Karl-Josef Kluge, Universität zu Köln, gehört zu der Generation von Professoren (es waren in erster Linie Männer), die, seit Ende der 1960er Jahre, das akademische Fach der Pädagogik der emotionalen und sozialen Entwicklung überhaupt erst etabliert und begründet haben. Der Beitrag dokumentiert Kluges bedeutsamste Handlungsfelder, von der Hochschulpädagogik, über die Weiterbildung auf Gebieten wie Kommunikation, Beratung, Supervision usw. und über die Familienberatung, bis hin zu internationalen pädagogischen Aktivitäten, unter Einarbeitung von umfangreichem Bildmaterial. Das Kapitel zeigt auf, dass Kluge mit seinen Projekten und Gründungen seiner Zeit stets voraus war, etwa im deutsch-polnischen pädagogischen Austausch während der Zeit des Kalten Krieges, im Aufspannen von inklusiven europäischen Lernräumen, schon seit den frühen 1970er Jahren, als sonst noch niemand über Inklusion sprach, und als noch gar keine etablierten akademischen Austauschstrukturen, wie wir sie heute kennen, existierten, und schon gar nicht zwischen dem sog. "Ostblock" und dem Westen, sodann im Gründen von internationalen pädagogischen, zunächst sehr stark amerikanisch geprägten, Sommercamps für Kinder und Jugendliche mit hoher Intelligenz, Kreativität usw., ab 1985, als das Thema politisch und gesellschaftlich in Deutschland noch vollständig tabu war, während in den USA aktiv und produktiv in dem Feld gearbeitet wurde. Also holte er das Wissen aus Michigan, Connecticut usw. Bei fast allen diesen Projekten arbeitete Karl-Josef Kluge eng mit seinem polnischen Kollegen Andrzej Jaczewski, Universität Warschau, zusammen, teils auch mit dem Warschauer Kultur- und Jugendpalast. Über die Jahrzehnte hinweg setzte Kluge schon früh Maßstäbe, wenn es um De-Etikettierung, De-Kategorisierung und De-Psychologisierung der Sonderpädagogik ging. Ihn interessierten niemals enge, rigide Abgrenzungen zwischen sog. sonderpädagogischen Förderschwerpunkten. An den begabungspädagogischen und inklusiven Camps nahmen etwa auch blinde Jugendliche, oder solche mit körperlicher Beeinträchtigung oder mentalen Besonderheiten teil, und sie kamen überdies noch aus Frankreich, Ungarn, Polen usw. Für die Kölner Studierenden war das ein breit aufgespanntes Lernfeld, denn die Projekte dienten ja zugleich der universitären Bildung der Studierenden der Sonderpädagogik. Kluge sah und sieht den Menschen an sich, auch hier war er immer schon weiter, lange bevor kritische Diskurse zu diesen Themen im Wissenschaftsbetrieb einsetzten. Selbst in diese kritischen wissenschaftstheoretischen Diskurse einzugreifen oder diese gar zu befördern ist Kluges Sache aber nicht. Er sieht seinen Auftrag mehr im praktischen Umsetzen und Anwenden, im handelnden Entwerfen einer anderen und besseren Pädagogik und zugleich Gesellschaft, in der jeder/jede Einzelne mit seinem/ihrem inneren Erleben zählt. Im Zentrum seiner pädagogischen Philosophie stehen denn auch angewandte, gelebte und wirklich erfahrbare humane Werte, die er unter anderem, wie auch Andrzej Jaczewski, aus dem Pfadfinderwesen ableitete. Ihm war und ist es nicht um statistische Daten zu tun, nicht um diagnostische Tests, nicht um Handlungsmodelle, woher diese auch kommen mögen. Ihm ging und geht es nicht um Diskurse oder Theorien und schon gar nicht um Ideologien. Kluge ist ein Gründer, ein Entrepreneur, ein Vordenker, ein Mann der stets mit pädagogischer Leidenschaft Lernräume aufgespannt hat und dies bis in die Gegenwart des Jahres 2022 tut, d. h. internationale und inklusive Lernräume, schöpferische und entschleunigte Lernräume, wo Zeit ist genau hinzuhören, was die Menschen tatsächlich bewegt. "The person first", hat Kluge seinen wichtigsten Grundsatz einmal auf den Punkt gebracht, to put it in a nutshell: "The person first".