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Preprint-Version: Erschienen in: B. Badura, A. Ducki, H. Schröder, J. Klose & M. Meyer,
Fehlzeitenreport 2017 (S. 205-214). Springer: Berlin.
Persönliche und berufliche Krisen meistern: Interventionen der Positiven Psychologie als
Bereicherung für Stressmanagement-Kurse
Autorenteam: Dr. Daniela Blickhan, Dr. Dennis John & Dr. Annette Scheder
1. Zusammenfassung
Stressmanagement-Kurse in der betrieblichen Gesundheitsförderung lassen sich wirkungsvoll durch
Methoden der Positiven Psychologie anreichern. Die Positive Psychologie ist ein neues, sich schnell
entwickelndes Forschungsgebiet der wissenschaftlichen Psychologie und befasst sich mit Faktoren
gelingenden Lebens und Arbeitens. Dieser Beitrag skizziert theoretische Grundlagen und ausgewählte
Befunde der Positiven Psychologie, um Anwendungsmöglichkeiten im betrieblichen
Stressmanagement aufzuzeigen. Im empirischen Teil werden Evaluationsergebnisse eines
Stressmanagementkurses berichtet, der auf Grundlage der Positiven Psychologie durch das Inntal
Institut entwickelt wurde. Der Kurs Gut mit sich umgehen: Stressbewältigung mit Methoden der
Positiven Psychologie wird durch die AOK Bayern in der betrieblichen Gesundheitsförderung
eingesetzt. Ziel des Kurses ist die Förderung individuellen Wohlbefindens als Grundlage erfolgreicher
Stressbewältigung und gleichzeitig die Prävention von Depression und Burnout. Die Ergebnisse einer
quantitativen Evaluation mit 77 Personen belegen die gesundheitsförderliche Wirksamkeit der im Kurs
eingesetzten Methoden der Positiven Psychologie auf eine Reihe psychischer Variablen. In der
abschließenden Diskussion wird erörtert, wie alltagstaugliche Übungen der Positiven Psychologie die
individuelle Stressresistenz erhöhen können und so dabei unterstützen, persönliche und berufliche
Krisen gut zu meistern.
2. Einleitung: Positive Psychologie
Die Positive Psychologie ist ein neues, sich schnell entwickelndes Forschungsgebiet der
wissenschaftlichen Psychologie. Ziel der Forschung ist es, Faktoren gelingenden Lebens und Arbeitens
zu untersuchen, zu beschreiben und zu fördern, zum Beispiel Wohlbefinden, Stärken, Lebens- und
Arbeitszufriedenheit. Ein zentrales Konzept der Positiven Psychologie ist Flourishing, also Aufblühen
(Seligman, 2011). Ein wichtiges Ziel der Positiven Psychologie ist es, wirksame und alltagstaugliche
Interventionsmethoden zu entwickeln, um sowohl klinische als auch nicht-klinische Zielgruppen im
„gelingenden Leben“ unterstützen. In diesem Beitrag werden Forschungsergebnisse der Positiven
Psychologie und der psychologischen Stressforschung dargestellt und daraus Implikationen für die
innovative Konzeption von Stressmanagement-Kursen abgeleitet. Der Kurs „Gut mit sich umgehen:
Stressbewältigung mit Methoden der Positiven Psychologie“ (Blickhan, 2014) ist ein Beispiel für die
sinnvolle Anreicherung von Konzepten zur Stressbewältigung mit Interventionsmethoden der
Positiven Psychologie. Der Kurs wird durch die AOK Bayern in Betrieben durchgeführt. Wesentliche
Inhalte dieses Kurses und Ergebnisse seiner Evaluation werden anschließend beschrieben.
2.1. Positive Psychologie: Einsatzmöglichkeiten im betrieblichen Stressmanagement
Im Handlungsfeld Stressmanagement nach dem individuellen Ansatz und dem Handlungsfeld
gesundheitsförderlicher Arbeits- und Lebensstil (Präventionsprinzip Stressbewältigung und
Ressourcenstärkung) des GKV-Leitfadens Prävention haben sich multimodale Stressmanagementkurse
auf Grund guter Wirksamkeitsbelege etabliert. Beispielsweise konnte Kaluza (1997) zeigen, dass
2
Teilnehmende von einem mehrwöchigen Stressmanagementkurs profitieren und dieser
stressreduzierende Effekt auch noch nach Kursabschluss anhält (Kaluza, 1997; John, Geißer, & Scheder,
2016). In ihrer Metaanalyse kommen van der Klink, Blonk, Schene und Dijk (2001) zum Ergebnis, dass
die Wirkungen multimodaler Stressmanagementkurse eine mittlere Effektstärke erreichen. Inhaltlich
zielen multimodale Stressmanagementkurse gemäß Leitfaden Prävention darauf ab, das Erleben von
Stress auf verschiedenen Ebenen (instrumentell, kognitiv und palliativ-regenerativ) präventiv zu
verhindern bzw. palliativ zu reduzieren: Instrumentelles Stressmanagement bezieht sich auf Strategien,
die verhindern sollen, dass Stressoren überhaupt auftreten. Die Stressbelastung soll somit proaktiv
verhindert werden. Beispiele hierfür sind Maßnahmen zur Optimierung der zeitlichen
Alltagsgestaltung sowie Interventionen zur Verbesserung der kommunikativen Fähigkeiten und
Problemlösungskompetenzen. Ziel des kognitiven Stressmanagements ist die Reflexion von
Bewertungsmustern und das funktionale Anpassen bzw. Umstrukturieren von subjektiven
Interpretationen von Belastungssituationen. Maßnahmen des palliativ-regenerativen
Stressmanagements vermitteln schließlich unterschiedliche Methoden der Entspannung wie etwa
progressive Muskelentspannung, Autogenes Training oder Achtsamkeit, um die subjektive Belastung
in akuten Stresssituationen zu vermindern.
Die theoretische Grundlage multimodaler Stressmanagement-Kurse bildet das Transaktionale
Stressmodell (Lazarus & Folkman, 1984). Es beschreibt Stresserleben als Ergebnis einer negativen
Bilanz zwischen Anforderungen und Ressourcen. Stresserleben entsteht als negative Reaktion auf
einen Umweltreiz, wenn der Stressor in der primären Bewertung als gefährlich eingeschätzt wird und
zusätzlich keine ausreichenden Mittel zu seiner Beseitigung bestehen (sekundäre Bewertung). Ein
Kritikpunkt am Transaktionalen Stressmodell ist seine pathogenetische Perspektive: Es beschreibt zwar
Risikofaktoren, die Stress verursachen, berücksichtigt aber weniger persönliche Ressourcen, die dem
subjektiven Schutz vor Stress dienen (Hobfoll, 1989). Dieser Kritikpunkt am Transaktionalen
Stressmodell wurde auch in theoretischen Arbeiten zur Resilienz (Bengel & Lyssenko, 2012) betont.
Resilienz wird dabei verstanden als ein Entwicklungsergebnis, das sich aus dem Vorhandensein oder
dem „Einsatz“ von Schutzfaktoren in der Auseinandersetzung bzw. der erfolgreichen Bewältigung von
Belastungssituationen ergibt. Deshalb setzen Resilienztrainings insbesondere an der Verbesserung von
Schutzfaktoren wie beispielsweise der sozialen Unterstützung oder der Selbstwirksamkeit an (Gunkel
et al., 2014). Ähnlich wie die Forschung zur Salutogenese und Resilienz wendet sich die Positive
Psychologie gegen eine pathologisierende Perspektive auf die Psyche und damit gegen einen
einseitigen Blick auf die Risikofaktoren für psychische Erkrankungen und psychosoziale Belastungen
(Seligman, 2005).
Die Positive Psychologie untersucht, welche psychologischen Faktoren zu einem guten und
lebenswerten Leben beitragen und die psychische Funktionsfähigkeit steigern. Sie wurde als
eigenständiger Zweig der wissenschaftlichen Psychologie in den 1990er Jahren begründet. Ihre
historischen Wurzeln reichen jedoch weiter zurück, denn zentrale Ideen der Positiven Psychologie,
wurden bereits von zentralen Vertretern der humanistischen Psychologie wie Carl Rogers und der
Motivations- und Handlungspsychologie wie Abraham Maslow formuliert. Die Positive Psychologie
umfasst psychologische Theorien und empirische Befunde aus verschiedenen psychologischen
Denkschulen und Traditionen, die sich allesamt mit der Frage auseinandersetzen, wie „lebenswertes
Leben“ gelingen kann (für eine Übersicht siehe Blickhan, 2015). Zahlreiche empirische Studien im Feld
der Positiven Psychologie konnten eine Reihe von psychologischen Ressourcen identifizieren, die
Wohlbefinden und Resilienz steigern und somit dazu beitragen, persönliche und berufliche Krisen gut
zu meistern. Relevante Beispiele solcher Ressourcen für den beruflichen Alltag sind persönliche
Stärken (Peterson & Seligman, 2004), Dankbarkeit für die schönen Dinge im Leben (Emmons, 2002),
3
das Erleben von Flow (Csikszentmihályi, 2002) und ein optimistischer Blick in die Zukunft (Carver &
Scheier, 2005).
Die Positive Psychologie (Seligman & Csikszentmihályi, 2000) hat sich als neuer
Forschungszweig der Psychologie das Ziel gesetzt, einfache, alltagstaugliche Interventionsmethoden
zu entwickeln, die Menschen darin unterstützen, ihre Stärken einzusetzen, Ressourcen und Potenziale
voll auszuschöpfen und so – auch in der Auseinandersetzung mit Krisen – ein erfülltes Leben zu führen.
Diese Interventionsmethoden lassen sich gut integrieren in multimodale Stressmanagement-Kurse. Im
Folgenden werden für das kognitive Stressmanagement zwei Beispiele vorgestellt, in denen
„klassische“ Übungen aus Stressmanagement-Kursen (Expressives Schreiben und ABC-Analyse) mit
Ideen der Positiven Psychologie angereichert werden können.
Beispiel 1: Expressives Schreiben über positive Zukunftserwartungen. Für die Bewältigung von
kritischen Lebensereignissen, schwierigen Lebenslagen oder Traumata hat sich im klinisch-
therapeutischen Kontext die Methode des expressiven Schreibens bewährt (Pennebaker, 2010). Die
Methode eignet sich auch für Stressmanagementkurse im nicht-klinischen Bereich, da die schriftliche
Auseinandersetzung mit stressauslösenden Situationen die subjektive Stressbelastung reduzieren
kann. Die heilsame Wirkung des expressiven Schreibens über belastende Ereignisse liegt in der
intensiven gedanklichen Auseinandersetzung mit dem Ereignis und den damit einhergehenden neuen
Einsichten begründet. Laura King (2001) ergänzte das expressive Schreiben durch Elemente der
Positiven Psychologie und übertrug die Methode auf das Schreiben über positive Ereignisse. In ihrer
Studie schrieben die Teilnehmenden über vier Tage hinweg für jeweils 20 Minuten über ihre
persönliche positive Zukunftsvorstellung. Dabei sollten die Teilnehmenden davon ausgehen, dass sie
bis zum gewählten Zeitpunkt in der Zukunft ihre eigenen Stärken bestmöglich eingesetzt hatten, um
ihre persönlichen Ziele zu erreichen. Dieses Schreiben über die eigene bestmögliche Zukunft (best
possible self) steigerte nicht nur das subjektive Wohlbefinden der Teilnehmenden, sondern hatte
positive Effekte auf die Gesundheit, die sogar langfristig signifikant blieben.
Beispiel 2: Gedankenprüfen bei positiven Ereignissen. Im kognitiven Stressmanagement wird
häufig die ABC-Methode aus der rational-emotiven Therapie von Albert Ellis (1977) eingesetzt, um
dysfunktionale Gedanken zu hinterfragen und an ihrer Stelle funktionale Bewertungsmuster
aufzubauen. Diese Methode kann ebenfalls mit Ideen der Positiven Psychologie ergänzt und auf
positive Ereignisse übertragen werden (John, Geißer, Scheder, 2016). Die Übung Positiv-ABC wird
eingesetzt, um emotional positiv konnotierte Ereignisse bewusster wahrzunehmen: Die
Teilnehmenden erinnern sich an ein freudiges Ereignis (Auslösendes Ereignis A: „Wann hatten Sie das
letzte Mal ein tolles Erlebnis im Beruf?“) und machen sich im nächsten Schritt bewusst, welche
positiven Effekte die Situation auf der Gefühls- und Verhaltensebene ausgelöst hat (Konsequenz C:
„Luftsprung, inneres Strahlen“). Danach werden die eigenen Gedanken exploriert, die diese Situation
begleitet haben (Bewertung B: „Das habe ich super gemacht“). Dieses Vorgehen führt einerseits dazu,
das schöne Ereignis noch einmal in Gedanken zu erleben - was einen positiven Stimmungseffekt
produzieren kann - es macht andererseits aber auch deutlich, wie wichtig Bewertungen und
Kognitionen (B) in der Vermittlung von objektiven Ereignissen (A) und den positiven Emotionen als
Konsequenzen (C) sind.
2.2. Positive Psychologie: Der Praxiskurs Gut mit sich umgehen
Der Kurs „Gut mit sich umgehen: Stressbewältigung mit Methoden der Positiven Psychologie“
(Blickhan, 2014) verknüpft Konzepte und empirisch validierte Interventionsmethoden der Positiven
Psychologie mit klassischen Themen und Übungen aus dem betrieblichen Stressmanagement. Die
Kursleiter verfügen über eine Grundqualifikation gemäß dem Leitfaden Prävention im Bereich
4
Psychologie, (Sozial-)Pädagogik oder Medizin; der für diesen Beitrag evaluierte Kurs wurde von einer
Diplom-Psychologin durchgeführt. Der Kurs richtet sich an gesunde Erwachsene mit dem Ziel,
Wohlbefinden zu steigern und das Risiko für Depression und Burnout zu senken. Der Kurs wurde als
Präsenztraining in fünf Einheiten zu je drei Stunden konzipiert. Die Einheiten liegen im Abstand von
vier Wochen, um den Teilnehmenden ausreichend Gelegenheit zu geben, die vermittelten Übungen
im Alltag anwenden zu können. Jede Einheit stellt ein spezifisches Thema der positiven Psychologie
und entsprechende Interventionen in den Mittelpunkt. In der ersten Einheit wählen alle
Teilnehmenden einen Lernpartner, mit dem sie sich zwischen den Kursterminen regelmäßig treffen
oder austauschen. Soziale Unterstützung gilt als entscheidender Faktor für persönliche Entwicklung
und Wohlbefinden (Sarason & Sarason, 2009) und wird so in den Kurs integriert.
Einheit 1: Positive Emotionen
Inhaltlicher Schwerpunkt der Einheit sind die Konzepte des hedonischen und eudaimonischen
Glücks sowie der Nutzen positiver Emotionen (Diener & Biswas-Diener, 2011 sowie Fredrickson &
Joiner, 2002). Als alltagstaugliche Übungen werden die drei klassischen Interventionen der positiven
Psychologie vorgestellt: der positive Tagesrückblick, Dankbarkeit und Freundlichkeit (Lyubomirsky,
2008).
Einheit 2: Stärken
Als Vorbereitung auf die Einheit haben die Teilnehmer den auf Deutsch online verfügbaren
VIA-Test gemacht (Ruch et al., 2010, www.charakterstaerken.org). Die 24 Charakterstärken (Peterson
& Seligman, 2004) werden vorgestellt und durch verschiedene Übungen erfahrbar gemacht. Eine
davon ist die Intervention Eigene Signaturstärken neu einsetzen, die als eine der am besten
untersuchten positiv psychologischen Interventionen gilt. Die Übung Meine Stärken für ein Problem
einsetzen wird in Form des expressiven Schreibens angeboten, um die Teilnehmenden mit dieser
Selbstcoaching-Technik vertraut zu machen (Pennebaker, 2010).
Einheit 3: Selbstwert, Selbstmitgefühl und psychische Grundbedürfnisse
Zentral an dieser Einheit ist das Konzept des Selbstmitgefühls (Neff, 2011). Die
Selbstbestimmungstheorie (Deci & Ryan, 2000) mit den drei Grundbedürfnissen Autonomie,
Kompetenz und Beziehung bildet den zweiten inhaltlichen Schwerpunkt der. Die Teilnehmenden
reflektieren die Erfüllung ihrer psychischen Grundbedürfnisse im beruflichen oder privaten Leben und
setzen sich persönliche Ziele.
Einheit 4: Flow und Optimismus
Inhaltlicher Schwerpunkt dieser Einheit bildet das Konzept von Flow (Csikszentmihalyi, 2002)
und sein Zusammenhang mit persönlichen Stärken und Selbstwert. Die Teilnehmenden identifizieren
Aktivitäten für Flow im Alltag (John & Lang, 2015) und formulieren Ziele für die nächsten Wochen.
Optimismus im Sinne positiver Zukunftserwartungen ist das zweite Thema der Einheit. Die
Teilnehmenden schreiben über ihr Best Possible Self (King, 2001)).
Einheit 5: Bewusstes Genießen und Achtsamkeit
In dieser Einheit geht es um Achtsamkeit und Bewusstes Genießen (Savouring, Bryant & Veroff,
2007). Beide Prozesse sind eng miteinander verwandt (Siegel, 2010). Verschiedene praktische
Übungen schließen sich an: eine Achtsamkeitsmeditation, der Miniurlaub, das Genusstagebuch und
der perfekte Tag (Bryant & Veroff, 2007)
5
Ziel des Kurses ist die Entwicklung eines persönlichen Programms positiv psychologischer
Interventionen, die nach individuellen Vorlieben, Bedürfnissen und Gewohnheiten zusammengestellt
werden können. Statt nur ein vorgefertigtes Set an Interventionen anzuwenden, lernen die
Teilnehmenden ein breites Spektrum möglicher Aktivitäten kennen und sammeln mit den meisten
bereits im Kurs praktische Erfahrungen. Die selbstgesteuerte Auswahl positiver Aktivitäten unterstützt
die erfolgreiche Umsetzung ins tägliche Leben (Biswas-Diener, 2010). In Anlehnung an Barbara
Fredricksons (2001) broaden-and-build-theory positiver Emotionen, trägt sie zu höherem
Wohlbefinden und stärkerer Leistungsmotivation bei. Indem sie die Übungen im Alltag anwenden,
lernen die Teilnehmenden, ihre persönlichen Ressourcen zu erweitern (Fredrickson, 2001). Die erlebte
höhere Selbstwirksamkeit erhöht das Ausmaß an Flourishing (Diener & Biswas-Diener, 2011). Die
Teilnehmenden lernen im Kurs neben individualzentrierten Übungen auch immer wieder solche für die
Gestaltung positiver sozialer Beziehungen, beispielsweise durch die Übung „aktive und konstruktive
Kommunikation“ (Gable, 2004) oder den Ausdruck von Dankbarkeit (Emmons & Shelton, 2002).
Die Positive Psychologie erforscht, was Menschen glücklich macht. Dafür ist es ebenso
notwendig zu verstehen, wie es Menschen gelingen kann, auch unter widrigen Lebensumständen
glücklich zu sein, welche Eigenschaften bei der Bewältigung von Rückschlägen, kritischen
Lebensereignissen oder Traumata helfen können, und was persönliche Wachstumsprozesse nach
leidvollen Erfahrungen unterstützen kann. Achtsamkeit ist dafür ein wesentlicher Baustein, um eine
konstruktive innere Haltung zu entwickeln und Abstand zu Gefühlen und Bewertungen zu trainieren.
Auch die Frage nach dem Sinn im eigenen Leben gehört dazu, deren Bedeutung für psychisches
Wohlbefinden und Wachstum schon von Viktor Frankl klar formuliert wurde. Frankl forderte bereits in
den 50er Jahren eine „Höhenpsychologie“ als notwendige Ergänzung der „Tiefenpsychologie“ und
nahm damit inhaltlich die Positive Psychologie vorweg - ebenso wie Maslow, der den Ausdruck
„Positive Psychologie“ prägte. Der bewusste Umgang mit den schönen Aspekten des alltäglichen
Lebens ist ebenfalls eine zentrale Ressource bei der Bewältigung von Herausforderungen und Krisen.
Die Teilnehmenden lernen deshalb im Kurs Aufblühen statt Ausbrennen auch wirksame Strategien des
Savouring (Bryant & Veroff, 2007), d.h. dem bewussten Erleben, Wertschätzen und Genießen positiver
Erfahrungen. Dazu gehören neben dem „Mini-Urlaub“ der „Genuss-Spaziergang“ oder der „Positive
Tagesrückblick“.
3. Evaluation: Methode und Ergebnisse
Um die erwarteten Wirkungen des Kurses “Gut mit sich umgehen“ zu prüfen, wurde eine
quantitative Evaluation durchgeführt. Untersucht wurden zwei Kurse mit insgesamt 33 berufstätigen
Teilnehmenden im Vergleich mit einer Kontrollgruppe aus 44 Besuchern eines zweistündigen
Impulsvortrags zur Positiven Psychologie. Tabelle 1 gibt einen Überblick über die soziodemografischen
Daten der untersuchten Personen. Bei der Prüfung auf Unterschiede zeigte sich nur im
Geschlechterverhältnis ein statistisch bedeutsamer Effekt. In der Interventionsgruppe fanden sich
signifikant mehr Frauen als in der Kontrollgruppe.
6
Tabelle 1. Ausgangswerte für soziodemografische Variablen in Interventions- und Kontrollgruppe
Interventionsgruppe
Kontrollgruppe
N
%
N
%
Signifikanz
Geschlecht (weiblich % )
30
90,9
30
68,2
χ²=5,660, p= 0,017*
Beziehung (verheiratet %)
24
72,0
34
77,3
χ²=0,210, p= 0,647
Kinder (ja %)
19
57,6
28
63,6
χ²=0,291, p= 0,589
Bildung (Universität %)
16
48,5
22
50,0
χ²=5,248, p= 0,155
M
SD
M
SD
Alter
43,73
8,68
46,86
10,52
Anmerkung. IG: Interventionsgruppe, KG: Kontrollgruppe. M: Mittelwert, SD: Standardabweichung. Ngesamt = 77;
Der berufliche Hintergrund der untersuchten Personen war unterschiedlich; neben dem
sozialen Bereich (Erziehung, Pflege, Therapie) gab es Teilnehmende aus kaufmännischen und
technischen Feldern. Erfasst wurde das Wohlbefinden und Flourishing der 77 Personen vor dem Kurs
(t1), in der Mitte des Kurses (t2), unmittelbar nach Kursende (t3) sowie zwei Monate (t4) nach dem Kurs.
Um die Kurs- und Vortragsteilnehmenden nicht zu stark durch lange Fragebögen zu belasten, wurden
die Werte für Depression und Burnoutrisiko nur zu Kursbeginn und zum Follow-up zwei Monate nach
Kurs- und Vortragsende erhoben. Es wurde erwartet, dass das Wohlbefinden und Flourishing der
Kursteilnehmenden im Kursverlauf steigt und sich depressive Tendenzen sowie Burnoutrisiko
verringern würden. Bei der Kontrollgruppe wurde keine Veränderung erwartet.
Flourishing als Maß für Wohlbefinden, sowie Depression und Burnoutrisiko als Maß für
Belastung wurden deshalb über validierte Fragebögen erfasst: Flourishing Skala (Diener et al., 2010),
die Burnout-Screening-Skalen BOSS (Hagemann & Geuenich, 2009) und das Beck Depressions-Inventar
BDI (Beck, Steer & Garbin, 1988, dt: Hautzinger, Keller & Kühner, 2006). Es wurden multivariate
Varianzanalysen mit Messwiederholung durchgeführt. In Untersuchungen muss immer ein gewisser
Anteil an fehlenden Werten in Kauf genommen werden, speziell bei Feldstudien wie der vorliegenden.
Fehlende Messwerte wurden hier zunächst mit fallweisem Ausschluss behandelt. Dabei werden alle
Werte einer Versuchsperson mit einzelnen fehlenden Messwerten von der Analyse ausgeschlossen.
Dies verringert allerdings die Teststärke und führt zu konservativeren Schätzungen; Effekte werden
damit schwerer nachweisbar. Daher wurde in einem zweiten Schritt das Verfahren der Multiplen
Imputation angewendet, eine moderne statistische Methode, die Verzerrungen ausgleicht, die durch
fehlende Messwerte entstehen, ohne gleichzeitig die Teststärke zu reduzieren. Die Multiple
Imputation ermöglicht tragfähige und verlässlichere Schätzungen der statistischen Effekte. Kurz gesagt
werden dabei verschiedene Szenarien durchgespielt („Imputation“), in denen fehlende Werte durch
Schätzungen ersetzt werden. Fehlt zum Beispiel der Wert einer Person zu t3, kann er aus ihren Werten
von t2 und t4 (oder aus anderen Kombinationen vorhandener Werte dieser Person) geschätzt werden.
Die so gewonnenen Ergebnisse können vorhandene Effekte verlässlicher zeigen als es der Datensatz
mit den fehlenden Werten ohne Imputation oder nach fallweisem Ausschluss könnte. In der
vorliegenden Studie wurden jeweils fünf Imputationen durchgeführt.
Die Werte der Kurs- und Kontrollgruppen unterschieden sich zu Beginn der Messungen nicht,
erlaubten also den Vergleich zu den folgenden Messzeitpunkten. Im Kursverlauf zeigten sich dagegen
signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen.Diese Ergebnisse werden nun im Einzelnen für die
verschiedenen Konstruktbereiche dargestellt. Tabelle 1 zeigt die Mittelwerte und
Standardabweichungen der abhängigen Variablen Flourishing, Depression und Burnout, vor und nach
der Multiplen Imputation.
7
Tabelle 2 Mittelwerte und Standardabweichungen für Flourishing, Depression und Burnout
t1
t2
t3
t4
Konstruktbereich
Gruppe
M (SD) N
M (SD) N
M (SD) N
M (SD) N
Flourishing
TG
4,67 (0,60) 33
5,00 (0,44) 27
5,10 (0,57) 23
5,07 (0,66) 22
(Skalenbereich 1-7)
TG_MI
4,68 (0,63) 33
5,00 (0,44) 33
5,10 (0,57) 33
5,07 (0,66)33
KG
4,83 (0,52) 44
4,84 (0,60) 25
4,61 (0,73) 24
4,44 (0,81)22
KG_MI
4,83 (0,51) 44
4,84 (0,60) 44
4,61 (0,73) 44
4,64 (0,81) 44
Klinische Variablen
Depression
TG
0,53 (0,37) 30
n.e.
n.e.
0,27 (0,31) 22
(Skalenbereich 0-3)
TG_MI
0,59 (0,41) 33
n.e.
n.e.
0,30 (0,28) 33
KG
0,57 (0,45) 44
n.e.
n.e.
0,61 (0,47) 21
KG_MI
0,57 (0,45) 44
n.e.
n.e.
0,62 (0,37) 44
Burnout
TG
1,45 (0,85) 33
n.e.
n.e.
0,94 (0,83) 22
(Skalenbereich 0-5)
TG_MI
1,45 (0,85) 33
n.e.
n.e.
0,94 (0,72) 33
KG
1,28 (0,69) 43
n.e.
n.e.
1,57 (1,05) 21
KG_MI
1,33 (0,76) 44
n.e.
n.e.
1,37 (0,77) 44
Anmerkung: TG: Treatmentgruppe (Kurs), KG: Kontrollgruppe. M: Mittelwert, SD: Standardabweichung. Dargestellt sind die
Werte des Originaldatensatzes nach listwise deletion fehlender Werte, sowie nach Multipler Imputation MI (5 Iterationen)
der fehlenden Werte. Angegeben sind jeweils Mittelwert (M), Standardabweichung (SD) und Stichprobengröße (N). n.e. =
nicht erfasst.
Abbildung 1 zeigt die Veränderungen im Flourishing. Bereits in der ersten Kurshälfte (im
Vergleich von Einheit 1 und Einheit 3 steigen die Werte deutlich an. Sie bleiben bis zum Kursende und
auch zwei Monate danach noch auf diesem hohen Niveau. In der Kontrollgruppe zeigte sich keine
Verbesserung der Flourishing-Werte.
8
Abbildung 1: Veränderungen im Flourishing
Anmerkung: Veränderungen im Flourishing. Messzeitpunkte vor Kursbeginn (t1), in der Kursmitte (t2), zum Kursende (t3) sowie
2 Monate später (t4). Wertebereich der Flourishing-Skala: 1-7. Der Effekt Zeit*Gruppe ist hoch signifikant (p = 0,006).
Dargestellt sind die Werte nach Multipler Imputation (p = 0,006). Auch vor der Multiplen Imputation lag die Signifikanz bereits
bei p = 0,006. Gestrichelte Linien: Kontrollgruppe. Durchgezogene Linien: Interventionsgruppe.
Eine Varianzanalyse bestätigte die hohe Signifikanz dieser Unterschiede zwischen den Gruppen
sowohl vor der Multiplen Imputation (F 6, 30 = 3,790, p = 0,006) als auch danach (F 6, 70 = 3,378, p =
0,006). Auffallend ist neben der hohen Signifikanz auch die große Effektstärke. Der beobachtete
Unterschied ist also zum einen nicht auf einen Zufall zurückzuführen (Signifikanz) und zum anderen
sehr deutlich (Effektstärke). Einzelheiten zeigt Tabelle 3.
Tabelle 3. Wirkungen des Kurses auf die abhängige Variable Flourishing
Multivariate Tests
Haupteffekt
Studie
Pillai
F
df1
df2
p
η2p
Schärfe
Gruppe * Zeit
1
Original
0,431
3,790
6
30
0,006
0,431
0,919
nach MI
0,225
3,378
6
70
0,006
0,228
0,920
Zeit
1
Original
0,441
3,951
6
30
0,005
0,441
0,931
nach MI
0,308
5,181
6
70
0,000
0,308
0,991
Univariate Tests
Haupteffekt
Studie
QS
F
df1
p
η2p
Gruppe * Zeit
1
Original
2,401
4,638
2,481
0,008
0,117
nach MI
3,551
5,392
2,351
0,003
0,067
Anmerkung: Prüfung der Effekte für die Variable Flourishing. MI: multiple imputations, jeweils fünf Werte pro fehlendem
Messwert. Bei den univariaten Test wurden in Studie 2 wegen fehlender Sphärizität (Mauchly-Test signifikant ) Greenhouse-
Geisser-korrigierte Werte berichtet.
Für die klinischen Variablen Depression und Burnoutrisiko ergibt sich ein komplementäres Bild.
Abbildung 2 zeigt diese Veränderung.
9
Abbildung 2: Veränderungen für Depression und Burnout
Anmerkung. Veränderungen für Depression und Burnout vor Kursbeginn (t1) und 2 Monate nach Kursende (t4). Werte zu den
anderen Messzeitpunkten wurden nicht erfasst. Wertebereich der Skala für Depression 0-3, für Burnout 0-5. Der Effekt
Zeit*Gruppe ist für beide Variablen signifikant. Dargestellt sind die Werte nach Multipler Imputation (p = 0,005). Auch vor der
Multiplen Imputation lag die Signifikanz bereits bei p = 0,012. Gestrichelte Linien: Kontrollgruppe. Durchgezogene Linien:
Interventionsgruppe.
Sowohl Depression als auch Burnoutrisiko sinken in der Kursgruppe signifikant. Eine
Varianzanalyse bestätigte auch hier die hohe Signifikanz der Unterschiede zwischen den Gruppen
sowohl vor der Multiplen Imputation (F 2, 38 = 4,979, p = 0,012) als auch danach (F 4, 72 = 4,100, p =
0,005). Auch hier zeigt sich eine hohe Effektstärke der Veränderung. Einzelheiten zeigt Tabelle 4.
Tabelle 4. Wirkungen des Kurses auf die abhängigen klinischen Variablen Depression und Burnout
Multivariate Tests
Haupteffekt
Studie
Pillai
F
df1
df2
p
η2p
Schärfe
Gruppe * Zeit
1
Original
0,208
4,979
2
38
0,012
0,208
0,780
Zeit
1
Original
0,138
3,037
2
38
0,060
0,138
0,554
Univariate Tests
Haupteffekt
Studie
QS
F
df1
p
η2p
Depression
Gruppe * Zeit
1
Original
0,227
5,740
1
0,021
0,128
Burnout
Gruppe * Zeit
1
Original
0,526
10,197
1
0,003
0,207
Anmerkung: Prüfung der Effekte vor MI für die klinischen Variablen Depression und Burnout. Die Multivariaten Tests
erreichten sowohl im Originaldatensatz als auch nach der MI statistische Signifikanz. Bei den univariaten Test wurden wegen
fehlender Sphärizität Greenhouse-Geisser-korrigierte Werte berichtet.
Es lässt sich also festhalten, dass trotz vergleichbarem Ausgangsniveau ein signifikanter
Unterschied zwischen Kursgruppe und Kontrollgruppe bezogen auf Depressivität und Burnout-Risiko
zwei Monate nach Kursende besteht. Die Ergebnisse der Evaluation weisen also darauf hin, dass der
Kursbesuch gesteigertes Wohlbefinden vermittelt und gleichzeitig depressiven Entwicklungen und
10
Burnout vorbeugen kann. Dies ist umso bedeutsamer im Hinblick auf den vertretbaren Zeitaufwand
von 5x3 Stunden, der offensichtlich wirksame und nachhaltige Impulse für Wohlbefinden geben kann.
4. Diskussion
Ziel des Beitrags war es aufzuzeigen, wie Stressmanagementkurse durch Methoden der Positiven
Psychologie angereichert werden können. Im empirischen Teil wurde ein Stressmanagement-Kurs mit
Elementen der Positiven Psychologie evaluiert. Im Rahmen dieses Kurses lernten die Teilnehmer in
fünf Sitzungen über einen Zeitraum von vier Monaten Konzepte und Übungen der angewandten
positiven Psychologie kennen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Kursteilnahme das Wohlbefinden
signifikant erhöht. Verglichen mit einer Kontrollgruppe, stiegen sowohl kognitive als auch emotionale
Aspekte des subjektiven Wohlbefindens in der Interventionsgruppe nachhaltig an. Konkret
verbesserten sich signifikant folgende Indikatoren für Wohlbefinden durch die Teilnahme am
Praxiskurs “Gut mit sich umgehen“: Flourishing (Aufblühen) steigt an, während das Risiko für Burnout
als auch depressive Symptome signifikant absinkt.
Diese statistisch signifikanten positiven Wirkungen blieben auch zwei Monate nach dem
Kursende bei der Follow-up Messung nachweisbar. Die Ergebnisse belegen die Wirksamkeit des
Kursangebots “Gut mit sich umgehen“ und verdeutlichen, dass Positiv Psychologische Methoden
Kursangebote zum Multimodalen Stressmanagement im Rahmen des § 20 SGB V sinnvoll ergänzen
können. Die Ergebnisse dieser Studie sind besonders aussagekräftig, da sie unter realen Bedingungen
im Feld stattfanden. Dies erhöht ihre externe Validität.
Ziel dieser Studie war es, zu untersuchen wie positiv psychologische Interventionen eine nicht-
klinische Stichprobe unterstützen können, ihre psychische Leistungsfähigkeit im Sinne von Flourishing
zu erhöhen. Die Ausgangswerte zeigten allerdings, dass sowohl die Teilnehmenden der Interventions-
als auch der Kontrollgruppe bereits im Durchschnitt Maße leichter Depression und ein mittleres
Burnout-Risiko aufwiesen. Aus diesen Durchschnittswerten lässt sich auf höhere Symptombelastung
bei einzelnen Personen schließen. Nach dem Kurs waren die Depressionswerte der Teilnehmenden im
Schnitt auf den niedrigsten möglichen Wert gesunken und das Burnoutrisiko deutlich zurückgegangen.
Da diese Veränderung auch zwei Monate nach Kursende noch nachweisbar war, liegt hier eine
nachhaltige Wirkung vor, die im Sinne einer Zunahme der persönlichen Stressbewältigungskompetenz
und Resilienz verstanden werden kann. Forschung im Feld der positiven Psychologie zielte schon
immer darauf ab, sowohl für klinische als auch für nichtklinische Populationen hilfreiche
Interventionen zu entwickeln (vgl. Seligman, Rashid, & Parks, 2006). Seligman (2005) betont, dass
nicht-klinische Populationen direkten Nutzen aus den positiven Aktivitäten ziehen und so ihre
Bewältigungsstrategien für künftige Stressbelastungen ausbauen können. Die vorliegende Studie
stützt diese Aussage.
5. Fazit und Ausblick
Die Methoden der Positiven Psychologie können nachweislich Wohlbefinden und individuelle
Stressresistenz erhöhen. Der in dieser Studie untersuchte Kurs „Gut mit sich umgehen:
Stressbewältigung mit Methoden der Positiven Psychologie“, bietet dafür einen praktikablen Weg. Für
den Kurs liegt sowohl ein Trainerleitfaden als auch Trainingsmaterial vor; er kann daher leicht durch
qualifizierte Kursleiter vermittelt werden.
Der vom Inntal Institut entwickelte Kurs „Gut mit sich umgehen: Stressbewältigung mit
Methoden der Positiven Psychologie“ wurde 2016 durch die Zentrale Prüfstelle Prävention (ZPP) als
Stressbewältigungsmaßnahme zertifiziert. Um den erforderlichen Kriterien der ZPP Rechnung zu
tragen, wurde die Organisationsform des Kurses leicht verändert: Er besteht nun aus acht Einheiten
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von jeweils 90 Minuten, die im zweiwöchentlichen Abstand besucht werden. Für die Anwendung im
betrieblichen Gesundheitsmanagement stehen die Inhalte in Blockform zu je drei Stunden zur
Verfügung. Der Kurs wird seit 2017 im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung und der
Individualprävention durch die AOK Bayern durchgeführt. Verbesserte psychische Leistungsfähigkeit
trägt direkt dazu bei, persönliche und berufliche Krisen gut zu meistern. Ein bekanntes Konzept der
Positiven Psychologie zum Verständnis von Wohlbefinden und Wachstum ist das PERMA-Konzept
(Seligman, 2005). Die Abkürzung PERMA steht für fünf Faktoren, die das persönliche Wohlbefinden
bzw. Flourishing fördern: Positive Emotionen (P), Engagement (E), Soziale Beziehungen (R =
Relationship), Sinn (M = Meaning) und Gelingen (A = Accomplishment). Diese fünf Aspekte fördern
Wohlbefinden und Flourishing. Positiv Psychologische Interventionen zahlen auf diese fünf Aspekte
des Wohlbefindens ein. So können Menschen in relativ kurzer Zeit lernen, wie sie ihre
Lösungskompetenzen erweitern, kreativer werden, motivierter Neues lernen und mit
Stresssituationen gelassener umgehen können (Seligman, 2005). Menschen können mit Hilfe der
Interventionen der Positiven Psychologie berufliche Herausforderungen, Rückschläge oder Krisen
besser bewältigen, weil sie (PERMA-)Strategien entwickeln, wie sie in ihrem Beruf mehr positive
Emotionen (P) erleben, sich stärker engagieren und ihre berufliche Tätigkeit als intrinsisch motivierend
erleben (E), insgesamt positivere und wertschätzende soziale Beziehungen (R) pflegen, den Sinn in
ihrer beruflichen Tätigkeit klarer erkennen (M) und berufliche Anforderungen besser meistern können
(A). Die im Kurs „Gut mit sich umgehen: Stressbewältigung mit Methoden der Positiven Psychologie“
vermittelten Strategien stärken die 5 PERMA-Faktoren. Insbesondere in der Auseinandersetzung mit
persönlichen oder privaten Krisen können die 5 PERMA-Faktoren als Schutzfaktoren wirken, die dabei
helfen Krisen zu meistern und persönlich zu wachsen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Kursangebote der Positiven Psychologie im
Handlungsfeld Stressmanagement gemäß GKV-Leitfaden Prävention wirksam sind. Die Methoden der
Positiven Psychologie eignen sich gut für den Einsatz in Stressmanagement-Kursen der betrieblichen
Gesundheitsförderung. Das Innovationspotenzial der Positiven Psychologie liegt in den verschiedenen
Interventionsmethoden, deren Wirksamkeit empirisch untersucht wurde. Ein Beispiel hierfür ist die
Anwendung der Methode des Expressiven Schreibens auf das Schreiben über positive Erfahrungen
(King, 2001).
Betriebliches Gesundheitsmanagement ist insbesondere dann langfristig wirksam, wenn ein
umfassendes Gesundheitsmanagementsystem mit verhaltens- und verhältnispräventiven
Komponenten implementiert wird (Gunkel et al., 2014). Die Positive Psychologie hat zwar wirksame
Methoden zur Verhaltensprävention entwickelt, bislang fehlen aber verhältnisbasierte und integrative
Ansätze. Eine interessente Frage für zukünftige Forschung ist beispielsweise, wie verhaltensbasierte
Maßnahmen der Positiven Psychologie auch zu einer Veränderung der gesundheitsbezogenen
Verhältnisse im Betrieb beitragen können. Wir gehen davon aus, dass Maßnahmen der Positiven
Psychologie die gesundheitsbezogenen Verhältnisse in der Lebenswelt Betrieb verbessern können,
wenn derartige Maßnahmen in möglichst vielen Abteilungen eines Betriebs durchgeführt werden.
Wenn auch Führungskräfte mit der Positiven Psychologie in Berührung kommen (Positive Leadership,
Cameron, 2012) und die Maßnahmen eingebettet sind in einen umfassenden Prozess des Betrieblichen
Gesundheitsmanagements (John, Böhm, Lehrl & Scheder, 2015), kann Flourishing nicht nur auf
individueller Ebene, sondern auch in Teams, Abteilungen und Betrieben entstehen.
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