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Eros, Herrschaft, Missbrauch: Grenzüberschreitungen und Abgründe in der (Schul-)Pädagogik. Fallrekonstruktionen, Analysen und Perspektiven der ... mit Denkimpulsen und Transferaufgaben

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Mehr denn je besteht die Notwendigkeit, dass die (Schul-)Pädagogik Kindern und Jugendlichen Hilfestellung beim Umgang mit ihren Lebensproblemen gibt. Doch was ist, wenn ausgerechnet seitens der Pädagogik neuer, seelisch belastender Konfliktstoff erzeugt, Perspektivlosigkeit verstärkt oder junge Menschen, die oftmals in ihrer Entwicklung gefährdet sind, endgültig ins gesellschaftliche Abseits gestoßen werden? Welche dunklen Seiten zeigen sich in extremen pädagogischen Systemen? Unangemessene Nähe, Eros und Sexualität? Zu viel Distanz, gar Kälte, das ungehemmte Ausleben von Herrschaft und Macht? Eigentümliche Mischungen alldessen? Im Zentrum der Fallrekonstruktionen stehen Schulen, an denen die elementarsten Persönlichkeitsrechte von Kindern und Jugendlichen, teils auch von Lehrkräften, verletzt wurden. Die verschiedenen Formen pädagogischen Missbrauchs werden Analysen unterzogen und in kulturelle Kontexte gestellt. Abschließend wird der Versuch unternommen, die sichtbar gewordenen menschlichen Abgründe zu deuten und Perspektiven der Transformation zu entwickeln, unter Rückgriff auf Reflexionen des irischen Philosophen John O´ Donohue.
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Karl-Josef Kluge, Universität zu Köln, gehört zu der Generation von Professoren (es waren in erster Linie Männer), die, seit Ende der 1960er Jahre, das akademische Fach der Pädagogik der emotionalen und sozialen Entwicklung überhaupt erst etabliert und begründet haben. Der Beitrag dokumentiert Kluges bedeutsamste Handlungsfelder, von der Hochschulpädagogik, über die Weiterbildung auf Gebieten wie Kommunikation, Beratung, Supervision usw. und über die Familienberatung, bis hin zu internationalen pädagogischen Aktivitäten, unter Einarbeitung von umfangreichem Bildmaterial. Das Kapitel zeigt auf, dass Kluge mit seinen Projekten und Gründungen seiner Zeit stets voraus war, etwa im deutsch-polnischen pädagogischen Austausch während der Zeit des Kalten Krieges, im Aufspannen von inklusiven europäischen Lernräumen, schon seit den frühen 1970er Jahren, als sonst noch niemand über Inklusion sprach, und als noch gar keine etablierten akademischen Austauschstrukturen, wie wir sie heute kennen, existierten, und schon gar nicht zwischen dem sog. "Ostblock" und dem Westen, sodann im Gründen von internationalen pädagogischen, zunächst sehr stark amerikanisch geprägten, Sommercamps für Kinder und Jugendliche mit hoher Intelligenz, Kreativität usw., ab 1985, als das Thema politisch und gesellschaftlich in Deutschland noch vollständig tabu war, während in den USA aktiv und produktiv in dem Feld gearbeitet wurde. Also holte er das Wissen aus Michigan, Connecticut usw. Bei fast allen diesen Projekten arbeitete Karl-Josef Kluge eng mit seinem polnischen Kollegen Andrzej Jaczewski, Universität Warschau, zusammen, teils auch mit dem Warschauer Kultur- und Jugendpalast. Über die Jahrzehnte hinweg setzte Kluge schon früh Maßstäbe, wenn es um De-Etikettierung, De-Kategorisierung und De-Psychologisierung der Sonderpädagogik ging. Ihn interessierten niemals enge, rigide Abgrenzungen zwischen sog. sonderpädagogischen Förderschwerpunkten. An den begabungspädagogischen und inklusiven Camps nahmen etwa auch blinde Jugendliche, oder solche mit körperlicher Beeinträchtigung oder mentalen Besonderheiten teil, und sie kamen überdies noch aus Frankreich, Ungarn, Polen usw. Für die Kölner Studierenden war das ein breit aufgespanntes Lernfeld, denn die Projekte dienten ja zugleich der universitären Bildung der Studierenden der Sonderpädagogik. Kluge sah und sieht den Menschen an sich, auch hier war er immer schon weiter, lange bevor kritische Diskurse zu diesen Themen im Wissenschaftsbetrieb einsetzten. Selbst in diese kritischen wissenschaftstheoretischen Diskurse einzugreifen oder diese gar zu befördern ist Kluges Sache aber nicht. Er sieht seinen Auftrag mehr im praktischen Umsetzen und Anwenden, im handelnden Entwerfen einer anderen und besseren Pädagogik und zugleich Gesellschaft, in der jeder/jede Einzelne mit seinem/ihrem inneren Erleben zählt. Im Zentrum seiner pädagogischen Philosophie stehen denn auch angewandte, gelebte und wirklich erfahrbare humane Werte, die er unter anderem, wie auch Andrzej Jaczewski, aus dem Pfadfinderwesen ableitete. Ihm war und ist es nicht um statistische Daten zu tun, nicht um diagnostische Tests, nicht um Handlungsmodelle, woher diese auch kommen mögen. Ihm ging und geht es nicht um Diskurse oder Theorien und schon gar nicht um Ideologien. Kluge ist ein Gründer, ein Entrepreneur, ein Vordenker, ein Mann der stets mit pädagogischer Leidenschaft Lernräume aufgespannt hat und dies bis in die Gegenwart des Jahres 2022 tut, d. h. internationale und inklusive Lernräume, schöpferische und entschleunigte Lernräume, wo Zeit ist genau hinzuhören, was die Menschen tatsächlich bewegt. "The person first", hat Kluge seinen wichtigsten Grundsatz einmal auf den Punkt gebracht, to put it in a nutshell: "The person first".
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Die Zunahme der durch die »Neue Steuerung« des Bildungssystems produzierten emotionalen und sozialen Problematiken in Schule und Gesellschaft ist evident. Die Antwort darauf liegt jedoch nicht in einer präziseren sonderpädagogischen Diagnostik, Förderung und Intervention, sondern im Umbau von Schule, Universität und Gesellschaft. Joachim Bröcher plädiert für eine selbstgestaltete Bildungspflicht, ein bedingungsloses Grundeinkommen, die Gründung von selbstbestimmten Community-Projekten (in denen gearbeitet, gelernt und gelebt wird) sowie eine handlungsorientierte, philosophische Pädagogik. Die »Kontrollgesellschaft« (Gilles Deleuze) verwandelt sich so in eine Zivilgesellschaft der Entrepreneur*innen.
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Das achte Kapitel des Buches "Anders lernen, arbeiten und leben" mit dem Titel "Europäische Lernräume: Pädagogischer Austausch zwischen Polen und Deutschland zur Zeit des Kalten Krieges" ist untergliedert in die folgenden Abschnitte: Die Ursprünge einer zukunftsweisenden pädagogischen Philosophie; die Vergegenwärtigung der besonderen Historie der deutsch-polnischen Beziehungen; die Achse Köln-Warschau während der Zeit des Kalten Krieges; das Aufspannen von europäischen Lernräumen über Sommerworkshops und erlebnispädagogische Aktivitäten sowie deutsch-polnische Lernerfahrungen und Community-Projekte der Zukunft.
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Die Schulen der Gegenwart müssen es mit der komplexen gesellschaftlichen Realität aufnehmen und trotz allem ihren Bildungsauftrag erfüllen. Soziale Umbrüche, die voranschreitende Digitalisierung und Mediatisierung, Globalisierung, kulturelle Diversifizierung, sodann Konflikte zwischen den verschiedenen sozialen und ethnischen Gruppen, veränderte Biographien und Lebensformen, die sich ständig in Unruhe befindliche Politik– und Medienwelt, das alles hat Auswirkungen auf die pädagogische Arbeit in Schulen. Vor diesem allgemeinen Hintergrund, der mehr oder weniger alle öffentlichen Schulen in den westlichen Ländern betrifft, zeichnen sich zusätzlich Herausforderungen ab, die mit der Erziehung und dem Unterrichten von Kindern und Jugendlichen mit Förderbedarf in der emotionalen oder sozialen Entwicklung zu tun haben. Während separative, spezialisierte Schulen sich gezielt auf diese Problematik einstellen, stehen inklusive Schulen hier oftmals vor erheblichen Schwierigkeiten. Ob School-wide Positive Behavior Support ein Teil der Lösung ist, wird derzeit kontrovers diskutiert. Zusätzlich zu dem, was auf dem Gebiet des direkten pädagogischen Umgangs mit den Kindern und Jugendlichen im Kontext Unterricht und Erziehung als wirksam und hilfreich gilt, benötigen Schulen die einzelnen Klassen und Lerngruppen übergreifende Strukturen und Prozesse, damit sie als Ganzes handlungsfähig und tatsächlich effektiv sind. Schulen müssen sich zuallererst darüber klar werden, was sie unter einer guten und unterstützenden Schulkultur bzw. einem guten Schulklima verstehen und ob da das Trainingsraum-Programm wirklich ein ernstzunehmendes Handlungsmodell sein kann. Aus der Forschung wissen wir um die hohe Bedeutung von Schüler/innen-Partizipation, ebenso Eltern-Partizipation für die Schulentwicklung, für das Aufbauen einer guten Schulkultur und eines guten Schulklimas. Ebenso von hohem Stellenwert sind intensive und produktive Beziehungen zwischen Schule und umgebender Community. Die Schulentwicklung, d.h. die gemeinsame Entwicklung und kooperative Umsetzung von pädagogischen, didaktischen, sozialpädagogischen Handlungsmodellen und Konzepten, wie auch die Erfahrungsverarbeitung sollte sich als prozesshaft verstehen, auf das Prinzip Dialog setzen und die Kolleginnen und Kollegen aus allen beteiligten Berufsgruppen partizipativ einbinden und somit den dauernden Wandel (change) aktiv gestalten. Schulen sollten sich als lernende, sich selbst reflektierende Organisationen verstehen, in denen frei gedacht werden kann und wo die brennenden Fragen tatsächlich angesprochen werden können und wo Raum für Kreativität und Innovation entsteht. Kollektives Lernen und sich selbst Hinterfragen werden dann an einer Schule leichter sein, wenn die dortigen Leitungskräfte, neben dem transaktional-organisierenden Know-How, das sie natürlich auch benötigen, um ihren vielen Aufgaben gerecht zu werden, über transformative Führungsfähigkeiten verfügen. Solche Führungskräfte werden auf die Stärkung und auf das Empowerment der Kolleginnen und Kollegen setzen. Doch diese Voraussetzungen sind nicht immer gegeben, weshalb es ratsam ist, sich auch mit den dunklen Seiten schulischer Führung und Mikropolitik zu beschäftigen. Gelegentlich sind besondere Anstrengungen nötig, das Schulganze konstruktiv zu beeinflussen.
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Das Aufbauen und Unterhalten von pädagogischen Beziehungen, speziell wenn es um die Förderung der emotionalen und sozialen Entwicklung geht, gilt als eine der wichtigsten Komponenten des pädagogischen Handelns. Worin jedoch eine hilfreiche pädagogische Beziehung besteht und durch welche Eigenschaften diese gekennzeichnet ist, bedarf genauerer Definition. Um diese Konkretisierung vorzunehmen müssen Theorien herangezogen werden, die etwas zum Thema der förderlichen wie auch der abträglichen pädagogischen Beziehung aussagen können, direkt oder indirekt. Wieviel Empathie, Mitfühlen oder Pacing ist nötig und wieviel Versachlichung, Abgrenzung oder gar Konfrontation? Eine einheitliche und mit empirisch-quantitativen Methoden geprüfte Theorie existiert auf dem Gebiet der pädagogischen Beziehungsgestaltung im Feld der emotionalen und sozialen Entwicklungsförderung bisher nicht. Therapeutische Konzepte lassen sich nicht automatisch auf pädagogische Kontexte, auf die vielfältige Faktoren einwirken, übertragen. Beim Trainingsraum-Programm soll eine demonstrative Freundlichkeit die pädagogische Beziehung kennzeichnen. Doch diese erscheint mechanisch, weil kein echtes Interesse am Lebenskontext des Kindes oder Jugendlichen gezeigt wird und die eigentlichen Fragen nicht gestellt werden dürfen. School-wide Positive Behavior dürfte sich glaubhaft um eine wissenschaftliche Einarbeitung der pädagogischen Beziehung in das gesamte schulische oder pädagogische Geschehen bemühen und durch die grundsätzlich positive Haltung zum Kind oder Jugendlichen überzeugen, lässt aber wenig Spielraum für die Reflektion von alldem, wofür dieses schulweite Verhaltenssteuerungssystem noch keine Konzepte hat. Wesentliche Erkenntnisse lassen sich aus der von John Bowlby begründeten Bindungstheorie ableiten, bis hin zu den Forschungen bezüglich der bindungsbasierten Nurture Groups, die in Britischen Schulen eingerichtet worden sind. Weitere Bezugspunkte lieferte die Psychoanalyse bzw. die psychoanalytische Pädagogik, indem sie etwa für das Thema Übertragung und Gegenübertragung in der pädagogisch-therapeutischen Beziehung sensibilisierte. Wichtige Impulse für eine pädagogisch-therapeutische Beziehungsgestaltung gab auch der von Carl Rogers begründete klientenzentrierte Ansatz. Ausgeprägte beziehungsgestaltende Komponenten finden sich ferner in der historischen Reformpädagogik, in der Urban Education, im Teaching for Social Justice und in der Lebensweltorientierten Pädagogik und Didaktik. Im Feld der, recht umstrittenen konfrontativen Pädagogik lassen sich durchaus härtere, teils den Willen brechende, Umgangsarten speziell mit sehr widerständigen Jugendlichen beobachten, Fälle, wo nach dieser Theorie bloße Empathie nicht mehr ausreichen soll, um etwas an den sehr destruktiven Verhaltensmustern der Heranwachsenden zu ändern. Es hat in der Vergangenheit extreme Ausformungen pädagogischer Beziehungen gegeben, von erotisierten Nähebeziehungen, die in einigen Fällen in mann-männliche, sexuelle Beziehungen übergingen (Gustav Wyneken, Gerold Becker) bis hin zu dem eiskalten Eliminieren von jungen Menschen innerhalb von psychopathologischen, totalitären Schulkulturen (Fall Schwarzegg). Beide Formen des pädagogischen Missbrauchs haben eigene ideologische Überbauten. Im paramilitärischen Matriarchat von Schwarzegg bezog frau/man sich zwar auf die konfrontative Pädagogik, doch psychopathische Führungspersonen und zumeist fachlich inkompetente und/oder von der Persönlichkeit her wenig entwickelte Lehrkräfte und Sozialpädagog/innen, die dieses inhumane System als Mitläufer/innen trugen, hatten sich von schulrechtlichen und wissenschaftlichen Grundlagen jeglicher Couleur vollständig losgelöst, selbst von der konfrontativen Pädagogik, deren rabiate Methoden hier nur noch als Inspirationsquelle für weitergehende Praktiken dienten.
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