In Deutschland lassen sich aktuell zahlreiche Mobilisierungen rechter Stimmungslagen beobachten. Diese finden auch auf politisch-parlamentarischer Ebene zunehmend Ausdruck, beispielsweise im sukzessiven Erstarken der sogenannten Alternative für Deutschland (AfD) (vgl. Decker 2015; Häusler/Roeser 2015) seit 2014, das bis heute in der deutschen Parteienlandschaft zu spüren ist. Auch mit Blick auf Signalereignisse wie die ‚Flüchtlingskrise’ in Europa oder die Terroranschläge in Paris, Brüssel und diversen anderen europäischen Städten, die einen bedeutsamen Effekt auf rechte Mobilisierungen haben, gilt es, die generelle Bereitschaft der Mehrheitsbevölkerung für Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit (GMF) und Ausgrenzung vor dem Hintergrund allgemeiner gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen besser zu ergründen. Dabei ist es hilfreich, das Phänomen des marktförmigen Extremismus her-anzuziehen. Dieses Konzept umschreibt eine ökonomisch-neoliberal gefärbte Art der Men-schenfeindlichkeit, bei der sich gesellschaftliche Aus- und Abgrenzungsprozesse mit weit geteilten Bestrebungen nach Selbstoptimierung, Selbstvermarktung und Wettbewerb verbinden und somit in großen Teilen der Gesellschaft anschlussfähig werden (vgl. u.a. Groß/Hövermann 2014). In dieser Verbindung tritt zu Tage, wie Rassismus und Rechtsextre-mismus – ähnlich wie der Rechtspopulismus (vgl. Heitmeyer 2001) – es verstehen, aktuelle Stimmungslagen aufzugreifen und sich so in die Gesellschaft und ihre Institutionen einzuschreiben.
Die bisherigen Studien zum marktförmigen Extremismus sind vor dem Hintergrund der These einer weitreichenden Ökonomisierung der Gesellschaft und des Sozialen entstanden. Diese umfasst insbesondere den seit Mitte der 1980er Jahre zu verzeichnenden Politikwechsel hin zu omnipräsenten neoliberalen Regierungsweisen, die sich beispielsweise in einer aktivierenden Sozialpolitik ausdrücken. Eine solche fordert von den Individuen, insbesondere von arbeitslosen Personen, mehr Selbstverantwortung, Flexibilität, Aktivität und unternehmerische Initiative in eigenen Angelegenheiten und schreibt die Verantwortung für sozialen Abstieg beziehungsweise soziale Absicherung dem/der Einzelnen zu (vgl. u.a. Lemke/Krasmann/Bröckling 2000; Bröckling 2007; Lessenich 2008, 2009; Beckert 2009). Dieser Politikwechsel geht Hand in Hand mit allgemeinen gesellschaftlichen Erwartungen an die Individuen, sich an einem „unternehmerischen Selbst “ (vgl. Bröckling 2007; Groß 2016) auszurichten. Ein solches politisch inszeniertes, dominantes gesellschaftliches Leitbild hält die Menschen dazu an, ihr Leben in einer ökonomisch effizienten, eben unternehmerischen Weise zu führen: Eigenverantwortlich, flexibel und sorgfältig sollen die Individuen Kosten und Nutzen von Lebensentscheidungen abwägen und die Risiken für ein gesellschaftliches ‚Scheitern’ entsprechend selbst tragen.
Solche gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen haben auch Einfluss auf Artikulationen von Rassismus und Rechtsextremismus sowie allgemein (gruppenbezogene) Menschenfeindlichkeit. Auf der Basis eines marktförmigen Extremismus, d.h. indem Nützlichkeits- und Verwertbarkeitsprinzipien auf die Bewertung ganzer gesellschaftlicher Gruppen angewendet werden, kann ein offen menschenfeindlicher Rassismus beziehungsweise Rechtsextremismus in der Mitte der Gesellschaft wachsen. Um diese Entwicklungen darzulegen, werden wir im vorliegenden Beitrag das Konzept des markförmigen Extremismus überblicksartig vorstellen. Hierfür erläutern wir dessen theoretische Einzelfacetten und zeichnen entlang empirischer Befunde Entwicklungslinien und Zusammenhänge zu Gruppenbezogener Menschenfeindlich-keit sowie rechtsextremen und rechtspopulistischen Orientierungen nach.