Menschenrechte: Ein interdisziplinäres Handbuch
Abstract
Die politische Bedeutung der Menschenrechte nimmt rasant zu. Zugleich wächst die Nachfrage nach wissenschaftlicher Klärung. Ob über Kriege, innere Sicherheit oder Folter diskutiert wird, ob es um Flüchtlinge, Armut, Umweltzerstörung oder den Kampf von Nicht-Regierungsorganisationen gegen Unrecht und Unterdrückung geht: Was genau versteht man unter Menschenrechten, was bewirken sie und wie sind sie zu schützen? Das Handbuch sorgt für Orientierung in Theorie und Praxis. Es zeigt den aktuellen Stand der Fachdiskussionen vornehmlich aus philosophischer, aber auch aus juristischer, historischer, politologischer und soziologischer Perspektive.
Chapters (5)
Die Suche nach einem Äquivalent neuzeitlicher Menschenrechte in der griechisch-römischen Antike wirkt zunächst wie ein Anachronismus. Weder existierte im Altertum ein präzises Äquivalent für den Ausdruck ›Menschenrechte‹, noch gibt es einschlägige theoretische Reflexionen bei einem der Philosophen, noch finden wir eine politisch-soziale Bewegung, die sich der Idee der Menschenrechte verschrieben hätte. So wurde etwa ein Abolitionismus, also die Forderung nach grundsätzlicher Abschaffung der Sklaverei, in der Antike weder philosophisch noch politisch je vertreten, nicht einmal von aufständischen Sklaven (Welwei 2005, 81). Menschenrechtskataloge liegen uns aus dem Altertum weder im Sinn von Abwehrrechten gegen den Staat vor noch von politischen Teilnahmerechten noch von Sozialrechten. Immerhin lässt sich eine Belegstelle bei Marcus Tullius Cicero angeben, die unserem Ausdruck ›Menschenrechte‹ bemerkenswert nahe zu kommen scheint.
Menschenrechte, Grundrechte und Bürgerrechte werden häufig in einem Atemzug genannt, daher sollte man, auch wenn es hier um deren begriffliche Unterschiede gehen muss, mit deren zentralen Gemeinsamkeiten beginnen. Diese betreffen zuvorderst die formale Grundstruktur aller drei Rechtstypen: A hat gegenüber B einen gerechtfertigten Anspruch auf ×. Und diese Rechtsform ist äquivalent mit: B hat gegenüber A die begründete Pflicht zu × (vgl. Alexy 1999). Mit A sind einzelne Rechtssubjekte, mit B die für die Gewährleistung der entsprechenden Rechtsansprüche verantwortlichen Akteure und mit × die von diesen zu gewährleistenden Rechtsgüter gemeint (z. B. Leben, Freiheit, Sicherheit, Gleichheit). Dass es sich um ›gerechtfertigte‹ Ansprüche handeln muss, bedeutet, dass alle von den konkreten Rechtsrelationen Betroffenen (sämtliche As und Bs) diese Ansprüche wechselseitig mit rationalen Gründen akzeptieren können müssen (z. B. weil entsprechende Vereinbarungen bestehen oder allgemein anerkannte Gesetze gelten).
Das Menschenrecht auf Leben, das vielfach als eines der grundlegendsten Menschenrechte gilt, findet sich bereits in sehr frühen Menschenrechtserklärungen. Da es die Voraussetzung für die Ausübung aller anderen Menschenrechte darstellt, kommt ihm eine besondere Wichtigkeit zu. In der AEMR (s. Kap. I.4.6) wird das Recht auf Leben in Art. 2 zusammen mit dem Recht auf Freiheit und dem Recht auf Sicherheit der Person genannt; Art. 6, Abs.1 des Zivilpakts ICCPR (International Covenant on Civil and Political Rights) schreibt vor: »Jeder hat ein angeborenes Recht auf Leben. Dieses Recht ist gesetzlich zu schützen. Niemand darf willkürlich seines Lebens beraubt werden.« Oftmals wurde das Recht auf Leben als so selbstverständlich angesehen, dass es keiner weiteren Begründung, Erläuterung oder Ausbuchstabierung bedürfe.
Die Behauptung, dass die Menschenrechte ›universell‹ gelten, stellt für fast alle Befürworter der Menschenrechte eine Art unhintergehbares Axiom dar. Aber nicht zuletzt aus diesem Grund ist sie aufseiten vieler Kritiker auch heftig umstritten. Zunächst zielt die Behauptung auf eine allgemeine Formeigenschaft sämtlicher Menschenrechte. Sie besagt: Trotz aller biologischen, geschlechtsspezifischen, sozialen, kulturellen, religiösen oder anderweitigen individuellen Unterschiede haben alle Menschen weltweit, und zwar allein aufgrund ihres Menschseins, elementare Ansprüche auf gleiche menschenrechtliche Berücksichtigung.
The history of human rights and human dignity is to be told as a legal history of the collective “processing” of experiences of historical injustice. The supposed “triumph” of these two ideas has been bought at the price of monstrous violence, countless victims of war and barbaric dehumanizing. However, a methodological difficulty arises if philosophical legal theory wants to claim such a “learning process”: the original historical experiences of war, violence and degradation are hardly accessible to analysis from today's perspective. Instead, academic discourse is always dependent on historical documentation, eyewitness accounts and, above all, literary-autobiographical memories in which these forms of injustice have already been interpreted. This is exemplified by recourse to the famous memoirs of Jean Améry, which reveal a philosophically revealing experiential connection between human rights on the one hand and human dignity on the other.
In Malone v. UK (Plenary 1984), the right to an effective domestic remedy in the European Convention on Human Rights Article 13 was famously described as one of the most obscure clauses in the Convention. Since then, the European Court of Human Rights has reinforced the scope and application of the right. Through an analysis of virtually all of the Court's judgments concerning Article 13, the book exhaustively accounts for the development and current scope and content of the right. The book also provides normative recommendations on how the Court could further develop the right, most notably how it could be a tool to regulate the relationship between domestic and international protection of human rights. In doing so, the book situates itself within larger debates on the enforcement of the entire Convention such as the principle of subsidiarity and the procedural turn in the Court's case law.
Menschenrechte sind Rechte von Individuen auf Freiheit und Freiheitsvoraussetzungen. Sie stehen, gemeinsam mit den organisationsrechtlichen Regelungen der jeweiligen öffentlichen Gewalt (Staat, Staatenbund, völkerrechtliches Vertragssystem) sowie sonstigen inhaltlichen Verpflichtungen jener öffentlichen Gewalt (z. B. auf Sozialstaatlichkeit), auf einer höherrangigen Ebene gegenüber sonstigen allgemeinverbindlichen Regelungen (Gesetzen; zum gesamten Kapitel vgl. Ekardt 2018a; stärker traditionell ausgerichtet Alexy 1986). Jene Prinzipien führen auch zu Abwägungsregeln, die den Rahmen für Verpflichtungen und Spielräume z. B. bei der Nutzung bestimmter Technologien umreißen, wobei liberale Verfassungen eine Aussparung von Fragen des guten Lebens vornehmen (breit rezipierte Ansätze – u. a. ohne Abwägungstheorie – bei Habermas 1992; Rawls 1971; konkretisiert und modifiziert bei Ekardt 2018a).
Hans Kelsen (1881–1973) begründet die in der Weimarer Republik unter hohem Druck stehende Demokratie aus ideologiekritischer Perspektive und zeigt den hohen Wert dieser Staatsform auf, der für ihn in der Freiheit besteht. Im Lichte gegenwärtiger Krisenphänomene beanspruchen seine Überlegungen Aktualität. Anhand der Selbstpreisgabe der Demokratie, deren konzeptionelle Überwindung durch Kelsen angeregt wurde, illustrieren sich die Paradoxien des liberalen Konstitutionalismus. Mittels seiner Überlegungen wird gezeigt, dass das Verhältnis zwischen Volkssouveränität, Rechtsstaatlichkeit und Freiheit nur in wechselseitiger Abhängigkeit begriffen werden kann. Dabei wird Kelsen als Vordenker der Gleichursprünglichkeit von Demokratie und Menschenrechten interpretiert und aufgezeigt, dass die Demokratie ob ihres paradoxen und kontingenten Funktionsmodus auf die Reproduktion normativer Ressourcen angewiesen ist, über die sie nicht verfügt.
Begriffe wie ›Menschenrechte‹, ›Menschenwürde‹ und ›Menschenbild‹ werden heute fast inflationär verwendet (Fagan 2009; Hilgendorf 1999). Dem entspricht die unüberschaubare Vielzahl der Bedeutungen, in denen diese Begriffe gebraucht werden. Sie tauchen nicht bloß in politischen Reden und den Massenmedien auf, sondern auch in zahllosen akademischen Texten, wobei so unterschiedliche Fächer wie Philosophie (Koenig 2005; Schaber 2012), Rechtswissenschaft (Dreier 2013; Enders 1997; Hilgendorf 2013a; Tiedemann 2007; 2014), Politologie (Fritzsche 2016) und Theologie (Kreß 2012) um die Deutungshoheit konkurrieren. Hinzu tritt die sozialwissenschaftlich-historische Meta-Perspektive (Friedman 2011).
Gegenstand der vorliegenden Dissertation ist die Frage nach der Anerkennung ökologischer Menschenrechte auf verschiedenen Rechtsebenen. Dabei wird die Entwicklung der ökologischen Menschenrechte herausgearbeitet und ihre Wirkungen auf internationaler, regionaler und staatlicher Ebene untersucht. Dazu wird die gegenwärtige Rechtslage der ökologischen Menschenrechte im Europa- und Völkerrecht dargestellt und bewertet. Teil der Aufgabenstellung der Arbeit ist auch die Idee einer ökologischen Gerechtigkeit, anhand derer unterschiedliche Problemfelder wie Armut und ökologische Rechtsstaatlichkeit beleuchtet werden. Das Ziel der Arbeit besteht damit in einer rechtsdogmatischen und rechtspolitischen Begründung ökologischer Menschenrechte im internationalen sowie im regionalen Recht. Mithilfe der rechtsvergleichenden Methodik soll eine wirksame Problemlösungsfindung aufgezeigt werden, welche dazu beitragen kann, eine menschenwürdige Umwelt in der ganzen Welt zu sichern.
Die Menschenrechte bezeichnen eine Kategorie von Rechten, die dem Menschen schlichtweg aufgrund seines Menschseins zukommen und deshalb in jedem Menschen gleichermaßen respektiert werden müssen. Dies macht den normativen Universalismus aus, der die Menschenrechte im Unterschied zu partikularen Rechten auszeichnet. Sie gelten unabhängig von individuellen Vorleistungen, Funktionen, Dokumenten, Mitgliedschaften usw. und haben ihren Grund in der Würde des Menschen.
Ob die Menschenrechte universal gelten, kann man einmal als Frage nach einer universal gültigen Begründung ihrer normativen (moralischen) Ansprüche verstehen (normative Geltung), zum anderen aber auch als Frage nach dem Umfang ihrer rechtlichen und politischen Realisierung und Institutionalisierung (faktische Geltung). Meines Erachtens verbindet der Begriff der Menschenrechte beide Geltungsdimensionen, da die Menschenrechte begrifflich moralische, rechtliche und politische Dimensionen haben, die sich auch nicht auf eine Dimension reduzieren lassen. Ich werde daher im Folgenden zunächst diesen differenzierten Begriff (das Konzept) der Menschenrechte erläutern, was die Unterscheidung von historisch und systematisch unterschiedlichen Menschenrechtsvorstellungen (Konzeptionen) mit einschließt (2.).
Als eine der Reaktionen auf diese Erfahrungen wurden die Vereinten Nationen gegründet, die vorrangig der Sicherung des internationalen Friedens dienen. Die Autoren der Charta der Vereinten Nationen stellten in ihren Überlegungen das Problem zwischenstaatlicher Aggressionen in den Mittelpunkt. Für die Vereinten Nationen spielte zunächst die Frage des Weltfriedens eine entscheidende Rolle.
Die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen gelten als internationaler Maßstab für die menschenrechtliche Unternehmensverantwortung. Sie empfehlen dabei einen Managementansatz, nach welchem der Prozess der menschenrechtlichen Sorgfalt in unternehmerische Risikomanagementsysteme integriert werden kann.
Wird hierfür das unternehmensweite Risikomanagementsystem genutzt, können Synergiepotenziale aufgrund einer ähnlichen Prozessstruktur realisiert werden. Angesichts der vorherrschenden Finanzausrichtung des Risikomanagements stehen sich die Menschenrechts- und Risikomanagementanforderungen jedoch an bestimmten Punkten in solchem Maße konfliktär gegenüber, dass eine einfache Integration von Menschenrechtsrisiken in das unternehmensweite Risikomanagement eine Verletzung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht zur Folge hätte.
Die vorliegende Masterthesis untersucht vor diesem Hintergrund, innerhalb welcher Prozesselemente besonderes Konfliktpotenzial besteht und wie diesem auf Unternehmensebene mit selbstregulativen Maßnahmen begegnet werden kann.
Anfang 2017 trafen zwei Parteien vor dem Landgericht Würzburg aufeinander, die ungleicher nicht sein könnten: Auf Klägerseite stand der 19-jährige syrische Flüchtling Anas M., auf Beklagtenseite der Weltkonzern Facebook. Gegenstand des Rechtsstreits war ein „Selfie“, das M. mit Bundeskanzlerin Angela Merkel gemacht hatte, als diese im September 2015 ein Flüchtlingsheim in Berlin besuchte. Das Foto wurde auf Facebook verbreitet und von mutmaßlich rechtsextremen Nutzern missbraucht, um den Flüchtling als Terroristen und Kriminellen darzustellen: „Obdachloser angezündet.
Die Idee der Menschenrechte und die Idee des Sozialkonstruktivismus sind disparat: Menschenrechte als sozialphilosophische Grundbedingung kultureller Existenz sollen unabhängig von jeder speziellen sozialen Konstruktion gelten und nicht von geschichtlicher Kontingenz sowie von speziellen Machtkonstellationen abhängig sein. Der Sozialkonstruktivismus als eine sozialphilosophische Theorie geht konsequent davon aus, dass es nichts Soziales und somit Kulturelles gibt, was geschichtlich nicht kontingent ist. Der vorliegende Beitrag sucht die Idee der Menschenrechte zu verteidigen, indem der Sozialkonstruktivismus auf die Erkenntnis seiner notwendigen, akontingenten sozialphilosophischen Voraussetzung gebracht wird: ebenjener der Menschenrechte.
Das Diskriminierungsverbot ist als Strukturprinzip der Menschenrechte untrennbar mit ihrer Entwicklung verbunden. Unter historisch gänzlich unterschiedlichem Begründungsdruck – revolutionärer Aufbruch einerseits und Zivilisationsbruch andererseits – entwickelten sich unterschiedliche Begründungsstrategien. Das Diskriminierungsverbot wird vorrangig als Antwort auf Diskriminierungserfahrungen gedeutet. Die Entwicklung des menschenrechtsbasierten Diskriminierungsschutzes ist ein unvollendeter Prozess, der offen ist, auf neue Unrechtserfahrungen zu reagieren.
Menschenrechte sind Rechte, die Menschen aufgrund ihres Menschseins schon immer haben. Die bloße Eigenschaft, ein Mensch zu sein, ist für ihren Besitz hinreichend. Alle Menschen besitzen aufgrund ihrer gleichen Natur dieselben Rechte. Die Menschenrechte sind universal und egalitär. Wegen ihrer Fundierung in der menschlichen Natur können sie einem Menschen selbst dann nicht genommen werden, wenn er ihrem Verlust zustimmt. Sie sind unveräußerlich.
Das Diskriminierungsverbot ist als Strukturprinzip der Menschenrechte untrennbar mit ihrer Entwicklung verbunden. Unter historisch gänzlich unterschiedlichem Begründungsdruck – revolutionärer Aufbruch einerseits und Zivilisationsbruch andererseits – entwickelten sich unterschiedliche Begründungsstrategien. Das Diskriminierungsverbot wird vorrangig als Antwort auf Diskriminierungserfahrungen gedeutet. Die Entwicklung des menschenrechtsbasierten Diskriminierungsschutzes ist ein unvollendeter Prozess, der offen ist, auf neue Unrechtserfahrungen zu reagieren.
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