ArticlePDF Available

BB-Kommentar zu OLG München, Beschluss vom 5.5.2015 – 31 Wx 366/13 (2015), in: Betriebs-Berater, 70. Jg., S. 1586.

Authors:

Abstract

Comment on the decision of the OLG München. Kommentar zur genannten Entscheidung des OLG München
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft | Entscheidungen
Schüler | BB-Kommentar zu OLG München · 5.5.2015 – 31 Wx 366/13
OLG München: Barabfindung der
Minderheitsaktionäre zum Börsenwert
OLG München, Beschluss vom 5.5.2015 – 31 Wx 366/13, rkr.
Volltext des Beschlusses:
BB-ONLINE
BBL2015-1586-1
unter www.betriebs-berater.de
AMTLICHE LEITSÄTZE
1. []
2. Bei der Planung der künftigen Erträge können Entwicklungen be-
rücksichtigt werden, die zwar erst nach dem Stichtag eintreten, aber
schon in den am Stichtag bestehenden Verhältnissen angelegt sind,
wenn der wesentliche Inhalt des erst später verwirklichten Sachver-
halts bereits zum Bewertungsstichtag hinreichend konkretisiert ist
und die Realisierung unabhängig von der Strukturmaßnahme (hier:
Squeeze-Out) erfolgen soll.
3. []
4. Für einen Stichtag im Oktober 2009 kann eine Marktrisikoprämie
von 4,5% nach Steuern angenommen werden.
SpruchG §§ 12 Abs. 1, 17 Abs. 1; FamFG § 61 Abs. 1
BB-Kommentar
Differenzierte Diskussion des Referenzzeitraums
und Berücksichtigung szenarioabhängiger
Bewertungsergebnisse
PROBLEM
Die außerordentliche Hauptversammlung der H AG beschloss am
5.10.2009, Minderheitsaktionäre mit 1,3 Euro je Aktie, in Summe 1,58
Mrd. Euro (Börsenwert), abzufinden. Das LG München I hat am
21.6.2013 Anträge auf höhere Barabfindung zurückgewiesen. Über da-
gegen vorgetragene Beschwerden, gemäß derer die Abfindung zu
niedrig gewesen sei, hatte das OLG München zu befinden. Zu prüfen
war, an welchem Tag das Dreimonatsintervall zur Berechnung des
durchschnittlichen Börsenkurses endet, wann also die Maßnahme be-
kannt gemacht wurde, und ob der Ertragswert unter dem Börsenwert
lag. Die Beschwerdeführer tragen vor, der Referenzzeitraum zur Ermitt-
lung des Börsenwerts sei unzutreffend, die Planung u.a. aufgrund der
am Bewertungsstichtag angelegten Verlagerung von Vermögenswerten
in die Abwicklungsanstalt und zu hoher Risikovorsorge zu konservativ,
das Wachstum zu niedrig, der Kapitalisierungszinssatz zu hoch und
das nicht betriebsnotwendige Vermögen nicht ausreichend berücksich-
tigt.
ZUSAMMENFASSUNG
Mit Beschluss vom 5.5.2015 weist das OLG München die Beschwerden
zurück. Es bestätigt die Auffassung des LG, dass die Barabfindung an-
gemessen ist: Der geeignete Zeitraum zur Bemessung des durch-
schnittlichen Börsenkurses endete zutreffend mit der Bekanntmachung
der Maßnahme durch eine Ad-hoc-Mitteilung. Andere Zeitpunkte, auf
die sich die Beschwerdeführer beziehen, wie eine Äußerung des Bun-
desfinanzministers oder Diskussionen in den Medien, seien nicht he-
ranzuziehen. Das LG habe zutreffend festgehalten, dass der Ertragswert
unter dem Börsenwert liegt. Es könne sich auf die Bewertung durch
die Bewerterin und die sachverständige Prüferin stützen. Auch errechne
die Angemessenheitsprüferin selbst bei „ausschließlich werterhöhenden
alternativen Annahmen“ einen den Börsenwert unterschreitenden Un-
ternehmenswert.
PRAXISFOLGEN
Für die Praxis ist u.a. die Diskussion des Referenzzeitraums zur Bestim-
mung des Börsenwerts interessant. Zwar sind die diskutierten Ereignisse
und deren Eignung grundsätzlich fallabhängig, könnten aber, z.B. was die
Diskussion der Lage eines Unternehmens in den Medien betrifft, auch für
andere Fälle Relevanz entfalten.
Interessant ist auch die Prüfung der am Bewertungsstichtag hinreichen-
den Konkretisierung von Maßnahmen, hier der Ausgliederung in die
Abwicklungsanstalt. Neben dem fallabhängigen Verweis auf notwendige
Genehmigung und Refinanzierung ist der „Stand-alone-Grundsatz“ zu
nennen, gemäß dem eine Konkretisierung nicht vom Erfolg der Struktur-
maßnahme abhängen darf – unabhängig von der zu erwartenden Wahr-
scheinlichkeit.
Die Bewerterin ermittelt einen negativen Ertragswert. Ertragswert und Li-
quidationswert unterschreiten beide den Börsenwert. Der Börsenwert
übersteigt auch den von der sachverständigen Prüferin bei Berücksichti-
gung „sämtlicher ausschließlich werterhöhender alternativer Annahmen“
höchsten ermittelten Unternehmenswert. Von praktischem Interesse ist,
dass damit hier szenarioabhängige Bewertungsergebnisse in den Be-
schluss eingehen. Dabei ist die Zuordnung von Eintrittswahrscheinlichkei-
ten zu den Szenarien und die Verdichtung zu erwarteten Zahlungsüber-
schüssen – wie hier – nicht in jedem Fall von Bedeutung. Zunächst kann
dem Liquidations- und Börsenwert eine Bandbreite von Ertragswerten ge-
genübergestellt werden. Sollte sich die Ertragswertbandbreite nicht unter-
halb oder oberhalb der Referenzwerte bewegen, hat eine Bewertung der
erwarteten Überschüssen zu erfolgen.
Von Interesse ist zudem, dass eine Eigenkapitalzufuhr am Bewertungsstich-
tag eingeplant worden ist. Unabhängig vom Fall wäre eine Kapitalerhö-
hung, die den Barwert der finanziellen Überschüsse übersteigt, hinsichtlich
ihrer Realisierbarkeit zu hinterfragen, da man unterstellte, dass Investoren
sehenden Auges eine Vermögenseinbuße (negativen Ertragswert) in Kauf
nehmen. Dies ist eine Annahme, die auf (auskömmliche) Gewinne abzie-
lende Investoren kaum akzeptieren. Im vorliegenden Fall weist das OLG auf
nach dem Bewertungsstichtag eingeplante Kapitalrückführungen, die zwi-
schenzeitlich mit dem Basiszins verzinst werden, hin. Dies könnte andeuten,
dass der Barwert der relevanten Kapitalrückführungen und Zinserträge der
Eigenkapitaleinlage entspricht. Übrig bliebe weiterhin ein negativer Er-
tragswert. Zu untersuchen wäre in ähnlich gelagerten Fällen zudem, ob
ausgeschlossen werden kann, dass kein weiteres Eigenkapital bereitgestellt
wird, und wie das Bewertungsergebnis dann aussieht.
Hinsichtlich Basiszins, Marktrisikoprämie, Ausschüttungsquote, Wachstum
und Abgeltungsteuereffekten finden sich im Beschluss die im IDW S1 und
den Empfehlungen des FAUB verankerten Ausgestaltungen. Der Rückgriff
auf das auch vom OLG München jüngst als in der Praxis anerkannt und
gebräuchlich eingestufte CAPM wird erneut nicht beanstandet.
Prof. Dr. Andreas Schüler ist Inhaber der Professur für Fi-
nanzwirtschaft & Finanzdienstleistungen an der Universität
der Bundeswehr München. Er beschäftigt sich u.a. mit Theo-
rie und Praxis der Unternehmensbewertung.
1586
Betriebs-Berater | BB 26.2015 | 22.6.2015
Powered by TCPDF (www.tcpdf.org) 1 / 1
ResearchGate has not been able to resolve any citations for this publication.
ResearchGate has not been able to resolve any references for this publication.