Rechtsfragen der Telemedizin
Abstract
Die Aufhebung zeitlicher und räumlicher Grenzen durch den Einsatz der Telemedizin wirft eine Fülle rechtlicher Fragen auf. Auf dem 7. Einbecker Workshop der DGMR haben sich Experten der Medizin und des Rechts, Praktiker, Wissenschaftler und Angehörige der Körperschaften im Gesundheitswesen mit diesen Rechtsfragen beschäftigt und einen Empfehlungstext erarbeitet, der national und international große Beachtung fand. Die "Einbecker Empfehlungen zu Rechtsfragen der Telemedizin" sind zusammen mit den Referaten in diesem Werk wiedergegeben. Sie bilden die Grundlage für die Weiterentwicklung rechtlicher Lösungen für nationale und internationale Telemedizin.
Chapters (14)
Der technische Fortschritt, insbesondere die verbesserten Möglichkeiten der Datenübertragung durch unterschiedliche Medien, hat die gemeinsame Anwendung von Telekommunikation und Informatik (Telematik) im Gesundheitswesen in den vergangenen Jahren geradezu exponentiell anwachsen lassen.1 Die Gesamtheit dieser Verfahren wird seit einigen Jahren als „Telemedizin“2 bezeichnet. Hierzu werden z.B. die digitale Befundübermittlung, das Patientenmonitoring, die elektronische Patientenakte oder -karte, die Abrechnung über Datenträger, die elektronische Vernetzung von Arztpraxen und Krankenhäusern, die digitale Archivierung u.v.m. gerechnet. Diese Vielfalt zeigt ein breites Spektrum der Anwendungen für Telemedizin.
Es ist Aufgabe aller Leistungsträger im Gesundheitswesen, sowohl die Qualität der Versorgung ständig zu verbessern wie auch möglichst gleichzeitig Kosten zu senken. Gelöst werden soll die Verwirklichung dieser beiden sich fast widersprechenden Zielvorgaben u.a. durch den Einsatz und die Nutzung moderner Technologien wie z.B. der Telematik.
Deutschland erlebt seit Jahren eine intensive Diskussion über die Anwendung von Telematik im Gesundheitswesen. Darunter verstehe ich die Diskussion um Nutzen und Chancen eines verstärkten Einsatzes von Telekommunikation und Informatik, zusammengefasst in dem inzwischen auch international gebräuchlichen Kunstwort Telematik. Zwar wissen die Fachleute um das besondere Potential, das in der Gesundheitstelematik für eine bessere Effektivität und Effizienz der Gesundheitsversorgung vorhanden ist. Zugleich müssen wir nach wie vor eine geringe Durchdringung des Versorgungsalltags mit Telematikanwendungen feststellen. Unser pluralistisch und vorwiegend kleinräumig organisiertes Gesundheitswesen läuft sogar Gefahr, die Fragmentierung der Informationslage im Prozess der Gesundheitsversorgung zu verschärfen. Zahlreiche Initiativen sind wegen rechtlicher und organisatorisch-struktureller Hindernisse, aber auch wegen fehlender Standardisierung und Interoperabilität schon im Vorfeld hängen geblieben oder geben sich mit einem kleinen Markt und Insellösungen zufrieden.
Für mein Thema kommen nicht alle Anwendungsfelder der Telemedizin in Betracht, sondern schwerpunktmäßig nur die diagnostische Untersuchung, eng damit zusammenhängend die Konsultierung von Kollegen und das Operieren mit Robotern. Letzteres ist im Moment wohl noch weitgehend ungebräuchlich und im Stadium der Erforschung, aber am Herzzentrum Leipzig z.B. wurden schon über 100 Patienten erfolgreich mit dem Roboter operiert.1 Auf die Besonderheiten der Versuchssituation soll im folgenden nicht eingegangen werden.
Der Ausdruck „Konsiliararzt“ oder „Konsiliarius“, vielleicht sogar mit „C“ geschrieben, weckt Assoziationen einer vergangenen Zeit von einem Arzt mit langem weißen Bart und Gehrock, der zu einem schwierigen Fall herbeigerufen wird. Gleichzeitig ist jedoch jedem praktisch tätigen Mediziner im Krankenhaus der „Konsil-Schein“ eine vertraute, willkommene Hilfe, um jedwede Dienstleistung einer anderen Fachrichtung — von der diagnostischen Abklärung bis hin zur Durchführung mehr oder weniger großer Operationen — anzufordern. Der „Konsiliararzt“ hat also auch heute noch erhebliche Bedeutung. Im medizinischen Alltag, speziell durch die Ausweitung der Telemedizin wird er als herbeigerufener bzw. zugeschalteter Spezialist — zur Definition später — in Zukunft eine immer größere Rolle spielen.
„Telemedizin ist die Anwendung von Kommunikations- und Informationstechnologien im Gesundheitswesen zwischen Teilnehmern an verschiedenen Orten.“1 Der Begriff Telemedizin umfasst deshalb ganz unterschiedliche Fallgestaltungen wie z.B. das dienstliche Telephongespräch zwischen Ärzten, die Übertragung von CT- Bildern zu in- oder ausländischen Spezialisten, um konsiliarischen Rat bei der Frage einzuholen, welche Operationsindikation geben ist, bis hin zur Bedienung eines Robotermikroskop im OP-Trakt eines Krankenhauses durch den weit entfernt ansässigen Pathologen zur Tumordiagnostik. Die Übertragung von Live-OP-Bildern während tumorchirurgischer Eingriffe von der einen in die andere Klinik, um noch während der OP Expertenmeinungen austauschen und Zweituntersuchungen vermeiden zu können, wird ebenfalls schon praktiziert.2 Die Telemedizin mit ihren neuen technischen Möglichkeit darf aber nicht darüber hinweg täuschen, dass sich auch bei ihrer Anwendung die gewohnten haftungsrechtlichen Fallen stellen, wenn auch in neuem Gewand.
Mit der zunehmenden Mobilität nicht nur des Kapitals, sondern auch der Arbeitnehmer im europäischen Binnenmarkt hat auch die Bedeutung der Koordination und Kooperation von nationalen Systemen der sozialen Sicherheit immer mehr an Bedeutung gewonnen. Mit dieser Entwicklung hat auch der Bedarf an technischen Instrumenten, die die verwaltungsmäßige Zusammenarbeit der Leistungsträger erleichtern, zugenommen. Die Möglichkeiten der elektronischen Datenverarbeitung und der Datenfernübertragung sind zum Segen der Sozialverwaltungen geworden, bergen aber auch Gefahren; es sei nur das Stichwort Datenschutz genannt.
Das bisherige deutsche Datenschutzrecht selbst enthält nur einige eher marginale — und ohnehin selbstverständliche — Regelungen zur Verarbeitung medizinischer Daten, so etwa die Vermutung, dass schutzwürdige Belange der Betroffenen verletzt werden, wenn Listen mit Daten über gesundheitliche Verhältnisse zu Werbezwecken weitergegeben werden, oder die Verlängerung der Schweigepflicht, wenn Daten rechtmäßig offenbart worden sind. Teilweise recht komplexe Bestimmungen finden sich insbesondere im 5. Buch des Sozialgesetzbuches, wo die Datenströme festgelegt sind, die zwischen den einzelnen Leistungsträgern fließen. Der Versuch, hier den Pseudonymisierungsgrundsatz einzuführen, ist gerade im Zusammenhang mit der Gesundheitsreform 2000 gescheitert. Hinzu treten Regelungen im Krankenhausbereich, für den öffentlichen Gesundheitsdienst und für das Krebsregister.
Datensicherheit ist — wie Sicherheit im allgemeinen auch — weder Selbstzweck noch selbstverständlich vorhanden. Welche Art von Datensicherheit man erreichen sollte oder möchte, hängt ab von den Interessen der Beteiligten und der Betroffenen. Zu diesen Interessen und zu den jeweiligen Umständen der erwünschten oder gebotenen Datenverarbeitung müssen die Sicherungsmaßnahmen passen.
Kaum ein anderes Gebiet unterliegt gegenwärtig derart umwälzenden strukturellen Veränderungen wie der Bereich der elektronischen Datentechnik. Allein dieses oder auch das Wort „EDV“ erscheint unter dem Eindruck des geradezu atemberaubenden technischen Fortschritts als Ausdruck eines die offenbar grenzenlosen Möglichkeiten der Digitalisierung verkennenden antiquierten semantischen Verständnisses. Gerade das Recht, gerade die Rechtsfortbildung, dürfen sich der Notwendigkeit der Weiterentwicklung, namentlich der Anpassung an veränderte Verhältnisse nicht verschließen, gerade im Blick auf die zunehmend in den Vordergrund tretende Informationsgesellschaft und insbesondere auf die sich mit der sog. „Telearbeit“ ergebenden Änderungen, deren Halbwertszeiten des jeweiligen Erkenntnisstandes offensichtlich zunehmend kürzer werden.
In diesem Beitrag soll unter Telemedizin derjenige Teilbereich der Telematik verstanden werden, der die Erbringung ärztlicher Leistungen mit Hilfe der Möglichkeiten der Informatik zum Ziel hat und unter Berufsrecht die Berufsordnung für die Ärzte, bei der es sich um Satzungsrecht der einzelnen Landesärztekammern auf der Grundlage der Kompetenzzuweisung durch das jeweilige Kammergesetz handelt. Die Berufsordnungen folgen weitestgehend der Muster-Berufsordnung, die der Deutsche Ärztetag beschließt. Abweichungen in einer der 17 ärztlichen Berufsordnungen von der Muster-Berufsordnung haben ihre Ursache im unterschiedlichen Wortlaut der kammergesetzlichen Ermächtigungsnormen, in unterschiedlichen Interpretationen der Aufsichtsbehörden (es handelt sich um eine genehmigungspflichtige Satzung) oder einem in einzelnen Kammern unterschiedlich empfundenen Regulierungsbedarf bei besonderen Problemlagen. Für den Bereich der Telemedizin ist in diesem Zusammenhang eine Berufspflicht relevant, die sich nicht in der Muster-Berufsordnung, jedoch in der Berufsordnung der Ärztekammer Niedersachsen2 findet, wonach sich der Arzt Angaben zur Approbation oder Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs sowie zu Bezeichnungen nach der Weiterbildungsordnung nur durch eine von der Ärztekammer betriebene oder mit der Ärztekammer durch einen Kooperationsvertrag verbundene Zertifizierungsstelle in Signaturschlüssel-Zertifikate oder Attributzertifikate nach dem Signaturgesetz3 bzw. der Signaturverordnung4 aufnehmen lassen darf.
Mehr als jemals zuvor ist unser Gesundheitswesen heute durch Mangel an Tränsparenz und fehlende Orientierung für die Patienten gekennzeichnet. Dies geht auch aus einer jetzt durchgeführten repräsentativen Bevölkerungsumfrage hervor.1 Das gleichzeitig wachsende unübersichtliche Angebot an gesundheitsbezogener Information trägt zur Behebung dieser Mängel nicht bei, sondern verstärkt sie eher. Dazu kommt der verwirrende Streit, den Politik, Krankenkassen und Leistungserbringer um Geld und Besitzstände führen und bei dem es nicht in erster Linie um die Verbesserung der Qualität in der medizinischen Versorgung zu gehen scheint. Dies ist für die Bürger nicht mehr nachzuvollziehen. Noch schlimmer ist, dass Patienten heute Leistungsverweigerung und Rationierung in einem noch nicht gekannten Maß erfahren. Sie können sich dagegen nicht wehren, weil ihnen Information fehlt und sie sich über ihre Rechte im unklaren sind. Die Steigerung der Transparenz und die Verbesserung der Information gehören zu den zentralen Zielen der Deutschen Gesellschaft für Versicherte und Patienten. Hier liegt die Schnittstelle zur Telemedizin mit ihren vielfältigen Möglichkeiten.
... Aus berufsrechtlicher Sicht besteht die Verpflichtung zur Aufbewahrung der Untersuchungsdaten für mindestens 10 Jahre. Da zivilrechtliche Ansprüche in Deutschland erst nach 30 Jahren verjähren, wurde empfohlen, alle Behandlungsdaten für diese Dauer aufzubewahren [48]. Das aber würde nicht nur im telemedizinischen Kontext schon aufgrund von Kompatibilitätsproblemen im Rahmen der Weiterentwicklung von informationstechnologischen Standards eine Herausforderung darstellen. ...
ZUSAMMENFASSUNG
Telemedizin ist ein Oberbegriff, der alle kommunikationstechnologisch unterstützte Verfahren zusammenfasst, die medizinische Leistungen über räumliche Entfernungen erbringen. Dieser rasch sich entwickelnde Bereich der Medizin besitzt gerade für das stark endoskopisch/mikroskopisch ausgerichtete Fach der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde interessante Optionen. Für die klinische Untersuchung von Ohr, Nase, Rachen und Larynx, aber auch für die postoperative Nachsorge und die Betreuung nach Kopf-Hals-Tumor-Erkrankungen liegen Daten zum telemedizinischen Vorgehen vor, ebenso für die audiologischen Messungen nach Cochlea-Implantation. Diese Daten bieten z. T. ein interessantes Potential, z. T. weisen sie aber gerade auch auf Probleme bei unkritischer Anwendung der Telemedizin hin, deren Erfolg entscheidend von der Ausbildung des Untersuchers vor Ort abhängt. Der vorgestellte Artikel fasst die wesentlichen Erkenntnisse dieses sich sehr rasch entwickelnden Forschungsgebietes überblickartig zusammen.
A multitude of regulations and the lack of established best practices make the market launch of ICT-based medical devices in Europe very complex. This paper is part of a project aiming at methodical support for medical device launch. Its goal is to investigate a management system for regulative compliance of ICT based medical devices. To understand the requirements for medical device manufacturers the regulative and normative foundation of market launch of ICT based medical device were analyzed and the necessary processes and requirements of a quality management system (QMS) according to ISO 13485:2016 were matched towards enterprise architecture (EA). ISO 13485 was chosen as this standard is required by law for most common ways of medical devices launch. The main contributions of our work are: (a) a literature analysis of requirements for ICT based medical device manufacturers; (b) integrating requirements of an ISO 13485 QMS and the medical device market launch in an EA model; and (c) showing that fulfilling the ISO 13485 requirements is not enough and there are much more normative and regulative requirements.
Der Arzt dient der Gesundheit des Menschen und des Volkes. Wer den ärztlichen Beruf ausüben will, bedarf der Approbation als Arzt. Mit diesen Worten umschreibt die Bundesärzteordnung den beschränkten Arztvorbehalt des deutschen Rechts. Danach besteht die Ausübung des ärztlichen Berufs in der „Ausübung der Heilkunde unter der Berufsbezeichnung ‚Arzt‘ oder ‚Ärztin‘“, § 2 Abs. 5 BÄO. Die Berufsbezeichnung „Arzt“ oder „Ärztin“ darf nur führen, wer als Arzt approbiert ist.1 Zwar gibt es keine Kurierfreiheit an sich2, jedoch dürfen auch Heilpraktiker die Heilkunde im beschränkten Maß ausüben. Darin unterscheidet sich das deutsche Recht grundsätzlich vom französischen, österreichischen und schweizerischen Recht, wonach die medizinische Behandlung den Ärzten vorbehalten ist.3
Die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien im Gesundheitswesen verspricht auf den ersten Blick zahlreiche Erfolge. So könnte die Qualität der medizinischen Versorgung verbessert werden, da ärzte ortsunabhängig und zeitnah Zugriff auf Patientendaten besitzen; so könnten patientenbezogene Werte engmaschig überwacht und das Auftreten von akuten Zuständen vermieden werden.
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