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Inhaltsverzeichnis
1. Bewertung von Infrastrukturprojekten am Beispiel des Eurotunnel .................................. 1
1.1 Projektfinanzierung: Definition und empirische Relevanz ............................................. 1
1.2 Zur Finanz- und Risikoanalyse von Infrastrukturprojekten ............................................ 3
1.3 Projektfinanzierung Eurotunnel ...................................................................................... 9
1.4 Finanzierung ................................................................................................................. 11
1.4.1 Kapitalbedarf ........................................................................................................ 11
1.4.2 Fremdkapital ........................................................................................................ 12
1.4.3 Eigenkapital.......................................................................................................... 13
1.5 Finanzplanung .............................................................................................................. 14
1.5.1 Umsatzplanung ..................................................................................................... 14
1.5.2 Weitere Planungsannahmen ................................................................................. 17
1.5.3 Vorteilhaftigkeitsprüfung und Sensitivitätsanalysen ............................................ 20
1.6 Bewertung der Eigenkapitalanteile ............................................................................... 23
1.7 Zur Analyse der Gläubigeransprüche ........................................................................... 28
1.8 Folgerungen .................................................................................................................. 31
1.9 Literatur ........................................................................................................................ 33
1. Bewertung von Infrastrukturprojekten am Beispiel
Eurotunnel
1.1 Projektfinanzierung: Definition und empirische Relevanz
Im Zentrum des Beitrags stehen die Bewertung und die finanzielle Analyse von Infrastruk-
turprojekten insbesondere aus dem Bereich „Verkehrsinfrastruktur“, die als sogenannte Pro-
jektfinanzierungen konzipiert sind. Als Beispiel dient das Projekt Eurotunnel.
Projektfinanzierung ist die Bereitstellung von Kapital – eine bekannte, aber unvollständige
Definition aus der Literatur spricht an dieser Stelle nur von Fremdkapital1 – für eine eigen-
ständige Wirtschaftseinheit, bei der vorrangig die Zahlungsüberschüsse des Projektes ggf.
ergänzt um die Aktiva der Projektgesellschaft den Kapitalgebern zur Erfüllung ihrer An-
sprüche dienen.2 Anders als bei der Finanzierung von Projekten, die als eines von mehreren
Projekten in einem Unternehmen oder einem Unternehmensverbund durchgeführt werden,
stehen keine Vergangenheitsdaten zur Finanzkraft eines Unternehmens zur Verfügung und
die Kapitalgeberansprüche können nicht durch andere Projekte oder Vermögensgegenstände
abgesichert werden. Damit tragen die Cashflows des eigenständigen Projekts und nicht die
eines Projektportfolios die Verantwortung für die Bedienung der Financiers. Weiteres
Merkmal einer Projektfinanzierung, das man auch als Vorteil der Konstruktion empfinden
kann, ist die Möglichkeit, unternehmensübergreifend in einer Projektgesellschaft Kompe-
tenzen zu bündeln.
Projektfinanzierungen können danach unterschieden werden, ob der Rückgriff auf Vermö-
gen außerhalb der Projektgesellschaft vollständig (full recourse), teilweise (limited recourse)
oder – obiger Definition folgend – gar nicht möglich ist. Ein anderes Differenzierungs-
merkmal ist der u. U. erfolgende Vermögensübergang an den Staat: Bei BOOT (Build, Own,
Operate, Transfer)-Projekten besitzen private Anteilseigner oder privatwirtschaftlich organi-
sierte Unternehmen während der Bau- und Betriebsphase die Eigentumsrechte bis diese
nach Ablauf einer Frist an den Staat übergehen. Im Rahmen einer BTO (Build, Transfer,
Operate)-Konstruktion geht das Eigentum bereits nach Fertigstellung an den Staat über. Und
bei einem BOO(Build, Own, Operate)-Projekt schließlich wird das Eigentum nicht an den
Staat transferiert.3
Die empirische Relevanz von Projektfinanzierungen, insbesondere im Bereich Transport
1 Vgl. Nevitt/Fabozzi (2000), S. 1.
2 Vgl. neben der Definition von Nevitt/Fabozzi auch die von Backhaus/Köhl (2001), Sp. 1716, oder
Gatti (2008), S. 2.
3 Vgl. Yescombe (2002), S. 10-11.
Inhaltsverzeichnis
2
und Infrastruktur verdeutlichen Tabelle 1-1 und Tabelle 1-2.4 Erstere stellt das Volumen an
Projektfinanzierungen über Kredite dar, zweitere das (deutlich kleinere) Volumen an Pro-
jektfinanzierungen über Anleihen. Transportprojekte, zu denen man das Eurotunnelprojekt
zählen kann, stellen bemessen am Kreditvolumen nach Energieprojekten die zweitgrößte
Gruppe. Gatti berichtet im Zuge einer empirischen Erhebung von Public Private Part-
nerships (PPP), dass entsprechende Projekte im Bereich „Transportation Infrastructure“ in
Europa sogar etwa 75% der Stichprobe repräsentieren.5
Das Gesamtvolumen an kreditfinanzierten Projekten steigt von 1998 bis 2008 - lediglich
unterbrochen von den Rückgängen im Zeitraum 2001 bis 2003 – kontinuierlich von rund 57
Mrd. US-$ auf 251 Mrd. US-$ an. Diesen klaren Trend kann man bei den im Rahmen von
Projektfinanzierung begebenen Anleihen nicht beobachten; zudem bleibt das Gesamtvolu-
men weit hinter dem der Kredite zurück.
4 Quelle der Daten sind die Financial League Tables von Project Finance International; abgefragt im
April 2009 unter: http://www.pfie.com/hybrid.asp?typeCode=39&pubCode=8&navcode=214.
5 Vgl. Gatti (2008), S. 29.
Tabelle 1-1: Project Finance Loans
Branche/Jahr
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
Power
17.205
29.992
44.592
47.255
20.202
24.071
35.257
44.422
57.106
76.518
89.858
Transportation
9.336
11.279
13.592
14.988
23.510
28.732
44.596
44.027
54.789
Oil & Gas
4.970
9.267
8.825
6.441
9.026
22.522
24.036
26.371
32.211
38.423
Leisure & Property
369
1.274
1.638
6.530
4.759
4.435
7.008
13.282
17.254
21.459
20.836
Petrochemicals
3.129
4.684
3.337
3.898
5.708
5.880
8.800
6.966
20.260
10.514
13.413
Industry
2.641
1.396
3.362
3.646
824
3.179
5.230
4.129
4.227
17.473
11.979
Mining & Metals
2.209
1.377
629
2.323
997
1.110
3.566
2.457
3.307
4.607
11.456
Telecommunications
14.063
19.702
34.699
23.958
7.286
4.985
7.342
10.193
3.137
5.556
6.260
Water & Sewerage
764
157
1.043
2.169
3.727
3.821
4.181
2.933
Waste & Recycling
1.347
284
968
726
321
2.989
550
Agriculture & Forestry
250
365
70
112
210
452
61
Infrastructure
7.699
8.997
13.361
610
192
Total
56.651
72.392
110.885
108.478
62.173
69.557
116.440
138.781
180.609
219.986
250.557
Inhaltsverzeichnis
2
Sector/Year
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
Infrastructure
1.307,0
3.676,0
3.394,0
2.430,0
6.471,0
9.801,0
8.016,0
4.382,0
6.780,0
10.308,0
6.940,0
Oil & Gas
1.330,0
2.822,0
3.285,0
3.813,0
2.632,0
7.023,0
5.159,0
9.677,0
9.074,0
2.100,0
4.537,0
Power
4.458,0
7.270,0
11.920,0
7.273,0
4.315,0
12.346,0
11.376,0
7.261,0
2.453,0
7.000,0
378,0
Mining
485,0
168,0
718,0
680,0
30,0
Leisure & Property
299,0
120,0
512,0
1.300,0
Social Infrastructure
2.130,0
3.066,0
5.024,0
8.574,0
6.115,0
Petrochemicals
672,0
734,0
400,0
600,0
Industrial
176,0
250,0
128,0
Telecoms
2.212,0
5.227,0
2.036,0
1.487,0
864,0
Total
9.792,0
19.966,0
20.811,0
15.003,0
13.788,0
32.164,0
28.647,0
27.462,0
28.673,0
26.823,0
11.885,0
Tabelle 1-2: Project Finance Bonds
1.2 Zur Finanz- und Risikoanalyse von Infrastrukturprojekten
Die Projektfinanzierungen in Form der Non- oder Limited-Recourse-Variante kennzeich-
nende Fokussierung auf den Projekt-Cashflow reduziert die Befriedigungsmöglichkeiten für
die Gläubiger. Zudem wird berichtet, dass die Verschuldungsquote gemessen in Buchwerten
für Projektfinanzierungen mit durchschnittlich 70% deutlich über der Verschuldungsquote
vergleichbar großer „Nicht“-Projektgesellschaften liegt.1
Die nachfolgenden Abbildungen zeigen, welchen Ratingkategorien Fremdkapitalansprüche
aus Projektfinanzierungen zugeordnet werden.2 Es fällt zweierlei auf: das relativ häufige
AAA-Rating und das am häufigsten zu beobachtende BBB-Rating,3 welches noch die Ein-
stufung als Investment Grade erlaubt. Die relative Dominanz der Ratingkategorien BBB und
auch BB könnte man als Indiz dafür interpretieren, dass die Beschränkung auf den Projekt-
Cashflow das Risiko für die Gläubiger erhöht.
Abbildung 1-1:Rating von Projektfinanzierungen (Anzahl)
1 Vgl. Esty (2003), S. 7, 37.
2 Vgl. Standard & Poor’s (2007), S. 7.
3 So auch Gatti (2008), S. 213.
41
1210 1
15 10 12
60
82
25 20 23 12 12 8220014
0
10
20
30
40
50
60
70
80
AAA
AA+
AA
AA-
A+
A
A-
BBB+
BBB
BBB-
BB+
BB
BB-
B+
B
B-
CCC+
CCC
CCC-
CC
C
D
Anzahl
Inhaltsverzeichnis
4
Abbildung 1-2: Rating von Projektfinanzierungen (Volumen)
Wie solche Ratingeinschätzungen für Infrastrukturprojekte zustande kommen könnten, illus-
triert Tabelle 1-4, die die eingesetzten Kriterien und deren Gewichtung am Beispiel von
Mautstraßen auflistet.4 Die Key Credit Metrics sind Finanzkennzahlen, die – etwas verall-
gemeinernd formuliert – auf die Relation von Ist-Verschuldung zu Verschuldungskapazität,
interpretiert als Barwert der Cashflows, bzw. Cashflow zu Soll-Kapitaldienst abstellen und
damit die Relevanz des Projekt-Cashflows als konstituierendes Merkmal einer Projektfinan-
zierung einmal mehr klar machen.
Factors
Sub-Factors
Weighting
Asset Type
Asset Features
10,00%
Competing Routes
10,00%
Fundamentals of Service Area
Robustness and Diversity of Service Area
5,00%
GDP / Capita in Service Area
5,00%
Traffic Profile
User Profile
3,33%
4 Moody’s (2006), S. 7.
0
5.000
10.000
15.000
20.000
25.000
30.000
35.000
40.000
AAA
AA+
AA
AA-
A+
A
A-
BBB+
BBB
BBB-
BB+
BB
BB-
B+
B
B-
CCC+
CCC
CCC-
CC
C
D
Volumen (mil. $)
1.2 Zur Finanz- und Risikoanalyse von Infrastrukturprojekten
5
Track Record and Stability of Tolled Traffic
3,33%
Annual Average Daily Traffic per Lane Km
3,33%
Concession and Regulatory
Framework
Risk of Adverse Changes to Concession
Terms and Conditions
3,33%
Ability to Increase Tariffs
3,33%
Protection against Events outside the Conces-
sionaire's Control
3,33%
Stability of Business Model and
Financial Structure
Ability and Willingness to Pursue Opportun-
istic Corporate Activity
3,33%
Ability and Willingness to Increase Leverage
3,33%
Targeted Proportion of Revenues outside Core
Concession
3,33%
Key Credit Metrics (Historical
& Projected)
Cash Interest Coverage
8,00%
FFO / Debt
8,00%
Moody's Debt Service Coverage Ratio
8,00%
RCF / Capex
8,00%
Debt / PV Base Cash Flows or Concession
Life Coverage Ratio
8,00%
Tabelle 1-3: Moodys‘ Kennzahlenkatalog (Operational Toll Roads)
Moody’s berichtet die für eine Ratingkategorie typischen Ausprägungen der Finanzkennzah-
len, die – wie Tabelle 1-4 zeigt – 40% des Gesamturteils ausmachen. Tabelle 1-5 enthält die
entsprechenden Werte; die – wie oben gezeigt – empirisch besonders bedeutsamen Katego-
rien Baa und Ba werden durch Schattierung hervorgehoben.5
Aaa
Aa
A
Baa
Ba
B
Caa
Sub-
weighting
Factor
1
Cash Interest Cover-
age
>10,0x
7,0-10x
4,5-7,0x
2,5-4,5x
1,8-2,5x
1,5-1,8x
<1,5x
20%
5 Vgl. Moody’s (2006), S. 28.
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6
2
FFO / Debt
>40%
25-40%
14-25%
8-14%
6-8%
4-6%
<4%
20%
3
Moody's Debt Ser-
vice Coverage Ratio
>8,0x
5,0-8,0x
3,0-5,0x
1,8-3,0x
1,3-1,8x
1,0-1,3x
<1,0x
20%
4
RCF / Capex
>3,5x
3,5-2,5x
1,5-2,5x
1,0-1,5x
0,5-1,0x
<0,5x
<0,5x
20%
5
Debt / PV Base Cash
Flows
or
<10%
10-20%
20-30%
30-40%
40-60%
60-80%
>80%
20%
Concession Life
Coverage Ratio
>10,0x
10,0-5,0x
5,0-3,3x
3,3-2,5x
2,5-1,7x
1,7-1,25x
<1,25x
Tabelle 1-4: Key Credit Metrics nach Ratingkategorien
Die Kennzahlen sind wie folgt definiert:6
Funds from Operations (FFO) + Interest Expense
Cash Interest Coverage = Interest Expense - Non-Cash Interest
Mit: FFO Cash Flow from Operations (ohne Veränderung Net
Working Capital)
Funds from Operations (FFO)
FFO / Debt = Debt
FFO + Interest Expense - Maintenance Capex
Debt Service Coverage Ratio = Debt Service Annuity
Die Debt Service Annuity ist der annuitätische Kapitaldienst, der nötig wäre, um
den Fremdkapitalbestand bis zum Projektende unter Beachtung von Zinsen zu
rückzuführen.
Alternativ wird für Projektfinanzierungen folgende Version vorgeschlagen:
Cash Available for Debt Service (CAFDS)
Debt Service Coverage Ratio = Interest and Repayment
Mit: CAFDS Cash Available for Debt Service = Cash Flows from
Operations after tax – Transfers to maintenance and timing re-
6 Vgl. Moody’s (2006), S. 24-27.
1.2 Zur Finanz- und Risikoanalyse von Infrastrukturprojekten
7
serves – Capex
FFO - Dividends Paid
RCF /Capex Ratio = Capex
T
VV
Debt
Debt / PV Base Cash Flows Available for Debt Service = 1 1g
CCF 1
i g 1i
+
−
−+
Mit: CCF Current Cash Flow = FFO + Interest Expense – Maintenance
Capex
g Growth rate
iV Vertragszinssatz
T (Verbleibende) Projektlaufzeit
PV Present Value
Oder für Projektfinanzierungen:
PV CAFDS
Concession Life Cover Ratio = Debt
Es könnte nun interessieren, ob der Kennzahlenmix überschneidungsfrei definiert ist. Eine
abschließende Analyse dazu kann hier nicht erfolgen. Unbeachtet bleibt dabei die Kennzahl
RCF/Capex, da sie keinen direkten Bezug zum Fremdkapital oder Kapitaldienst aufweist,
obwohl sie unzweifelhaft ein Liquiditätssignal liefert. Die verbleibenden Kennzahlen setzen
alle eine Überschußgröße im Zähler in Relation zu einer FK-Größe im Nenner. Die folgende
Matrix klassifiziert die Kennzahlen:
Einperiodig
Mehrperiodig
Statisch
Cash Interest Coverage (CIC)
Debt Service Coverage Ratio
(DSC)
FFO/Debt
Dynamisch
Concession Life Cover Ratio
(CLC)
Tabelle 1-5: Klassifikation der Key Credit Metrics
Das Feld „Einperiodig & Dynamisch“ bleibt unbesetzt, da die Kombination nicht möglich
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8
ist. Die Ratio FFO/Debt wird wegen des Nenners, des gesamten FK-Bestands, als mehrperi-
odig eingeordnet.
Betrachtet man zunächst das Feld 1 (einperiodig bzw. statisch), so ist klar, dass die DSC
Ratio bei rückläufigem Cashflow früher als die CIC Werte kleiner 1 annimmt, da der Zähler
der DSC kleiner und die Nenner größer ist. Der Zusammenhang zwischen der Relation
FFO/Debt und der CLC kann wie folgt dargestellt werden:
( )
( )
( )
T
V
t1
t
T
V
t1
t
CAFDS 1 i
Concession Life Cover Ratio = Debt
FFO Capex 1 i
Debt
τ
τ
τ
τ
ττ
τ
−
= +
−
= +
+
−+
=
∑
∑
Unterstellt man vereinfachend konstante operative Cashflows und Investitionsauszahlungen,
folgt:
( )
( )
V
V
Tt
i
t
Tt
it t
RBF FFO Capex
Concession Life Cover Ratio = Debt
RBF FFO Debt Capex Debt
ττ
ττ
−
−
−
= −
Nun lassen sich die in Tabelle 1-5 berichteten Ausprägungen je Ratingkategorie ansatzweise
auf ihre Plausibilität hin prüfen: Für ein Aaa-Rating werden beispielsweise ein FFO/Debt-
Verhältnis von mindestens 40% und eine CLC von mindestens 10 genannt. Nach Einsetzen
in die CLC-Formel erhalten wir:
( )
V
Tt
it
10 RBF 0,4 Capex Debt
τ
−
= −
Selbst wenn man die Investitionsauszahlungen (Capex) – an der Realität vorbei – auf Null
setzt, muss ein Rentenbarwertfaktor von 25 (10/0,4) vorliegen, damit diese Gleichung gilt.
Klar ist, dass z. B. bei einem Zinssatz von 6% der maximale RBF, der bei unendlicher Lauf-
zeit (T → ∞) erreicht wird, 1/0,06 = 16,67 beträgt. Damit kann also ein Projekt, dass eine -
ohnehin beeindruckende – FFO/Debt-Ratio von 40% aufweist, das dort resultierende Aaa-
Rating für die CLC nicht wiederholen.
Unabhängig von den in Tabelle 1-5 genannten Ausprägungen, liefert die CLC bei rückläufi-
gen Cashflows früher Werte unter 1 als die FFO/Debt, wenn man bei letzterer den einzelnen
FFO durch die Summe der FFO bis zum Konzessionsende interpretiert, weil die CLC auf
Barwerte der Cashflows setzt und zudem die Investitionen abgezogen werden. Letztlich ent-
spricht die CLC der Definition einer ökonomischen Überschuldung bei unterstellter Fortfüh-
rung: Ist der Barwert der Cashflows kleiner als die Nominalansprüche der Kreditgeber, liegt
Überschuldung vor – die Ist-Verschuldung übersteigt die Verschuldungskapazität. Suchte
man weitere Analogien zu den Insolvenztatbeständen, würde man schnell fündig: Eine Debt
1.3 Hintergrund der Projektfinanzierung Eurotunnel
9
Service Cover Ratio kleiner 1 signalisiert Zahlungsunfähigkeit.
Um diese Überlegungen zur finanzwirtschaftlichen Analyse durch eine Diskussion der Spe-
zifika einer Bewertung von Infrastrukturprojekten zu erweitern, greifen wir in der Folge auf
das Eurotunnel-Projekt zurück.
1.3 Hintergrund der Projektfinanzierung Eurotunnel
Von November 1984 bis Februar 1985 bereitete eine Kommission im Auftrag der britischen
und der französischen Regierung die Ausschreibung einer festen Verbindung zwischen
Großbritannien und dem europäischen Kontinent vor.7 Anfang April 1985 wurde das Projekt
ausgeschrieben. Bis zum Ende der Ausschreibungsfrist, hatten neun Bewerber Angebote ab-
gegeben, von denen vier weiter berücksichtigt wurden:
1. EuroRoute: Eine Autobahn führt von beiden Seiten des Ärmelkanals über Brücken bis zur
Schifffahrtrinne und geht dort in einen Tunnel über. Die Kosten werden auf etwa 6,5 Mrd. £
veranschlagt.
2. Channel Expressway: Zunächst sind zwei Tunnelröhren von großem Durchmesser ge-
plant, durch die sowohl Straßen- als auch Schienenverkehr im Einbahnsystem fließen sollen.
Nach erheblichen Zweifeln an der technischen Machbarkeit wird der Vorschlag dann abge-
ändert in vier kleinere Tunnelröhren (je zwei Tunnel für Straße und Schiene). Hinter diesem
Angebot steht James Sherwood; er ist Fährenbesitzer und Mitglied von Flexilink, einer Ver-
einigung von Fährgesellschaften und Häfen, die sich gegen eine feste Verkehrsanbindung
engagiert.
3. Eurobridge: Eine Brücke über den Kanal für den Schienen- und Straßenverkehr.
4. Eurotunnel: Zwei Eisenbahntunnel vorgeschlagen von der Channel Tunnel Group Li-
mited (gebildet aus fünf britischen Baufirmen und zwei britischen Banken) und France
Manche SA (gebildet aus fünf französischen Baufirmen und drei französischen Banken).
Die Kosten sollen 4,8 Mrd. £ betragen.
Am 20. Januar 1986 bekamen Channel Tunnel Group Limited und France Manche SA den
Zuschlag. Gründe hierfür waren die bei Expressway und Eurobridge erwarteten technischen
Schwierigkeiten und die vergleichsweise hohen Kosten des EuroRoute-Vorschlags. Außer-
dem sprach für Eurotunnel, dass die Finanzierung durch die Einbindung namhafter Banken
bereits über eine reine Planungsphase hinauszugehen schien.
Am 12. Februar 1986 unterzeichneten die britische Premierministerin Margaret Thatcher
und der französische Staatspräsident François Mitterand das Abkommen (Treaty of Canter-
bury) über dieses Projekt. In Article 1 dieses Abkommens wurde auf Drängen der britischen
7 Die nachfolgende Beschreibung und Bewertung des Projekts basiert auf den Kapiteln 13 und 14 von
Drukarczyk/Schüler (2008), Akquisitionen, Börsengänge und Restrukturierungen – Fallstudien zur
Unternehmensbewertung. Dort findet sich auch eine technische Beschreibung und weitere Details zur
Bewertung.
Inhaltsverzeichnis
10
Seite unmissverständlich festgelegt, dass das Projekt zu finanzieren ist „without recourse to
government funds or to government guarantees of a financial or commercial nature”. Ver-
einbart wurde weiter die Einsetzung einer Kommission aus Regierungsvertretern beider
Staaten (Intergovernmental Commission, IGC), der die Kontrolle der Erstellung und des Be-
triebs des Tunnels obliegt; in Sicherheitsfragen unterstützt sie eine Sicherheitsaufsicht (Sa-
fety Authority).
Am 14. März 1986 wurde der Konzessionsvertrag zwischen den beiden Regierungen und
der Channel Tunnel Group Limited (CTG) und France Manche SA (FM) unterzeichnet. Die
Konzession gilt gemäß Clause 3.2 für 55 Jahre. U.a. fordert der Konzessionsvertrag in Clau-
se 6 die Einsetzung eines unabhängigen Projektmanagers (Maitre d'Oeuvre, MdO). Dieser
soll die Entwicklung und Errichtung der Tunnel überwachen und die IGC beraten. Der Maît-
re d´Oeuvre ist ein Gemeinschaftsunternehmen von zwei Konstruktionsbüros (W.S. Atkins
& Partners und Société d´Etudes Techniques et Economiques) und zwei Beratungsunter-
nehmen (Sir William Halcrow & Partners Ltd. und Tractionel Electrobel Engineering). Nach
Ablauf der Konzession fallen die für die Errichtung und den Betrieb nötigen Immobilien
und Mobilien entschädigungslos den Staaten zu (Clause 39.2). Clause 34 enthält die Option
für CTG und FM, einen zweiten Tunnel für den Straßenverkehr zu errichten. Falls diese Op-
tion bis zum Jahr 2010 nicht ausgeübt wird, kann die Regierung einem anderen Vertrags-
partner Bau und Betrieb des zweiten Tunnels gestatten; dieser darf nicht vor dem Jahr 2020
eröffnet werden.
Am 13. August 1986 unterzeichneten CTG und FM sowie das Baukonsortium Transmanche
Link (TML), bestehend aus den zehn Baufirmen, die auch im Anbieterkonsortium vertreten
waren, das Construction Agreement.
Im September 1986 stellten die 15 Mitglieder des Anbieterkonsortiums die erste Tranche
Eigenkapital i. H. v. 46 Mio. £ bereit (EK 1). Im Oktober 1986 brachten institutionelle In-
vestoren die zweite Tranche über 206 Mio. £ auf (EK 2).
Im Sommer 1987 wurden in Frankreich die Declaration d'Utilité Publique und in Groß-
britannien der Channel Tunnel Act verabschiedet, in denen sich die Staaten u. a. ver-
pflichteten, das zum Tunnelbau benötigte Land zu erwerben. Konzessionsvertrag und Treaty
wurden am 15. Juni 1987 von der französischen und am 29. Juli 1987 von der britischen Le-
gislative ratifiziert. Dies war der Startpunkt der Konzessionslaufzeit.
Am 29. Juli 1987 wurde der Benutzungsvertrag (Railway Usage Contract) mit den Eisen-
bahngesellschaften British Railways und SNCF abgeschlossen, der diesen Gesellschaften
die Nutzung der halben Tunnelkapazität ermöglicht.
Im August 1987 sicherten 50 Banken ihre Bereitschaft für die Bereitstellung eines Kredits
i. H. v. 5 Mrd. £ durch ein Underwriting Agreement zu. Nach Syndizierung Anfang No-
vember 1987 wurde der Kreditvertrag durch 198 Banken aufgebracht. Die Europäische In-
vestitionsbank (EIB) stellte eine Kreditlinie i. H. v. 1 Mrd. £ und die Credit National eine
Kreditlinie über 4 Mrd. Französische Francs (FF) bereit; diese beiden Kredite wurden nicht
zusätzlich ausgereicht, sondern sind über Letters of Credit aus o. g. Kreditvolumen zu be-
1.4 Finanzierung
11
sichern. Abbildung 1-1 gibt einen Überblick über das Vertragsgeflecht.8
Im November 1987 wurde das Eigenkapital durch einen Börsengang um 770 Mio. £ erhöht.
Abbildung 1-3: Vertragliche Beziehungen
1.4 Finanzierung
1.4.1 Kapitalbedarf
Das Finanzierungspaket muss den Bau, die Inbetriebnahme und den anfänglichen Betrieb
von Eurotunnel abdecken. Zum Zeitpunkt des Börsengangs geht man von insgesamt 4.874
Mio. £ aus. Darin enthalten sind die Konstruktionskosten, die Kosten der Eurotunnel Group
(für Management, Verwaltung usw.), sogenannte andere Kosten (z. B. für den MdO), ein
Inflationsausgleich und die Nettofinanzierungskosten. Letztere bestehen aus dem Zins-
aufwand zuzüglich der Gebühren für Eigen- und Fremdkapital abzüglich des Zinsertrages.
8 Für Auszüge aus den originalen Vertragswerken (Construction Agreement, Rail Usage Contract,
Credit Agreement) vgl. den Anhang zum Kapitel 13 von Drukarczyk/Schüler (2008).
Banken
-
konsortium
Kreditvertrag
Baukonsortium
Konstruktionsvertrag
Interest
IGC
MdO
Eisenbahn
-
Beratung
Kontrolle
Benutzungsvertrag
Franz./Brit.
Staat
Konzession
,
Aktion
ä
re
EIB / Cr
é
dit
National
Gesetzgebung
Kontrolle
Kontrolle
Dividenden
Eigenkapital
Benutzer
Beförderungsverträge
Banken
-
konsortium
Baukonsortium
TML
Eurotunnel
& FM
IGC
MdO
Eisenbahn
-
gesellschaften
Kontrolle
Franz./Brit.
Staat
Konzession
,
Aktion
ä
re
EIB /
Cr
é
dit
National
Gesetzgebung
Kontrolle
Eigenkapital
Benutzer
Banken
-
konsortium
Baukonsortium
Konstruktionsvertrag
Interest
IGC
MdO
Eisenbahn
-
Beratung
Kontrolle
Benutzungsvertrag
Franz./Brit.
Staat
Konzession
,
Aktion
ä
re
EIB / Cr
é
dit
National
Gesetzgebung
Kontrolle
Kontrolle
Dividenden
Eigenkapital
Benutzer
Banken
-
konsortium
Baukonsortium
TML
Eurotunnel
& FM
IGC
MdO
Eisenbahn
-
gesellschaften
Kontrolle
Franz./Brit.
Staat
Konzession
,
Aktion
ä
re
EIB /
Cr
é
dit
National
Gesetzgebung
Kontrolle
Eigenkapital
Benutzer
Inhaltsverzeichnis
12
Mio. £
Nov.1987
Tunnel
1.367
Terminals & Fixed Equipment
1.169
Shuttles
252
Ges. Konstruktionskosten
2.788
Kosten von Eurotunnel
und andere Kosten
642
Inflationsausgleich
469
Nettofinanzierungskosten
975
Gesamt
4.874
Tabelle 1-6: Kapitalbedarf
1.4.2 Fremdkapital
An dem Konsortialkredit beteiligen sich 198 Banken. Die Funktion von sog. Arranging
Banks übernehmen die fünf Banken, die auch am Anbieterkonsortium beteiligt sind (Banque
Nationale de Paris, Crédit Lyonnais, Banque Indosuez, National Westminster Bank, Mid-
land Bank). Im Anhang 4 sind die sog. Underwriting Banks aufgelistet.
Der Kredit hat ein Volumen von umgerechnet 5 Mrd. £ (bestehend aus 2,6 Mrd. £, 21 Mrd.
FF und 450 Mio. US $9) und soll im November 1987 unterzeichnet werden. 1 Mrd. £ davon
sind als Stand-By-Fazilität vorgesehen, die nur bei Kostenüberschreitungen in Anspruch ge-
nommen werden darf und deshalb teurer als der Hauptkredit ist (Marge 1,75 % für die
Stand-By-Fazilität im Vergleich zu 1,25 % des Hauptkredites vor Fertigstellung; 1,25 % im
Vergleich zu 1 % nach Fertigstellung). Die Rückzahlung bzw. Refinanzierung des Kredites
soll bis spätestens November 2005 erfolgen. Der Berechnung der Zinszahlungen liegen Re-
ferenzzinssätze wie LIBOR oder PIBOR zuzüglich der Marge an die Banken zugrunde. Das
Management erwartet, dass der durchschnittliche Referenzzinssatz während der gesamten
Laufzeit 9 % beträgt. Wie bereits erwähnt, stellt die Europäische Investitionsbank (EIB)
1 Mrd. £ des Hauptkredites bereit. Dies sind keine zusätzlichen Mittel, sondern die In-
anspruchnahme muss über Letters of Credit, die von Banken des Konsortiums ausgegeben
werden, in gleicher Höhe gedeckt sein. Die Laufzeit dieser Kreditlinie beträgt 25 Jahre. Im
Dezember 1987 wird eine ähnliche Vereinbarung mit der Crédit National über 4.000 Mio.
FF getroffen.
Eine Voraussetzung für die Kreditziehung ist, dass zunächst mindestens 700 Mio. £ Eigen-
kapital aufgebracht werden müssen. Das erfordert einen erfolgreichen Börsengang, da bis
zum November 1987 erst ca. 250 Mio. £ Eigenkapital eingesammelt worden sind. Eine wei-
tere Voraussetzung ist, dass die Banken mit dem Baufortschritt, den Ergebnissen von De-
9 Es werden folgende Wechselkurse angenommen: 1£ = 10 FF, 1£ = 1,5 US $.
1.4 Finanzierung
13
sign- und Erschließungsstudien, dem prognostizierten Fertigstellungstermin sowie mit den
Kostenprognosen von Eurotunnel einverstanden sind.
Als Sicherheiten dienen die Projektaktiva. Der Kreditvertrag enthält weitere Auflagen für
Eurotunnel in Form von Covenants. Diese beziehen sich z. B. auf die Organisationsstruktur,
die Projektentwicklung und die Einschränkung des Tätigkeitsfelds von Eurotunnel auf die-
ses Tunnelprojekt. Eine Negativklausel verbietet die Sicherheitenstellung an und die Kredit-
aufnahme bei Banken, die nicht im Bankenkonsortium vertreten sind. Weiterhin wird die
periodische Durchführung sog. Banking Cases vereinbart, bei denen Cashflow-Prognosen
aufgestellt und anhand derer Kennziffern (Cover Ratios) errechnet werden, die z. B. das
Verhältnis des Barwerts der Cashflows zu den Verbindlichkeiten messen. Diese Kennzahlen
müssen bestimmte Mindestwerte erreichen, bevor eine Kreditziehung, Refinanzierung oder
Dividendenzahlung zulässig ist. Bei Unterschreiten bestimmter Werte liegt ein Kündigungs-
grund vor. Weitere Kündigungsgründe sind eine Tunneleröffnung nach dem 29. Juli 1994,
ein Anstieg der Kostenschätzungen über die zur Verfügung stehenden Kreditmittel, ein
Bruch der Verpflichtungen von Eurotunnel oder die Nichteinhaltung des Tilgungsplans. Das
Eintreten eines Kündigungsgrundes berechtigt die Banken, weitere Kreditziehungen zu un-
tersagen, die ausstehenden Tilgungszahlungen fällig zu stellen und ihre Sicherheiten zu
verwerten.
1.4.3 Eigenkapital
Wie in Tabelle 1-7 zusammengefasst, wird das EK 1 durch die Mitglieder des Anbieter-
konsortiums und das EK 2 v. a. durch institutionelle Investoren aufgebracht (z. B. die Versi-
cherungsgesellschaften Standard Life, Legal & General oder die Compagnie Financiére de
Suez); es beteiligen sich aber auch EK 1-Aktionäre. Ende September 1987 wird beschlossen,
die ursprünglichen Units des EK 1 und EK 2 in 10 Units aufzusplitten; diese Entscheidung
ist in Tabelle 1-7 berücksichtigt.
Nun, im Herbst 1987, soll der Börsengang (EK 3) erfolgen. Investoren, die Aktien zeichnen,
erhalten je nach Aktienzahl (gegen eine geringe Gebühr) Freifahrten. Im Folgenden blenden
wir diese Gutscheine aus. Aufgrund des binationalen Projektcharakters sollen die Anteile an
Eurotunnel als Units, die aus je einer Aktie von Eurotunnel PLC und Eurotunnel SA beste-
hen, in London und Paris gelistet werden.
EK 1
EK 2
EK 3 (Börsengang)
Zeitpunkt
Sept. 86
Okt. 86
Nov. 87
Preis p. Unit (£)
1,74
2,4
3,5
Units in Mio.
26,52
85,8
220
Betrag (Mio. £)
46
206
770
Zeichner
29% Banken
65% Baufirmen
(Founding Shareholders)
Institutionelle
Investoren
Breite
Streuung
Tabelle 1-7: Eigenkapital
Inhaltsverzeichnis
14
Ein erfolgreicher Börsengang vorausgesetzt, kann Eurotunnel Ende 1987 auf ein Finanzie-
rungspaket aus rund 1 Mrd. £ Eigenkapital – abzüglich der bereits erfolgten Auszahlungen –
und 5 Mrd. £ Fremdkapital zurückgreifen. Der Kapitalbedarf von rund 4,9 Mrd. € wäre mehr
als gedeckt. Vor dem Börsengang sind den EK 1-Aktionären und Banken Warrants zugeteilt
worden. Auch die EK 3-Aktionäre sollen Warrants erhalten. Werden diese ausgeübt, fließt
Eurotunnel weiteres Eigenkapital zu. Tabelle 1-8 listet die Details auf.
EK 3-
Aktionäre
EK 1-
Aktionäre
Banken
Anzahl (Mio.)
220
2,652
7,142
7,403
Ausübungsverhältnis
10 : 1,1
1 : 10,78
1 : 1,07
1 : 1
(Warrants: Units)
für 4,6 £
für 19,72 £
für 3,5 £
für 5 £
Ende der Ausübungsfrist
15.11.1992
30.6.1995
offen
30.6.2000
Bezugskurs
4,18
1,83
3,27
5
EK-Beitrag bei voller Aus-
übung (Mio. £)
101
52
25
37
Tabelle 1-8: Weitere potentielle Eigenkapitalbeiträge
1.5 Finanzplanung
1.5.1 Umsatzplanung
Die Umsatzprognosen sind von entscheidender Bedeutung für die Kapitalgeber. Denn soll-
ten sie deutlich unterschritten werden, fällt das Finanzierungskonzept in sich zusammen.
Den Umsatzschätzungen liegen Verkehrsprognosen zugrunde, für deren Erstellung man die
Entwicklung der Vergangenheit analysiert und unter Annahmen in die Zukunft fortschreibt.
Die Annahmen betreffen die qualitativen (z. B. Umwelt, Technik und Organisation des Ver-
kehrs), sozioökonomischen (Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung) und verkehrspo-
litischen Rahmenbedingungen. Die Berater von Eurotunnel entwickelten ein Nachfrage-
modell für den Kanalverkehr auf Basis historischer Daten. Sie schätzen, dass das zukünftige
Verkehrsaufkommen vornehmlich vom Anstieg des Bruttosozialprodukts im UK und Konti-
nentaleuropa abhängen wird, da dieser Faktor historisch die Zahl der Kanalüberquerungen
britischer Staatsbürger, die 1985 zwei Drittel dieses Marktes ausmachten, und das Volumen
von Im- und Exporten nach und von Großbritannien am besten erklärt. Die prognostizierten
BSP-Wachstumsraten sind mit 2 bis 2,15 % geringer als die 2,25 % p. a., die zwischen 1960
und 1985 durchschnittlich erreicht wurden. Als weitere signifikante Variable wurde das
Wachstum des Pro-Kopf-Konsums identifiziert, das auf 1,9 bis 2,05 % geschätzt wird. Da-
neben ist auch die künftige Wettbewerbssituation auf dem Kanalverkehrsmarkt relevant.
Eurotunnel nennt als Wettbewerbsvorteile seines Systems die Verlässlichkeit, interpretiert
als Wetterunabhängigkeit, den regelmäßigen Betrieb, die Bequemlichkeit und die relativ
1.5 Finanzplanung
15
kurze Reisedauer.
Die Berater bezogen diese Argumente in ihr Modell ein, um den Marktanteil von Eurotunnel
zu prognostizieren. Sie schätzen das zusätzliche Verkehrsaufkommen, das durch die Exi-
stenz der Tunnel-Lösung geschaffen wird, vorsichtig ein. Einige historische und geplante
Daten zum Personenverkehr zeigt Tabelle 1-9.
Historie
Prognose
1975
1985
1993
2003
2013
Marktvolumen
25,7
48,1
64,3
88,1
111,9
Zusätzlich durch den Tun-
nel geschaffenes Markt-
volumen
-
-
2,8
5,5
6,8
Gesamtes Marktvolumen
25,7
48,1
67,1
93,6
118,7
Eurotunnelvolumen
-
-
29,7
39,5
46,6
∅ jährliche Wachstumsrate
des gesamten Passa-
gieraufkommens
6,5%
4,2%
3,4% 2,4%
Tabelle 1-9: Personenverkehr (Mio. Überquerungen p. a.)
Die Prognosen für den Güterverkehr zeigt Tabelle 1-10. Man erwartet, dass die Frachtshutt-
les etwas weniger als 25 % des sog. Roll-on-Roll-off-LKW-Verkehrs anziehen werden und
die Non-Stop-Zugverbindungen etwas unter 6 %. Letztere sollten auch für etwa 1/3 der Con-
tainer- oder Eisenbahnfracht interessant sein. Von nicht standardisierten Gütern oder Gefah-
rengütern, wie zum Beispiel Öl oder Chemikalien, erwartet man künftig nur ungefähr 7 %
durch den Tunnel zu transportieren.
Historie
Prognose
1975
1985
1993
2003
2013
Marktvolumen
37,2
60,4
84,4
122,1
169,8
Zusätzlich durch den
Tunnel geschaffenes
Marktvolumen
-
-
-
0,5
0,6
Gesamtes Marktvolumen
37,2
60,4
84,4
122,6
170,4
Eurotunnelvolumen
-
-
14,8
21,1
27,8
∅ jährliche Wachstums-
rate des gesamten Fracht-
verkehrs
5,0%
4,3%
3,8% 3,3%
Tabelle 1-10: Frachtverkehr (Mio. Tonnen p.a.)
Die Berater nehmen weiterhin an, dass die Preise für Shuttletickets nicht über den Fähr-
Inhaltsverzeichnis
16
preisen liegen dürften. Ihrer Meinung nach werden die Fährgesellschaften ihre inflations-
bereinigten Preise gegenüber den 1986 gültigen senken, um im Geschäft zu bleiben. Tabelle
1-11 zeigt den für 1993 prognostizierten Preis (ohne inflationsbedingte Preissteigerungen).
Luftkissenboot
Fähre
Fähre oder Shuttle
£
1986
1986
1993
PKW inkl. Personen10
64,6
58,7
55,8
LKW11
-
147,7
118,2
Tabelle 1-11: Preise pro Fahrzeug
Man erwartet, dass die Preise für Flüge auf den relevanten Strecken teilweise wegen der zu
erwartenden Deregulierungen im Luftverkehr und aufgrund der Konkurrenz durch den Euro-
tunnel fallen werden. Die Prognosen hierzu wiederum in Preisen von 1987 zeigt Tabelle
1-12.
Flug
Flug
Non-Stop-Züge
£
1986
1993
1993
Geschäftsreisen
80,0
64,0
39,9
Tourismus
52,1
49,5
23,9
Paketangebote
37,0
37,0
14,4
Tabelle 1-12: Preise pro Person
Für die Nutzung des Tunnels durch Zugreisende oder Frachtzüge entrichten British Rail und
SNCF Nutzungsgebühren an Eurotunnel in Abhängigkeit von der Zahl der Züge, der Anzahl
der Passagiere und dem Frachtvolumen. Für die ersten zwölf Jahre garantieren die Bahn-
gesellschaften eine monatliche Benutzungsgebühr von mindestens 9 Mio. £.12
Weitere Cashflows können insbesondere durch Duty-Free-Verkäufe generiert werden. Die-
ses Einkommen wird sich aber beträchtlich verringern, falls Duty-Free-Privilegien für Rei-
sende innerhalb der EG abgeschafft werden.
Aus den vorangegangenen Überlegungen leitet die Gesellschaft die in den Plan-Gewinn-
und-Verlustrechnungen (Tabelle 1-13) und in den Finanzplänen (Tabelle 1-14) zugrundege-
legten Umsätze der drei Geschäftsbereiche Shuttle, Rail und Ancillary (Nebengeschäft) ab.
10 Mit durchschnittlich 2,55 Personen besetzt.
11 Durchschnittlich 11,7 t Fracht pro LKW.
12 Vgl. Anhang 2.
1.5 Finanzplanung
17
Es wird eine sog. „post money“-Perspektive eingenommen, d. h. die Planungen werden un-
ter der Annahme eines erfolgten Börsengangs formuliert. Eurotunnel unterstellt dabei eine
Inflationsrate von 6 % für den gesamten Planungszeitraum. Die Jahre 1993 bis 2003 werden
vollständig dokumentiert; ab 2003 wird nur in 10-Jahresschritten berichtet. Das letzte volle
Betriebsjahr ist 2041. Mitte 2042 erfolgt die entschädigungslose Übertragung aller Assets
auf den britischen und den französischen Staat. Die aus den Prognosen ableitbare Wachs-
tumsrate für z. B. den Shuttleumsatz sinkt bis 2003 auf real 2,5 %. Aus der Gegenüberstel-
lung der Shuttleumsätze für die Jahre 2003 bis 2013 lässt sich ein jährliches Nominalwachs-
tum von 7,7 % bzw. ein jährliches Realwachstum von 1,6 % ableiten. Letzteres sinkt bis
2023 auf 1,1 %, bis 2033 auf 0,6 % und schließlich bis 2041 auf 0 %. Analog kann man die
Entwicklung der Umsätze in den Bereichen Rail und Ancillary nachzeichnen. Da Eurotunnel
annimmt, dass die realen Preise konstant bleiben, ist das Realwachstum allein durch Men-
genwachstum bedingt. Bei der Umsatzplanung wird unterstellt, dass die vertraglich verein-
barte Option auf Eröffnung einer zweiten festen Verbindung nicht ausgeübt wird.
1.5.2 Weitere Planungsannahmen
Die operativen Aufwendungen betragen in der Detailplanungsphase 1993 bis 2003 durch-
schnittlich 18,7 % der Umsätze. Im weiteren Verlauf steigt dieser Anteil auf etwa 20 %.
Diese Aufwendungen werden in einen variablen und einen fixen Bestandteil zerlegt. Die
Fixkosten steigen ab 2003 i. H. d. Inflationsrate. Die variablen Kosten in Prozent des Um-
satzes steigen über die Konzessionslaufzeit von ca. 7,5 % auf etwa 11 %. Die Abschrei-
bungen auf die Investitionen bis zur Eröffnung und alle nachfolgenden Investitionen steigen
kontinuierlich bis zum Ende der Konzessionslaufzeit. Man kann annehmen, dass das Anla-
gevermögen zum Zeitpunkt der Verstaatlichung vollständig abgeschrieben ist.
Die vor Eröffnung aufgelaufenen Auszahlungen für z. B. Personal oder Zinsen sorgen für
den Aufbau eines steuerlichen Verlustvortrags, der in den ersten Betriebsjahren abgebaut
wird. Laut Emissionsprospekt wird ein Unternehmensteuersatz von 39 % unterstellt. Dieser
Satz ist plausibel, da alle Erträge und Aufwendungen zu gleichen Teilen zwischen der briti-
schen und der französischen Zwillingsgesellschaft aufgeteilt werden. Damit erfolgt die Be-
steuerung je zur Hälfte unter Anwendung des britischen Unternehmensteuersatzes (35 %)
und des französischen Steuersatzes auf einbehaltene Gewinne (39 %). Die verbleibende Dif-
ferenz zu den o. g. 39 % ist durch andere Steuerarten bedingt. Der Unterschied in der Anga-
be zwischen der Besteuerung des Gewinns (taxation) und der tatsächlich zu zahlenden Steu-
ern (tax paid) erklärt sich aus den Modifikationen der Steuerschuld bei Ausschüttungen.
Gemäß den britischen Vorschriften zum Zeitpunkt des Börsengangs hat Eurotunnel eine
Advance Corporation Tax (ACT)-Zahlung in Höhe von 25 % der ausbezahlten Dividende zu
leisten, gemäß den französischen müssen auf Ausschüttungen 42 % Körperschaftsteuer ge-
zahlt werden. Der Anteilseigner kommt aufgrund der ACT-Zahlung von Eurotunnel nach
britischem Steuerrecht in den Genuss einer Steuergutschrift in Höhe von einem Drittel der
ausbezahlten Dividende. Nach französischem Recht beträgt diese 50 % der Ausschüttung.
Dies ergibt einen Faktor von 1 + (0,33 + 0,5)/2 = 1,415, der unten auch im Rahmen der Sen-
sitivitätsanalyse zur Berechnung der Dividenden bzw. Renditen inklusive Steuergutschrift
Inhaltsverzeichnis
18
zum Einsatz kommt.
Der ab 2013 ausgewiesene negative Zinsaufwand verdeutlicht zusammen mit den offen-
sichtlich die residualen Dividenden unterschreitenden Dividendenzahlungen (bzw. der Er-
höhung der Liquid Funds), dass Eurotunnel Finanzanlagen aufbaut, die gegen Ende der
Laufzeit ein beträchtliches Volumen angenommen haben werden. Ein Grund für dieses Vor-
gehen ist eine entsprechende Vorgabe der Gläubiger. Der risikolose Zinssatz wird auf 8,5 %
gesetzt.
Der Finanzplan macht weiter deutlich, dass eine Refinanzierung des Konsortialkredits und
eine Ausübung der ausgegebenen Warrants eingeplant sind.
1.5 Finanzplanung
19
Tabelle 1-13: Plan-GuV
Mio. £
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2013
2023
2033
2041
Shuttle
251
384
423
463
505
551
599
652
709
770
836
1.763
3.527
6.682
10.650
Rail
194
314
341
368
396
430
459
493
530
569
612
1.191
2.105
3.641
5.526
Ancillary
43
64
71
77
85
91
100
109
117
127
138
282
552
1.033
1.648
Turnover
488
762
835
908
986
1.072
1.158
1.254
1.356
1.466
1.586
3.236
6.184
11.356
17.824
Operating costs
86
145
155
168
183
206
216
235
255
277
304
631
1.207
2.246
3.604
Fixed expenses
53
88
92
99
107
117
126
137
148
161
174
314
562
1.006
1.604
Variable expenses
33
57
63
69
76
89
90
98
107
116
130
317
645
1.240
2.000
Depreciation
103
158
159
160
162
167
169
171
173
176
184
234
271
328
383
Operating profit
299
459
521
580
641
699
773
848
928
1.013
1.098
2.371
4.706
8.782
13.837
Interest, net
229
351
322
307
291
277
265
234
212
190
171
-39
-173
-370
-616
Profit before taxation
70
108
199
273
350
422
508
614
716
823
927
2.410
4.879
9.152
14.453
Taxes
7
18
38
53
69
88
198
240
279
321
361
934
1.893
3.547
5.573
Profit after taxation
63
90
161
220
281
334
310
374
437
502
566
1.476
2.986
5.605
8.880
Transfer to reserves
1
2
3
3
4
6
7
9
5
0
0
0
0
0
0
Profit for the year available
f di ib i
62
88
158
217
277
328
303
365
432
502
566
1.476
2.986
5.605
8.880
Dividends payable
149
169
217
277
328
303
365
432
502
566
1.476
2.986
5.605
8.880
Number of units (shares)
383
390
390
390
390
390
390
390
390
390
390
390
390
390
Per unit
0,39
0,44
0,56
0,71
0,85
0,78
0,94
1,11
1,29
1,46
3,80
7,70
14,44
22,88
Inhaltsverzeichnis
20
Tabelle 1-14: Finanzplan
1.5.3 Vorteilhaftigkeitsprüfung und Sensitivitätsanalysen
Mio. £
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2013
2023
2033
2041
Source of funds
Profit before taxation
70
108
199
273
350
422
508
614
716
823
927
2.410
4.879
9.152
14.453
Depreciation
103
158
159
160
162
167
169
171
173
176
184
234
271
328
383
Issue of long-term debt
321
776
352
361
452
Issue of share capital
52
25
494
318
1.159
785
873
1.041
677
785
889
999
1.111
2.644
5.150
9.480
14.836
Application of funds
Purchase of fixed assets
262
37
39
9
108
227
1.042
650
Repayment of long-term debt
799
493
478
561
111
102
111
122
133
97
55
55
55
Dividends paid
181
173
229
290
318
308
377
442
513
1.387
2.857
5.340
8.453
Tax paid
15
84
103
128
158
175
192
251
290
331
919
1.868
3.528
5.574
262
52
1.064
769
835
1.048
604
602
739
863
1.085
2.630
5.822
9.573
14.082
Movement in working capital
-3
-7
-11
-11
-10
-12
-7
-14
-10
-12
-20
-24
-40
-49
-50
Movement in net liquid funds
229
259
84
5
28
-19
66
169
140
124
6
-10
-712
-142
704
1.5 Finanzplanung
21
Zur Prüfung der Stabilität zentraler Ergebnisse werden Sensitivitätsanalysen durchgeführt.
Tabelle 1-15 zeigt, wie der Barwert der Dividenden in 1995 – in diesem Jahr soll die erste
Dividende gezahlt werden –, der interne Zinsfuß des Projektes bei einem Emissionspreis
von 3,5 £ je Unit, die Dividende und die Dividendenrendite in Prozent dieses Kurses zu be-
stimmten Stichtagen auf Änderungen des Umsatzes, der Betriebskosten, der Investitionsaus-
zahlungen (Konstruktionskosten) und des Eröffnungstermins reagieren. Die Net Dividend
entspricht dabei der Dividende ohne Steuergutschrift. Die Gross Dividends bzw. die Gross
Dividend Yields sind inklusive Steuergutschrift definiert. Die ausgewiesenen internen Zins-
füße (Gross dividend yield over life of project) erwecken einen robusten Eindruck. Die Di-
videndenrendite, definiert als Dividende ausgewählter Jahre bezogen auf den Emissionspreis
3,5 £ (die sog. Gross dividend yield per Unit at the UK offer price) ist eigenwillig definiert,
da die Inflation die Vergleichbarkeit der z. T. mehrere Jahrzehnte auseinander liegenden
Renditebestandteile erheblich beeinträchtigt.
Zudem zeigt Tabelle 1-16, wie die Umsätze auf Änderungen der makroökonomischen Pa-
rameter wie die Wachstumsrate des britischen Bruttosozialprodukts und die Konsumausga-
ben reagieren.
Im Ausgangsfall beläuft sich der interne Zinsfuß einschließlich Steuergutschrift auf 17,7 %;
der Barwert der Dividenden inkl. Gutschrift beträgt 24 £ im Jahr 1995. Diskontiert man die-
sen Wert mit der von Eurotunnel genannten Rendite von 12 % auf das Jahr 1987, folgt bei
unterstellter Ausübung des Warrants ein Barwert von etwa 10 £ per Unit. Zwar sind die dis-
kontierten Überschüsse noch der Einkommensteuer zu unterwerfen, der zu zahlende Emissi-
onspreis – unabhängig von der einkommensteuerlichen Behandlung des Diskontierungs-
satzes – wird aber durch den Barwert der erwarteten Dividenden deutlich überschritten.
Gemäß Prospekt lohnt die Zeichnung wohl.
Inhaltsverzeichnis
22
Tabelle 1-15: Sensitivitätsanalyse gemäß Börsengang-Prospekt I
1994
1998
2003
2013
2023
2033
Net dividend per Unit - £
(Gross dividend yield per Unit at the UK Offer price - %)
Net value
in 1995 of gross
dividends per Unit
discounted at 12 per
cent.
Gross
dividend
yield over
life of
project
Sensitivities
Eurotunnel’s projections:
£0,39
(16%)
£0,85
(34%)
£1,46
(60%)
£3,80
(155%)
£7,70
(315%)
£14,44
(591%)
£24
17,7%
Increased
revenue
assuming an increase in
revenues of 10 per cent. and in
operating costs of 5 per cent.
£0,67
(27%)
£0,82
(33%)
£1,67
(68%)
£4,21
(172%)
£8,53
(349%
£16,13
(660%)
£28
18,8%
Reduced
revenue
assuming a decrease in
revenues of 10 per cent. and in
operating costs of 5 per cent.
£0,15
(6%)
£0,67
(27%)
£1,22
(50%)
£3,32
(136%)
£6,77
(277%)
£12,75
(522%)
£20
16,6%
Increased
construction
costs
assuming construction costs
increased by 10 per cent.
£0,17
(7%)
£0,76
(31%)
£1,38
(56%)
£3,74
(153%)
£7,63
(312%)
£14,37
(588%)
£23
17,3%
Delay
assuming a delay in
commencement of operations
of six months and an increase
of £30 million (at July 1987
prices) in corporate and other
costs
£0,81
(33%)
£1,42
(58%)
£3,77
(154%)
£7,67
(314%)
£14,43
(590%)
£23
17,4%
1.6 Bewertung der Eigenkapitalanteile
23
1985-1993
1993-2003
2003-2013
Rates of growth in UK
Consumer
Consumer
Consumer
(% per annum)
GDP
expenditure
GDP
expenditure
GDP
expenditure
Eurotunnel’s projections
Lower growth
Higher growth
2,15
1,50
2,50
2,05
1,50
2,30
2,15
1,50
2,50
2,05
1,50
2,30
2,00
1,40
2,35
1,90
1,40
2,15
1993
2003
2013
Changes in revenue
projections
Lower growth
Higher growth
-7%
+3%
-13%
+ 5%
-16%
+ 8%
Tabelle 1-16: Sensitivitätsanalyse gemäß Börsengang-Prospekt II
1.6 Bewertung der Eigenkapitalanteile
Eine grobe Schätzung des internen Zinsfußes, dessen methodische Schwächen zurecht be-
klagt werden, ermöglicht noch kein abschließendes Urteil über die Vorteilhaftigkeit des Pro-
jekts aus Eigentümersicht. Erforderlich ist vielmehr eine explizite Ableitung bewertungsre-
levanter Überschüsse bei Eigen- und Fremdfinanzierung, um so die konsistente Anwendung
der DCF-Varianten – einschließlich der Ermittlung risikoäquivalenten Alternativrenditen –
zu ermöglichen und die Sensitivitäts- bzw. Simulationsanalysen vorzubereiten.
Die Umsätze können nach Sparten getrennt und unter Beachtung des kontinuierlichen Rück-
gangs der realen Wachstumsraten auch für die nicht explizit genannten Jahre rekonstruiert
werden. Die Fixkosten wachsen jährlich in Höhe der Inflationsrate. Die variablen Kosten
können auf Basis der Stichtagsinformationen für die fehlenden Jahre geschätzt werden, in-
dem man z. B. den Anteil der variablen Kosten am Umsatz kontinuierlich bis auf etwa 11 %
erhöht. Stellt man die in den Gewinn- und Verlustrechnungen berichteten Vorsteuergewinne
und Unternehmensteuern der ersten Betriebsjahre gegenüber, kann man bei einem ange-
nommenen Unternehmensteuersatz von 39 % den Verlustvortrag ermitteln (722 Mio. £).
Anlagevermögen 1993, Abschreibungen und Investitionsauszahlungen sollten so aufeinan-
der abgestimmt sein, dass am Ende der Konzessionslaufzeit das abschreibbare Anlagever-
mögen Null beträgt. Eine mögliche Lösung könnte wie folgt aussehen: Der Bestand des An-
lagevermögens in 1993 entspricht den gesamten Konstruktionskosten abzüglich Verlust-
vortrag; die Abschreibungen werden linear interpoliert und die Investitionsauszahlungen
werden so gewählt, dass die Bedingung der Abschreibung des Anlagevermögens auf Null
erfüllt wird. Für unsere Berechnung unterstellen wir, dass die Investitionsauszahlungen in
den nicht aufgedeckten Prognosejahren konstant 168,2 Mio. £ betragen. Die im Prospekt
genannten Veränderungen des Nettoumlaufvermögens werden zwar übernommen; für die
nicht explizit ausgewiesenen Perioden unterstellen wir aufgrund ihres geringen Volumens
aber, dass das Nettoumlaufvermögen konstant bleibt. Abbildung 1-5 stellt die resultierenden
Cashflows bei Eigenfinanzierung zerlegt in Umsätze und operative Auszahlungen ein-
schließlich Investitionen in Sachanlagen und Net Working Capital dar.
Inhaltsverzeichnis
24
Abbildung 1-4: Cashflows bei Eigenfinanzierung im Zeitablauf
Nicht zuletzt aufgrund der hier vorliegenden autonomen Finanzierungsstrategie bietet sich
die Anwendung des APV-Ansatzes zur Bewertung dieses Infrastrukturprojekts unter Beach-
tung der geplanten Fremdfinanzierung an. Für den ersten Bewertungsschritt relevant sind die
eben diskutierten Überschüsse bei Eigenfinanzierung. Wir nehmen eine residuale Ausschüt-
tungspolitik an. Die geforderte Bildung von Finanzanlagen berücksichtigen wir aus Verein-
fachungsgründen weder bei Eigenfinanzierung noch bei (anteiliger) Fremdfinanzierung.
Von einer Berücksichtigung der Steuergutschriften sehen wir ebenfalls ab. Für die Bauphase
ist zu beachten, dass bei unterstellter Eigenfinanzierung weitere Eigenkapitalaufnahmen an
die Stelle der Kreditaufnahmen (verringert um den Zinsaufwand) treten müssen. Mangels
Umsätzen können in diesen Jahren die Steuervorteile der Fremdfinanzierung nicht realisiert
werden, sondern sind Teil des Verlustvortrags.
Höhe und Zeitpunkt der Kreditziehungen in der Bauphase müssen angenommen werden.
Unterstellt man einen Verschuldungszinssatz (iV) von 10 % (= Referenzzinssatz 9 % zuzüg-
lich 100 Basispunkte) liefert der für das erste volle Betriebsjahr 1994 berichtete Zinsauf-
wand (351 Mio. £) einen Anhaltspunkt über die Höhe des ausstehenden Kreditvolumens
zum Zeitpunkt der Eröffnung (3.510 Mio. £). Bei unterstellter Eigenfinanzierung treten (hy-
pothetische) Eigenkapitalerhöhungen an die Stelle der Kreditaufnahmen. Wir berücksichti-
-10.000
-8.000
-6.000
-4.000
-2.000
0
2.000
4.000
6.000
8.000
10.000
12.000
14.000
16.000
18.000
1993
1995
1997
1999
2001
2003
2005
2007
2009
2011
2013
2015
2017
2019
2021
2023
2025
2027
2029
2031
2033
2035
2037
2039
2041
Million en £
+ Rev enues -(Cost + Capex + Change NWC -Taxes) = FCF U
1.6 Bewertung der Eigenkapitalanteile
25
gen sowohl bei Eigen- als auch bei Fremdfinanzierung alle EK-Tranchen sowie die Aus-
übung der Warrants. Als Diskontierungssatz bei Eigenfinanzierung (k) verwenden wir hier
11,7 %. Damit ist – ausgehend vom risikofreien Zins (i) i. H. v. 8,5 % – eine Prämie für das
Investitionsrisiko i. H. v. 3,2 % unterstellt. Wir wählen diesen Zins, da er mit dem im Emis-
sionsprospekt genannten Diskontierungssatz bei anteiliger Fremdfinanzierung (kF) i. H. v.
12 % im Jahre 1995 korrespondiert.13
Der Unternehmenswert bei Eigenfinanzierung (VE) beträgt 1986 gemäß unseren Annahmen
1.209 Mio. £. Bezogen auf das Ende des Jahres 1987, also nach erfolgtem Börsengang, ist
das Projekt bei Eigenfinanzierung dann 2.120 Mio. £ wert.
Nun ist der Barwert der Unternehmensteuervorteile aus der Fremdfinanzierung (VSt) zu er-
mitteln. Einkommensteuern blenden wir vereinfachend aus. Den Verschuldungszinssatz ha-
ben wir auf 10 % gesetzt.14 Wir übernehmen die prognostizierten Tilgungen aus dem Fi-
nanzplan. Die Lücken in der Prognose schließen wir, indem wir z. B. die für 2003 genannte
Tilgung bis zum Jahr 2012 verwenden und für die Folgejahre auf die genannte Tilgung für
2013 solange zurückgreifen, bis der Kreditbetrag vollständig zurückgeführt ist. Die periodi-
schen Steuereffekte (WBF) können durch Gegenüberstellung der Steuern bei Eigen- und
Fremdfinanzierung abgeleitet werden. So ist die Berücksichtigung der Verlustvorträge mög-
lich. Diskontiert man die resultierenden Steuereffekte mit dem risikolosen Zins (8,5 %),
folgt der Barwert der Steuereffekte in 1986 (1987): 667 (724) Mio. £. Der resultierende Un-
ternehmensgesamtwert bei Fremdfinanzierung (VF) entspricht 1986 (1.876 Mio. £) und 1987
(2.944 Mio. £) dem Wert des Eigenkapitals (EF), da die erste Kreditziehung erst 1988 er-
folgt.
Auf Basis der Resultate der APV-Bewertung können nun auch WACC- und Flow-to-Equity
(FTE)-Ansatz angewandt werden. Der WACC ist dabei definiert mit:15
FF
Ft1 t1 t
tt V
F FF
t1 t1 t1
St St F
t1 t1 t
FF
t1 t1
E F WB
WACC k i
V VV
V iV WB
k1 VV
−−
− −−
−−
−−
= +−
−
=−+
Die Ansätze haben aber lediglich bestätigenden Charakter. Dass sich die Anwendung des
WACC- und FTE-Ansatzes – bei aufgeklärter Anwendung der Ertragswertmethode ent-
spricht diese dem FTE-Ansatz – für die Bewertung von Projektfinanzierungen nicht gerade
13 Es gilt bei einem Verschuldungszinssatz, der den risikolosen Zins übersteigt:
( ) ( )
St
FVFF
FV
k = k+ k-i k i
EE
−
−
; vgl. Drukarczyk J./Schüler A. (2007), S. 407, 417.
14 Eine dem Kreditvertrag folgende Differenzierung der Margen nach Projektphase und Kreditlinie ist
aber durchaus erhellend.
15 Vgl. Drukarczyk J./Schüler A. (2007), S. 400, 407, 417; vereinfachend setzen wir hier die erwartete
Rendite der Gläubiger gleich dem Vertragszinssatz.
Inhaltsverzeichnis
26
aufdrängt, illustriert Abbildung 1-5. Denn aufgrund der regelmäßig endlichen Projektlauf-
zeit steigt die Verschuldungsquote, definiert als Relation von Fremdkapital zu Unterneh-
mensgesamtwert, in der Bauphase und sinkt dann aufgrund der Tilgungen in der Betriebs-
phase. Zwar sinkt auch der Barwert der Cashflows mit zunehmender Nähe des Projektendes,
regelmäßig werden die Gläubiger aber wohl auf vollständige Rückzahlung deutlich vor Pro-
jektende drängen.
Abbildung 1-5: Verschuldungsquote im Zeitablauf
Unsere Rekonstruktion basierend auf den Prospektdaten bestätigt die versprochene Vorteil-
haftigkeit der Zeichnung der 220 Mio. Aktien zu je 3,5 £ im November 1987, da der Wert
des Eigenkapitals pro Aktie Ende 1987 7,5 £ beträgt.
0
0,05
0,1
0,15
0,2
0,25
0,3
0,35
0,4
1988 1998 2008 2018 2028 2038
Verschuldungsquote
1.6 Bewertung der Eigenkapitalanteile
27
Tabelle 1-17: DCF-Bewertung Eurotunnel
Mio. £
1986
1987
1988
1989
1990
1991
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
CF bei Eigenfinanz.
-252
-770
-300
-370
-630
-660
-870
135
507
441
503
543
542
634
V
E
1.209
2.120
2.668
3.350
4.372
5.544
7.063
7.754
8.155
8.668
9.179
9.710
10.304
10.876
Steuereffekt p. a.
0
0
0
0
0
0
0
14
203
226
221
126
122
V
St
667
724
785
852
925
1.003
1.088
1.181
1.267
1.172
1.045
913
865
816
V
F
1.876
2.844
3.454
4.202
5.297
6.547
8.151
8.935
9.422
9.840
10.225
10.623
11.168
11.692
F
0
0
300
700
1.400
2.200
3.189
3.510
3.510
3.487
3.346
3.229
3.120
3.009
E
F
(APV)
1.876
2.844
3.154
3.502
3.897
4.347
4.962
5.425
5.912
6.353
6.879
7.394
8.048
8.683
F/E
F
0,0%
0,0%
9,5%
20,0%
35,9%
50,6%
64,3%
64,7%
59,4%
54,9%
48,6%
43,7%
38,8%
34,7%
CF bei Fremdfinanz.
-252
-770
0
0
0
0
-101
137
170
270
239
313
236
332
k
F
10,6%
10,9%
11,1%
11,3%
11,6%
11,8%
12,1%
12,1%
12,0%
12,0%
12,0%
12,0%
12,0%
E
F
(Equity)
1.876
2.844
3.154
3.502
3.897
4.347
4.962
5.425
5.912
6.353
6.879
7.394
8.048
8.683
WACC
10,6%
10,9%
11,0%
11,1%
11,1%
11,2%
11,3%
11,1%
9,1%
9,0%
9,2%
10,2%
10,4%
V
F
(WACC)
1.876
2.844
3.454
4.202
5.297
6.547
8.151
8.935
9.422
9.840
10.225
10.623
11.168
11.692
Inhaltsverzeichnis
28
Mio. £
2000
2001
2002
2003
2033
2041
CF bei Eigenfinanz.
674
729
773
726
4.986
8.605
VE
11.474
12.087
12.729
13.492
36.394
3.826
Steuereffekt p. a.
117
113
109
104
0
0
VSt
768
720
673
626
0
0
VF
12.243
12.808
13.401
14.118
36.394
3.826
F
2.907
2.796
2.674
2.541
0
0
EF (APV)
9.336
10.012
10.727
11.577
36.394
3.826
F/EF
31,1%
27,9%
24,9%
21,9%
0,0%
0,0%
CF bei Fremdfinanz.
389
441
480
430
4.986
8.605
kF
12,0%
12,0%
11,9%
11,9%
11,7%
11,7%
EF (Equity)
9.336
10.012
10.727
11.577
36.394
3.826
WACC
10,5%
10,6%
10,7%
10,8%
11,7%
11,7%
VF (WACC)
12.243
12.808
13.401
14.118
36.394
3.826
Tabelle 1-18: DCF-Bewertung Eurotunnel (Forts.)
1.7 Zur Analyse der Gläubigeransprüche
Die Werthaltigkeit der Gläubigeransprüche hängt an den Cashflows des Projekts. Im
Kreditvertrag sind eine Reihe von Covenants vereinbart; Tabelle 1-17 enthält einige davon.
Covenant
Definition lt. Kreditvertrag
Sanktionen lt. Kreditvertrag
Bank Debt Cover
R
atio
This is the present value of forecast-
ed net cash flow
(after deducting
inter alia, payments to re
financing
creditors and, once the letters of
credit in its favour have been re-
leased, the European Investment
Bank) to 15
th November, 2005 or
(for certain purposes) to the current
estimated maturity date of the f
acili-
ties, and certain cash balances and a
proportion of the interest reserve
mentioned above, divided by the
expected maximum amount of debt
due to the banks lending under the
Credit Agreement, all calculated as
at a particular date.
Eurotunnel will not be entitled to
make drawings under the facilities if,
at the relevant time, the bank debt
cover ratio is below 1.2, or to re-
finance borrowings under the facili-
ties if the ratio is less than 1.3, or to
pay dividends if the ratio is less than
1.25. If the rat
io remains below 1.0
for 90 days or more this will be an
event of default.
Total Debt Cover
R
atio (TDC)
This is the present value of forecast-
ed net cash flow to 31
st December,
Eurotunnel will not be entitled to
make drawings under the facilities if,
1.7 Zur Analyse der Gläubigeransprüche
29
2020 and certain cash balances and
the interest reserve divided by the
aggreg
ated expected maximum
amount of debt due to the banks,
refinancing creditors and (once the
letters of credit in its favour have
been released) the European Invest-
ment Bank, all calculated as at a par-
ticular date.
at the relevant time, the total debt
cover ratio is below 1.9, or to re-
finance borrowings under the facili-
ties if the ratio is less than 1.95. If
the ratio remains below 1.3 for 90
d
ays or more this will be an event of
default.
Debt Service
Cover R
atio
(DSC)
This is the ratio of forecasted net
cash flow during any annual period
to the estimated interest and princi-
pal repayments on both the credit
facilities and refinancing debt during
the same year.
A ratio of at least 1.1 must be satis-
fied to permit refinancing to take
place.
Tabelle 1-19: Covenants für Eurotunnel
Die Bank Debt Cover Ratio unterscheidet sich von der Total Debt Cover Ratio insbesondere
dadurch, dass ausschließlich die Ansprüche der kreditgebenden Banken ohne die
Europäische Investitionsbank und die refinanzierenden Banken eingeschlossen werden. In
der Folge werden auch andere Fristigkeiten und andere kritischen Schwellen vereinbart. Wir
wollen uns auf die Total Debt Cover Ratio beschränken, da sie umfassender definiert ist.
Formal läßt sich diese – unter Ausblendung der nicht aufgedeckten „Cash balances“ und
„Interest reserves“ – und die Debt Service Cover Ratio schreiben mit:
( )( )
()
2020 t 1988
t tV
t 1988
tt
FFO Capex 1 i
Total Debt Cover Ratio = Debt
−−
=
−+
∑
tt
ttt
FFO Capex
Debt Service Cover Ratio = Interest + Repayment
−
In Anlehnung an die entsprechende Definition gem. Moody’s wird unterstellt, dass der
Barwert der Cashflows mit dem Verschuldungszinssatz vor Steuern berechnet wird. Gemäß
unserer DCF-Rekonstruktion des Projekts erhalten wir den in Abbildung 1-4 dargestellten
Kennzahlenverlauf beginnend mit dem gem. Planung ersten vollen Betriebsjahr (1994). Es
überrascht nicht, dass die o.g. kritischen Werte im Basisfall nicht unterschritten werden.
Ordnet man die anfänglichen Ausprägungen in die risikoklassenspezifischen Werte gem.
Tabelle 1-6 ein, scheint ein anfängliches Rating im Bereich BB bis BBB plausibel. Beinahe
erstaunlich ist, dass die im Kreditvertrag festgeschriebenen kritischen Werte 1,1 (DSC) bzw.
1,3 (TDC) empirisch für mit lediglich „B“ geratete Projektfinanzierungen gelten.
Inhaltsverzeichnis
30
Abbildung 1-6: Covenants Eurotunnel
Man kann nun die Robustheit des Finanzplans z. B. durch Sensitivitätsanalysen testen, wie
es Eurotunnel getan hat (vgl. Tabelle 1-15 und Tabelle 1-16). Möglich sind auch Monte-
Carlo-Simulationen. Man könnte z. B. annehmen, dass die Inflationsrate und die realen
Wachstumsraten für die drei Geschäftsbereiche normalverteilt sind; hilfsweise verwenden
wir die Durchschnitte und Standardabweichungen unseres Basisfalls als
Normalverteilungsparameter. Wir nehmen auch an, dass die Wachstumsraten des Shuttle-
und Rail-Umsatzes positiv korreliert sind mit ρ = 0,8. Unterstellt man zudem, dass der
variable Kostensatz in % der Umsätze dreiecksverteilt ist mit dem für 1994, dem ersten
vollen Betriebsjahr, geplanten Kostensatz als wahrscheinlichstem Wert, resultiert –
beispielhaft – die nachstehend abgebildete Verteilung des Cashflows bei Fremdfinanzierung
für das Jahr 1996. Die Wahrscheinlichkeit eines negativen Cashflows und damit die
Wahrscheinlichkeit, dass vertragliche Zins- und Tilgungsverpflichtungen nicht erfüllt
werden können, beträgt dabei immerhin 13 %.
0
1
2
3
4
5
6
7
1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010
Debt Service Cover Ratio Total Debt Cover Ratio
Kritischer Wert DSC Kritischer Wert TDC
1.8 Folgerungen
31
Abbildung 1-7: Cashflow-Verteilung
Informativ ist auch die Simulation der Covenants Debt Service Cover Ratio (kritischer Wert
1,1) oder Total Debt Cover Ratio (kritischer Wert 1,3). Die Wahrscheinlichkeit für ein
Unterschreiten der Mindestwerte mindestens in einem beliebigen Planjahr beträgt unter den
genannten Annahmen etwa 33 % für die Debt Service Cover Ratio und über 40 % bei der
Total Debt Cover Ratio. Diese Simulationen verdeutlichen die Anfälligkeit des
Finanzierungskonzeptes.
1.8 Folgerungen
Zentrales Element der Bewertung von Infrastrukturprojekten ist die Planung und Plausibili-
sierung der operativen Cashflows nach Investitionsauszahlungen, also der Cashflows bei
Eigenfinanzierung. Denn sie determinieren die Vorteilhaftigkeit und die Verschuldungska-
pazität des Projekts. Aufgrund des Mangels an anderen Sicherheiten einschließlich des be-
grenzten oder ausgeschlossenen Rückgriffs auf Assets außerhalb der Projektgesellschaft
kommt cashflow-bezogenen Kennzahlen aus Sicht der Fremdkapitalgeber eine zentrale Sig-
nalfunktion zu. Wir haben gezeigt, wie diese Kennziffern definiert sind und welche kriti-
schen Werte für bestimmte Risikoklassen unterstellt werden, und haben einige Überlegun-
gen zur Plausibilitätsprüfung angestellt. Darauf aufbauend haben wir zwei anfänglich für das
Eurotunnelprojekt vereinbarte Covenants etwas genauer betrachtet. Deutlich wurde dabei,
dass die zunächst vereinbarten kritischen Werte im Vergleich zu den Moody’s-Daten als
nicht besonders streng scheinen. Hilfreich für die Analyse der Kennzahlen und der Cash-
flow-Verteilung sind Monte-Carlo-Simulationen. Unsere Simulationsrechnung zeigt viel
deutlicher als die im Emissionsprospekt enthaltene Sensitivitätsanalyse, dass das finanzielle
Fundament von Beginn an feine Risse aufweist.
CF Fremdfinanzierung 96
0
500
1000
1500
2000
2500
-132,7 -36,9 58,9 154,7 250,5
Häufigkeit
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32
Dass die Cashflow-Analyse bei Projektstart für die Kapitalgeber von herausragender
Bedeutung für Infrastrukturprojekte ist, macht auch folgende Überlegung klar: Während der
regelmäßig mehrjährigen Bauphase fallen Investitionsauszahlungen an, denen noch keine
Einzahlungen gegenüberstehen. Stellt sich nach Inbetriebnahme heraus, dass die geplanten
operativen Cashflows nicht erzielt werden können, ist die Liquidationsoption bereits nicht
mehr werthaltig, da die getätigten Investitionen für die Entscheidung zwischen
Projektabbruch und -fortführung irrelevant sind – sie haben den Charakter von Sunk Costs –
und der Liquidationswert häufig den Fortführungswert, den Barwert der operativen
Cashflows nach Investitionszahlungen, unterschreitet.16
Die Bewertung der Eigenkapitalanteile (nicht nur) von Infrastrukturprojekten haben wir am
Beispiel des Eurotunnels auf Basis des APV-Ansatzes durchgeführt. Für diesen Ansatz
spricht dabei, dass er die operative Leistungsfähigkeit unabhängig von den Einflüssen der
Finanzierungspolitik darstellt. Eine Anwendung z. B. des WACC-Standardansatzes wird
darüberhinaus behindert durch nicht konstante Verschuldungsquoten und die Relevanz von
Verlustvorträgen in den Anfangsjahren.
16 Genau dieses Problem ist im weiteren Verlauf des Eurotunnelprojekts aufgetreten; vgl. dazu und zum
jüngsten Versuch der Restrukturierung dieses Projekts die Kapitel 15 und 16 in Drukarczyk/Schüler
(2008), Akquisitionen, Börsengänge und Restrukturierungen.
1.9 Literatur
33
1.9 Literatur
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