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Kaiser Franz Joseph I und die Serben 1848-1908

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Abstract

A century from death of Emperor Franz Joseph I (+21.11.1916) triggered a great number of publications about life and almost seven decades long reign of a popular monarch. As the political struggle between Russia, Prussia, Italy and Ottoman Empire are depicted with moderation, Serbia is described unidimensional, with an emphasis on the last decade of Emperors rule. In order to remedy this shortcoming, this contribution is focusing on a period between 1848 and 1908. Today we know much more about relations between Franz Joseph and King Milan Obrenović, as well as with dignitaries of Serbian Orthodox Church, and military, academic and artistic elite. It is, therefore, possible to refute entrenched notions about constant enmity and hostility between Austria and Serbia. In this work, an emphasis is put on cooperation between Austria and Serbia from 1848, when Serbs at Emperors request held a number of important political and military positions, whereas Serbian artists took part in the reconstruction of Imperial Vienna. The university of Vienna hosted the oldest institute for slavistic (1849), becoming, therefore, a crossroad of the cultural and social development of the Balkans.
ČLANCI
Prof. dr WOLFGANG ROHRBACH
European Academy of Sciences and Arts, Salzburg
e-mail: consult@uniqa.rs
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primljeno: 31. oktobar 2016.
prihvaćeno: 23. novembar 2016.
KAISER FRANZ JOSEPH I UND DIE SERBEN
1848–1908
ZUSAMMENFASSUNG: Kaiser Franz Joseph regierte 68 Jahre die
durch ebenso viele spezifische Errungenschaften wie auch Konflikte charakteri-
sierte k(u)k Monarchie. Während seiner Regierungszeit herrschten in Russland
vier Zaren, von denen einer, Nikolaus I (1825–1855) 1849 den jungen Franz
Joseph im Kampf gegen die revoltierenden Ungarn militärisch unterstützte.
Man weiß heute über die freundschaftlichem Beziehungen und Abkommen Kai-
ser Franz Josephs mit den serbischen Monarchen des Hauses Obrenović sowie
mit serbisch-orthodoxen Kirchenoberhäuptern, serbischen Militärs, Wissen-
schaftlern und Künstlern viel mehr als noch vor der Jahrtausendwende. Die hi-
storische Forschung hat Kaiser Franz Joseph gut eingeordnet und etliche Vorur-
teile über ihn und König Milan entkräftet. Darüber hinaus kommen auch im-
mer noch neue Dokumente ans Licht. Damit wurde dem Mythos, dass seitens
Österreichs in den Beziehungen zu Serbien über Jahrhunderte politische Ge-
gensätze vorherrschend gewesen seien, eine wissenschaftlich fundierte Argumen-
tation entgegen gesetzt. Der vorliegende Beitrag dokumentiert und interpretiert
z. T. in Vergessenheit geratene bis 1848 zurückreichende Gemeinsamkeiten und
Kooperationen von Österreichern und Serben. Auf Betreiben des Kaisers wurden
zahlreiche hohe militärische, wissenschaftliche und politische Positionen mit
Serben besetzt; Künstler erhielten Aufträge im Zuge der Umgestaltung der Kai-
serstadt Wien. An der Universität Wien entstand 1849 das weltweit älteste Insti-
tut für Slawistik. Die Universität Wien wurde in den nächsten Jahren zur
Schnittstelle wissenschaftlicher Entwicklungen und gesellschaftlicher Koordina-
tion des Balkans.
SCHLÜSSELWÖRTER: Ausgleich, Austroslavismus, Banat, Berliner
Kongress, Bosnien, Milan I Obrenović, Militärgrenze (Krajina), Okkupati-
on, Revolutionsjahre 1848/49, Ringstraße
UDK 94(=163.41)(436-89)"1848/1908"
327(497.11:436-89)"1848/1908"
321.61:929 Франц Јозеф I
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Ein Monarch an der Wegscheide der Geschichte
Vor hundert Jahren, am 21. November 1916, starb im Schloss Schön-
brunn Kaiser Franz Joseph I im 86. Lebensjahr. Niemand repräsentiert
heute als übermächtige Symbolfigur das alte Österreich besser. Trotz Ab-
lehnung monarchischer Staatsstrukturen nach 1918 wurden die Franz Jo-
seph-Büsten und Bilder im republikanischen Österreich insbesondere in
Wien nie beseitigt. In der prunkvollen Eingangshalle des Kunsthistorischen
Museums am Ring prangt eine Kaiserbüste; im Sitzungssaal des Minister-
rats am Ballhausplatz hängt bis heute ein pompöses Kaisergemälde, ebenso
im Festsaal der Industriellenvereinigung am Schwarzenbergplatz. Aber
auch Bezeichnungen von Straßen und Bauwerken erinnern an den Kaiser:
Franz Josefs-Kai, Franz Josef-Bahnhof. Das „Sozialmedizinische Zentrum
Süd“ nennen die Wiener bis heute Franz Josefs-Spital.1
Karl von Habsburg, das gegenwärtige Oberhaupt der Familie Habs-
burg-Lothringen gab im März 2016 folgenden Kommentar ab: „Es ist er-
staunlich, dass ein Mensch, der vor 100 Jahren gestorben ist, immer noch
so populär ist. Ich kann mir diese Popularität vor allem dadurch erklären,
dass er für eines der wesentlichen Elemente der Monarchie gestanden ist;
für Kontinuität.“2 1848 brachen in ganz Europa Unruhen aus. In der Habs-
burgermonarchie war der vollständige Kollaps des verhassten Metternich-
schen Systems Anlass zur Revolution. In Wien begann die Revolution am
13. März 1848.3 Die Ereignisse des Jahres 1848 verdeutlichten auch die
Führungsschwäche Kaiser Ferdinands und zeigten, dass er krankheitsbe-
dingt nahezu regierungsunfähig war. Am 2. Dezember 1848 legte Ferdi-
nand offiziell die Regierung nieder; den persönlichen Kaisertitel behielt er
bis zu seinem Tod4, und Franz Joseph wurde im Thronsaal der fürstbischöf-
lichen Residenz von Olmütz, wohin der Hof zu Beginn des Wiener Okto-
beraufstands geflohen war, zum neuen Kaiser proklamiert.5 Etliche Episo-
den der Revolution hatte der junge Franz Joseph vor seiner Inthronisie-
rung als Beobachter miterlebt, wie aus Berichten seines Beichtvaters be-
kannt ist. „Das waren Tage!“ war der einzige Kommentar.
1 Herbert Lackner, „Der verklärte Kaiser“, Historie Profil Thema das Beste aus Öster-
reichs unabhängigen Nachrichtenmagazin, 1 (2016), 22.
2 Karl von Habsburg, „Vorwort zur Aufsatzsammlung‚ Kaiser Franz Joseph I zum
100. Todestag’“, History. Kurier das österreichische Geschichtsmagazin, 1 (2016), 6.
3 Georg Bönisch, „Durchlaucht, das ist eine Revolution“, Der Spiegel Geschichte, 3
(2014), 52.
4 Allerhöchstes Patent vom 2. Dezember 1848.
5 Wien seit 60 Jahren. Zur Erinnerung an die Feier der 60-jährigen Regierung Seiner Ma-
jestät des Kaisers Franz Josef I. der Jugend Wiens gewidmet von dem Gemeinderate ihrer Vater-
stadt (Wien: Gerlach & Wiedling, 1908).
Kaiser Franz Joseph I und die Serben 1848–1908 11
Aber auch zwei serbische Herrscher waren Beobachter und Zeitzeu-
gen der 1848-er Revolution in Wien. Der eine war der nach seiner Abset-
zung in Belgrad etwa sechs Jahre (1847–1853) im Wiener Exil lebende
Fürst Miloš Obrenović, und der andere sein 1842 ebenfalls abgesetzter
Sohn Fürst Mihajlo. Beide wohnten damals im 1.Wiener Bezirk, Annagasse
12. Wien bzw. Österreich war für Serben, die aus dem Osmanischen Reich,
Ungarn etc. in die Residenzstadt übersiedelten, mit wirtschaftlicher und
politischer Besserstellung verbunden. Dies hatte der Wissenschaftler Ami
Boué schon in seinem 1841 in französischer Sprache erschienenen Werk
über die Europäische Türkei“ hervorgehoben. 1889 erschien die Deut-
schübersetzung, in welcher es heißt: „Ebenso wie Walachen haben die Ser-
ben das Leid, sich unter verschiedenen Herrschaften verteilt zu sehen, oh-
ne große Hoffnung auf dereinstige Vereinigung, außer unter österreichi-
schem Zepter...“.6 Diese Zusammenhänge wurden Franz Joseph schon als
Knabe im Französisch-und Geographie-Unterricht nähergebracht.
Der aufwendige Unterricht seit frühester Kindheit hatte seine guten
Gründe. Einen wichtigen Abschnitt im Ausbildungsprogramm, das auch
künftige Expansions-Chancen der Monarchie aufzeigen sollte, stellte das
Wissen um die Militärgrenze dar. Diese (lateinisch confinium militare, ser-
bisch/kroatisch „Vojna Krajina“) war vom 16. bis zum 19. Jahrhundert die
Bezeichnung für das zum Schutz errichtete Militärgebiet des Habsburger-
reiches an der Grenze zum Osmanischen Reich. Es umfasste die Kroatische
Militärgrenze und seit dem 17. und 18. Jahrhundert die Slawonische sowie
die Banater und die Siebenbürger Militärgrenze.
In das Grenzland wurden seit Jahrhunderten gezielt serbische und
walachische Wehrbauern angesiedelt. Sie genossen eine Reihe kaiserlicher
Privilegien. Wer von ihnen jedoch die Offizierslaufbahn einschlagen wollte,
trat meist vom serbisch-orthodoxen Glauben zum römisch-katholischen
über. Erst dann durfte er die Militärakademie absolvieren. Das wichtigste
Amt im Bereich der Militärgrenze war das des Generals oder Bans. Es lag
meist in der Hand des kroatischen Hochadels. Zu Zeiten ihrer größten Aus-
dehnung von 1764 bis 1851 war die Grenze mit bis zu 17 Regimentern (be-
stehend aus je vier Bataillonen) mit etwa 17.000 Mann ständig besetzt.7
Auf die Unterstützung der Serben, Walachen und Kroaten konnten
sich die österreichischen Monarchen in Krisenzeiten verlassen. Das zeigte
sich 1848/49. Als Dank adelte oder zeichnete Kaiser Franz Joseph später
etliche verdiente Offiziere aus, die Wehrbauernfamilien entstammten. Jo-
sip Jelačić fiel mit seinen Truppen am 11. September 1848 in Ungarn ein,
6 Ami Boue, Die Europäische Türkei (Wien: Mell, 2008), 344.
7 „(Klein-)Krieg entlang der Militärgrenze“, Die Welt der Habsburger,
www.habsburger. net › Kapitel › klein-kri...; abgefragt am 19.8.2016.
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woraufhin am 15. September ein ung. Landesverteidigungsrat (Vorsitzen-
der Kossuth) gebildet wurde. Im Gegenzug ernannte der Wiener Hof am
25. September Graf Majlath zum Statthalter und Graf Lamberg zum militä-
rischen Oberbefehlshaber in Ungarn.
In dieser Phase unternahm der General des Fürstentums Serbiens,
Stevan Petrović Knićanin (1809–1855) eine militärische Hilfsaktion zugun-
sten Jellacic, der jedoch kein Erfolg beschieden war. Constantin Wurzbach
liefert dazu in seinem Biographischen Lexikon folgende Hinweise: „Ur-
sprünglich Kaufmann ging er 1832 in die Umgebung des Fürsten Miloš, auf
den er großen Einfluss ausübte. 1848 stellte er sich an die Spitze einer Frei-
schar von 3.000 Mann, die den österreichischen Serben gegen die aufstän-
dischen Ungarn zur Hilfe kommen sollte. Er wurde zum Nationalobersten
und General ernannt, musste jedoch vor den Ungarn den Rückzug über die
Theiß antreten. Für seine Verdienste im Kampf gegen die Revolution in
Ungarn wurde er auf Betreiben Franz Josephs Ritter des Maria-Theresia-
Ordens.“8
Im August 1849 kapitulierte die ungarische Armee. Schon 1849 gab
der Kaiser bekannt, dass er den Sieg über die Revolution keineswegs zur
Wiedererrichtung der alten Ordnung nutzen werde. Er wollte einen imperi-
al „großösterreichischen“ zentralistischen Staat, der nicht auf den alten
feudalen Strukturen aufbaute, sondern sich auf eine neue Bürokratie und
die Armee stützte. Letztere sollte über allen Nationen stehen. Der Kaiser-
hof sollte als Machtzentrum den Einheitsstaat regieren. Die rechtliche
Grundlage bildete das „Silvesterpatent“ vom 31. Dezember 1851. Der Kai-
ser hatte ab nun die alleinige Entscheidungsgewalt. Das erste Dezennium
der Franzisko-Josephinischen Ära (1849–1858) ging als Neo-Absolutismus
in die Geschichte ein.
Des Kaisers Dank an Krajina-Serben
Kaiser Franz Joseph dankte den Krajina Serben und Walachen ihre
Treue, die sie in den Kämpfen der Jahre1848/49 bewiesen hatten, einer-
seits mit militärischen Beförderungen und Auszeichnungen, andererseits
mit Gebietsaufwertungen. Als größte Belohnung erhielten die Serben 1850
ein eigenes Kronland mit der Bezeichnung „Woiwodschaft Serbien und
Temescher Banat“, das aber leider nach der Niederlage des Kaisers in der
Schlacht von Solferino (1859) auf Druck der Magyaren Anfang 1860 wieder
aufgelöst wurde. 1849 wurde die in vier Generalate unterteilte Militärgren-
8 Biographisches Lexikon des Kaisertums Österreich. entnommen Constantin von Wurz-
bach, (Wien: Kaiserlich-königliche Hof- und Staatsdruckerei, 1864), XXII, s. v. Stephan Kni-
canin.
Kaiser Franz Joseph I und die Serben 1848–1908 13
ze ein eigenes Kronland.9 Serben bzw. serbische Offiziere zog es seit 1849
verstärkt in die Metropole „ihres“: Kaisers bzw. nach Österreich, um am
kulturellen Leben teilzunehmen. Junge Serben wurden zum Studium nach
Wien geschickt; Offizieren wurden ehrenvolle Aufgaben übertragen mit
anschließender Ehrung. Stellvertretend für andere seien als Beispiele die
Biografien zweier Krajina-serbischer Offiziere angeführt, Petar Preradović
und Gavrilo Rodić.
Petar Preradović wurde 1818 im Dorf Grabrovnica nahe Virovitica
geboren, das damals zur österreichischen Militärgrenze gehörte. Seine El-
tern zählten zur serbisch-orthodoxen Religionsgemeinschaft. Petar strebte
die Laufbahn eines Berufssoldaten des kaiserlichen Heeres an und erhielt
seine Ausbildung 1830–1838 an der Theresianischen Militärakademie in
Wiener Neustadt, die er als einer der Jahrgangsbesten abschloss. In Wiener
Neustadt konvertierte er zum Katholizismus und begann hier erste Gedich-
te in deutscher Sprache zu schreiben. 1848 kämpfte er als Hauptmann ge-
gen die italienische Einigungsbewegung. Nach seiner Rückkehr nach Kroa-
tien im Jahre 1849 wurde er militärische Elitekaft des Banus Josip Jelačić.
1852 erfolgte seine Beförderung zum Major, 1859 zum Oberst, als welcher
er in Temesvar eingesetzt war. Im Jahre 1864 wurde er in Anbetracht sei-
ner militärischen Verdienste geadelt. 1865 war er in Verona eingesetzt und
1866, als Österreich gegen den Verlust der Lombardei kämpfte, erfolgte die
Beförderung zum Generalmajor und Brigadier. Preradović verfasste sein
dichterisches Werk in deutscher, serbischer und kroatischer Sprache unter
dem Einfluss (sprach) nationaler Romantik; seine Gedichte spiegeln oft
Panslawistische Ideen wider. Er interessierte sich stark für den Spiritismus
und verfasste auch einige einschlägige Artikel darüber. Sein Leben verlief
im Spannungsfeld zwischen militärischer Karriere, Politik und Literatur.
Petar Preradovic starb 1872 in Fahrafeld bei Pottenstein, im Erzherzogtum
Österreich unter der Enns.10 Seine Enkelin, die in Wien geborene Paula
Preradovic, wurde die Verfasserin des Textes der heutigen österreichischen
Bundeshymne (1947).
Gavrilo Rodić wurde 1812 in Gvozd (Vrginmost), einer Gemeinde mit
überwiegend serbischen Bewohnern in der Gespanschaft (=Komitat) Sisak-
Moslavina in Kroatien geboren. Er war ein Adeliger serbischer Abstam-
mung und General der k.u.k. Armee. Er zog zuerst 1835 als Grenzoffizier
durch ein Gefecht gegen aufständische Begs unter Hussein Berbirli Aga in
Bosnien die Aufmerksamkeit auf sich, kämpfte 1848/9 unter Ban Jelačić
gegen die Ungarn und wurde 1851 Oberst, 1859 für seine Verteidigung der
9 Jakob Amstadt, Die k. k. Militaergrenze 1522–1881 (Würzburg: Dissertation, 1969), 49.
10 Biographisches Lexikon des Kaisertums Österreich. entn. Constantin von Wurzbach,
(Wien: K.u.K. Hof- und Staatsdruckerei, 1872), XXIII, 263–265, s. v. Preradović, Peter von.
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Bucht von Kotor (kroat. Boka kotorska; ital. Bocche di Cattaro) gegen die
französische und italienische Flotte. 1866 trug er als General des 5. Armee-
korps wesentlich zum Siege von Custozza bei. Nachdem er 1869 den Auf-
stand in der Bucht von Kotor, beschwichtigt hatte, wurde er 1870 zum
Statthalter des Kronlandes Dalmatien ernannt und war darauf bedacht, die
Italiener mehr und mehr zurückzudrängen und die Südslaven zur Geltung
zu bringen. Er war bei diesen daher sehr beliebt und hieß der „alte Gabriel“
(stari Gavro). 1881 abberufen, als Feldzeugmeister verabschiedet, geadelt
und als Freiherr zum Mitglied des Herrenhauses ernannt, zog er sich nach
Wien zurück, wo er 1890 starb.11
In der Franzisco- Josephinischen Epoche wurden in Wien und ande-
ren Universitäts-Städten Österreichs Wissenschaft und Lehre stark for-
ciert. Gewiss hingen diese Maßnahmen mit den ehrgeizigen Plänen des
Kaisers zusammen, Wien architektonisch, wissenschaftlich und künstle-
risch zu einer Weltstadt umzugestalten. Der Einfluss Wiens fand nunmehr
auch in die serbische Kultur Eingang. Es handelte sich um eine außeror-
dentliche geistige Einigkeit, deren Grundlage die gemeinsame orientalisch-
orthodoxe Religion bzw. die im Zentrum Wiens am Fleischmarkt existie-
rende gemeinsame Serbisch-Griechisch-Orthodoxe Kirchengemeinde bilde-
te. Auf diese Weise schufen Griechen, Serben und Aromunen im Rahmen
des Wiener Kulturmosaiks eine besondere Schicht von Wissenschaftlern,
Künstlern, Großkaufleuten und Bankiers, deren Vertreter auch rasch in die
höchsten gesellschaftlichen Schichten des österreichischen Staates aufstei-
gen konnten. Auch diesen Repräsentanten bot sich Gelegenheit, auch in
den Adelsstand erhoben zu werden; sei es aufgrund militärischer Verdien-
ste oder aufgrund ihres Großgrundbesitzes sowie besonderer Leistungen in
Wirtschaft und Wissenschaft. Wörtlich heißt es in D. Medakovićs Werk:
„Den Höhepunkt der Aufnahme dieses neuen europäischen Geistes bildet
die Epoche der Früh- und Hochromantik.12
Eine Vorreiter-Rolle nahm in diesem Zusammenhang Fürst Miloš
Obrenović ein. Der Fürst galt schon vor dem Revolutionsjahr 1848 in Wien
als berühmtester serbischer Großhändler, der mit Hilfe der „k. u. k. priv.
Donau-Dampfschifffahrts-Gesellschaft“ (DDSG) von Serbien aus auf dem
Wasserweg Wien mit Borstenvieh versorgte. Im Gegenzug transportierte er
österreichische Möbel, Porzellangeschirr und Musikinstrumente nach Ser-
bien. Miloš veranstaltete auch in den Grazien Sälen in Wien 3 im Jah-
re1846 den ersten Serben- Ball. Johann Strauss Sohn komponierte dazu die
Serbenquadrille, die Fürst Milos seinem Sohn, Fürst Mihajlo, widmete.
11 Ibid., XXVI, 220–223, s. v. Rodich, Gabriel Freiherr.
12 Dejan Medaković, Serben in Wien (Novi Sad: Prometej, 2001), 22, 349.
Kaiser Franz Joseph I und die Serben 1848–1908 15
Weitere Bälle folgten.13 Politisch bezweckten diese Unterhaltungsveranstal-
tungen, möglichst viele Serben in Wien anzuwerben, um Miloš bzw.seinen
Sohn wieder die Fürstenposition in Belgrad zu sichern.
Der Austroslavismus als ideologisches Programm der Slaven unter
habsburgischer Herrschaft sah im österreichischen Kaiserstaat den optima-
len politischen Rahmen für die Existenz der slavischen Völker Zentraleu-
ropas. Diese Gedankenwelt entwickelte sich schon zu Beginn des 19.Jhs als
ein spezifischer Zweig des Panslavismus. Als Pionier des Austroslavismus
gilt Jernej Kopitar (1780–1844), ein slowenischer Gelehrter aus Krain, des-
sen Wirkungsstätte Wien war, wo er zunächst als Zensor in der Polizeihof-
stelle, später als Leiter der Handschriftenabteilung der Wiener Hofbiblio-
thek wirkte.
Der Austroslavismus sah in der Habsburgermonarchie die Hüterin
der slavischen Völker. Nur im Rahmenwerk des Kaiserstaates könnten die
slavischen Kleinvölker Schutz vor deutschen Hegemoniebestrebungen fin-
den und sich auf kulturellem und politischem Gebiet entfalten. Der
Austroslavismus lehnte aber auch den auf das orthodoxe Russland fokus-
sierten Panslavismus ab.14 Wien war um die Mitte des 19.Jahrhunderts ein
Kultur- und Wirtschaftszentrum der Slaven; insbesondere der Südslaven.
Während die westslavischen Sprachen in der Monarchie den Rang gut ent-
wickelter Kultursprachen aufwiesen, fehlte dieses Element bei den Südsla-
ven. Die Grenzen zwischen Sprachen und Dialekten waren fließend und
unübersichtlich. Dieser philologische Missstand passte insbesondere bei
den Serben und Kroaten keinesfalls zu den hohen Positionen, die sie in Mi-
litär, Wirtschaft, Kunst usw. einnahmen. Aber Franz Joseph war als Knabe
im Französischunterricht auch auf die Sprache und Kultur der Serben
aufmerksam geworden.
1840 war nämlich in französischer Sprache Ami Boue’s Werk über
die „Europäische Türkei“ erschienen, in welchem der Wissenschaftler nicht
nur die Wohnorte und Traditionen der Serben beschreibt, sondern auch auf
die Serbische Sprache näher eingeht. In der posthum 1889 erschienenen
Deutschübersetzung von Boues Werk lautet der diesbezügliche Text: „Die
Serben besitzen eine große Zahl schöner Dichtungen, und diese letzteren
allein müssten Jedem zur Pflicht machen, ihre Sprache zu studieren, wenn
man nicht endlich heutzutage doch das Bedürfnis fühlte, in jede sorgfältige
Ausbildung auch die Kenntnis einer slavischen Sprache einzubeziehen. Ist
13 Serben-Quadrille op. 14 (1846), gewidmet dem Fürsten von Serbien Mihailo Ob-
renović.
14 Andreas Moritsch, Der Austroslawismus : ein verfrühtes Konzept zur politischen Neu-
gestaltung Mitteleuropas (Wien / Köln / Weimar: Internationalen Zentrums für Europäische
Nationalismus- und Minderheitenforschung, 1995).
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es nicht mehr als lächerlich, in manchen Hauptstädten Professoren des
Chinesischen oder des Sanskrit zu sehen, während man an einen Lehrstuhl
für das Slavische, die Sprache der guten Hälfte der Europäer, gar nicht
denkt.“15 Nach Gründung des Instituts für Slavistik an der Alma Mater Ru-
dolphina (Universität Wien) wurde auf Anraten des Innen- und Bildungs-
ministers Graf Stadion zunächst der Slowene Franz Miklosich 1849 als au-
ßerordentlicher, im Jahr darauf als ordentlicher Professor auf den neu ge-
schaffenen Lehrstuhl für Slavische Philologie an der Universität Wien be-
rufen, den er bis 1886 innehatte. In seinen Vorträgen und Schriften beton-
te Miklosich immer wieder, dass keine anderen Sprachen einander so ähn-
lich seien, wie das Serbische und Kroatische. Diese Thesen führten zu einer
engen Kooperation mit dem Sprachwissenschaftler Vuk Stefanović Ka-
radžić.
Das Wiener Sprachabkommen von 1850 ist der Grundstein für die
Entstehung der Serbokroatischen Schriftsprache. In Wien trafen einander
serbische und kroatische Philologen und Schriftsteller um, politisch be-
dingt, an einer gemeinsamen Schriftsprache zu arbeiten. Diesem Treffen
ging eine große Sprachreform in Serbien hervor. Vuk Stefanović Karadžic
reformierte die serbische Sprache. Das damals gesprochene „Slavenoserbi-
sche“ war eine Sprache die russische, kirchenslavische und volkssprachli-
che Elemente hatte. Angeregt durch die deutschen Gelehrten Jacob und
Wilhelm Grimm, nahm er die Sprache in der das Volk sprach als Grundlage
einer neuen Serbischen Sprache. Karadžić wählte den ostherzegovinischen
„stokavischen Dialekt. Diese Reform war durchaus politisch bedingt, das
Ziel: die Loslösung vom russischen Einfluss. Politische Motivation, hier der
Widerstand zur Magyarisierung mit der Kroatien damals zu kämpfen hatte,
war auch in Kroatien der Grund, warum der Wunsch nach Vereinigung mit
anderen Südslawen gegeben war. Die sprachpolitische Bewegung, der Illy-
rismus, an der Spitze mit Ljudevit Gaj, propagierte die gemeinsame Spra-
che aller Südslawen. Interessant ist, dass die Sprachbezeichnung „serbo-
kroatisch“ aus dem deutschen Sprachraum von Jakob Grimm stammt.16 Die
gemeinsame Sprache hatte zwei Varianten: die so genannte östliche Vari-
ante (Serbisch: kyrillisch, ekawisch) und die westliche Variante (Kroatisch:
lateinisch, ijekawisch). Obwohl es politische Antagonismen zwischen Ser-
ben und Kroaten gab, wurde die Frage der sprachlichen Einheit bis zum
Ende des Ersten Weltkriegs nicht angetastet.
15 A. Boue, op. cit., 358.
16 Hana Stojić, Phraseologische Untersuchungen zu tierbezogenen Redewendungen
Deutsch - B/K/S (Wien: Diplomarbeit, 2009).
Kaiser Franz Joseph I und die Serben 1848–1908 17
Das Ende des Neoabsolutismus und der Ausgleich von 1867
In den 1860-er Jahren waren dem Monarchen schmerzliche Nieder-
lagen und einige Siege beschieden, die aber letztendlich wegen schlechter
politischer Verhandlungstaktik trotzdem zu Gebietsverlusten für Öster-
reich führten. Unter dem Österreichisch-Ungarischen Ausgleich versteht man
die verfassungsrechtlichen Vereinbarungen, durch die das Kaisertum Öster-
reich in die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn umgewandelt wurde.
Nach der Niederlage im Deutschen Krieg von 1866 war Kaiser Franz
Joseph I. gezwungen, die offenkundige Beschränkung der inneren Auto-
nomie in den Ländern der ungarischen Krone, wie sie nach der Nieder-
schlagung der ungarischen Revolution und des Freiheitskrieges von
1848/1849 absolutistisch festgelegt wurde, aufzuheben. Der passive Wider-
stand der führenden magyarischen Schichten gegen den Einheitsstaat
machte eine Fortsetzung der bisherigen Regelung unmöglich.
Die Verhandlungen über den Ausgleich mit dem Königreich Ungarn
wurden Anfang 1867 abgeschlossen. Am 8. Juni 1867 kam es zur Krönung
Franz Josephs I. als König von Ungarn in Budapest. Die Länder der ungari-
schen Krone waren nun von Österreich innenpolitisch unabhängig; vor al-
lem bei Außenpolitik und Militär bestand der Monarch aber auf einer
Realunion zwischen Österreich (juristisch und politisch in Österreich oft
Cisleithanien genannt) und Ungarn (Transleithanien) Kaiser Franz Joseph
I. war zwar faktisch ungarisches Staatsoberhaupt Nr. 1, aber sein Einfluss
auf die innenpolitische Situation des Vertragspartners war deutlich kleiner
als erhofft. So war er machtlos gegen die Repressalien der ungarischen Re-
gierung gegen jene Serben der nunmehr ungarischen Vojvodina und des
Banats, die weiterhin mit Wien kulturelle und wirtschaftliche Beziehungen
pflegen wollten. Die Betrübtheit der Serben drückt am besten der Artikel
von Svetozar Miletić „Tucidanski članak“ (1860) aus, in dem der Gedanke
deutlich zum Ausdruck kommt, dass die Serben nichts mehr in Wien zu
suchen hätten“. Aber gerade in diesem Jahr entstand in Wien die Serbische
Kirchengemeinde, die als Ersatz für die verloren gegangene politische Be-
deutung, ein kirchlich-kulturelles Monument darstellen sollte. 1868 wurde
gleichsam als nationaler Akt der Serben die Vojvođanska banka gegründet,
als eines der ältesten Unternehmen Serbiens existiert sie bis heute.
Viele geschäftstüchtige Serben wurden damals in den Ruin gedrängt,
wie der folgende zeitgenössische Bericht zeigt: Von 1867 bis zu seinem Tod
im Jahre 1902 wohnte Theodor Stefanović Vilovski in Wien. Er vermerkt in
seinen Aufzeichnungen „Moje uspomene“ (Meine Erinnerungen 1867– 1881),
dass die Serben bis 1866 durchwegs wohlhabend waren und in der Wiener
Wirtschaft eine bedeutende Rolle spielten. Leider änderte sich das ab 1867
Wolfgang Rohrbach Istorija 20. veka, 1/2017
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(Ausgleich). Der Großteil der mächtigen und angesehenen Serben zog sich
aus Wien in die nunmehr für sie zuständige ungarische Hauptstadt Buda-
pest zurück. Große Firmen der Wiener Serben wie z. B. Veličković, Mirović
usw. gingen zugrunde und zogen etliche serbische Kleinunternehmen, mit
denen sie eng zusammengearbeitet hatten, mit in den Ruin.17
Deshalb schmerzte die neue politische Regelung den Großteil der
Serben Wiens, und Dejan Medaković kommentiert den Verlust der Wiener
„Vaterschaft“ und des serbischen Staatsterritoriums: „Hier hätten die Ser-
ben eine eigene Versammlung, eine politische und gerichtliche Selbstver-
waltung gehabt, ihre Sprache wäre zur Amtssprache geworden. Ein Wojwoda
stünde an der Spitze der Exekutivgewalt, sie hätten eine eigene Flagge, ein
eigenes Wappen usw. gehabt. All diese schönen Wünsche zerstörte der
Österreichisch-Ungarische Ausgleich aus dem Jahre 1867.“18 Serben traten
in der Folge nunmehr als Nutzer und Teilnehmer der für künstlerische,
wissenschaftliche und politische Darbietungen geschaffenen Ringstraßen-
bauten in Erscheinung, einige waren auch direkt mit der (Innen) Ausstat-
tung der Bauten befasst, wie die folgenden Beispiele zeigen:
Uroš Predić (1857–1953) war einer der bedeutendsten serbischen
Maler des Realismus, der auch im Projekt Ringstraßen- Prunkbauten mit-
wirkte. Er ist besonders bekannt für seine monumentale historische Male-
rei „Kosovka devojka“, genauso wie für seine vielen Portraits.
Uroš Predić studierte an der Wiener Kunstakademie von 1876–1879.
Das Parlamentsgebäude an der Wiener Ringstraße, in dem die beiden
Kammern des österreichischen Parlaments tagen, wird umgangssprachlich
auch als „das Parlament“ bezeichnet. Es wurde von 1874 bis 1883 nach ei-
nem Entwurf von Theophil von Hansen im neoklassizistischen Stil errich-
tet. Die Innendekoration im Sitzungssaal des Herrenhauses wurde Prof.
Christian Griepenkerl anvertraut. Dieser wiederum überließ die umfangrei-
chen Arbeiten an der Gestaltung des Bilderfrieses mit Szenen aus der grie-
chisch- römischen Mythologie und Geschichte Uroš Predić. Der serbische
Maler arbeitete an diesem Fries in den Jahren 1884/85. Leider wurde das
Werk Predić im Zweiten Weltkrieg zerstört. Doch ist eine Mappe des
Künstlers mit der Aufschrift „Skizzen“ erhalten geblieben. Darin befinden
sich kommentierte Bilder seiner Kunstwerke.
Pavle Paja Jovanović wurde 1859 in Vršac geboren und starb 1957 in
Wien. Er war ein serbisch-österreichischer Maler des Realismus, der 1877
17 Theodor Stefanovic-Vilovsky, Die Serben im südlichen Ungarn, in Dalmatien, Bosni-
en und in der Herzegovina (Wien und Teschen, 1884).
18 Zitiert in: Wolfgang Rohrbach, Auf den Spuren der Serben Österreichs/Eine histo-
risch-soziologische Aufsatzsammlung (Wien: Österreichisch-Serbischen Gesellschaft, 2013,
107).
Kaiser Franz Joseph I und die Serben 1848–1908 19
an der Wiener Kunstakademie zu studieren begann. Von 1877 bis zu sei-
nem Tod wirkte er als angesehener Orientmaler, der stark von seinem Leh-
rer Prof. Leopold Karl Müller beeinflusst wurde. Bereits an der Akademie
erhielt Jovanović erste Auszeichnungen und ein dreijähriges kaiserliches
Stipendium. Von 1895 an malte Jovanović meistens historische Themen.
Nach 1905 fertigte er ausschließlich Porträts europäischer Adeliger und
Großbürger an.
Im Jahr 2001 schrieb der damalige Präsident der Serbischen Akade-
mie der Wissenschaften und Künste, Prof. Dejan Medaković, über Paja
Jovanović: „Den größten Teil seines langen und überaus fruchtbaren Ar-
beitslebens verbrachte er in Wien, sodass solch der Ausdruck ’eingewienert’
völlig zurecht auf ihn bezieht. Eine solche Behauptung kann auch durch
die Tatsache belegt werden, dass sogar das offizielle Portrait Kaiser Franz
Joseph I, das im Hauptsaal des Österreichischen Parlaments hing, von Paja
Jovanović stammte. Eine größere Anerkennung war zu jener Zeit wohl
kaum vorstellbar.“19
Kirchliche und weltliche Vereine der Serben
In der Ära des Staatskanzlers Metternich, der in jeglichen
Zusammenkünften revolutionäre Hintergründe vermutete und sie a priori
unterband, waren Vereinsgründungen nur erschwert möglich. Das änderte
sich in der Liberalen Ära grundlegend. Schon das Patent vom 26. Novem-
ber 1852 ermöglichte Vereinsgründungen jeglicher Art unter liberalen
Voraussetzungen. Die Bewerber hatten nunmehr spezifische Bedingungen
zu erfüllen, um ihre Konzessionen zu erhalten: Was das Kulturleben der
Serben in Wien betrifft, so spielten die seit 1860 gegründeten verschieden-
artigen Vereine eine wichtige Rolle.20 Dass es erst 1860 zur Gründung einer
eigenständigen Serbischen Kirchengemeinde kam, hatte mehrere Gründe.
19 D. Medaković, Serben in Wien, 271–2.
20 Engagierter Vorläufer der Serbischen Kirchengemeinde war die aus Griechen und
Serben zusammengesetzte christlich-orthodoxe Gemeinde St. Georg. Im letzten Quartal des
18. Jhs gab es aber in Wien Gruppen serbisch- und griechisc h-orthodoxer Stadtbewohner,
die sich in der Donaumetropoleals Alteingesessene fühlten. Sie wollten sich von jenen nur
vorübergehend in Wien weilenden Orthodoxen aus dem Osmanischen Reich unterscheiden.
Daher beschlossen die Wiener bzw. k. k. Serben und Griechen schon im Jahre 1786, eine
weitere Kirchengemeinde zu gründen. Die Privilegien dazu wurden ihnen von Kaiser Joseph
II. im Jänner 1787 erteilt und im Oktober 1796 von Kaiser Franz II. bestätigt. Im ersten
Drittel des 19. Jhs existierten somit zwei griechisch-serbische Gotteshäuser im Zentrum
Wiens. Ab nun galt die Regelung, dass die Dreifaltigkeitskirche den privilegierten österrei-
chischen Untertanen mit griechischen oder serbischen Wurzeln für Gottesdienste dienen
solle. Die ältere St. Georgskirche hingegen stand für die serbischen und griechischen Unter-
tanen des Osmanischen Reichs oder orthodoxen Nichtösterreicher zum Besuch ihrer Got-
Wolfgang Rohrbach Istorija 20. veka, 1/2017
20
Der serbische Patriarch Josif Rajičić sah sich veranlasst 1853 und
1860 Petitionen an Kaiser Franz Joseph I zu richten, er möge die Gründung
einer eigenen Serbischen Kirchengemeinde und eines ebensolchen Gottes-
hauses genehmigen. Der Patriarch begründete seine Bitte, dass Serben und
Romanen mangels einer eigenen Kirche keine Predigten und Informatio-
nen in ihrer Muttersprache hören könnten. Er erinnerte auch daran, dass
in Wien zwar zwei orientalisch- orthodoxe Kirchen existieren, sie könnten
aber die Bedürfnisse der Serben nicht befriedigen. „Denn in ihnen wird der
Gottesdienst nunmehr in Griechisch gehalten, einer Sprache, die den Ser-
ben und Romanen unverständlich ist.“ Angesichts der Verdienste, welche
die Serben durch Jahrhunderte als kaisertreue Untertanen aber auch durch
ihre Handelsbeziehungen als Untertanen des Sultans in Wien erworben
hätten, schlug er vor, zwei zusätzliche Kirchen in Wien zu erbauen; eine
für slavische und eine für romanische Gottesdienste.21
Am 17. September 1860 erhielt Patriarch Rajičić eine kaiserliche
Nachricht, dass sie Serben gleich nach der Wahl eines Verwaltungsrates
mit dem Sammeln von Spenden für den Bau einer Kirche samt Pfarrhof
und Schule beginnen könnten. Als am 5. Oktober 1860 die kaiserliche
Nachricht als Handschreiben auf Seite 1 der Wiener Zeitung veröffent-
licht wurde, gab es eine Überraschung. Der freundlichen Anrede „Lieber
Patriarch Rajačić!“ folgte einige Zeilen weiter der Hinweis, dass Kaiser
Franz Joseph kostenlos ein Grundstück (in der Veithgasse) für den Bau
der Kirche zu Verfügung stellen werde. Auf Einladung des Patriarchen
Rajačić kamen am 4. November 1860 vornehme Serben zur Konstituie-
rung und Wahl eines provisorischen Verwaltungsrates zusammen, wel-
cher der zuständigen Niederösterreichischen Behörde sofort die von Dr.
Djordje Stojaković erstellten Statuten der Serbischen Kirchengemeinde
zur Genehmigung vorlegen sollte. Stojaković war Gründer und Obmann,
der sofort angesehene Wiener Bürger serbischer Abstammung als Mit-
glieder aufnahm. Die ersten Mitglieder waren Kosta Nenadović, Ognjeslav
Utješinović-Ostrožinski, Jovan Vladislav, Dimitrije Mirović und Jovan Ve-
ličković.22
Über die ersten Jahre der Kirchengemeinde (bis 1866) gibt es relativ
wenige Aufzeichnungen, doch dann wurden interessante Details dokumen-
tiert. Den Aussagen Theodor Stefanović Vilovsky zufolge war die Serbische
tesdienste zur Verfügung. Willibald M. Plöchl, Die Wiener Orthodoxen Griechen (Wien: Verlag
des Verbandes der Wissenschaftlichen Gesellschaften Österreichs, 1983), 27.
21 Die wichtigsten Teile der Petitionen des Patriarchen Rajačić sind abgedruckt in: D.
Medaković, Serben in Wien, 87.
22 Denkschrift zum 75-jährigen Jubiläum der Serbisch - orthodoxen Kirchen- und Schul-
gemeinde in Wien 1860–1935 (Beograd, 1936), 15–19.
Kaiser Franz Joseph I und die Serben 1848–1908 21
Kirchengemeinde im Zeitraum von 1867 bis 1880 sowohl zahlenmäßig, als
auch hinsichtlichdes Ranges ihrer Mitglieder überaus mächtig.23
Über die Zeit danach gibt es genauere Aufzeichnungen. So hielt sich
der Serbische Arzt und Dichter, Jovan Jovanović Zmaj mehrere Male in
Wien auf. Seinem Tagebuch der Jahre 1882–1888 sind Hinweise zu ent-
nehmen, die von der Teilnahme Zmajs am Leben der Kirchengemeinde
zeugen. Über die Art der doppelten Lebensführung Zmajs als Mediziner
und Künstler urteilte sein Freund Mladen Leskovac, dass er „eher ein serbi-
scher Dichter als ein Wiener Arzt war.“ Er suchte die Einsamkeit, um sich
schöpferisch mit der Dichtung oder dem Verfassen von Artikeln für seine
Zeitschriften zu beschäftigen.24
Die größten Anstrengungen der damaligen Serben in Wien, und ins-
besondere der Serbischen Kirchengemeinde waren auf die eigene Konsoli-
dierung bzw. der Errichtung eines den höchsten musikalischen Anforde-
rungen entsprechenden Kirchenchors und den Bau eines eigenen Gottes-
hauses ausgerichtet. Der Chor musste jedoch vor 1893 seine Darbietungen
-mangels einer eigenen Kirche - in Konzert, Theater-und Ballsälen abhalten.
Am 21. November 1890 wurde in der Veithgasse mit dem Bau der
Kirche nach Plänen des Architekten Heinrich Wagner begonnen. In der
Ausschusssitzung vom 3. März 1891 konnte mit Wohlwollen die Nachricht
aufgenommen werden, dass Kaiser Franz Joseph I „veranlasst habe, dass
aus staatlichen Mitteln unserer Kirchengemeinde eine Unterstützung von
fünf Tausend (5000) Forint bewilligt wird.“ An die Kirchengemeinde dach-
te aber auch der ehemalige serbische König Milan I. Obrenović als er 1000
Forint für den Bau spendete.25 Der Bau der Kirche und des vierstöckigen
Hauses der Kirchengemeinde dauerte volle drei Jahre. Für die Kirche selbst
wurden ein Teil des Erdgeschoßes und die ganze Etage verwendet, sodass in
ihr etwa 300 Menschen Platz fanden. Am 19. November 1893 wurde das
Gotteshaus im Beisein von Kaiser Franz Joseph und Ministerpräsident
Fürst Alfred III. zu Windisch-Grätz (1851–1927) feierlich eingeweiht. Er-
ster Pfarrer der Serbisch-orthodoxen Kirche zum Hl. Sava wurde Mihajlo
Mišić, der bis zu seinem Tode im Jahre 1924 seine hoch angesehene Pa-
rochie leitete.26
Gutgläubigkeit, Fleiß und Disziplin waren im 19.Jh die von der Ju-
gend geforderten Tugenden. Der bedeutendste Jugendverein der Serben
Wiens war der 1863 gegründete Verein „Zora“. Seine verschiedenartigsten
23 D. Medaković, Serben in Wien, 163.
24 Vasa Stajić, Jovan Jovanović Zmaj (Novi Sad: Slavija, 1935), 33–37.
25 D. Medaković, Serben in Wien, 87.
26 Vukosava Mišić, Postanak i razvitak Srpske Pravoslavne crkve u Beču (Beograd:
Štamparija Sv. Save, 1929), 5–10.
Wolfgang Rohrbach Istorija 20. veka, 1/2017
22
Veranstaltungen wurden allmählich mit bedeutenden kulturellen Inhalten
angereichert. In seinen Erinnerungen machte Theodor Stefanovic Vilovsky
Notizen über alle jene Ereignisse, die mit der Konzerttätigkeit der "Wiener
Gesellschaft Zora“ zu tun hatten. Stellvertretend für andere sei eine Feier
erwähnt, welche die Gesellschaft Zora 1876 im Saal der Gartenbaugesell-
schaft organisierte. Ein Teil des Programms war ein serbisches weibliches
Harfenquartett, welches damals für die Wiener eine Neuigkeit darstellte.
Weitere Melodien spielte ein serbisches Orchester unter der Leitung des
Wiener Konzertmeisters Karl Michael Zierer. Der serbische akademische
Verein „Zora“ setzte in der darauffolgenden Zeit seine schon zur Tradition
gewordenen Rhetorikabende fort. So organisierte er am 14. Jänner 1897
einen Rhetorikabend mit anschließendem Ball im Ronacher (unweit der
Ringstraße). Aufgrund der rasch wachsenden Mitgliederzahl wurden in
Form von Soireen Voraussetzungen für bedeutsame gesellschaftliche Akti-
vitäten des Vereins geschaffen.
Das Leben in der Residenzstadt Wien erforderte auch die Gründung
gesellschaftlicher Organisationen mit humanitären Inhalten. Als Beispiel
sei der Arbeiterverband „Sloga“ mit Sitz in Wien erwähnt über den eigent-
lich nur ein Gruppenfoto existiert, das am 19. September 1909 aufgenom-
men wurde. In diesem Verein sollten offensichtlich serbische Arbeiter aus
Bosnien jenen Serben aus anderen Teilen der Monarchie nähergebracht
werden.27 Aufmerksamkeit verdient aber auch der „Unterstützungsverein
für arme serbische Studierende an den Hochschulen in Wien“, dessen Vor-
sitzender der Parochus der Serbisch-orthodoxen Kirche in Wien, Mihajlo
Mišić, war. In einem Aufruf des Jahres 1909, in welchem der Verein um
Geldspenden bat, hieß es, dass die Wiener Bürger serbischer Abstammung“
diesen Verein gegründet haben, um diese armen Studenten nach Möglich-
keit zu unterstützen, geleitet von dem Glauben, dass mit der Zeit aus ihnen
eine dem serbischen Volk treu ergebene Intelligenz wird.“28
Pulverfass Balkan: Ursachen und Folgen der Okkupation Bosniens
Im letzten Quartal des 19. Jhts veränderte eine Reihe von schicksal-
haften Ereignissen - allem voran der stufenweise Niedergang des Osmani-
schen Reiches - die Einstellung serbischer bzw (süd)slavischer Volksgrup-
pen zueinander und zu Österreich. Dabei verdrängte der allen Ortes auf-
flammende Nationalismus kosmopolitische Ziele.
27 D. Medaković, Serben in Wien, 349.
28 Andrija Matić, Nešto iz života i rada društva ’Zora’; književni rad srpskog đačkog
društva u Beču (Wien, 1875), 16–7.
Kaiser Franz Joseph I und die Serben 1848–1908 23
Erschwerend wirkte im 19.Jh hinsichtlich der Zuordnung der Unter-
tanen auch das in der Donaumonarchie praktizierte Territorialprinzip. Man
sprach zB nicht von Serben, der in Kroatien wohnhaft und geadelt worden
waren, sondern von „kroatischen Adeligen serbischer Abstammung“; der
Hinweis auf die Abstammung entfiel später oft. In der nationalen und in-
ternationalen Geschichtsschreibung fand bis weit ins 20.Jh hinein auch
eine weitere Tatsache wenig Beachtung, die im Zusammenhang Kroaten-
Katholiken und Serben-Orthodoxe von Bedeutung ist. Durch die Probleme,
die der österreichische Kaiser am Ende 19. Jhs mit diversen Slavengruppen
hatte, wurde erstmals die Nationalität der Menschen am Balkan über die
Religion definiert. Auch nationale Strömungen in Kroatien und Serbien
trugen zu dieser Entwicklung bei. Katholische Südslaven wurden nun zu
Kroaten, unabhängig ob sie in Montenegro, Serbien, Bosnien, Ungarn, im
Königreich Dalmatien oder in Kroatien geboren waren. Und wer in den ge-
nannten Regionen orthodox war, wurde oder war Serbe.29
Was unter den letztgenannten Bevölkerungsgruppen zu verstehen ist,
wurde im berühmten Sammelwerk Kronprinz Rudolphs „Österreich- Un-
garn in Wort und Bild“ zu erklären versucht: „Die Bevölkerung bestand aus
Türken, Serben und Kroaten. Diese Bezeichnungen waren falsch, aber sie
hatten sich in Bosnien seit langer Zeit für Moslems, griechisch-orthodoxe
Christen und Katholiken eingebürgert.30 Zunächst erklärten sich alle poli-
tischen und kirchlichen Institutionen mit dieser Lösung einverstanden,
doch mit der Okkupation Bosniens gerieten erstmals auf dem (Einfluss)
Gebiet der Monarchie Serben/Kroaten gegen Serben/Kroaten in kriegeri-
sche Auseinandersetzungen und ein Teil der Serben bezog Stellung gegen
Österreich.
Der Russisch- Osmanische Krieg 1877–1878 war eine militärische
Auseinandersetzung zwischen dem Russischen Zarenimperium und dem
Osmanischen Reich. Der Krieg fand überwiegend auf dem Gebiet Bulgari-
ens statt und endete mit einem Sieg Russlands. Unmittelbare Auslöser des
Krieges waren die osmanischen Repressionen gegen die Serben und Bulga-
ren nach dem Serbisch-Osmanischen Krieg sowie dem bulgarischen April-
aufstand. Im Rahmen des Panslawismus empfand sich Russland als
Schutzmacht dieser Völker. Die gesellschaftliche Stimmung im Zarenreich
erforderte ein Eingreifen. Aber Russland verfolgte auch strategische Ziele;
nämlich einen von geopolitischen Rivalen freien Zugang zum Mittelmeer.
Im Frieden von San Stefano musste das Osmanische Reich die volle Unab-
29 Helmut Konrad, Österreich-Ungarn: Nationale Fragen in der Donaumonarchie; Uni-
versal-Lexikon, www.vga. at/index..abgefragt 30.8.2016.
30 Renate Basch-Ritter, Österreich-Ungarn in Wort und Bild, /Menschen und Länder
(Graz-Wien-Köln, 1989), 89.
Wolfgang Rohrbach Istorija 20. veka, 1/2017
24
hängigkeit Rumäniens, Bulgariens, Serbiens und Montenegros anerkennen
und kleinere Gebiete an diese Länder abtreten.31 Die Südslaven betrachte-
ten in der Folge dieses Ereignis lange Zeit als die zweite Geburt ihrer natio-
nalen Geschichte. Da jedoch die anderen europäischen Mächte das Gleich-
gewicht in Europa durch einen überproportionalen Machtzuwachs Russ-
lands gefährdet sahen, wurden die Ergebnisse des russisch-türkischen
Friedens von San Stefano auf dem Berliner Kongress in erheblichem Maße
eingeschränkt.
Der Berliner Kongress 1878 war ein Schulbeispiel für die „Zwei-
Klassen- Diplomatie“, die von der Überheblichkeit der Großmächte gegen-
über den kleineren Nationen geprägt war, über deren Köpfe hinweg ver-
hängnisvolle Entscheidungen getroffen wurden.32 Das Ziel des diplomati-
schen Gipfeltreffens war die Neuordnung des Balkans. Neben dem Gastge-
ber Deutschland nahmen Österreich-Ungarn, Russland und Großbritannien
teil. Das Osmanische Reich hatte nur Beobachterstatus.33
Für Österreich-Ungarn war der Berliner Kongress zwar auf den er-
sten Blick ein außenpolitischer Erfolg, der sich aber als innenpolitisches
Desaster entpuppen sollte. Denn die Okkupation Bosnien-Herzegowinas
verschärfte die Nationalitätenfrage, da die Verstärkung des südslawischen
Elements das empfindliche Nationalitätenverhältnis verschob. Im Artikel
25 des Berliner Vertrages vom 13. Juli 1878 wurde die österreichisch-
ungarische Monarchie ermächtigt, Bosnien und ie Herzegowina unbefristet
zu besetzen und zu verwalten. Auch im Sandschak Novi Pazar wurde der
Donaumonarchie durch den Berliner Kongress die militärische Kontrolle
zugestanden, der ansonsten aber beim Osmanischen Reich verblieb. Dies
diente dem Zweck, eine südslawische und damit prorussische Machtbil-
dung auf dem Balkan zu verhindern, wenn etwa Serbien und Montene-
gro sich vereinigten. Dementsprechend groß war der serbische Widerstand.34
Die Vertreter der Deutschnationalen und der extremen Magyaren sa-
hen in der Okkupation dieses ökonomisch rückständigen Gebietes ein Er-
gebnis einer rein dynastisch begründeten Profilierungssucht, die den eige-
nen nationalen Interessen widersprach.
Zwischen dem 29. Juli und 20. Oktober 1878 wurde das Gebiet
(51.027 km²), das eine gemischte Bevölkerung (1.142.000 Einwohner) von
31 Ian Drury, The Russo-Turkish War 1877 (London: Osprey, 2012).
32 „Der Berliner Kongress und die Aufteilung des Balkans“, Der Erste Weltkrieg
ww1.habsburger. net › kapitel › der-berli...; abgefragt am 24.8.2016.
33 Bertrand Michael Buchmann, Österreich und das Osmanische Reich. Eine bilaterale
Geschichte (Wien: Facultas, 1999).
34 Imanuel Geiss (Hrsg.), Der Berliner Kongreß 1878. Protokolle und Materia-
lien (Boppard am Rhein: Boldt, 1978).
Kaiser Franz Joseph I und die Serben 1848–1908 25
orthodoxen Serben (43 %), katholischen Kroaten (18 %) und Muslimen
(Bosniaken) (39 %) aufwies, militärisch erobert. Die Okkupation traf wider
Erwarten – Andrassy sprach zuvor von einem „Spaziergang mit einer Blas-
musikkapelle“ – auf ernsthaften militärischen Widerstand. Dieser kam vor
allem von der zuvor dominierenden moslemischen Mittelschicht, aber teil-
weise auch von der serbisch-orthodoxen Bevölkerung. Diese Gruppe
kämpfte für einen Anschluss Bosniens an Serbien. Durch diese massive Ge-
genwehr musste der militärische Kraftaufwand der k.u.k. Armee erhöht
werden.
Die Hauptarmee zur Okkupation Bosniens überschritt unter Joseph
Philippovich von Philippsberg, dem Befehlshaber des 13. Armeekorps die
Grenze über die Save bei Kostajnica und bei Gradiška. Die Abteilungen ver-
einigten sich bei Banja Luka, dort folgte der Vorstoß nach Jajce. Seine Kar-
riere entsprach voll der eines wegen der Offizierslaufbahn zum Katholizis-
mus konvertierten Krajina-Serben. K. k. Feldmarschall-Lieuten-ant Joseph
Freiherr Philippovic von Philippsberg wurde zu Gospić im Licaner Grenz-
bezirk Kroatiens im Jahre 1818 geboren. Gospić lag von 1583 bis 1882 im
Bereich der Kroatischen Militärgrenze, gehörte zum Königreich Kroatien
und Slawonien und 1867 bis 1918 zum ungarischen Teil der Donaumonar-
chie. Joseph Philippovic trat am 1. November 1834 bei dem 1. Grenz-
Regiment in die kaiserliche Armee und kam im April 1836 zum Pionnier-
corps, in welchem er im April 1839 zum Unterleutnant befördert wurde.
Ende September 1843 zum General-Quartiermeisterstab transferiert, wur-
de er zu gleicher Zeit Oberleutnant und am 20. September 1847 Haupt-
mann. Am 13. November 1848 wurde er zum Major im Warasdiner-
Kreutzer-Regimente befördert, kam aus demselben am 12. September 1851
unter gleichzeitiger Ernennung zum Oberstleutnant und Flügel-Adjutanten
zum großen Generalstab, wo er verblieb, bis er am 1. Jänner 1853 zum
Obersten im 5. Grenz-Regiment ernannt wurde.35
Am 19. April 1859 zum General-Major und Brigadier in Semlin be-
fördert, wurde er mit Allerh. Handbillet Franz Josephs I vom 14. Juni 1864
anlässlich der Wahl des griechisch-unierten Erzbischofs und Metropoliten
zu Karlowitz zum kaiserlichen Kommissär bei dem illyrischen National-
congresse und bei der Synode ernannt, welche auf diesem Kongress wegen
der Bischofswahl zusammentrat. Im Juli 1878 übernahm Philippovich Be-
fehl über die zum Einmarsch nach Bosnien bestimmten Truppen und un-
terwarf diese Länder im Okkupationsfeldzug in Bosnien der österreichi-
schen Herrschaft. Es kam dabei aber zu einem erheblichen Widerstand von
35 Biographisches Lexikon des Kaisertums Österreich. entnommen Constantin von
Wurzbach (Wien: Kaiserlich-königliche Hof- und Staatsdruckerei, 1870), XXII, 210, s. v.
Philippović von Philippsberg, Joseph Freiherr.
Wolfgang Rohrbach Istorija 20. veka, 1/2017
26
Partisanen, vor allem von muslimischen Kämpfern unter Derwisch Hadschi
Loja (Hadži-Loja). Verstärkt wurde der Widerstand durch Soldaten und Of-
fiziere der regulären Osmanischen Armee, die offiziell das Gebiet zu über-
geben hatten.36 Am 19. August wurde Sarajevo, nach Artilleriebeschuss aus
52 Geschützen und heftigem Straßenkampf eingenommen. Noch am Tag
vor der Eroberung ließ Philippovich den osmanischen Gouverneur für Bos-
nien Hafiz Pascha inhaftieren.
Der Häuserkampf in der bosnischen Hauptstadt, die damals 50.000
Einwohner hatte, forderte durch die Guerillataktik der Verteidiger zahlrei-
che Opfer. Philippovich berichtete: „Es entspann sich einer der denkbar
grässlichsten Kämpfe. Aus jedem Hause, aus jedem Fenster, aus jeder Tür
spalte wurden die Truppen beschossen; ja selbst Weiber beteiligten sich
daran. Das fast ganz am westlichen Stadteingange gelegene Militärspital,
voll von kranken und verwundeten Insurgenten..“37 Die aufständischen
Bosnier zogen sich nach der Einnahme von Sarajevo in die umliegenden
Berge zurück und leisteten noch wochenlang Widerstand mittels Guerilla-
taktik. Philippovich kehrte 1880 nach Wien und 1882 als Landeskomman-
dierender von Böhmen nach Prag zurück.
Die 18. Division drang von Dalmatien mit 9000 Mann unter General
Stephan von Jovanović entlang der Neretva in die Herzegowina ein. Am 5.
August wurde Mostar erobert. Stephan Freiherr von Jovanović (kroatisch:
Stjepan barun Jovanović), (*1828 in Pazarište (nahe Gospić), Kroatien-
Slawonien; †1885 in Zadar /ital. Zara) war ein kroatischer Adliger und
Feldmarschallleutnant der k.u.k. Armee. Jovanović trat 1845 in das habs-
burgische (österreichisch-ungarische) Heer ein und kämpfte 1848–49 un-
ter Radetzky in Italien. 1850 wurde er in den Generalstab versetzt und spä-
ter Adjutant des im Süden Dalmatiens agierenden Generals Gabriel Frei-
herr von Rodich. Zwischen 1861 und 1865 befand sich Jovanović
als Generalkonsul Österreichs in Sarajevo. Als ausgezeichneter Kenner
Bosniens, Montenegros, der Herzegowina und der Krivošije kehrte er 1865
als Oberst in den Militärdienst zurück. 1866 konnte er sich im Krieg gegen
Italien auszeichnen.
Als der Aufstand in Dalmatien ausbrach, erhielt Jovanović 1869
in Kotor (Cattaro) den Befehl über eine Gebirgsbrigade und blieb dort,
nachdem die Aufständischen durch Verhandlungen zur Einstellung der
Feindseligkeiten veranlasst worden waren. 1875 wurde er in den Frei-
36 Rainer Egger, „Philippovich von Philippsberg Josef Frh..“, in: Österreichisches Bio-
graphisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). (Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der
Wissenschaften, 1983), Band 8, 44.
37 Karl Sommeregger, „Philippovic von Philippsberg, Josef Freiherr“, in: Allgemeine
Deutsche Biographie (Leipzig: Duncker & Humblot, 1907), Band 53, 54.
Kaiser Franz Joseph I und die Serben 1848–1908 27
herrenstand erhoben und 1876 zum Feldmarschallleutnant ernannt. 1877
übernahm er in Split (Spalato) den Oberbefehl über die 18. Truppendivisi-
on. Im Jahr darauf führte er die Besetzung der Herzegowina aus und un-
terwarf das gesamte Land binnen weniger Tage und fast ohne Verluste. Er
wurde dort dann auch als Oberbefehlshaberund Leiter der Verwaltung ein-
gesetzt. 1882 hatte er den Aufstand in der Krivošije zu unterdrücken und
wurde anschließend Statthalter in Dalmatien und Militärkommandant in
Zadar. Für seine Leistungen erhielt er am 2. Mai 1879 das Ritterkreuz des
Maria Theresien-Ordens.38
Ein bedeutendes Ergebnis des Berliner Kongresses war, dass auf der
außenpolitischen Ebene das Bündnis Österreich-Ungarns mit Deutschland
vertieft wurde, da Wien auf einen starken Partner gegen Russland angewie-
sen war. Es kam zum Abschluss des Zweibundes zwischen Berlin und Wien
(1879). Weil man sich in der Donaumonarchie nicht entscheiden konnte,
zu welcher Reichshälfte die Neuerwerbungen kommen sollten, wurde die
Verwaltung durch das gemeinsame k. u.k. Finanzministerium übernom-
men. Eine Volkszählung im Jahre 1879 ergab eine Gesamtbevölkerung in
Bosnien von 1.158.164, die sich zusammensetzte aus: 496.485 Griechisch-
Ortho-doxe/Serben (42,87 %), 448.613 Muslimen (38,73 %), Katholi-
ken/Kroaten 209.391 (18,08 %), 3.426 Juden und 249 Sonstigen. Für diese
Bevölkerungsgruppen schuf die k.u.k. Verwaltung ein leistungsfähiges
Schul- und Sanitätswesen und ermöglichte eine gute wirtschaftliche Ent-
wicklung. In dieser Zeit begann die industrielle Auswertung der Boden-
schätze und Wälder Bosnien-Herzegowinas, wobei jedoch mit Augenmaß
vorgegangen wurde (u. a. Aufforstungsprojekte). Schmalspurige Eisen-
bahnlinien und wichtige Fernstraßen wurden errichtet. Für die ersten An-
sätze der Industrialisierung waren Fachkräfte notwendig. Dies führte
1880–1910 zur Zuwanderung von Menschen aus anderen Teilen der Do-
naumonarchie. Darunter waren neben Deutschen und Tschechen auch Po-
len, Slowenen und Ruthenen. Manche dieser Einwanderer erwarben auch
Grundbesitz und waren als Bauern tätig.
Franz Joseph I und Milan I
Als serbisches Staatsoberhaupt fungierte 1868 bis 1882 Fürst Milan
IV Obrenović, der 1882 bis 1889 als König Milan I. regierte. Milans Vater
war ein gleichnamiger Neffe des Fürsten Miloš Obrenović; seine Mutter die
rumänische Adlige Elena Maria Catargiu. Milans Vater diente als Söldner in
der rumänischen Armee und fiel 1861 in Bukarest bei einer Schlacht gegen
die Türken. Seine Mutter führte nach dem Tod ihres Mannes ein unbe-
38 „Jovanović Stephan Frh. Von“, in: ÖBL, Band 3, 138.
Wolfgang Rohrbach Istorija 20. veka, 1/2017
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schwertes Leben und überließ die Erziehung ihres Sohnes seinem Onkel,
dem Fürsten Mihailo Obrenović. Milan zog im Alter von sechs Jahren nach
Kragujevac, wo er von Erziehern und Gouvernanten betreut wurde. An-
schließend besuchte er das Pariser Lycée Louis-le-Grand.
Nachdem sein Onkel Mihailo 1868 einem Mordanschlag zum Opfer
gefallen war, wurde der noch minderjährige Milan zum Nachfolger auf den
serbischen Fürstenthron bestimmt. Bis zu seiner Volljährigkeit 1872 führte
der Premierminister und Anführer der serbischen Liberalen, Jovan Ristić,
als Prinzregent die Aufgaben des jungen Fürsten. Ristić behielt auch nach
Milans Volljährigkeit die Regentschaft und wurde schließlich vom Anfüh-
rer der Konservativen, Milutin Garašanin, dem Sohn Ilija Garašanins, abge-
löst. Zeit seines Lebens sträubte sich Milan Obrenović gegen seine Rolle als
konstitutioneller serbischer Fürst, was ihn in schwere Konflikte mit den
politischen Eliten des Landes brachte und letztlich seinen Sturz bewirkte.
In Milans Ära entstanden die ersten politischen Parteien in Serbien:
die Radikale Partei unter Nikola Pašić (1881), die Liberalen unter Jovan
Ristić, sowie Milans eigene Fortschrittspartei (Srpska Napredna stranka).
Milan stärkte das Militärwesen in Serbien und forcierte den Umbau des
Heeres von einer Miliz in ein stehendes Heer. Obwohl sich Milan außenpo-
litisch zunächst an Russland anlehnte, bewog ihn die unfreundliche Hal-
tung Zar Alexanders III. anlässlich eines 1881 durchgeführten Besuchs in
Sankt Petersburg, Unterstützung bei Kaiser Franz Joseph I von Österreich-
Ungarn zu suchen. 1881 schloss Milan ohne das Wissen und die Zustim-
mung seiner Regierung ein geheimes Abkommen mit Österreich-Ungarn.
Der politische Geheimvertrag vom 28. Juni 1881 gestand Österreich-
Ungarn weitgehende Vorrechte in der Bestimmung der serbischen Außen-
politik zu. So durfte Serbien keine Verträge mit anderen Staaten ohne vor-
herige Zustimmung der Donaumonarchie abschließen. Ebenso verpflichtete
sich Serbien zum Ausbau einer Eisenbahnstrecke von Belgrad Richtung
Sofia und Istanbul sowie zur Regulierung der Donau für die Schiffsfahrt.
Im Gegenzug würde Österreich-Ungarn Serbien auf internationaler Ebene
unterstützen. Die Anerkennung Serbiens als Königreich durch die Groß-
mächte 1882 wurde mit Hilfe der österreichisch-ungarischen Diplomatie
erwirkt. Serbien verpflichtete sich auf mindestens zehn Jahre, keine terri-
torialen Ansprüche auf Bosnien, die Herzegowina und den Sandschak so-
wie Novi Pazar zu stellen. Im Gegenzug hätte es, soweit im Interesse der
Donaumonarchie, freie Hand im Süden gegenüber dem Osmanischen Reich
bzw. Makedonien und Bulgarien.
Innenpolitisch verpflichtete sich Serbien, auf seinem Territorium
keine gegen Österreich-Ungarn gerichtete großserbische oder panslawisti-
sche Propaganda zuzulassen. Kritiker in der serbischen Regierung empfan-
Kaiser Franz Joseph I und die Serben 1848–1908 29
den das Abkommen als eine ungebührliche Einschränkung der Souveräni-
tät, durch die sich Serbien zu einem Vasallenstaat Österreich-Ungarns ge-
macht habe. Als Reaktion auf die Unterzeichnung des Abkommens bot der
Präsident des Ministerrates, Mihailo Piroćanac, einen Rücktritt der gesam-
ten Regierung an, den Milan jedoch nicht annahm.
Serbien geriet in heftige Rivalität mit dem seit 1878 autono-
men Fürstentum Bulgarien, dessen deutscher Fürst Alexander von Batten-
berg mit der Unterstützung Russlands Serbien den Rang auf dem Balkan
streitig machte. Als Bulgarien sich 1885 mit Ostrumelien vereinigte, sah
Milan darin eine Vorbereitung für einen bulgarischen Feldzug auf Make-
donien, und erklärte Bulgarien den Krieg. Er verlor jedoch am 7. November
1885 die entscheidende Schlacht bei Sliwniza gegen die Bulgaren und
entging nur knapp einem militärischen Desaster. Eine Invasionsdrohung
Österreichs hielt Bulgarien im letzten Augenblick davon ab, in Serbien ein-
zudringen.
Beim Staatsbesuch Franz Josephs in St. Petersburg 1897 wurde der
Status Quo auf dem Balkan bestätigt. Einige Jahre davor war Franz Joseph
für die Schaffung einer Demarkationslinie auf dem Balkan eingetreten, die
eine Russland-und Österreich orientierte Zone schaffen sollte. In den
1890-er Jahren engagierte sich Russland stärker im Fernen Osten, was
zum Krieg gegen Japan führen sollte. Weil Wien außenpolitisch immer
mehr in Abhängigkeit Berlins geriet, verlor seine Balkanpolitik die bisheri-
ge britische Unterstützung. Zugleich wurde der Verbleib Italiens im Drei-
bund immer fragwürdiger, da es einen Seekrieg mit der starken britischen
Flotte vermeiden wollte. Auch nahm das Balkaninteresse Roms zu. Die zu-
nehmenden innenpolitischen Krisen in der Donaumonarchie trugen zu-
sätzlich dazu bei, dass Österreich-Ungarn sich in seiner Balkanpolitik im-
mer stärker am Deutschen Reich orientierte. Während Milans Herrschaft
war das serbische Fürstentum nach der erfolgreichen Teilnahme am Rus-
sisch-Türkischen Krieg 1878 und dem darauf folgenden Frieden von San
Stefano endgültig unabhängig vom Osmanischen Reich geworden. Infolge
der rumänischen Königsproklamation im Jahr 1881 wurde am 6. März
1882 das Königreich Serbien proklamiert. Zu diesem Anlass gratulierte
Kaiser Franz Joseph I. Milan persönlich. Der Zar ignorierte das Ereignis.
Im Jahr 1887 versuchten Anhänger der Radikalen Partei ein Attentat
auf Milan. In der Öffentlichkeit nahm man ihm übel, dass er seine Ehe mit
der russischen Adeligen Natalija Keško mit einigen Affären (unter anderem
mit Jennie Churchill) kompromittierte. Schließlich ließ er sich 1888 schei-
den. Der Ehe mit Königin Natalija entspross sein Sohn und Thronfolger
Aleksandar Obrenović. Den Anstoß zum Thronverzicht Milans gab ein hef-
tiger Kompetenzkonflikt zwischen dem König und der gewählten Regie-
Wolfgang Rohrbach Istorija 20. veka, 1/2017
30
rung, so dass Milan im März 1889 zu Gunsten seines Sohnes Aleksandar
Obrenović abdankte und Serbien verließ.39 Nach Aleksandars Volljährigkeit
1893 gewann der aus dem Ausland zurückgekehrte Milan durch seinen
Rückhalt im Offizierskorps und den wachsenden Einfluss auf seinen Sohn
erneut an Macht. Am 7. Juli 1899 unternahm ein Mitglied der Radikalen
Partei erneut ein Attentat auf ihn, woraufhin er die Radikalen erneut ver-
folgen ließ. Alexander I. ernannte ihn 1897 sogar zum Oberbefehlshaber
der serbischen Armee. Die Hochphase Milans war jedoch nur von kurzer
Dauer, denn als er sich gegen die Ehe seines Sohnes mit der übel beleu-
mundeten Draga Maschin wandte, verlor er 1900 jeglichen Einfluss auf ihn
und musste Serbien erneut verlassen. Milan zog nach Wien, wo er kurz
darauf an einer schweren Lungenentzündung erkrankte, die ihm nach
Meinung kaiserlicher Ärzte kaum Überlebenschancen ließ. Kaiser Franz
Joseph I. überließ ihm ein Haus in der Johannesgasse (Nr. 16) und wies
den ungarischen Grafen Eugen Zichy an, Milan Gesellschaft zu leisten. Mi-
lan I. starb schließlich am 11. Februar 1901 an den Folgen der Krankheit.
Die telegrafische Nachricht vom Tode König Milans in Wien traf am
11.Feber um 16:30 Uhr im Konak in Nisch ein. Die Wiener Zeitung brachte
dazu folgende Meldung: Sofort wurden die Minister aus der Skupschtina in
den Konak berufen, wo ihnen der König (Aleksandar) tief erschüttert die
Todesnachricht mitteilte. Nach 5 Uhr (Nachmittag) erschienen die Mini-
ster wieder in der Skupschtina. Die Verhandlung wurde sofort unterbro-
chen. Ministerpräsident Jovanovitsch erhob sich und mit ihm alle Abge-
ordneten. Der Ministerpräsident ergriff das Wort zu folgender Ansprache:
(...) „König Milan ist in Wien um 4 Uhr nachmittags verschieden. Die Ver-
dienste des Verblichenen wird die Geschichte beurteilen, wir alle sind je-
doch ihrer eingedenk. Die völlige Unabhängigkeit und die Gebietserweite-
rung Serbiens sind an seinen Namen geknüpft. Die politischen Verhältnisse
der letzten Zeit haben ihn zum Verlassen des Landes bewogen, nichtsde-
stoweniger bleiben seine Verdienste aus der Vergangenheit unvergess-
lich.“40
Am Donnerstag, dem 14. Februar 1901 brachte die Wiener Zeitung
auf ihrer Titelseite die amtliche Meldung: „Auf Allerhöchste Anordnung
wird für weiland Seine Majestät König Milan I. die Hoftrauer von Freitag,
den 15. Februar 1901, angefangen durch zwölf Tage, ohne Abwechslung,
bis einschließlich 26. Februar getragen.“41 In diesem Zusammenhang sei in
Erinnerung gerufen: Als die kaiserliche Gattin Sisi im Jahre 1898 einem
Attentat zum Opfer fiel, hatte Franz Joseph I eine viertägige Hoftrauer an-
39 Holm Sundhaussen, Geschichte Serbiens (Wien: Böhlau, 2007).
40 „König Milan +“ ; in: Wiener Zeitung, Nr 35, vom 12. Februar 1901, 6.
41 Amtlicher Teil/Wiener Zeitung Nr. 37 von Donnerstag, 14. Februar 1901, 1.
Kaiser Franz Joseph I und die Serben 1848–1908 31
geordnet; nach dem Attentat vom 28.Juni 1914 auf den Thronfolger Franz
Ferdinand gab es keinerlei Hoftrauer. Die Wiener Zeitung brachte an die-
sem Tag aber auch ganzseitig die bis ins letzte Detail geregelte Anordnung
über das „Zeremoniell der Überführung, Exponierung und Bestattung der
Leiche weiland Seiner Majestät König Milans I.“ Es handelt sich bei dieser
Darstellung um eine der besten historischen Quellen Europas zu königli-
chen Bestattungszeremonien am Beginn des 20.Jhs.
Einige Details seien im Folgenden angeführt: Nachdem Milan I von
12. bis 14. Februar im Sterbehaus Johannesgasse Nr. 16 aufgebart gewesen
war, erfolgte die Überführung, zu der es in der Ankündigung der Wiener
Zeitung heißt: „Donnerstag, den 14. Februar 1901, um 10 1/2 Uhr abends
wird die Allerhöchste Leiche eingesegnet (...) und auf den bereit stehenden
mit sechs Rappen bespannten schwarzen Leichenfourgon gebracht. Tra-
banten-Leibgarden und Leibgardereiter leisten hierbei die Nebenbeglei-
tung (...). Der Zug nimmt den Weg von der Wohnung (I., Johannesgasse Nr.
16) über die Ringstraße, den Schwarzenbergplatz, den Rennweg in die
Veithgasse zur serbischen Kirche. Bei der Kirche wird der Sarg (...) von der
Geistlichkeit empfangen. (...) Freitag, den15. Februar, um 8 Uhr früh be-
ginnt der Einlass des Publikums (...) Um 12 Uhr wird der öffentliche Ein-
lass eingestellt.“ Dass Kaiser Franz Joseph nicht nur an entsprechenden
Äußerlichkeiten interessiert war, sondern auch an persönlicher Präsenz
zeigt die folgende Passage: „Um vier Uhr findet die feierliche Einsegnung
der Allerhöchsten Leiche in der serbischen Kirche statt. Seine k. u. k. Apo-
stolische Majestät und Ihre k. u. k. Hoheiten die durchlauchtigsten Herren
Erzherzoge nehmen die Zufahrt beim Hauptportale und begeben sich di-
rekt in die Kirche. Die serbische Gesandtschaft, die fremdländischen Ver-
treter, die Hof-und Staatswürdenträger, die Präsidien der beiden Häuser
des Reichsrates, die Generalität und der Bürgermeister von Wien, sowie die
eventuell anwesenden serbischen Deputationen haben sich schon vorher
nach Maßgabe des Raumes in oder vor der Kirche eingefunden. (...).“42
Am Samstag, dem 16. Februar 2016 brachte die Wiener Zeitung unter
der Kolumne „Kleine Chronik/König Milan +“ einen Abschlussbericht über
die Trauerfeierlichkeiten, in welchem unter anderem betont wurde: „...Se.
Majestät der Kaiser und mehrere erlauchte Mitglieder des Allerhöchsten
Herrscherhauses (...) haben von Se. Excellenz, dem Patriarch-Erzbischof
Metropoliten Brankovic vorgenommenen Einsegnungs- Zeremonie beige-
wohnt, und auch die großen Massen der Bevölkerung haben dem prunk-
voll- düsteren Schauspiel großes Interesse zugewendet. Nach der kirchli-
chen Einsegnungs-Feierlichkeit (...) wurde der Sarg zu dem vor dem Kir-
42 „Ceremoniel der Überführung, Exponieren und Bestattung der Leiche weiland
Seiner Majestät König Milans I.“; in: Wiener Zeitung Nr. 37, 1.
Wolfgang Rohrbach Istorija 20. veka, 1/2017
32
chenportal harrenden Galawagen getragen. Der Leichenzug setzte sich
durch die Veithgasse dem Rennweg zu in Bewegung. Gegenüber der Kirche
standen in Doppelreihen serbische Studenten in Trauerkleidung. Sie grüß-
ten mit Ehrerbietung ihren vorüberfahrenden toten Herrscher. Dem Zuge
wurde ein schwarzes griechisches Kreuz vorangetragen, auf dem in silber-
nen Lettern der Name König Milans I. und rückwärts die Zahl 1901 stand.
Ein Zug Husaren eröffneten den Kondukt. (...) und nun kamen zwei sechs-
spännige Hofwagen. Dann kam der Leichenwagen, welcher von sechs reich
und schwarz geschirrten Rappen gezogen wurde. (...) Den Leichenwagen
geleiteten an beiden Seiten vier Edelknaben mit brennenden Wachsfak-
keln(...) Zu beiden Seiten bildete Leibgarden-Infanterie ein ambulantes
Spalier. Unmittelbar hinter dem Sarge schritt Se. Majestät der Kaiser mit
Ihren k. u. k. Hoheiten den durchlauchtigsten Herren Erzherzogen. (...)
Auf dem ganzen Wege dahin drängte sich eine riesige Menschenmenge, die
an Zahl zunahm, je näher der Bahnhof war. (...) Vor dem Hofwartesaal
hielt der Leichenwagen (...) und Hofrat Ritter von Loebenstein leitete nun
im Bahnhof die Einwaggonierung der sterblichen Überreste Sr. Majestät
König Milans. (...) In offizieller Eigenschaft begleiteten die Leiche des Kö-
nigs nach Karlowits und zur Bestattung ins Kloster Krusedol der Metropolit
von Karlowits Patriarch-Erzbischof Georg Brankovic mit seinen beiden
geistlichen Begleitern.“43
Paradigmenwechsel
Die höfischen Trauerfeierlichkeiten für König Milan kündigten
gleichsam symbolisch den Paradigmenwechsel in den Beziehungen zwi-
schen Österreich-Ungarn und Serbien an. Nach der Ermordung des letzten
Obrenović Monarchen Aleksandar im Jahre 1903, wuchsen unter der Ka-
radjordje Dynastie die Konflikte mit der Donaumonarchie. Die Regierun-
gen der meisten Staaten steuerten mit einer von Nationalismus und Impe-
rialismus geprägten Bündnispolitik auf die „Urkatastrophe Europas“, den
Ersten Weltkrieg 1914–1918, zu. Den Anlass, aber nicht die Ursache sollte
schließlich das Attentat auf den österreichischen Thronfolger Franz Ferdi-
nand vom 28. Juni 1914 bilden, der das schwärzeste Kapitel der österrei-
chisch-serbischen Geschichte darstellt. Am 16. September 1908 verabrede-
ten der österreichische Außenminister Alois Lexa Freiherr von Aehrenthal
und der russische Außenminister Alexander Petrowitsch Iswolski auf
Schloss Buchlau in Böhmen, dass Österreich Bosnien und Herzegowina er-
halten, Russland im Gegenzug die Unterstützung der k. u.k. Monarchie für
43 Kleine Chronik/König Milan; in: Wiener Zeitung, Nr. 39, den 16. Februar 1901, 2.
Kaiser Franz Joseph I und die Serben 1848–1908 33
die exklusiven russischen Durchfahrtsrechte durch den Bosporus und die
Dardanellen gewinnen sollte.44 Das Jahr 1908 erschien als ein passender
Zeitpunkt für Österreich-Ungarn die beiden Provinzen zu annektieren, da
das Osmanische Reich nach der Revolution der Jungtürken einerseits poli-
tisch geschwächt war, andererseits aber auch wegen seiner Versprechen
einer inneren Reform für Bosnien-Herzegowina als interessante Alternati-
ve erschien, zumal der Verwaltungsvertrag mit dem Osmanischen Reich
nach 30 Jahren, also 1908 auslief. Anlässlich seines Namenstages am 4. Ok-
tober verfügte der seit 1848 regierende Franz Joseph I. per Handschreiben
„die Rechte Meiner Souveränität auf Bosnien und die Herzegowina zu er-
strecken und die für Mein Haus geltende Erbfolgeordnung auch für diese
Länder in Wirksamkeit zu setzen, sowie ihnen gleichzeitig verfassungsmä-
ßige Einrichtungen zu gewähren“.45 Dieser Beschluss wurde am 5. Oktober
1908 vollzogen. Die Annexion richtete sich nicht nur gegen das Osmani-
sche Reich, sondern auch gegen Serbien, das unter König Petar Ka-
rađorđević versuchte, alle Südslawen in einem Staat zu einen (Panserbis-
mus). Zwischen beiden Ländern bestand seit 1906 außerdem ein schar-
fer Zollkonflikt, der sogenannte Schweinekrieg.46
Im Verlauf der Krise 1908 schlug Generalstabschef Franz Conrad von
Hötzendorf mehrmals vor, bei der Gelegenheit auch Serbien zu erobern.
Montenegro sollte ebenfalls ausgeschaltet werden oder wenigstens eine
„Einengung“ erfahren. Die Südslawen sollten einen Komplex im Rahmen
der Monarchie bilden und dem Habsburgerreich, wie Bayern dem Deut-
schen Reich, untergeordnet werden. Weiters strebte er damals die Gewin-
nung Albaniens, des westlichen Mazedoniens und Montenegros an, mit
dem strategischen Ziel, Saloniki als österreichische Bastion an der Ägäis zu
etablieren. Sein imperialistisches Ziel war die Vereinigung aller West- und
Südslawen unter österreichischer Herrschaft, was er mit der missionari-
schen Idee einer Stärkung der christlichen Kultur rechtfertigte.47
Diese Pläne wurden von Außenminister Alois Lexa von Ährenthal zu-
rückgewiesen. Die Annexion führte zu wütenden Protesten im Osmani-
schen Reich, in Serbien sowie in Russland, wo panslawistische Strömungen
verbreitet waren. Die dem Zarenreich als Gegenleistung zugesprochene
freie Durchfahrt durch die Dardanellen scheiterte am Einspruch der Briten.
44 Gerhard Zimmer, Gewaltsame territoriale Veränderungen und ihre völkerrechtliche
Legitimation (Berlin: Duncker & Humblot, 1971), 117.
45 Josip Frank, „Die Eingliederung Bosniens und der Herzegowina“, in: Alfred von
Berger et al. (Hrsg.), Österreichische Rundschau (Wien: Fromme, 1908), Band XVII, 160–3.
46 Christopher Clark, Die Schlafwandler. Wie Europa in den Ersten Weltkrieg
zog (München: DVA, 2013), 70.
47 Feldmarschall Conrad von Hötzendorf, Aus meiner Dienstzeit 1906–1918. Band 1:
Die Zeit der Annexionskrise 1906–1909 (Wien/Berlin, 1921), 59, 537, 615.
Wolfgang Rohrbach Istorija 20. veka, 1/2017
34
Daher fühlte sich Russland zum zweiten Mal seit dem Berliner Kongress
hintergangen. Es bestand einige Wochen lang akute Kriegsgefahr, da das
Vereinigte Königreich und Russland damit drohten, das Osmanische Reich
zum Nachteil Österreichs in seiner alten Rechtsstellung wieder einzuset-
zen. Obwohl ein europäischer Krieg noch vermieden werden konnte, ist die
Annexionskrise als wichtiger Schritt auf dem Weg zum Ersten Weltkrieg
anzusehen. Im Dezember 1911 entließ Franz Joseph vorläufig den General-
stabschef Franz Conrad von Hötzendorf. Die Begründung lag in den fort-
währenden Präventivkriegsforderungen Conrads, die der Kaiser rundweg
ablehnte. Noch bei einer Audienz am 15. November 1911 machte der Kai-
ser dem davon unbeeindruckten Generalstabschef Conrad dazu Vorhaltun-
gen: „Diese fortwährenden Angriffe, besonders die Vorwürfe wegen Italien
und des Balkan, die sich immer wiederholen, die richten sich gegen mich,
die Politik mache ich, das ist meine Politik! Meine Politik ist eine Politik
des Friedens. Dieser Meiner Politik müssen sich alle anbequemen.“48
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Wolfgang Rohrbach
CAR FRANJO JOSIF PRVI I SRBI 1848–1908.
Rezime
Stogodišnjica smrti cara Franje Josifa I (umro 21. novembra 1916)
predstavljala je u Austriji povod za izdavanje velikog broja publikacija o
životu i 68-godišnjoj vladavini popularnog monarha. Dok se politička previ-
ranja između Rusije, Nemačke, odnosno Pruske, Turske i Italije pretežno
prikazuju umereno, Srbija je opisana jednostrano, sa težištem na deset
poslednjih godina careve vladavine. Da bi se ublažio taj nedostatak, prilog
osvetljava period od 1848. godine (stupanje na vlast Franje Josifa I) do
1908. (aneksija Bosne i Hercegovine). Danas se o prijateljskim odnosima i
sporazumu cara Franje Josifa I sa kraljem Milanom Obrenovićem, kao i po-
glavarima Srpske pravoslavne crkve, srpskom vojskom, naučnicima i umet-
nicima zna mnogo više nego pre sto godina. Na taj način je uvreženom
mišljenju o tome da su u odnosima Austrije sa Srbijom tokom vekova
prevladavali politički nesporazumi, suprotstavljena naučno zasnovana ar-
gumentacija. Ovaj rad dokumentuje i interpretira zaboravljeno zajedništvo
i saradnju Austrije i Srbije od 1848. godine. Na zahtev cara Franje Josifa I
mnoge vojne, naučne i političke položaje zauzimali su Srbi; srpski umetnici
su angažovani u toku rekonstrukcije carskog grada Beča. Na Bečkom
univerzitetu 1849. godine osnovan je prvi institut za slavistiku u svetu.
Bečki univerzitet je narednih godina postao raskrsnica naučnog i kulturnog
razvoja Balkana.
Kaiser Franz Joseph I und die Serben 1848–1908 37
KLJUČNE REČI: kompenzacija, austroslavizam, Banat, Berlinski
kongres, Bosna, Milan I Obrenović, Vojna granica (Krajina), okupacija,
revolucionarna 1848/49, Ringštrase
THE EMPEROR FRANZ JOSEPH I AND SERBS 1848–1908
Summary
A century from death of Emperor Franz Joseph I (+21.11.1916) trig-
gered a great number of publications about life and almost seven decades
long reign of a popular monarch. As the political struggle between Russia,
Prussia, Italy and Ottoman Empire are depicted with moderation, Serbia is
described unidimensional, with an emphasis on the last decade of Emper-
ors rule. In order to remedy this shortcoming, this contribution is focusing
on a period between 1848 and 1908. Today we know much more about rela-
tions between Franz Joseph and King Milan Obrenović, as well as with dig-
nitaries of Serbian Orthodox Church, and military, academic and artistic
elite. It is, therefore, possible to refute entrenched notions about constant
enmity and hostility between Austria and Serbia. In this work, an emphasis
is put on cooperation between Austria and Serbia from 1848, when Serbs at
Emperors request held a number of important political and military posi-
tions, whereas Serbian artists took part in the reconstruction of Imperial
Vienna. The university of Vienna hosted the oldest institute for slavistic
(1849), becoming, therefore, a crossroad of the cultural and social devel-
opment of the Balkans.
KEYWORDS: compensation, Austroslavism, Banat, Berlin Congress,
Bosnia, Milan I Obrenović, Military Border (Krajina), occupation, revolu-
tionary years 1848/49, Ringstrasse
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