurale Bedeutung von sin
embargo wirkt sich in diesen Fällen auf den für die Verarbeitung der Elemente mit
konzeptueller Bedeutung benötigten Aufwand aus.
Dieser Umverteilungseffekt wurde ebenfalls in Arbeiten zum Kausalkonnektor por
tanto festgestellt (Nadal/Recio Fernández im Druck)5:
Diskurssegment 1 Diskurssegment 2
[Marta y David practican mucho
deporte.]DS1. [Por tanto]K, [están
sanos.]DS2
236,10 ms 223,87 ms
[Marta y David practican mucho
deporte.]DS1. [Están sanos.]DS2 233,79 ms 170,87 ms
Tabelle 5. Total reading time pro Wort für die Diskurssegmente
Die durch por tanto kodierte Anweisung, das zweite Diskurssegment als das
Konsequens des ersten Konnekts zu interpretieren führt zu einer Nivellierung des
Verarbeitungsaufwands beider Diskurssegmente (236,10 vs 223,87 ms). Demgegenüber
sind die Verarbeitungszeiten für die Diskurssegmente in der impliziten Kondition
5 Für weitere Ergebnisse in dieser Richtung auch zu Fokusoperatoren siehe Nadal et al. 2017 sowie Cruz
(im Druck).
8
deutlich unterschiedlicher (DS1 ist ca. 27% aufwändiger zu verarbeiten als DS2). Wie
sin embargo (Tabelle 4), verteilt auch por tanto den Verarbeitungsaufwand der von ihm
verbundenen Segmente ausgleichend um.
2.3 Interaktion zwischen konzeptueller und prozeduraler Bedeutung
Die asymmetrische Relation zwischen der prozeduralen und der konzeptuellen
Bedeutung basiert darauf, dass prozedurale Anweisungen über konzeptuelle
Repräsentationen operieren. Aus diesem Grund sollten die durch die Konnektoren
hervorgerufene Verarbeitungsmuster von den morphosyntaktischen und semantischen
Eigenschaften der Segmente, zwischen denen sie eine Verbindung herstellen, abhängig
sein.
2.3.1 Korrelation zwischen Konnektoren- und Äußerungssemantik
Eine Analyse der Konnektoren aus einer funktionellen Perspektive erlaubt,
Konvergenzen und Divergenzen in der Interaktion zwischen Konnektoren mit
unterschiedlichen Funktionen im Diskurs (beispielweise gegenargumentative vs.
Kausalkonnektoren) und der Semantik der von ihnen verbundenen Konnekten.
Konsekutive Relationen, die durch por tanto markiert werden, eignen sich besonders
gut zur Veranschaulichung der Hypothese, dass es Korrelationen zwischen
Konnektoren- und Äußerungssemantik geben kann.
In mehreren Arbeiten (Loureda/Nadal/Recio Fernández 2016b; Nadal/Recio Fernández
im Druck) wurde der Effekt der expliziten Markierung eines Kausalsatzes durch por
tanto (daher) auf den Verarbeitungsaufwand bzw. die Verarbeitungsmuster untersucht,
im Vergleich zu implizit markierten Äußerungen, in denen sich die Verbindung der
Konnekte ausschließlich aus dem Inhalt der Diskurssegmente ableiten lässt.
Wie aus der Grafik 2 hervorgeht, führt der Effekt des Konnektors por tanto nicht zu
statistisch signifikanten Unterschieden zwischen beiden Konditionen.
DS1 Konnektor DS2
0
100
200
300
400
500
600
700
368.67
504.11 556.84
279.22
625.41
Estos niños comen mucha fruta. Por tanto, están sanos
Estos niños comen mucha fruta. Están sanos
p = 0,99
p = 0,48
Grafik 2. Gesamtlesezeit für DS1 und DS2 mit und ohne Konnektor
Das bedeutet nicht, dass por tanto keinen Wert als prozedurale Anweisung hat (oder
keine Wirkung bei der Konstruktion der kommunizierten Annahme). Wie die
Ergebnisse zeigen, dient die argumentative Struktur, über die der Konnektor operiert,
9
schon als minimaler Stimulus und ist ausreichend, um eine auf einer Ursache-Wirkung-
Relation basierende Inferenz hervorzurufen. Diesbezüglich hat Sanders (2005) die
causality-by-default-Hypothese formuliert, gemäß der Sprachnutzer bei der
Verarbeitung von Äußerungen den Anspruch haben, soviel Information wie möglich
daraus zu extrahieren. Deswegen tendieren sie dazu, zwei aneinander folgende
Diskurssegmente, zwischen denen eine asyndetische Relation besteht, jeweils als
Prämisse und Konsequenz einer konsekutiven Argumentation zu interpretieren, insofern
der lexikalische Inhalt das erlaubt. Wenn der Konnektor vorhanden ist, wird diese
Kausalinterpretation nicht verhindert, sondern sogar gefördert zu dem lexikalischen
Inhalt der Konnekte ist nun auch eine prozedurale Anweisung zur Kausalverarbeitung
des Satzes vorhanden. In diesem Sinne weisen hier die Verarbeitungsmuster beider
Konditionen keine Unterschiede auf. Die argumentative Richtung der Diskurssegmente
determiniert demzufolge den Beitrag des Konnektors zur Informationsverarbeitung.
Andere Studien bestätigen diese Auffassung. Nadal & Recio Fernández (im Druck)
zeigten, dass selbst wenn die Verarbeitungsmuster von Äußerungen mit und ohne
Konnektor (siehe 2.2. hier) sich doch unterscheiden und por tanto zur Nivellierung des
Verarbeitungsaufwands der Konnekte führt, die vom Konnektor kodierten Anweisung
zu keinen zusätzlichen kontextuellen Effekte im Vergleich zu deren Abwesenheit führt.
Eine Manipulation in der argumentativen Logik von Äußerungen liefert auch Beweisen
zu der Korrelation zwischen Konnektoren und Äußerungssemantik. Ist die
argumentative Orientierung einer Äußerung konträr zum argumentativen Schema des
vorgegebenen Konnektors, kommt es zu einem deutlichen Anstieg des
Verarbeitungsaufwands (vgl. Loureda/Nadal/Recio Fernández 2016a; Nadal in
Vorbereitung). In (18) verbindet sin embargo zwei entgegengesetzte Argumente,
während die zwei Diskurssegmente in (19) koorientiert sind:
(18) Juan y Ana comen mucho dulce. Sin embargo, están sanos.
Juan y Ana essen viele Süßigkeiten. Trotzdem sind sie gesund.
(19) Juan y Ana comen poco dulce. Sin embargo, están sanos.
Juan y Ana essen wenige Süßigkeiten. Trotzdem sind sie gesund.
Die durchschnittliche Verarbeitung eines Wortes aus der pragmatisch nachvollziehbaren
Äußerung in (18) beträgt 213,78 ms; bei der pragmatisch nicht-nachvollziehbaren
Äußerung steigt dieser Aufwand pro Wort auf 244,67 ms, d.h. um 15%: Die prozedurale
Anweisung des Konnektors gerät in Konflikt mit der argumentativen Richtung der
konzeptuellen Einheiten, was zu einem statistisch signifikanten Unterschied in den
Lesezeiten bzw. -aufwand führt. Außerdem entsteht dieser Anstieg nicht während der
früheren Verarbeitungsphase (da beide Äußerungen die gleiche syntaktische Struktur
aufweisen), sondern bei der Rekonstruktion der kommunizierten Annahme, die die
Bestätigung, Anpassung oder Ablehnung der zuerst gebildeten mentalen Repräsentation
zur endgültigen Ableitung von Inferenzen erfordert. Wenn die argumentative Richtung
der Äußerung der prozeduralen Anweisung des Konnektors widerspricht, beträgt die
second pass reading time durchschnittlich 44% länger pro Wort in Bezug auf
pragmatisch nachvollziehbaren Äußerungen wie (18). Diese kognitiven Effekte gelten
als weitere Beweise dafür, dass die prozedurale Bedeutung der argumentativen
Anweisungen durch die Rigidität gekennzeichnet ist.
10
2.3.2 Korrelation zwischen den morphosyntaktischen Eigenschaften der
Konnektoren und die daraus resultierenden Verarbeitungsmuster
Bei den meisten argumentativen Konnektoren des Spanischen handelt es sich um nicht
positionsbeschränkte Elemente. Die segment-initiale Position von sin embargo in (12)
gilt als „nicht markiert“, weil sie im Sprachgebrauch mit höherer Frequenz als die
Positionen in (13) und (14) vorkommt:
(12) Juan y Ana comen mucho dulce. Sin embargo, están sanos.
(13) Juan y Ana comen mucho dulce. Están, sin embargo, sanos.
(14) Juan y Ana comen mucho dulce. Están sanos, sin embargo.
Diese Positionen sind von der Grammatik der spanischen Sprache zwar erlaubt, sie
werden jedoch (auf der Ebene der parole) von Sprechern nicht gleich häufig wie die
segment-initiale Position verwendet. Aus dieser syntaktischen Mobilität entsteht die
Frage, ob die unterschiedliche Gebrauchsfrequenz einen Einfluss auf den kognitiven
Aufwand bei der Verarbeitung hat: Eine häufiger verwendete und nicht markierte
Position (12) sollte zu einem niedrigeren Verarbeitungsaufwand führen, während die
markierten Positionen einen höheren Aufwand (13 und 14) verursachen sollen.
Nadal (in Vorbereitung) zeigt, dass der durchschnittliche Verarbeitungsaufwand pro
Wort der drei Äußerungen bei der first pass reading time nicht signifikant abweicht (p >
0,05):
0
50
100
150
200 139.9 147.29 144.33
p = 0,25
p =
0,057
Grafik 3. Durchschnittliche Verarbeitungsaufwand pro Wort bei der first pass reading time
Bei der semantischen und syntaktischen Konstruktion einer mentalen Repräsentation
sind keine Unterschiede zu bemerken. Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass alle drei
Äußerungen die gleiche syntaktische Struktur aufweisen. Bei der second pass reading
time (Grafik 4) hingegen ist die Differenz zwischen den Lesezeiten pro Wort der
Äußerungen statistisch signifikant.
11
60
70
80
90
100
73.88
85.84 86.24
p < 0,01
p < 0,01
Grafik 4. Durchschnittliche Verarbeitungsaufwand pro Wort bei der second pass reading time
Ein Anstieg des Verarbeitungsaufwand ist also beim zweiten Lesedurchgang zu
beobachten, wenn der Leser die in der ersten Phase konstruierte Annahme neu
analysiert und bestätigt. Das gleiche Leseverhalten widerspiegelt sich in der total
reading time:
Juan y Ana comen
mucho dulce. Sin
embargo, están sanos
Juan y Ana comen
mucho dulce. Están, sin
embargo, sanos
Juan y Ana comen
mucho dulce. Están
sanos, sin embargo
200
210
220
230
240
213.78
233.13 230.57
p < 0,01
p < 0,01
Grafik 5. Durchschnittliche Gesamtlesezeit pro Wort
Die Gesamtlesezeit pro Wort bei der nicht-markierten Position des Konnektors beträgt
213,78 ms. Im Vergleich zu dieser Kondition steigt die total reading time pro Wort der
Äußerung bei der mittleren Position des Konnektors (in der Mitte des zweiten
Diskurssegments) auf 233,13 ms, d.h. um 9%, und bei der Endposition auf 230,57 ms
(also um 8%). Diese Differenzen sind statistisch signifikant.
Diese Ergebnisse beweisen die Korrelation zwischen den morphosyntaktischen
Eigenschaften der Konnektoren und dem resultierenden kognitiven
Verarbeitungsaufwand von Äußerungen, die durch Konnektoren verbunden werden.
Gemäß den Daten scheinen Sprecher zwischen der nicht-markierten Position am Anfang
des Diskurssegments und den zwei markierten Positionen in der Mitte und am Ende des
Diskurssegments systematisch zu unterscheiden. Letztere erfordern einen signifikant
höheren Verarbeitungsaufwand.
Die experimentell ermittelten Verarbeitungsmuster der markierten gegenüber der
nichtmarkierten Position erlauben die Tür für zwei unterschiedliche Möglichkeiten zu
öffnen in Hinsicht auf Gebrauchstendenzen. Einerseits könnten die markierten
seltenen Positionen dazu führen, dass Sprecher sie schließlich komplett aufgeben;
12
andererseits könnten Konnektoren in solchen Positionen neue semantische bzw.
funktionale Werkte einnehmen.
Schlussfolgerungen
Die in diesem Beitrag angeführten experimentellen Argumente sprechen für eine
funktionelle, statt formelle, Charakterisierung von prozeduralen Einheiten wie
Konnektoren (vor allem in Bezug auf die spanischen Konnektoren). Die konzeptuelle
Bedeutung ist einem prozeduralen Schema untergeordnet, das die Ableitung von
Inferenzen leitet. Solche prozeduralen Einheiten sind nicht „abstrakter“ als die
lexikalischen, es handelt sich nur um eine Bedeutung unterschiedlicher Natur, die sich
durch eine starke Rigidität auszeichnet, keine Verbindung zum enzyklopädischen
Weltwissen herstellt und den konzeptuellen Einheiten, über die sie operiert, neue oder
konkrete Funktionen (in der Argumentation) zuschreibt, sodass die prozedurale
Anweisung erfüllt wird. Darauf beruht die wesentliche Rolle der Konnektoren bei der
diskursiven Syntax.
Experimentelle Herangehensweisen zu linguistischen Phänomena, insbesondere zu
denjenigen Elementen wie die Konnektoren, die als zu kognitiven
Kommunikationsprozessen beitragenden Entitäten gelten, ermöglichen es, vorhandene,
auf der Intuition des Linguisten basierende Hypothesen bzw. Deskriptionen, mit Daten
zu komplementieren. Empirische Belege, wie die vorliegenden fördern so das
Generalisierungspotenzial der Ergebnisse zur Diskursmarkerforschung und öffnen einen
produktiven Weg auch für die Diskursmarkerforschung.
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