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BB-Kommentar zu OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 17.1.2017 – 21 W 37/11 (2017), in: Betriebs-Berater, 72. Jg., H. 20, S. 1138.

Authors:

Abstract

Besprechung der genannten Entscheidung des OLG Frankfurt.
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft | Entscheidungen
Schüler | BB-Kommentar zu OLG Frankfurt a.M. · 17.1.2017 – 21 W 37/12
OLG Frankfurt a.M.: Gerichtliche Schätzung
des Unternehmenswerts nach § 287 Abs. 2
ZPO analog
OLG Frankfurt, Beschluss vom 17.1.2017 – 21 W 37/12, rkr.
Volltext des Beschlusses:
BB-ONLINE
BBL2017-1138-1
unter www.betriebs-berater.de
AMTLICHE LEITSÄTZE
1. Die gerichtliche Schätzung des Unternehmenswertes nach § 287
Abs. 2 ZPO analog setzt eine tragfähige Schätzgrundlage voraus. Trag-
fähigkeit ist in der Regel bereits dann gegeben, wenn die zur Anwen-
dung gebrachten Parameter und Methoden nach Auffassung des er-
kennenden Gerichts geeignet und aussagekräftig, aber gemessen am
Bewertungsziel nicht notwendigerweise zugleich bestmöglich sind.
2. Eine Marktrisikoprämie, die sich an die für den Bewertungsstichtag
maßgeblichen Empfehlungen des Instituts der Wirtschaftsprüfer e.V.
bzw. dessen Fachausschusses für Unternehmensbewertung orientiert,
kann im Regelfall als Bestandteil einer tragfähigen Grundlage für die
Schätzung des Unternehmenswertes herangezogen werden.
3. Zum Einfluss bestehender Produktions- und Vertriebsverträge auf
den Betafaktor und den Wachstumsabschlag einer Gesellschaft.
AktG § 327, SpruchG § 1, ZPO § 287
BB-Kommentar
„Auf der Suche nach geeigneten Methoden“
PROBLEM
Zwischen der A AG als beherrschtem und der Hauptaktionärin als herr-
schendem Unternehmen bestand seit Ende 1997 ein isolierter Beherr-
schungsvertrag, der bei Nichtannahme der Abfindung eine jährliche
Garantiedividende von 3,07 Euro je Aktie vorsah. Zudem bestehen Pro-
duktions- und Vertriebsverträge, die die A AG in den Konzern der Haupt-
aktionärin einbinden. Die Hauptversammlung der A AG beschloss am
29.8.2008, die noch nicht der Hauptaktionärin gehörenden Aktien gegen
eine Barabfindung von 91,11 Euro je Aktie zu übertragen. Das LG Frank-
furt hat am 14.12.2012 Anträge auf eine höhere als die zwischenzeitlich
auf 94,50 Euro je Aktie erhöhte Abfindung zurückgewiesen. Über dage-
gen vorgetragene Beschwerden hatte das OLG Frankfurt zu befinden. Die
Antragsteller tragen vor, die Bewertung der A AG allein zum Börsenwert
sei nicht sachgerecht und der Handel in den A-Aktien nicht liquide. Trotz
des Beherrschungsvertrags komme es auf den Ertragswert an. Zudem sei
die Bewertung hinsichtlich der Erträge, Kapitalisierungszinssätze und Son-
derwerte zu korrigieren.
ZUSAMMENFASSUNG
Mit Beschluss vom 17.1.2017 stuft das OLG Frankfurt die Beschwerden als
teilweise begründet ein und erhöht die Barabfindung basierend auf einer
Schätzung gem. § 287 Abs. 2 ZPO und dem Sachverständigenvortrag auf
102,37 Euro je Aktie. Die Wertermittlung dürfe nicht nur auf den Börsenkurs
abstellen, der hier als eher gering aussagekräftig eingestuft wird. Das Er-
tragswertverfahren sei anwendbar und hier relevant, da der Ertragswert
den Börsenwert übersteigt. Es könne offenbleiben, ob der Barwert der Min-
destdividende eine weitere Wertuntergrenze ist; er liege aber unterhalb des
Ertragswerts. Der Senat macht sich die Ergebnisplanung gem. Übertra-
gungsbericht zu eigen, der die Unternehmensplanung zugrunde liege, da
sie plausibel und somit nicht korrekturbedürftig sei. Für korrekturbedürftig
hält der Senat die Ausschüttungsquote in der Detailplanungsphase, den Ka-
pitalisierungszinssatz (Basiszins und Betafaktor) und die Wachstumsrate in
der Rentenphase. Transaktionsmultiplikatoren liefern keinen weiteren Er-
kenntnisgewinn. Für die Korrekturen sind die Produktions- und Vertriebs-
verträge relevant. Der Senat hält im Rahmen der Schätzung Methoden für
tragfähig, die geeignet und aussagekräftig sind und nicht notwendigerwei-
se die, mit denen das Bewertungsziel bestmöglich erreicht wird.
PRAXISFOLGEN
Die Entscheidung ist für die Praxis v. a. hinsichtlich der Ermittlung der Kapi-
talisierungszinssätze und der Definition sachgerechter Methoden relevant.
Der Senat stellt auf den ungerundeten Basiszins zum Stichtag ab und folgt
damit nicht dem Rundungsvorschlag des Instituts der Wirtschaftsprüfer
(IDW). Marktrisikoprämien im vom IDW genannten Intervall seien zulässig,
auch wenn sie von anderen, ebenfalls im Intervall liegenden Marktrisikoprä-
mien und vom gleichen Senat andernorts gebilligten Marktrisikoprämien
abweichen. Damit sind aus dem Intervall der Marktrisikoprämien resultie-
rende Wertbandbreiten implizit zulässig. Der hier unter Rückgriff auf den
MSCI-World abgeleitete Betafaktor kann – begründet durch die risikosen-
kende Wirkung der Produktions- und Vertriebsverträge – per Schätzung ge-
ändert werden. Nach Ansicht des Senats muss man das sog. Debt Beta nicht
berücksichtigen, obwohl es „vermutlich sachgerechter“ sei. Der Senat argu-
mentiert, dass die Ergebnisauswirkung dieser „vornehmlich theoretisch
motivierten“ Berücksichtigung des Debt Beta nicht eindeutig, „verfahrens-
ökonomisch nicht rechtfertigbar“ und „nicht weiter zielführend“ sei. Da das
Debt Beta aus den vertraglich vereinbarten Fremdkapitalkosten resultiert,
ist es ein aus der Praxis und nicht der Theorie stammender Parameter. Man
darf fragen, wie man die verfahrensökonomische Konsequenz und den Bei-
trag zur Erreichung des Bewertungsziels, der vollen Entschädigung der Min-
derheitsaktionäre zum „wahren“ Wert, einer Methode einstufen kann, ohne
sie anzuwenden. Wenn man sie zudem als „vermutlich sachgerechter“ ein-
stuft, kommt man an der Methode wohl kaum vorbei. Andere Methoden
werden hier nicht einer Kosten- oder Relevanzkontrolle unterzogen. Wäh-
rend der Senat die Methode des Debt Beta zutreffend als sachgerecht ein-
stuft, ist das hinsichtlich der Verwendung von langfristigen Durchschnitten
von Wechselkursen nicht der Fall. Abgesehen davon, dass der US-Dollar/Eu-
ro-Wechselkurs am Bewertungsstichtag gem. EZB nicht bei 1,37, sondern
bei 1,47 lag und der Ef fekt auf das Bewertungsergebnis offenbleibt, handelt
es sich dabei nicht um eine in der Betriebswirtschaftslehre anerkannte und
in der Praxis gebräuchliche Methode. Allgemein ist anzumerken, dass das
Bewertungsziel der vollen Entschädigung zum wahren Wert den Rückgriff
auf eine geeignete Methode voraussetzt. Geeignetheit ist aus Sicht der Be-
triebswirtschaftslehre – vereinfachend formuliert – gegeben, wenn die Me-
thode richtig ist. Wenn mehr als eine Methode geeignet ist, können Effizi-
enzüberlegungen Relevanz entfalten. Wenn die Anwendung der geeigne-
ten Methode(n) unmöglich ist, ist eine geeignete Näherungslösung anzu-
wenden.
Prof. Dr. Andreas Schüler ist Inhaber der Professur für Fi-
nanzwirtschaft & Finanzdienstleistungen an der Universität
der Bundeswehr München. Er beschäftigt sich u.a. mit Theo-
rie und Praxis der Unternehmensbewertung.
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Betriebs-Berater | BB 20.2017 | 15.5.2017
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