Die fortschreitende Globalisierung der Märkte sowie die damit einhergehende Wettbewerbsverschärfung, beständig sich verkürzende Innovationszyklen sowie immer komplexer werdende Produkte, die zudem von immer kurzlebigerem Charakter sind, zwingen Unternehmen, bestehende und bisher auch erfolgreich angewandte Managementkonzepte neu zu überdenken, um das langfristige Überleben der Unternehmensorganisation zu sichern. Darüber hinaus fordert das seit den 1990er Jahren im deutschsprachigen Raum verstärkt diskutierte Konzept des Lean Management, das angebotene Leistungsspektrum von Unternehmen mehr und mehr zu verschlanken, um dadurch am Markt schneller und vor allem auch flexibler auftreten zu können.
Diese Entwicklungen führten im Ergebnis dazu, dass Unternehmen sich wieder stärker auf die Verfolgung ihrer eigentlichen Kernkompetenzen zurückbesannen; die damit einhergehende Verlagerung von Wertschöpfungsaktivitäten auf Zulieferunternehmen entspricht der logischen Konsequenz, diesen veränderten Rahmenbedingungen entgegenzutreten. Werden in der deutschen Automobilindustrie heute bereits rund 70% der Wertschöpfung von externen Zulieferunternehmen erbracht, so unterstreicht dies die hohe Bedeutung der Zulieferindustrie für die Automobilindustrie insgesamt, sodass der Unternehmenserfolg eines Automobilherstellers, der gewissermaßen als „Orchestrator“ die gesamte Wertschöpfungskette beeinflusst, obwohl er selbst nur noch einen (geringen) Teil der Wertschöpfung abdeckt, somit zu einem wesentlichen Teil von der Leistungsfähigkeit der einzelnen Zulieferunternehmen bestimmt wird. Der bestmöglichen Integration der einzelnen Wertbeiträge der eingebundenen Zulieferer gilt damit das Hauptaugenmerk sämtlicher Automobilhersteller, wodurch sich ein wechselseitiges Abhängigkeitsverhältnis zwischen zulieferndem und abnehmendem Unternehmen ergibt.
Die bisherigen Ausführungen berücksichtigend, steht die hohe Bedeutung des Wertschöpfungsnetzwerks als unternehmerischer Erfolgsfaktor damit außer Frage. Die Auswahl der für das eigene Zielsystem geeignetsten Lieferanten, deren systematische Steuerung im Hinblick auf die Erzielung optimaler Beziehungen zwischen eigenem Unternehmen und Lieferanten sowie die langfristige Bindung der potentesten Lieferanten an das eigene Unternehmen, sind die wesentlichen Aufgaben, die es gilt, in einem ganzheitlichen Konzept zu bündeln und umzusetzen.
Unabhängig davon, wie gut es einem Unternehmen gelingt, die eigenen Lieferanten zu steuern und zu führen, belegen immer wieder auftretende Störungen unterschiedlichen Ausmaßes, die sowohl die Produktqualität erstellter Zwischen- und Enderzeugnisse entlang des gesamten Wertschöpfungsprozesses als auch die Prozessqualität der zugrunde liegenden Fertigungs- und Austauschprozesse zwischen Lieferanten und Abnehmern betreffen, dass Störungen, die innerhalb des Wertschöpfungsnetzwerks mehr oder weniger überraschend auftreten und dabei ein nicht unerhebliches Risiko für alle eingebundenen Unternehmen bergen, einen systemimmanenten Bestandteil automobiler Wertschöpfungsnetzwerke darstellen.
Welche Bedeutung Störungen für automobile Wertschöpfungsnetzwerke besitzen, unabhängig davon, ob sie durch das eigene Unternehmen oder durch einen Lieferanten ausgelöst werden, war die zentrale Forschungsfrage einer empirischen Untersuchung, deren Ergebnisse in den folgenden Ausführungen vorgestellt werden. Darüber hinaus befasst sich der Beitrag mit den spezifischen Störungsarten, den der eigentlichen Störung vorausgehenden Auslösern bzw. möglichen Anzeichen und geht schließlich der Frage nach, welcher Partner im automobilen Wertschöpfungsnetzwerk aus Automobilzuliefersicht letztlich für die jeweiligen Störungen verantwortlich zu machen ist.
Um ferner ein möglichst ganzheitliches Bild abgeben zu können, wurden auf allen Hierarchieebenen der befragten Automobilzulieferer jeweils Unternehmensvertreter aus den Bereichen Einkauf/Beschaffung, Fertigung/Produktion, Qualität/Qualitätsmanagement, Logistik/Supply Chain Management sowie Mitglieder der Geschäftsbzw. Werksleitung befragt. Insgesamt konnten 675 Unternehmen und Unternehmensvertreter identifiziert werden, von denen 348 erreicht wurden. 147 Probanden nahmen schließlich an der Untersuchung teil, was einer für schriftliche Befragungen überdurchschnittlichen Rücklaufquote von rund 22% entspricht.
Wie sich aus den Ergebnissen der empirischen Untersuchung ablesen lässt, stellt die Überwindung der nicht unerheblichen Anzahl an Störungen (die in der Mehrzahl der Fälle sowohl die Produkt- als auch die Prozessqualität betreffen) innerhalb des Leistungserstellungsprozesses eine große Herausforderung automobiler Wertschöpfungsnetzwerke dar. Darüber hinaus konnten Lieferanten als Hauptverursacher für Störungen innerhalb des automobilen Wertschöpfungsnetzwerks identifiziert werden. Hinsichtlich der Hauptstörungsauslöser sind für Automobilzulieferer insbesondere Qualitätsprobleme in der Fertigung, Material- bzw. Rohstoffengpässe sowie mehr oder weniger kurzfristig erfolgende Terminänderungen zu nennen.