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Die Rüstungsaltlast Munitionswerk "Kiefer" am Pfingstanger in Herzberg am Harz

Authors:
  • UNESCO Global Geopark Harz . Braunschweiger Land . Ostfalen

Abstract and Figures

The soils of the former WW II ammunition filling site „Werk Kiefer“ situated in Herzberg am Harz, Lower Saxony, are partially heavily contaminated by nitroaromatic compounds and related explosives decay products. The site is part of the South Harz sulphate karst landscape – from here the toxic compounds percolate without any geological barrier into the karst system and finally into the Pöhlde karst basin. This situation is known in detail at least since 1987 to all authorities, but legal controversies were blocking the remediation for a long time.
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Braunlager ZeitungSeite 12 November 2017
Die Rüstungsaltlast Munitionswerk „Kiefer“ am Pfingstanger in Herzberg am Harz
von FRIEDHART KNOLLE
17. November 2017: Lange
Nacht der Wissenschaften
der TU Clausthal
„Science on the Rocks“
nennt sich die Lange Nacht
der Wissenschaften am 17.
November an der TU Claus-
thal. Das Gesamtprogramm
steht im Internet unter
https:/science-on-the-rocks.de
Ein Vortrag in der Universi-
tätsbibliothek ist auch den
Werken „Kiefer“ in Herzberg
am Harz und „Tanne“ in
Clausthal-Zellerfeld gewid-
met. Währen die aufmerksa-
men Leser der Braunlager
Zeitung wissen, was sich hin-
ter dem Werk Tanne verbirgt,
denn darüber wurde hier
schon berichtet, stellt das
Werk Kiefer“ für viele Harzer
immer noch ein Rätsel dar.
18 Uhr - 19 Uhr
Vortrag Prof. Dr. Ulrich
Schreiber: Vulkanismus in
Deutschland - Die Eifel im
Dornröschenschlaf?
20 Uhr - 21 Uhr
Vortrag Dr. Friedhart Knolle:
Kiefer Herzberg und Tanne
Clausthal - Rüstungsaltlasten
der Nazizeit im Süd- und
Oberharz und ihre Folgen
Kiefer Herzberg – eine
Rüstungsaltlast der NS-
Zeit in der Sieberaue im
Südharz
Am Fuße des berühmten
Fachwerkschlosses zu Herz-
berg am Harz (Landkreis Os-
terode am Harz) befindet sich
im Siebertal im Bereich des
heutigen Bauhofs der Stadt
der sog. Pfingstanger. Nach
MOLDE (1998) lässt sich die
Geschichte der gewerblichen
Nutzung des Standortes bis
weit in das 18. Jh. zurückver-
folgen. So wurde 1739 - 1876
eine Gewehrfabrik, zu Beginn
des Jahrhunderts bis 1914 ei-
ne Baumwollbleicherei und
während des 1. Weltkrieges
die Produktion von Pressfut-
ter betrieben. 1918 - 1935
war auf dem Gelände eine
Kunstseidenspinnerei ansässig,
bevor es im Juni 1940 in den
Besitz der reichseigenen Ver-
wertungsgesellschaft für Mon-
tanindustrie GmbH überging.
Nach umfangreichen Um- und
Ausbaumaßnahmen wurde ab
Frühjahr 1941 eine Spreng-
stoff-Füllstelle betrieben. In
dieser Tochterfirma der Dyna-
mit Nobel AG (DAG) wurden
unter Verwendung von flüssi-
gem Trinitrotoluol (TNT) Tel-
lerminen und Granaten kleine-
ren Kalibers produziert. Zwi-
schen 1942 und der Produkti-
onseinstellung beschäftigte das
Werk mit Schwankungen zwi-
schen 650 und über 900 Män-
ner und Frauen, darunter
zahlreiche ausländische Ar-
beitskräfte und Zwangsarbei-
ter (BARANOWSKI 1995). (Abb. 1)
Im April 1945 wurde die
Munitionsfabrik durch einen
Brand, der mehrere gewaltige
Explosionen auslöste, fast voll-
ständig zerstört. Es war 6:12
Uhr am Morgen des 4. April
1945, als das Munitionswerk
in die Luft flog. Der Herzber-
ger Feuerwehrmann Walter
Hoppmann konnte diese Uhr-
zeit genau belegen: Die Uhr,
die er damals trug, war auf
6:12 Uhr stehen geblieben, als
er sich aus jenem Feuerlösch-
teich herausrappelte, in den
ihn die Explosionswelle ge-
schleudert hatte. Er zog noch
seinen Kameraden Ernst Dep-
pe („Deppen Katz“), der be-
wusstlos im Wasser lag, mit
heraus (HARZKURIER 1990).
Reproduktionen älterer Bilder
zeigen das ehemalige Muniti-
onswerk in Herzberg am Harz
wenige Monate nach der Ex-
plosion, als erst einige Straßen
des Werksgeländes von den
Trümmern freigeräumt wor-
den waren (Abb. 2). Bei dem
Unglück kamen insgesamt 29
Personen ums Leben, weitere
wurden schwer verletzt (BA-
RANOWSKI 1995).
Die noch vorhandenen
Werksanlagen wurden später
durch die Alliierten demon-
tiert und anschließend ge-
sprengt. In den Nachkriegsjah-
ren diente das Werksgelände
unter anderem als Lieferant
für Trümmerbaustoffe und
fand auch sonst durch seine
Nähe zur Stadt Herzberg am
Harz reges Interesse – so
nutzte zeitweise eine Holzfa-
serplattenfabrik die Teiche als
Abwasserklärbecken und im
Bereich des Sieberufers er-
folgte Kiesabbau. Aber auch
für zahlreiche ungeordnete
Abfallablagerungen bot das
unübersichtliche Gelände
günstige Voraussetzungen.
Nachdem die Stadt Herzberg
am Harz 1967 es im Zuge der
Errichtung einer neuen Klär-
anlage erworben hatte, siedel-
te sich 1969 im Ostteil, dem
Kernbereich der ehemaligen
Munitionsfabrik, der Städti-
sche Bauhof an, der dort heu-
te noch betrieben wird. Der
übrige Teil des Geländes ist
heute ungenutzt und gehört
zum Naturschutzgebiet Sie-
bertal. Viele Reste der ge-
sprengten Bunkeranlagen sind
noch vorhanden, allerdings
von akuten Gefahren befreit,
denn 1980 war eine Kampf-
mittelräumung durchgeführt
worden (MOLDE 1998).
Soweit die Fakten, wie sie
auch vor Ort in Herzberg am
Harz bekannt sind und hin
und wieder in der Tageszei-
tung auftauchen. Doch die
Geschichte ist komplexer.
stungsproduktion im
Dritten Reich
Mit der rechtlichen Kon-
struktion der NS-Aufrüstung
beschäftigte sich das Bundes-
verfassungsgericht, und zwar
auch ganz konkret am Beispiel
des Falles der Herzberger Fa-
brik, die unter dem militäri-
schen Decknamen „Kiefer“
betrieben wurde. Im Urteil 1
BvR 1653/99 vom 8.3.2001
stellte das Gericht fest:
„Ein großer Teil der Rüs-
tungsproduktion des Deutschen
Reiches erfolgte nach 1936 im
sog. „Rüstungs-Viereck“. Da-
nach erstellte unter anderem
die Dynamit AG (DAG) nach ei-
nem Mantelvertrag mit dem
Deutschen Reich Munitions-
und Sprengstofffabriken im Auf-
trage und auf Kosten des Deut-
schen Reiches. Nach Fertigstel-
lung wurden die Anlagen an die
Verwertungsgesellschaft für
Montanindustrie mbH (Mon-
tan-GmbH) veräußert, wobei
der Kaufpreis durch das Deut-
sche Reich erstattet wurde. An-
schließend wurden die Produkti-
onsstätten ebenfalls nach ei-
nem Mantelvertrag an die je-
weiligen Betreiberfirmen ver-
pachtet. Sämtliche Anteile an
der Montan-GmbH wurden seit
1934 vom Deutschen Reich ge-
halten. Die Montan-GmbH war
auf Grund von Verträgen mit
dem Deutschen Reich aus dem
Jahre 1936 und 1941 Treuneh-
merin des Reiches. Ihr Unter-
nehmenszweck bestand in der
Vermögensverwaltung und ge-
schäftlichen Kontrolle der priva-
ten Rüstungsbetriebe im Deut-
schen Reich. Im Jahre 1949 ging
die Montan-GmbH gemäß Art.
134 Abs. 1 Grundgesetz in das
Vermögen der Bundesrepublik
Deutschland über. Sie erhielt im
Oktober 1951 den Namen „In-
dustrieverwaltungsgesellschaft
mbH“, die 1987 in eine Aktien-
gesellschaft umgewandelt wur-
de. Bei der Beschwerdeführerin
handelt es sich um diese Ak-
tiengesellschaft. Sie befand sich
bis Ende 1993 in Bundesbesitz,
ist danach aber privatisiert wor-
den. (Abb. 3)
In Herzberg am Harz betrieb
die Gesellschaft mit beschränk-
ter Haftung zur Verwertung
chemischer Erzeugnisse (Ver-
wertchemie-GmbH) zwischen
1940 und 1945 eine von der
Montan-GmbH gepachtete Fa-
brik zur Abfüllung von Spreng-
stoffen. Für die Verwertchemie-
GmbH, die eine 100-prozentige
Tochtergesellschaft der Dynamit
AG war, wurde Anfang 1946 das
Liquidationsverfahren eingelei-
tet. Das Vergleichsverfahren
über diese Gesellschaft wurde
im September 1952 beendet.
Der Landkreis Osterode am
Harz, der spätere Beklagte des
Ausgangsverfahrens, nahm die
Beschwerdeführerin im Jahre
1992 nach umfangreichen Un-
tersuchungen als Handlungsstö-
rerin wegen der Bodenverunrei-
nigungen im Bereich der ehe-
maligen Munitionsfabrik in An-
spruch.“
Die letzte Passage deutet
schon an, dass es hier um ein
erhebliches Umweltproblem
geht.
Umweltauswirkungen des
Werks Kiefer (weitgehend
nach MOLDE 1998)
Die ehemalige Munitionsfa-
brik Herzberg am Harz liegt
auf einem schmalen, maximal
200 m breiten und ca. 1,2 km
langen Gelände, dem sog.
„Pfingstanger“. Es wird im
Norden durch das Flussbett
der Sieber und im Süden
durch die ca. 50 m aufsteigen-
de Schichtstufe des Schloss-
berges begrenzt. Die Gesamt-
fläche beträgt ca. 12 ha.
Geologisch ist das Untersu-
chungsgebiet dem Bereich der
Harzrandsenke zuzuordnen,
aufgebaut aus den nach Süd-
Südwest einfallenden Sedi-
mentfolgen des Zechsteins
und des Unteren Buntsand-
steins, die von 5 bis über 30 m
(im Bereich des Städtischen
Bauhofs) mächtigen Aufschüt-
tungen quartärer Lockersedi-
mente bedeckt sind. Das Ge-
biet ist Teil einer Subrosions-
senke, die von Erdfällen
durchsetzt ist. Die Sieber
durchläuft hier in ihrem Mit-
tellauf eine Versickerungsstre-
cke, wo sie beträchtliche Was-
sermengen verliert (SCHMIDT
1979). Der oberflächennahe
Porengrundwasserleiter in
den kiesigen Niederterrassen-
sedimenten steht über Erdfäl-
le in hydraulischem Kontakt
zum Tiefengrundwasser in
den verkarsteten Zechsteinse-
rien (JORDAN 1979). Dadurch
können oberflächlich in das
Grundwasser eingetragene
Stoffe rasch in tiefere Stock-
werke gelangen und bis in das
südlich anschließende Pöhlder
Becken transportiert werden,
das als Trinkwasserreservoir
von herausragender Bedeu-
tung ist (NLfB 1982). Es ist so-
mit von einem Stofftransport
vom Standort Herzberg am
Harz bis zur Rhumequelle aus-
zugehen. Dieser Zusammen-
hang wurde bereits von THÜR-
NAU (1913) durch einen Mar-
kierungsversuch mit Uranin
nachgewiesen. (Abb. 4)
Der Betrieb zur Herstel-
lung und Weiterverarbeitung
von Munition und Munitions-
teilen sowie der Umgang mit
Sprengstoffen waren nie un-
problematisch. Nicht nur der
Umgang mit den brisanten
Rohstoffen und Endprodukten
war gefährlich, auch die Ent-
sorgung kontaminierter Ab-
wässer stellte die damaligen
Ingenieure vor ein unlösbares
Problem. Während das „Werk
Tanne“ in Clausthal-Zellerfeld
seine Abwässer in die Bremke
leitete und so das Wasser der
Leine bis Hannover verunrei-
nigte, wie in Unser Harz
schon mehrfach dargestellt
wurde, führten Abwasserlei-
tungen des „Werkes Kiefer“ in
den dortigen Mühlengraben,
der direkt in die Sieber ent-
wässert. TNT und andere
aromatische Kohlenwasser-
stoffe der Sprengstoffherstel-
lung kontaminieren bis heute
die Sedimente des seither tro-
cken liegenden Mühlengra-
bens und darüber hinaus an-
dere Bereiche wie das Gieß-
haus und den Verbrennungs-
platz. Diese Substanzgruppen
sind giftig und weisen durch
ihre krebserregenden und
erbgutverändernden Eigen-
schaften ein unverändert ho-
hes Gefahrenpotenzial für die
Bevölkerung auf.
Das Gelände ist aus diesem
Grund mit einem Zaun abge-
sperrt, aber der hält die
Schadstoffe nicht zurück. Die-
ses Gefährdungspotenzial ist
schon lange bekannt, denn
erste punktuelle Untersu-
chungen und historische Re-
cherchen wurden 1987 - 1989
durch den Landkreis Ostero-
de am Harz beauftragt (PGBU
1989, MOLDE 1998). Weitere,
intensivere Untersuchungen
wurden von 1990 bis 1996 (z.
B. ENVIRO M 1991, GTU 1996)
durch das Niedersächsische
Umweltministerium als frei-
willige Leistungen aus Landes-
mitteln im Rahmen des Pro-
gramms der „Gefährdungsab-
schätzung von Rüstungsaltlas-
ten in Niedersachsen“ veran-
lasst (BRAEDT 1997, NIEDER-
CHSISCHES UMWELTMINISTERIUM
1996). An mehr als 20 Mess-
punkten wurden damals am
Pfingstanger hochgiftige Ver-
bindungen gefunden. (Abb. 5)
1998 formulierte es der
Gutachter Dr. Peter Molde
wie folgt: „Der Boden auf dem
Gelände ist in 8 Teilbereichen
hochgradig kontaminiert. Be-
sonders altlastenrelevant in
quantitativer und qualitativer
Hinsicht sind die Bereiche: Ab-
sorbertürme, Gießhaus, Müh-
lengraben (als Abwassersamm-
ler der ehem. Munitionsfabrik)
und Verbrennungsplatz (s. Karte
2). Hauptkontaminanten sind
Explosivstoffe (insbesondere
TNT, DNB, Hexogen, Pikrinsäu-
re) sowie deren Abbauprodukte,
aber auch PAK und Blei. Auch
wenn aufgrund der Nutzungsge-
schichte die Verursacher sämtli-
cher Kontaminationen nur sehr
schwer zu differenzieren sind,
ist auf jeden Fall die ehemalige
Munitionsfabrik Herzberg als
Hauptverursacher identifiziert.
Nicht nur im Boden, auch im Si-
ckerwasser und im Grundwasser
wurden explosivstoffspezifische
Parameter festgestellt (s. Abb.
1). So wurden beispielsweise im
Sickerwasser unterhalb des
Mühlengrabens extrem hohe
Gehalte besonders an TNT
(max. 1.300 µg/l) und Hexogen
(max. 10.100 µg/l) nachgewie-
sen (GTU 1996). Die nitroaro-
matischen Verbindungen (z. B.
TNT und besonders dessen Ab-
bauprodukte; s. Löw et al. 1989
und Neumeier et al. 1989) so-
wie die weiteren nachgewiese-
nen Explosivstoffe sind in toxi-
kologischer Hinsicht als sehr
kritisch zu beurteilen; sie wei-
sen erhebliche kanzerogene und
mutagene Potentiale auf (s.
BGA 1993, Dieter 1994, Has-
sauer et al. 1993). Aufgrund der
o. a. Zusammenhänge und der
zum Teil sehr hohen Gehalte an
explosivstoffspezifischen Para-
metern in Boden und Wasser
geht vom Standort eine akute
Gefährdung für Mensch und
Umwelt aus. Es besteht nach
wie vor für diesen Standort aku-
ter Handlungsbedarf, um die
Schadstoffherde zu beseitigen
und um damit den Kontaminati-
onspfad zu unterbrechen. Denn
wie bereits eingangs erwähnt
besteht, aufgrund der geologi-
schen Situation auch für das
Pöhlder Becken – mit mehreren
Trinkwasserfassungen – eine er-
hebliche Grundwassergefähr-
dung.“ (MOLDE 1998).
Eine solche Formulierung
gehört zum Deutlichsten, was
ein geologischer Gutachter
schreiben kann. Die Behörden
haben danach sofort zu han-
deln! Die damalige Landesre-
gierung nahm dann auch den
Pfingstanger in die Prioritäten-
Abb. 1: Bereits auf dem Bauhof der Stadt Herzberg am Harz kündet der
Rest eines gesprengten Betongebäudes die Existenz des Werks Kiefer un-
missverständlich an. Foto: BUND Westharz
Abb. 2: Das Werk Kiefer nach der Explosion 1945; Archiv Matwijow aus
BARANOWSKI (1995)
Abb. 5: Gesprengtes Betongebäude im Werk Kiefer. Foto BUND Westharz
Abb. 4: Zusammenhänge der Karstgrundwässer am Süd- und Südwestharz
– Übersicht zur Verbindung von Bachschwinden und Karstquellen; aus
VLADI (1997)
Abb. 3: Das sog. Rüstungsviereck; aus BARANOWSKI (1995)
liste der nötigen Sanierungen
auf.
Dass eine Sanierung zum
Schutz der Bevölkerung und
der Umwelt dringend geboten
ist, steht außer Frage. Laut
Bundesbodenschutzgesetz
muss der Verursacher einer
Bodenverunreinigung für die
Sanierung aufkommen. Genau
das war Anlass einer über
Jahrzehnte andauernden ge-
richtlichen Auseinanderset-
zung zwischen dem Rechts-
nachfolger der DAG, der
Grundstücksgesellschaft IVG
und dem Landkreis Osterode
am Harz. (Abb. 6)
Wie geht es weiter?
Zuständige Bodenschutz-
behörde ist der Landkreis
Göttingen. Die Kreisverwal-
tung hatte der IVG als Altei-
gentümer bereits 1992 die
Auflage erteilt, das verseuchte
Erdreich abzutragen und zu
entsorgen. Doch die IVG woll-
te nicht zahlen und ging vor
Gericht. Sie bestritt ihre Zu-
ständigkeit und verwies auf
die Tatsache, dass die DAG
damals im Auftrag des Deut-
schen Reiches gehandelt habe,
dessen Rechtsnachfolger die
Bundesrepublik Deutschland
sei, die demzufolge statt ihrer
für die Sanierungskosten auf-
zukommen habe. 2001 kas-
sierte das Bundesverfassungs-
gericht zwei Entscheidungen
und verwies das Verfahren zu-
rück an das OVG Lüneburg –
dort ruhte die Auseinander-
setzung bis 2014.
Die Tatsache, dass im
Rechtsstreit „Werk Kiefer“
über einen so langen Zeitraum
keine Entscheidung gefällt
wurde, die zur dringend erfor-
derlichen Gefahrenabwehr
führt, ist aus Gründen des
Schutzes der Umwelt und
auch der menschlichen Ge-
sundheit ein Skandal und nicht
akzeptabel. Geologen, BUND,
NABU, der Verein für Um-
weltschutz Herzberg e.V., Dr.
Wolfgang Baur für den Ökolo-
gischen Ärztebund und auch
der Verein Spurensuche Harz-
region e.V. forderten daher ei-
ne unverzügliche Wiederauf-
nahme des Verfahrens, um
endlich eine Sanierung des
Geländes vornehmen und ei-
nen angemessenen Trinkwas-
serschutz gewährleisten zu
können. Auch die Landesre-
gierung ist hier in der Pflicht.
(Abb. 7)
Das Niedersächsische Mi-
nisterium für Umwelt, Energie
und Klimaschutz und die Fir-
ma IVG Immobilien AG (IVG)
haben sich schließlich 2014
darauf verständigt, den
Rechtsstreit über die Verant-
wortlichkeit für Rüstungsalt-
lasten zu beenden und einen
entsprechenden Vergleichs-
vertrag ausgehandelt. Wie es
konkret weitergeht, ist aller-
dings noch unklar.
Kein Einzelfall
Der Standort „Kiefer“
Herzberg ist kein Einzelfall –
nur wenige Kilometer weiter
nordwestlich in Osterode-Pe-
tershütte befindet sich ein
ähnlich gelagerter Problemfall.
Dort wurden während des 2.
Weltkriegs ca. 600 000 m³
hochgradig kontaminierte Ab-
wässer aus der Sprengstoff-
produktion des Werks Tanne
in Clausthal-Zellerfeld in sog.
Schluckbrunnen bis in die
Zechsteinaquifere verpresst.
Sie stellen im Harzvorland
westlich und nördlich von Os-
terode auch heute noch ein
erhebliches Gefährdungspo-
tenzial für das Grundwasser
dar. In diesem Bereich muss-
ten bereits in den letzten Jah-
ren einige Trinkwasserbrun-
nen geschlossen werden
(MOLDE 1998).
Dank
Für hilfreiche Hinweise
danke ich Frank Baranowski
und Firouz Vladi.
Ein umfangreiches Litera-
turverzeichnis liegt vor. Es
kann bei der Braunlager Zei-
tung angefordert werden.
Braunlager ZeitungNovember 2017 Seite 13
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Abb. 6: Zeitgenössischer Übersichtsplan des Werks Kiefer
Abb. 7: Zeitgenössischer Übersichtsplan, Detail des östlichen Werksbereichs, in dem sich heute der Bauhof der
Stadt Herzberg am Harz befindet.
Erdgeschichte zum Erleben!
ordwestliches Harzvorland -Die Klassische Quadratmeile der Geologie
Wie an kaum einem ande-
ren Ort Mitteleuropas kann
man im westlichen Teil des
Harznordrands und seinem
Vorland (besser bekannt als
„Klassische Quadratmeile der
Geologie“) eine Fülle von Ge-
steinen vom Erdaltertum bis
zu jüngsten Ablagerungen auf
engstem Raum finden.
Durch tektonische Ver-
schiebungen sind im Gebiet
zwischen Salzgitter, Goslar
und Wernigerode noch heute
neben Gesteinen aus dem
Buntsandstein, Muschelkalk,
Keuper, Jura, Ober- und Un-
terkreide auch die Gesteine
des Erdaltertums mit ihren
einstmals ausgebeuteten Erz-
vorkommen zugänglich.
Als Besonderheiten kann
man beispielsweise das Welt-
kulturerbe Altstadt Goslar und
Bergwerksmuseum Rammels-
berg sowie die zahlreichen
Salzstöcke, die die Vorharz-
landschaft gliedern, heraushe-
ben. Bedeutende Lagerstätten
mineralischer Rohstoffe bieten
bis heute einen Anreiz zu geo-
logischen Untersuchungen.
Auf insgesamt 7 Streifzügen
– unter anderem vom Herzen
der Quadratmeile (Goslar)
über den nördlichen und südli-
chen Salzgitter-Höhenzug so-
wie einem Streifzug rund um
Wernigerode und Ilsenburg –
führen die Autoren in einer
Zeitreise durch 500 Millionen
Jahre Erdgeschichte und stel-
len dabei mehr als 90 interes-
sante Geopunkte vor.
Dieser geologische Führer
ist Teil der Reihe „Streifzüge
durch die Erdgeschichte“ und
vermittelt einen anschauli-
chen, lebendigen und ver-
ständlichen Einblick in die
spektakulären Prozesse der
Entwicklung unserer Erde
über Hunderte von Millionen
Jahren. Vielfältige, ergänzende
Informationen zu Lehrpfaden,
Mineral- und Fossilienfundstel-
len, Museen und Schauberg-
werken motivieren die Leser,
den Spuren der erdgeschichtli-
chen Entwicklung im Gelände
zu folgen, und machen dieses
Buch zu einem idealen geo-
touristischen Begleiter.
Dr. Friedhart Knolle hat an
der TU Clausthal Geologie
studiert und wurde an der TU
Braunschweig promoviert. Er
arbeitet im Nationalpark Harz
und ist Autor zahlreicher Bei-
träge zu geologischen und an-
deren Harzthemen.
Stefan Mohr ist Diplomin-
genieur und studiert gegen-
wärtig Geoinformatik an der
Universität Salzburg. Mit der
Harzregion und ihrer Geolo-
gie ist er bestens vertraut.
Marion Seitz hat einen Ba-
chelor in Geowissenschaften
und absolviert derzeit ein
Masterstudium an der Univer-
sity of the Highlands and Is-
lands (UK).
Friedhart Knolle/ Stefan
Mohr/ Marion Seitz
Nordwestliches Harzvor-
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meile der Geologie
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12. Jahrgang Nr. 122 November 2017
unabhängig, überparteilich
0
Hohegeiß
Braunlage
St.Andreasberg Bad Lauterberg Altenau
Clausthal-Zellerfeld Bad Harzburg Herzberg am Harz
Benneckenstein
Anzeigen- u. Mitteilungsblatt
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www.braunlager-zeitung.de
Telefon: (05520) 92056 und 0171-6852427
Das 1845 erbaute Forsthaus Brunnenbach bei Braunlage (im Nationalpark Harz) wurde einschließlich seiner Nebengebäude im Oktober 2014 abgerissen ... Foto: S .Richter
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