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Futurelab Medienpädagogik: Qualitätsentwicklung – Professionalisierung – Standards. Thesenpapier zum Forum Kommunikationskultur 2017 der GMK

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Abstract

Das Forum Kommunikationskultur der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK) steht im Jahr 2017 unter dem Anspruch, sich mit Fragen der Qualitätsentwicklung medienpädagogischen Handelns in Wissenschaft und Praxis auseinanderzusetzen. Dabei soll besonderes Augenmerk auf Fragen der Professionalisierung und der Entwicklung von Standards gelegt werden. Zu diesen Fragen stellen wir im Folgenden ausgewählte Thesen mit ergänzenden und erweiternden Erläuterungen im Sinne eines programmatischen Textes zur Diskussion. Die mit diesem Papier anzustossende Diskussion soll zunächst einer konstruktiv-weiterführenden internen Klärung wichtiger Fragen medienpädagogischer Praxis und Forschung dienen und dabei auch anzeigen, welche Positionen in der Community konsensfähig sind und welche möglicherweise strittig erscheinen. Zugleich sollen die Thesen und die Diskussion zu einer Positionsbestimmung der GMK bezüglich praktischer und wissenschaftlicher medienpädagogischer Arbeit nach aussen beitragen. Mit der Diskussion ist das Ziel verbunden, künftige Bedarfe für Handlungs- und Forschungsfelder der Medienpädagogik – jedoch ohne Anspruch auf Vollständigkeit – zu identifizieren. Um der Prägnanz und Kürze willen, wird der zu jeder These gehörende Hintergrund nur knapp angedeutet, ohne die damit verbundenen (teils sehr umfassenden) Diskurse im Detail nachzuzeichnen. Angegebene Literaturbezüge sollen jeweils beispielhaft auf differenzierende und tiefergehende Ausführungen verweisen. Die Thesenfolge beginnt mit Überlegungen zum technikinduzierten gesellschaftlichen Wandel («Digitalisierung») und seiner Bedeutung für die Medienbildung. Dies vorausschickend, gehen wir auf Fragen der Qualifizierung und Professionalisierung für praktisches Handeln sowie auf die Rolle der Medienpädagogik als Wissenschaft und schliessend auf den Stellenwert von Standards zur Orientierung und Reflexion ein.
Knaus, Thomas, Dorothee M. Meister, und Gerhard Tulodziecki. 2017. «Futurelab Medienpädagogik: Qualitätsentwicklung – Professionalisie-
rung – Standards. Thesenpapier zum Forum Kommunikationskultur 2017 der GMK». MedienPädagogik, (24. Oktober), 1–23. doi:10.21240/
mpaed/00/2017.10.24.X.
ISSN 1424-3636www.medienpaed.com
Futurelab Medienpädagogik: Qualitätsentwicklung
– Professionalisierung – Standards
Thesenpapier zum Forum Kommunikationskultur 2017 der GMK
Thomas Knaus, Dorothee M. Meister und Gerhard Tulodziecki
Zusammenfassung
Das Forum Kommunikationskultur der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommuni-
kationskultur (GMK) steht im Jahr 2017 unter dem Anspruch, sich mit Fragen der Quali-
tätsentwicklung medienpädagogischen Handelns in Wissenschaft und Praxis auseinan-
derzusetzen. Dabei soll besonderes Augenmerk auf Fragen der Professionalisierung und
der Entwicklung von Standards gelegt werden. Zu diesen Fragen stellen wir im Folgenden
ausgewählte Thesen mit ergänzenden und erweiternden Erläuterungen im Sinne eines
programmatischen Textes zur Diskussion.
Die mit diesem Papier anzustossende Diskussion soll zunächst einer konstruktiv-weiter-
führenden internen Klärung wichtiger Fragen medienpädagogischer Praxis und For-
schung dienen und dabei auch anzeigen, welche Positionen in der Community konsens-
fähig sind und welche möglicherweise strittig erscheinen. Zugleich sollen die Thesen und
die Diskussion zu einer Positionsbestimmung der GMK bezüglich praktischer und wissen-
schaftlicher medienpädagogischer Arbeit nach aussen beitragen. Mit der Diskussion ist
das Ziel verbunden, künftige Bedarfe für Handlungs- und Forschungsfelder der Medienpä-
dagogik – jedoch ohne Anspruch auf Vollständigkeit – zu identifizieren. Um der Prägnanz
und Kürze willen, wird der zu jeder These gehörende Hintergrund nur knapp angedeutet,
ohne die damit verbundenen (teils sehr umfassenden) Diskurse im Detail nachzuzeichnen.
Angegebene Literaturbezüge sollen jeweils beispielhaft auf differenzierende und tieferge-
hende Ausführungen verweisen.
Die Thesenfolge beginnt mit Überlegungen zum technikinduzierten gesellschaftlichen
Wandel («Digitalisierung») und seiner Bedeutung für die Medienbildung. Dies vorausschi-
ckend, gehen wir auf Fragen der Qualifizierung und Professionalisierung für praktisches
Handeln sowie auf die Rolle der Medienpädagogik als Wissenschaft und schliessend auf
den Stellenwert von Standards zur Orientierung und Reflexion ein.
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Thomas Knaus, Dorothee M. Meister und Gerhard Tulodziecki www.medienpaed.com > 24.10.2017
The Media Pedagogy Futurelab: Quality Development – Professionalisation –
Standards. Thesis Paper on the 2017 GMK Forum on Communication Culture
Abstract
The 2017 Forum on Communication Culture hosted by the Society for Media Pedagogy and
Communication Culture (GMK – Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikations-
kultur) is devoted to quality development in media pedagogy in both research and
practice. Particular focus is placed on issues of professionalisation and the development
of standards. The following document contains selected theses with supplementary and
explanatory notes and is intended to serve as a programmatic text for discussion.
The discussion ensuing from this paper is intended first and foremost to serve the ongoing
internal clarification of important issues related to media pedagogy in research and
practice. Consequently, it seeks to identify those positions the community can agree on,
and those which might transpire to be more contentious. At the same time, the theses
and the accompanying discussion aim to assist the GMK in formally determining where
it stands on practical and scholarly work being undertaken in media pedagogy, thereby
enabling it to formulate an official position which it can represent externally. Inherent
within the discussion is the goal of pinpointing any future requirements in the respective
fields of practice and research in media pedagogy – albeit without claiming to be
exhaustive in this respect. In the interests of concision and brevity, the accompanying
background to each thesis is dealt with only briefly, without detailed scrutiny of its (often
very comprehensive) associated discourse. Accompanying literature references are
intended to provide examples of more finely grained and in-depth explanations.
The theses begin with considerations on technology-driven social change («digitisation»)
and its significance for media education. Following on from this, we then discuss issues
related to qualifications and the professionalisation of media pedagogy in practice; we
also examine the role of media pedagogy as a scholarly activity, and conclude with the
importance of standards as points of orientation and initiators of debate.
Zum technikinduzierten gesellschaftlichen Wandel und zu seiner Bedeutung für Me-
dienkompetenz, Medienbildung und medienpädagogische Kompetenz
Die «Digitalisierung» (r)evolutioniert unsere Lebenswelten und damit unsere Gesell-
schaft. Dieser technikinduzierte Wandel wirkt auf zahlreiche gesellschaftlich rele-
vante Bereiche, wie Kommunikation und Kultur, Wirtschaft und Beruf, Meinungsfrei-
heit und Meinungsbildung sowie Demokratie und Politik. Die damit einhergehenden
Chancen und Risiken stellen eine Herausforderung für jede Einzelne und jeden Ein-
zelnen, zugleich aber auch für Bildungsinstitutionen und Bildungspolitik dar, wenn
die Leitidee des «gesellschaftlich handlungsfähigen Subjekts» (Hurrelmann 2002,
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111) für ein demokratisches Zusammenleben weiterhin Bestand haben soll. Zuneh-
mend wird erwartet, dass jede und jeder die mit diesem gesellschaftlichen Wandel
verbundenen Phänomene im Alltag beziehungsweise in Beruf und Freizeit beherr-
schen, einordnen, bewerten und reflektieren kann.
Besondere Bedeutung kommt dabei der Mediatisierung und ihrer digitalen In-
frastruktur zu (vgl. Hepp und Krotz 2012; Krotz 2016), stellen Medien doch die Er-
scheinungsformen des Digitalen dar, mit denen Kinder, Jugendliche und Erwachse-
ne im Alltag vorwiegend in Berührung kommen (vgl. Knaus 2017c). Um den daraus
erwachsenden Anforderungen gerecht zu werden, erweist sich die Förderung von
Medienkompetenz im Rahmen von Bildungsprozessen als unabdingbar. Damit eine
entsprechende Förderung durch pädagogisch Tätige erfolgen kann, müssen die-
se über medienpädagogische Kompetenz verfügen (vgl. Blömeke 2000; Tulodziecki
2012). Die Entwicklung medienpädagogischer Kompetenz bei Pädagoginnen und
Pädagogen unter den Bedingungen aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen, wie
Digitalisierung und Mediatisierung, stellt ein bedeutsames Element der Qualitäts-
entwicklung und Qualitätssicherung medienpädagogischer Arbeit dar. Der Anspruch
auf Qualitätsentwicklung richtet sich dabei auf das gesamte Feld medienpädagogi-
scher Aktivitäten. Dieses ist durch eine Vielzahl pädagogischer Zusammenhänge und
Einrichtungen gekennzeichnet und umfasst sowohl die vorschulische Erziehung, die
Schule und Einrichtungen der beruflichen Bildung, die ausserschulische Kinder- und
Jugendarbeit sowie die Erwachsenen- und Altenbildung. Vor dem Hintergrund dieser
Überlegungen formulieren wir die folgenden drei Thesen:
These 1: Durch die fortschreitende Digitalisierung und Mediatisierung von All-
tag und Lebenswelt und durch den damit verbundenen gesellschaftlichen Wan-
del entstehen erhöhte und weiter zu fassende Anforderungen an Medienkompe-
tenz und Medienbildung.
Medienkompetenz soll dabei als ein Bündel von Kenntnissen, Fähigkeiten, Fertigkei-
ten und Einstellungen verstanden werden, das ein sachgerechtes, selbstbestimmtes,
kreatives und sozial verantwortliches Handeln in einer durch Digitalisierung und
Mediatisierung geprägten Welt ermöglicht (vgl. KMK 2012; KMK 2016). Ein solches
Handeln setzt unter anderem die Fähigkeit zur Medienanalyse und Medienkritik un-
ter gesellschaftlicher Perspektive voraus. Ein Einbezug medien- und gesellschafts-
kritischer Ansätze in eine kompetenzorientierte Auseinandersetzung mit Medien
ist gerade auch angesichts aktueller Problemlagen erforderlich, die mit der Digita-
lisierung im Zusammenhang ökonomischer und politischer Interessen verbunden
sind: Dazu gehören beispielsweise die (algorithmische) Auswertung personenbezo-
gener Daten mit neuen Möglichkeiten gesellschaftlicher Kontrolle wie auch die Be-
schleunigung von alltäglichen und berufsbezogenen Abläufen und ihre Folgen für
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Aufmerksamkeitslenkung und Reflexionsphasen (vgl. Aßmann et al. 2016; Iske 2016;
Knaus 2017a; Knaus 2017c; Niesyto 2016; Niesyto 2017b). Weitere Probemlagen sind
die manipulative Einflussnahme auf die Meinungsbildung sowie die Zunahme digita-
ler Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine und damit verbundene anthropo-
logische, soziale und ethische Fragen (vgl. Damberger 2018; Knaus und Engel 2018;
Niesyto 2017a). Vor diesem Hintergrund ist Medienkompetenz in einem weiten Sinne
eine wichtige Zielperspektive für Bildungsprozesse (vgl. u. a. Tulodziecki 2015; Knaus
2017a). Entsprechende Auffassungen stehen in der Tradition medienpädagogischer
Überlegungen. Sie wurden zunächst von Dieter Baacke (1997) mit seiner Unterschei-
dung von vier Bereichen der Medienkompetenz – Medienkritik, Medienkunde, Me-
diennutzung und Mediengestaltung – grundgelegt und in zahlreichen medienpäda-
gogischen Ansätzen weiterentwickelt oder auch in anderer Weise akzentuiert (vgl.
u. a. Aufenanger 1997; Tulodziecki 1997; Groeben 2002; Schorb 2005). Seit der ersten
Dekade des 21. Jahrhunderts werden entsprechende Fragen auch unter dem Begriff
der Medienbildung diskutiert. Dabei wird unter anderem betont, dass Bildung we-
sentlich auf reflexive Orientierungsleistungen gerichtet sein soll, die zum einen den
Aufbau von Wissen voraussetzen und zum anderen die Fähigkeit zum Umgang mit
Kontingenz, zur Umorientierung, zum aktiven Erschliessen neuer Erfahrungsräume
und zum Einlassen auf Fremdes umfassen (vgl. Jörissen und Marotzki 2009). Dabei
wird das Verhältnis von Medienbildung und Medienkompetenz unterschiedlich gese-
hen (vgl. u. a. Iske 2015).
Wir gehen im Folgenden davon aus, dass mit dem Begriff der Medienkompetenz
wichtige Voraussetzungen und Ziele medienpädagogischer Praxis beschrieben wer-
den können, während der Begriff der Medienbildung als grundsätzlich offener Pro-
zess verstanden wird, in dessen Rahmen unter anderem bestimmte Kompetenzni-
veaus anzustreben sind (vgl. Tulodziecki 2010).
Betrachtet man exemplarisch die Medienbildung in der Schule, sollte mit Blick
auf einen umfassenden Kompetenzbegriff nicht nur das Lernen und Lehren mit Me-
dien beziehungsweise die Mediendidaktik im Vordergrund stehen, sondern auch das
Lernen über Medien. Letzteres dominiert bisher vor allem bei handlungs- und ge-
staltungsorientierten ausserschulischen Medienprojekten in der freien Kinder- und
Jugendarbeit, wobei auch kreative Potentiale digitaler Medien in besonderer Wei-
se zur Geltung kommen können (vgl. u. a. Knaus 2017a). Angesichts der aktuellen
gesellschaftlichen Umbruchsituation durch Mediatisierung und Digitalisierung ge-
winnt die medienpädagogische Forderung, mit schulischer Medienbildung bezie-
hungsweise dem Lernen über Medien alle Schülerinnen und Schüler zu erreichen,
besonderen Nachdruck (vgl. u. a. Knaus 2016; 2017a). Daher sollte gerade auch in
der Schule für Kinder und Jugendliche die Möglichkeit geschaffen werden, medien-
pädagogische Projekte als Aktive Medienarbeit nach handlungsorientierten Grund-
sätzen zu erfahren (vgl. u. a. Schorb 1995). Damit könnten digitale Medien zugleich
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als Verbindungsglied zwischen der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler und
dem schulischen Lernen dienen. Zwar unterscheidet sich die Systemlogik der Schule
grundsätzlich von der in offenen Angeboten der Jugendarbeit – mit einer geeigneten
Verbindung würde jedoch nicht nur die Rolle der Schule als Lebensraum gestärkt,
sondern es entständen gleichzeitig neue Anknüpfungsmöglichkeiten an lebenswelt-
liche Erfahrungen beim schulischen Lernen (vgl. Niesyto 2004; Knaus 2017c).
Die konsequente Förderung von Medienkompetenz in ihrer erforderlichen Breite
macht es notwendig, nicht nur für die Schule anzustrebende Kompetenzniveaus zu
formulieren, sondern auch für andere Erziehungs- und Bildungsabschnitte. Auf einer
solchen Grundlage könnte dann die Förderung von Medienkompetenz im Rahmen
von Medienbildung als längerfristiger Prozess entlang der Bildungskette gestaltet
werden (vgl. u. a. KBoM 2011; Niesyto 2016; GMK-FG Kita 2017). Dabei geht es zu-
gleich darum, Bildungsbenachteiligungen auszugleichen und einem Second Level
Digital Divide entgegenzuwirken (Niesyto und Moser 2009; Moser 2010; Knaus 2013).
These 2: In der Auseinandersetzung mit Themenbereichen von Medienkompe-
tenz und Medienbildung sollten auch technische und informatische Grundlagen
zum Tragen kommen, die zum Verständnis der Digitalisierung, ihrer techni-
schen Anwendungen und ihrer medialen Erscheinungsformen beitragen können.
Digitale Technik ist mehr als ein blosser «Mittler», sie ist auch an der Herstellung von
medialen Inhalten und medialer Kommunikation beteiligt und nimmt zunehmend
selbst Interpretationen vor. Deshalb ist die Kenntnis technischer und organisatori-
scher Bedingungen der Wissens- und Medienproduktion ein wichtiger Bestandteil
von Medienkompetenz (vgl. Knaus 2017b). Erstrebenswert ist, dass alle Menschen
in der Lage sind, die Technik selbst, die Algorithmen, auf deren Grundlage sie arbei-
tet, sowie generell Prozesse der Entstehung und Reproduktion von Wissen zumindest
grundlegend nachzuvollziehen. Nur wer über die Kenntnis verfügt, was hinter der Be-
nutzerschnittstelle – hinter dem Interface der Maschine – vor sich geht, kann kompe-
tent rezipieren und souverän kommunizieren (vgl. Knaus 2017b). Daher gehören zu
einer umfassenden Medienkompetenz ein konzeptionelles Technikverständnis und
mindestens grundlegende Aspekte informatischer Bildung.
Solche Aspekte lassen sich im Rahmen einer Erweiterung bisheriger Inhaltsbe-
reiche von Medienkompetenz und Medienbildung thematisieren. Im Zuge einer ent-
sprechenden Erweiterung sollte beispielsweise eine Auseinandersetzung mit folgen-
den Themenbereichen angestrebt werden (vgl. Tulodziecki 2017a):
ؠMedienlandschaft und ihre digitale Infrastruktur (u. a. Medienarten und Informa-
tiksysteme, Medienangebote und Zugriffsmöglichkeiten, Daten und Information),
ؠGestaltungsmöglichkeiten von Medien (u. a. Zeichen und Bedeutung, mediale Ge-
staltungsmöglichkeiten und Interaktionsformen),
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ؠErzeugung medialer Botschaften (u. a. materiale Einschreibung und Übertragung
als technische Prozesse, Verarbeitung und Bearbeitung von Daten, maschinelle
Generierung medialer Kommunikation),
ؠMedieneinflüsse auf Individuum und Gesellschaft (u. a. Wirklichkeitsvorstellungen,
Emotionen, Verhaltensmuster und Wertorientierungen sowie ihre Bedeutung für
soziale Zusammenhänge),
ؠBedingungen der Medienproduktion und Medienverbreitung (technischer, rechtli-
cher, ökonomischer, institutioneller und gesellschaftlicher Art).
Angesichts aktueller gesellschaftlicher Herausforderungen, die mit der Digitalisie-
rung einhergehen, erfolgt mit Bezug auf mögliche Umsetzungen einer entsprechend
erweiterten Medienbildung zurzeit eine starke Fokussierung auf eine Zusammenar-
beit mit technischen Disziplinen und im Besonderen der Informatik (vgl. u. a. Knaus
2017b). Auch in Anbetracht dieser sehr wichtigen Vernetzungsbemühungen soll aller-
dings nicht aus dem Blick geraten, dass für die Medienbildung weiterhin auch Bezüge
zu anderen Disziplinen Bestand haben. Dazu gehören zum Beispiel sprachliche (auf
der Grundlage eines erweiterten Textbegriffs), sozialwissenschaftliche (im Hinblick
auf Medieneinflüsse und gesellschaftliche Bedingungen der Medienproduktion und
Medienverbreitung) sowie künstlerische Disziplinen, beispielsweise zur ästhetischen
Gestaltung medialer Artefakte (vgl. Tulodziecki et al. 2010). Damit lässt sich auch der
Tatsache Rechnung tragen, dass Bildern und Bewegtbildern (wie Film und Video) un-
ter den Bedingungen von Digitalisierung und technischer Vernetzung nicht nur eine
fortbestehende, sondern als Ausdrucks- und Kommunikationsmittel eine zunehmen-
de Bedeutung zukommt. Die Fähigkeit zur Bild- und Filmkritik beziehungsweise die
Visuelle Bildung sind und bleiben daher eine wichtige medienpädagogische Aufgabe
(vgl. u. a. Knaus 2009; Niesyto 2017a).
These 3: Die erhöhten und erweiterten Anforderungen an Medienkompetenz (als
Zielperspektive) und Medienbildung (als Prozess) bedürfen – im Zusammenhang
mit einer Weiterentwicklung von Konzepten für medienpädagogisches Handeln
in der Praxis – besonderer Anstrengungen für die Entwicklung medienpädago-
gischer Kompetenz in Ausbildung, Studium, Fort- und Weiterbildung für alle pä-
dagogischen Berufe.
Medienpädagogische Kompetenz geht dabei über Medienkompetenz hinaus und
lässt sich allgemein als das Wissen und Können beschreiben, das für pädagogisch
tige – verbunden mit einer berufsethischen Haltung – notwendig ist, um potenti-
ellen Zielgruppen den Erwerb von Medienkompetenz zu ermöglichen. Medienpäd-
agogische Kompetenz setzt demgemäss zunächst eigene Medienkompetenz voraus
und umfasst darüber hinaus die Fähigkeiten, (a) die Bedeutung von Digitalisierung
und Mediatisierung für Kinder, Jugendliche oder Erwachsene im gesellschaftlichen
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Kontext zu erfassen und beim medienpädagogischen Handeln zu berücksichtigen,
(b) Medienangebote für das Lernen und Lehren mit Medien beziehungsweise in di-
gitalen Lernumgebungen zu analysieren und zu bewerten oder selbst zu gestalten
und in lernförderlicher Weise zu verwenden, (c) Erziehungs- und Beratungsaufgaben
im Kontext von Digitalisierung und Mediatisierung wahrzunehmen, (d) Projekte oder
Unterrichtseinheiten zum Lernen über Medien zu planen, durchzuführen und zu eva-
luieren, (e) an der Weiterentwicklung institutioneller Rahmenbedingungen für medi-
enpädagogisches Handeln mitzuwirken (vgl. Tulodziecki 2017b).
Ausbildung, Studium, Fort- und Weiterbildung mit dem Ziel der Entwicklung
medienpädagogischer Kompetenz müssen dabei der Vielfalt medienpädagogischer
Praxis Rechnung tragen. Die Vielfalt betrifft zum einen die pädagogischen Aktivi-
täten selbst, die sich beispielsweise als Informieren und Beraten, als Anregen und
Unterstützen, als Behüten und Gegenwirken, als Unterrichten und Arrangieren, als
Diagnostizieren und Fördern sowie als Evaluieren und Innovieren darstellen können.
Zum anderen bezieht sich die Vielfalt auf die unterschiedlichen Institutionen und
Einrichtungen, in denen sich medienpädagogische Arbeit vollzieht beziehungswei-
se in denen es angebracht wäre, den jeweiligen Zielgruppen medienpädagogische
Angebote zu unterbreiten. So stellt sich medienpädagogische Arbeit in der Schule
beispielsweise anders dar als in der vorschulischen Erziehung oder in der freien Kin-
der- und Jugendarbeit. Mit der medienpädagogischen Praxis in unterschiedlichen
institutionellen Kontexten sind zugleich bestimmte Antinomien (medien-)pädagogi-
schen Handelns verbunden, wie beispielhaft im Spannungsfeld von zielgerichteter
Einwirkung und angestrebter Autonomie des Medienhandelns, von notwendigem
(Jugend-)Schutz und grundsätzlicher Offenheit für eigene mediale Erfahrungen, von
einschränkenden Handlungsbedingungen und pädagogisch Wünschenswertem (vgl.
u. a. Helsper 2004; Hugger 2004; Keiner 2010).
Die Vielfalt medienpädagogischer Praxis bedeutet, dass in Ausbildung, Studium,
Fort- und Weiterbildung neben einem Kern an Inhalten oder Themen jeweils auch
Akzentuierungen im Hinblick auf das angestrebte oder bereits praktizierte medien-
pädagogische Tätigkeitsfeld vorgenommen werden sollten. Damit kann ein wichtiger
Beitrag zur Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung in den unterschiedlichen
Praxisfeldern geleistet werden. Zugleich sollten Ausbildung, Studium, Fort- oder Wei-
terbildung als bedeutsame Schritte auf dem Weg zu einer Professionalisierung medi-
enpädagogischen Handelns konzipiert werden.
Zu bisherigen Qualifizierungsbemühungen und der Notwendigkeit einer Professio-
nalisierung medienpädagogischen Handelns
Die Expertise der Medienpädagoginnen und Medienpädagogen ist heute zunehmend
gefragt. Die Möglichkeiten, eine medienpädagogische Ausbildung zu absolvieren
oder eine akademische Qualifikation zu erlangen sind bislang jedoch begrenzt. Der
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Zugang zu einer beruflichen medienpädagogischen Tätigkeit erfolgt entsprechend
oft nur über Umwege (vgl. u. a. Hugger 2007; Moser 2015). So fällt auch eine Recher-
che zu Studiengängen, die zumindest anteilig eine akademische medienpädago-
gische Ausbildung ermöglichen, ernüchternd aus: Lediglich 51 der 426 deutschen
Hochschulen verfügen über entsprechende Professuren oder Lehrstühle (vgl. DGfE
2017; Statistisches Bundesamt 2017). Die Recherche zeigt auch, dass an den entspre-
chenden Hochschulen nur in wenigen Fällen Medienpädagogik als Hauptfach studiert
werden kann: Meist wird Medienpädagogik als ein Wahl- oder Spezialisierungsbe-
reich mit sehr unterschiedlichen zeitlichen Umfängen innerhalb pädagogischer oder
auch medien- und kommunikationswissenschaftlicher Studiengänge angeboten.
Auch in Studiengängen für ein Lehramt ist medienpädagogisches Wissen nur in sehr
wenigen Bundesländern obligatorisch. Insgesamt muss konstatiert werden, dass die
akademische Qualifizierung von Medienpädagoginnen und Medienpädagogen in den
meisten pädagogischen Studiengängen ein freiwilliges Angebot darstellt, das in Um-
fang und universitärer Einbindung von einschlägigen Lehrstühlen und Professuren
abhängig ist. Insofern muss man davon ausgehen, dass im Studium der Erziehungs-
oder Bildungswissenschaften, der Sozialpädagogik oder eines Lehramts in der Regel
keine hinreichenden medienpädagogischen Kenntnisse erworben werden können.
Angesichts dieser Situation kommt den derzeitigen Bemühungen der Sektion Medi-
enpädagogik der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE), einen
Orientierungsrahmen für medienpädagogische Studienanteile oder ein medienpä-
dagogisches Studium zu erarbeiten, eine grosse Bedeutung zu. Die Überlegungen
knüpfen dabei an Bemühungen um eine Grundbildung Medien für alle pädagogischen
Fachkräfte an (vgl. u. a. KBoM 2011; Imort und Niesyto 2014).
Nicht nur das Angebot an medienpädagogischen Studienmöglichkeiten lässt zu
wünschen übrig – als noch bedenklicher ist die Ausbildungssituation pädagogischer
Fachkräfte einzuschätzen: Selbst wenn öffentlich viel darüber gesprochen wird, wie
wichtig medienpädagogische Frühförderung bereits in der Kita sei, so ist diese in
der Regel doch kein systematischer Bestandteil der Ausbildung (vgl. Friedrichs-Lie-
senkötter und Meister 2016). Auch für weitere Ausbildungsberufe, wie etwa thera-
peutische Berufe (Heilerziehungspflege, Altenpflege, Logopädie oder Ergotherapie),
könnten medienpädagogisches Wissen und Können hilfreiche Ausbildungsinhalte
darstellen, doch eine systematische curriculare Verankerung medienpädagogischer
Inhalte in der Aus- und Fortbildung scheint noch nicht in Sicht zu sein.
Da die Medienpädagogik in den pädagogischen Ausbildungsgängen sowie in der
Lehrendenbildung bisher nur eine geringe systematische Einbindung erfährt, wird
grosse Hoffnung in die Fort- und Weiterbildung gesetzt. Realität ist allerdings, dass
zwar einige medienpädagogische Fort- und Weiterbildungen bei öffentlichen und
privaten Trägern angeboten werden, beispielsweise von Landesmedienanstalten
sowie der GMK (wobei das jährlich stattfindende Forum Kommunikationskultur in
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besonderer Weise dazu dient, aktuelle Fragestellungen zu diskutieren und zu vertie-
fen); vorhandene Angebote sind aber bei Weitem noch nicht flächen- und bedarfs-
deckend. Es fehlen darüber hinaus anerkannte Zertifizierungen und entsprechende
Qualitätssiegel sowie die systematische Weiterentwicklung von Konzepten und de-
ren Evaluation und Verbreitung (vgl. Meister 2017).
Hinzu kommt, dass bisherige Qualifizierungsbemühungen häufig davon ausge-
hen, dass es hinreichend sei, medienpädagogische Kenntnisse, Fertigkeiten sowie
Fähigkeiten zu «vermitteln» und dass diese anschliessend in der Praxis mehr oder
weniger problemlos angewendet werden könnten. Solche Annahmen erweisen sich
jedoch als zu optimistisch. Insgesamt sind bisherige Qualifizierungsbemühungen zu
wenig an den Merkmalen professionellen Handelns orientiert, die es nahelegen, die
Entwicklung von Professionalität unter einer längerfristigen Perspektive zu betrach-
ten und das Theorie-Praxis-Verhältnis weitergehend zu reflektieren.
These 4: Um den unterschiedlichen Ansprüchen von Praxis und Wissenschaft ge-
recht zu werden, sind bisherige Qualifizierungsbemühungen unter einer Profes-
sionalisierungsperspektive weiterzuentwickeln. Professionelles Handeln lässt
sich dabei als Bereitschaft und Fähigkeit zu einem situationsgerechten, wissen-
schaftlich fundierten und verantwortungsbewussten Handeln beschreiben.
Ein solches Handeln setzt voraus: (a) die Verfügung über wissenschaftliche Grundla-
gen für medienpädagogisches Handeln, (b) die Fähigkeit, wissenschaftliche Grund-
lagen fallbezogen mit praktischen Situationen in Beziehung zu setzen, (c) eine for-
schende Grundhaltung, (d) weitere Persönlichkeitseigenschaften, die für die Wahr-
nehmung beruflicher Aufgaben förderlich sind.
Im Kontext professionellen Handelns sollten wissenschaftliche Grundlagen be-
ziehungsweise Fundierungen sowohl theoretische Ansätze als auch empirische Er-
gebnisse und forschungsmethodische Kenntnisse umfassen. Ein fallbezogenes In-
Beziehung-Setzen von wissenschaftlichem Wissen mit praktischen Situationen soll
in besonderer Weise den Strukturen pädagogischen Handelns Rechnung tragen.
Strukturell geht es bei einem wissenschaftlich fundierten pädagogischen Handeln
um ein Spannungsverhältnis zwischen situativen Gegebenheiten und allgemein for-
muliertem Regelwissen. Beides muss bei konkreten pädagogischen Anforderungen
durch Fallverstehen in Verbindung gebracht und zu pädagogisch verantwortlichen
Entscheidungen zusammengeführt werden (vgl. Combe und Helsper 1996). Solche
Dispositionen für professionelles Handeln können nicht in zeitlich eng begrenzten
Phasen der Auseinandersetzung mit medienpädagogischen Themen erreicht wer-
den, sondern erfordern ein Denken in grösseren Zeiträumen.
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These 5: Die Entwicklung von Professionalität muss als längerfristiger biografi-
scher Prozess verstanden werden, wobei mehrere Stufen der Entwicklung unter-
schieden werden können.
Der Professionalisierungsprozess lässt sich nach Ansätzen aus der Expertisefor-
schung als Entwicklung vom Novizen zur Expertin beziehungsweise zum Experten
beschreiben. Der Prozess verläuft demnach über die Zwischenstufe des fortgeschrit-
tenen Anfängers (Advanced Beginner) zur Stufe des kompetenten Handelns (Com-
petent Level of Performance) und von dort über eine weitere Zwischenstufe (Profi-
cient Level), bis der Expertenstatus erreicht wird (vgl. Berliner 1994; Neuweg 1999).
Bei Novizen besteht das Problem darin, dass sie zwar über (kontextfreies) Wissen
verfügen, während des pädagogischen Handelns jedoch kaum freie kognitive Kapa-
zitäten haben, um in Handlungssituationen Analysen vorzunehmen und darauf ba-
sierende Entscheidungen zu treffen. Dies gelingt erst mit zunehmender Erfahrung,
auf deren Basis sich die Stufe des kompetenten Handelns herausbilden kann (wobei
der Kompetenzbegriff in einer etwas weniger umfassenden Weise verwendet wird
als in unseren obigen Ausführungen). Auf der Stufe kompetenten Handelns (ge-
mäss Entwicklungsmodell) können in Reaktion auf aktuelle Ereignisse angemessene
Entscheidungen getroffen werden – gegebenenfalls auch abweichend von der Pla-
nung. Zugleich haben sich situationsangemessene Routinen herausgebildet. Mit der
Weiterentwicklung entsprechender Fähigkeiten kann sich schliesslich eine immer
stärkere situationsspezifische Organisation des Wissens einstellen, verbunden mit
einem fortschreitend schnellen und routinisierten Zugriff darauf. Dies führt auf der
Expertenstufe sowohl vor als auch während einer Handlung und in nachfolgenden
Reflexionen stets zu fallangemessenen und verantwortungsbewussten Analysen und
Entscheidungen in vielfältigen Situationen.
Im Zusammenhang mit entsprechenden Entwicklungen spielen Vorstellungen
zur Verbindung von Theorie und Praxis eine wichtige Rolle.
These 6: Gegenüber vereinfachten Annahmen zur Anwendung von wissenschaftli-
chem Wissen sollten Professionalisierungsbestrebungen im Blick behalten, dass
das Theorie-Praxis-Verhältnis als situationsbezogenes In-Beziehung-Setzen
von vorhandenen Vorstellungen bei Praktikerinnen und Praktikern mit wissen-
schaftlichen Theorien und empirischen Ergebnissen zu konzipieren ist.
Wie einleitend bereits angemerkt, gründen bisherige Qualifizierungsmassnahmen in
Hinblick auf das Theorie-Praxis-Verhältnis häufig auf vereinfachten Annahmen. Sol-
che Vereinfachungen bestehen sowohl bei der so genannten Transfer-Vorstellung, die
durch die Annahme einer einfachen Übertragung von generalisierten theoretischen
Aussagen auf Praxissituationen gekennzeichnet ist, als auch bei der so bezeichneten
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Transformations-Vorstellung, bei der angenommen wird, dass theoretische Aussagen
in Transformationsregeln übersetzt und dann angewendet werden. Beide Modellvor-
stellungen greifen zu kurz: Nur wenn das Theorie-Praxis-Verhältnis (gemäss den Hin-
weisen zu These 4) als fallbezogenes In-Beziehung-Setzen von wissenschaftlichem
Wissen, das heisst von situationsrelevanten Theorien und empirischen Ergebnissen,
mit alltagstheoretischen beziehungsweise subjektiven Deutungen von praktisch Tä-
tigen konzipiert wird, können vereinfachende oder auch inkonsistente Alltagstheo-
rien im Sinne professionellen Handelns verändert werden. Dabei sollte das In-Bezie-
hung-Setzen in den Kontext reflexiver Prozesse bei der Analyse oder der Gestaltung
praktischer Situationen gestellt werden (vgl. u. a. Tulodziecki et al. 2017).
Dies erfordert nicht zuletzt auch Austausch- und Kommunikationsmöglichkei-
ten von Wissenschaft und Praxis, damit wissenschaftliche Erkenntnisse mit Prakti-
kerinnen und Praktikern diskutiert und Erfahrungen aus der medienpädagogischen
Praxis mit wissenschaftlichen Annahmen konfrontiert werden können – so können
Wissenschaft und Praxis gleichermassen profitieren. Diese Überlegungen verweisen
zugleich darauf, wie wichtig es ist, dass gegenwärtig oder zukünftig medienpäda-
gogisch Tätige in ihrem Professionalisierungsprozess die Chance erhalten, sich mit
wissenschaftlichen Aussagen der Medienpädagogik auseinanderzusetzen.
These 7: Angesichts der vielfältigen Herausforderungen durch Mediatisierung
und Digitalisierung und der Notwendigkeit einer Professionalisierung medien-
pädagogischen Handelns in der Praxis muss die Medienpädagogik als Wissen-
schaft und Lehre viel stärker als bisher in der Ausbildung, im Studium sowie in
der Fort- und Weiterbildung aller pädagogischen Berufe vertreten sein.
Soll der zunehmenden gesellschaftlichen Relevanz der Medienpädagogik Rechnung
getragen werden, muss sie an Hochschulen und Universitäten stärker akademisch
verankert werden. Dies stellt eine wichtige Voraussetzung für die erforderliche Prä-
senz der Medienpädagogik im akademischen und bildungspolitischen Diskurs dar.
Gleichwohl erwachsen daraus auch Anforderungen an die Medienpädagogik als Wis-
senschaft und Lehre.
Zu Anforderungen an die Medienpädagogik in Wissenschaft und Lehre
Die medienpädagogische Praxis bedarf einer wissenschaftlichen Fundierung, die
sowohl theoretische Aussagen als auch empirische Ergebnisse und forschungsme-
thodische Grundlagen umfasst. Zugleich sind medienpädagogische Theoriebildung
und Forschung auf Rückbezüge in die Praxis angewiesen, wenn Medienpädagogik als
Wissenschaft und Lehre von der Wirklichkeit erziehungs- und bildungsrelevanter Vor-
gänge mit Medienbezug und für diese Wirklichkeit aufgefasst wird.
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Thomas Knaus, Dorothee M. Meister und Gerhard Tulodziecki www.medienpaed.com > 24.10.2017
Etabliert hat sich die Medienpädagogik seit den 1960er-Jahren als Disziplin inner-
halb der Erziehungswissenschaft, wobei zunächst Fragen des Lehrens und Lernens
mit Medien im Sinne der Mediendidaktik sowie Aspekte der Medienerziehung und
der Mediensozialisation im Mittelpunkt standen. Später etablierten sich Medienkom-
petenz und Medienbildung als Leitperspektiven (vgl. Tulodziecki 2011). Gleichzeitig
wurde die medienpädagogisch relevante Forschung weiterentwickelt und ausdiffe-
renziert, sodass heute verschiedene Forschungsparadigmen (wie empirisch-analy-
tische, hermeneutisch-pragmatische, ideologiekritische und gestaltungsorientierte
Forschung), Forschungsorientierungen (quantitative und qualitative Vorgehenswei-
sen), Forschungsverfahren (beispielsweise Experiment, Erhebung, Evaluation und
Praxisforschung) sowie Forschungstechniken (wie Befragung, Beobachtung, visuelle
Methoden und Inhaltsanalyse) Eingang in die medienpädagogische Forschung ge-
funden haben.
Trotz der deutlichen Zunahme medienpädagogischer Forschung bestehen nicht
zuletzt angesichts der mit dem technologischen Wandel einhergehenden gesell-
schaftlichen Veränderungsprozesse weiterhin erhebliche Forschungsdesiderate
und -bedarfe. Sichtbar werden die Ansätze medienpädagogischer Forschung und
ihre Desiderate beispielsweise im Publikationsprojekt der Fachgruppe Qualitative
Forschung der GMK, das sich zur Aufgabe machte, etablierte sowie innovative An-
sätze und Methoden medienpädagogischer Forschung zu sammeln, Werkstatt- und
Erfahrungsberichte frei zur Verfügung und damit zur Diskussion zu stellen (vgl. For-
schungswerkstatt Medienpädagogik 2017; Knaus 2017; Knaus 2018).
Vor diesem Hintergrund stellt sich für die Medienpädagogik als Wissenschaft im
Kontext der im vorherigen Abschnitt skizzierten Professionalisierungsnotwendigkei-
ten die Frage, wie sie praxiswirksam werden kann.
These 8: Medienpädagogik als Wissenschaft soll neben eigenem (wissenschaft-
lichem) Erkenntnisgewinn Verfügungs- und Orientierungswissen bereitstellen,
das den medienpädagogisch Tätigen zur Reflexion und Gestaltung praktischer
Situationen dienen kann.
Ein entsprechendes Reflexions- und Gestaltungswissen soll sowohl theoretische
und konzeptionelle Aussagen als auch empirische Ergebnisse umfassen (siehe auch
These 4). Damit die Tragweite empirischer Ergebnisse und theoretischer Aussagen
eingeschätzt werden kann, müssen auch auf Seiten der Praktikerinnen und Prak-
tiker forschungsmethodische Kenntnisse entwickelt werden. Diese können und
sollen zugleich der Ausbildung einer forschenden Grundhaltung dienen. Eine for-
schende Grundhaltung ist dadurch gekennzeichnet, dass sowohl die Bedingungen
des Handelns als auch das eigene Handeln selbst kritisch begleitet und evaluiert
werden. Wichtige Persönlichkeitseigenschaften lassen sich unter dem Begriff einer
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berufsethischen Haltung zusammenfassen, die vor allem durch Respekt und Verant-
wortungsbewusstsein für Kinder und Jugendliche oder auch erwachsene Lernende
geprägt sein sollte. Zudem sollte in der Arbeit mit Medien auch die eigene Einstellung
gegenüber Medien reflektiert werden (vgl. u. a. Kommer 2016). Demgemäss ist es aus
der Sicht des Professionalisierungsansatzes wünschenswert, dass sich Medienpäda-
gogik als eine Handlungs- und Reflexionswissenschaft versteht.
Allerdings gibt es in der Medienpädagogik vielfältige Theorieansätze für Reflexio-
nen und Gestaltungen, ohne dass sich ein einheitliches Theoriegebilde oder eine all-
gemein anerkannte Theorie abzeichnet. Zugleich ist die Forschungssituation durch
methodische Vielfalt gekennzeichnet (siehe oben und vgl. Forschungswerkstatt Me-
dienpädagogik 2017). Dabei konkurrieren verschiedene Ansätze mit unterschiedli-
chen Theoriekernen und Forschungsparadigmen miteinander, sodass die Medienpä-
dagogik als Wissenschaft – wie auch andere handlungsorientierte Disziplinen – eine
multiparadigmatische Struktur aufweist (vgl. Kornmesser und Schurz 2014). Konkur-
rierende Ansätze in einer Disziplin können zwar innerwissenschaftlich fruchtbar sein
und zur Weiterentwicklung beitragen, für Praktikerinnen und Praktiker wird dadurch
jedoch der Zugang zu praxisrelevanten wissenschaftlichen Erkenntnissen erschwert.
Insofern ergibt sich das Problem, wissenschaftliche Aussagen der Medienpädagogik
so zu formulieren, dass sie das Potential haben, für die Praxis hilfreich zu werden.
These 9: Eine erste Voraussetzung, damit wissenschaftliche Aussagen – trotz der
paradigmatischen Struktur der Medienpädagogik – Praxisrelevanz erlangen, be-
steht darin, dass wissenschaftliche Erkenntnisse so formuliert werden, dass sie
Anknüpfungspunkte an Alltagstheorien beziehungsweise subjektive Deutungen
von Praktikerinnen und Praktikern bieten.
Man kann davon ausgehen, dass Praktikerinnen und Praktiker bei der Analyse und
Gestaltung medienpädagogisch relevanter Situationen von bestimmten – allerdings
subjektiven beziehungsweise eher alltagstheoretischen – Konstrukten (Begriffen)
ausgehen, mit denen sie (gedankliche) Diagnosen und Erklärungen erstellen sowie
Ziele vor Augen haben und individuelle Strategien zu deren Erreichung entwickeln
(vgl. König und Volmer 2008). Insofern ist es für ein In-Beziehung-Setzen von Theorie
und Praxis hilfreich, wenn wissenschaftliche Erkenntnisse so formuliert werden, dass
sie mit alltagstheoretischen beziehungsweise subjektiven Begriffen, Diagnosen, Er-
klärungen, Zielen und Strategien verbunden werden können. Allerdings bleibt auch
bei Anknüpfungsmöglichkeiten an alltagstheoretische beziehungsweise subjektive
Konstrukte und Vorstellungen die Notwendigkeit, dass Praktikerinnen und Prak-
tiker im Rahmen von Professionalisierungsprozessen die Fähigkeit entwickeln zu
entscheiden, unter welchen Bedingungen welche wissenschaftlichen Erkenntnisse
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sinnvoll mit praktischen Anforderungen in Beziehung gesetzt werden können. Vor
diesem Hintergrund ergibt sich eine weitere Anforderung an die Medienpädagogik.
These 10: Die Medienpädagogik sollte Bemühungen um eine gestaltungsorien-
tierte Forschung verstärken, in der eine praxis- und theoriegeleitete Entwick-
lung von Konzepten für medienpädagogisches Handeln und deren empirische
Evaluation zentral ist.
Im Rahmen einer solchen Forschung wird Gestaltung von Praxis zum zentralen Be-
standteil des Forschungsprozesses. Hierbei lassen sich Wertbezüge medienpädago-
gischen Handelns reflektieren, können Theorieentwicklung und empirische Prüfung
verbunden werden, sowie unterschiedliche methodische Vorgehensweisen zum
Zwecke des Erkenntnisgewinns kombiniert werden. Insgesamt kann es so gelingen,
das Zusammenwirken von Wissenschaft und Praxis zu intensivieren und zu stärken
(vgl. Tulodziecki 2014). Aus einer geeigneten Dokumentation entsprechender Ent-
wicklungen und Evaluationen lassen sich kontextsensible Einsichten gewinnen, wo-
bei Praktikerinnen und Praktiker erkennen können, ob und wie sich die jeweiligen
Erkenntnisse mit eigenen Erfahrungen in Praxissituationen in Verbindung bringen
lassen. Auf diese Weise könnte die medienpädagogische Forschung wichtige Beiträ-
ge zu einem professionellen Handeln leisten und dadurch zur Weiterentwicklung der
medienpädagogischen Praxis beitragen.
Zur Frage von Standards für die medienpädagogische Praxis sowie für Ausbildung,
Studium, Fort- und Weiterbildung
Im Zusammenhang mit internationalen Vergleichsstudien, wie beispielsweise den
PISA-Studien (Programme for International Student Assessment), ist insbesondere
im Schulbereich der Ruf nach Bildungsstandards laut geworden. In der Folgezeit sind
für einige Unterrichtsfächer – zum Beispiel für die Fächer Deutsch, Mathematik und
Englisch – Bildungsstandards formuliert worden. Die Standards sollten dabei vor al-
lem als Orientierung dienen und damit eine Unterstützung für die Evaluation von Ler-
nergebnissen darstellen. Zugleich war mit der Formulierung von Bildungsstandards
ein Bedeutungszuwachs für die betreffenden Fächer verbunden. Damit bestand die
Gefahr, dass andere Bereiche schulischer Arbeit an bildungspolitischer beziehungs-
weise öffentlicher Aufmerksamkeit und – entsprechend auch im Bewusstsein von
Lehrerinnen, Lehrern und Schulleitungen – an Bedeutung verlieren würden.
Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass auch in der Medienpäd-
agogik der Ruf nach Bildungsstandards aufkam. Allerdings war diese Forderung nicht
nur durch die Sorge bedingt, in der bildungspolitischen und innerschulischen Diskus-
sion ins Hintertreffen zu geraten. Auch in der Schule und in der Bildungsverwaltung
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wurde der Ruf nach einer besseren Orientierung zu dem, was in der Medienbildung
erreicht werden soll, stärker (vgl. u. a. Assenmacher 2006; Wagner und Peschke
2006). So gab es auch in der Medienpädagogik bereits Versuche, Bildungsstandards
zu formulieren (vgl. u. a. Moser 2006; Tulodziecki 2007). Dies geschah in der Regel vor
dem Hintergrund einer Abwägung von Problemen, die mit Standards verbunden sein
können, und sinnvollen Funktionen von Standards. Solche Funktionen liegen zum
Beispiel in der Anregung und Unterstützung bei der Entwicklung von Kerncurricula,
bei der Durchführung von Reformen, bei Vorgehensweisen zur Qualifizierung und bei
der Evaluation von Lehr- und Lernprozessen sowie Fördermassnahmen.
These 11: Standards können für die Qualitätsentwicklung von medienpädagogi-
scher Praxis sowie für Professionalisierungsschritte im Rahmen der medienpäd-
agogischen Aus-, Fort- und Weiterbildung wichtige Funktionen für Orientierung
und Reflexion bieten.
Mit der Betonung der Orientierungs- und Reflexionsfunktion von Standards nehmen
wir eine Gegenposition zu Ansätzen ein, bei denen Standards vorwiegend als Mittel
der Output-Kontrolle und -Steuerung angesehen werden. Zugleich sind wir allerdings
der Meinung, dass Standards eine Orientierungs- und Reflexionsfunktion für die Di-
agnose erreichter «Zustände» haben können und sollten. Solche Diagnosen können
beispielsweise im Rahmen von Evaluationen stattfinden. Diagnosen und Evaluati-
onen sollten unseres Erachtens primär der Anregung und Initiierung von (Förder-)
Massnahmen dienen.
Bei der Diskussion um Standards ist generell zu beachten, dass sie auf unter-
schiedliche Bereiche bezogen werden können, wie auf angestrebte Kompetenzni-
veaus, auf geeignete Prozesse, auf Institutionen oder auf Systemregelungen. Dem-
gemäss lässt sich zwischen Bildungsstandards, Prozessstandards, Institutionenstan-
dards und Systemstandards unterscheiden: Bildungsstandards (manchmal auch Per-
sonenstandards genannt) werden als Ausdruck für ein bestimmtes Kompetenzniveau
aufgefasst, das eine Person nach einer bestimmten Phase ihrer (Aus-) Bildung er-
reicht haben sollte. Prozessstandards beschreiben Anforderungen an Lern- und/oder
Lehrprozesse, durch die das Erreichen von Bildungsstandards sichergestellt werden
soll, wie fall- und problemorientiertes Lernen, angeleitetes oder selbstgesteuertes
Lernen. Mit Institutionenstandards werden Anforderungen an Einrichtungen formu-
liert, in denen entsprechende Erziehungs- und Bildungsaufgaben wahrgenommen
werden, wie eine angemessene personale oder technische Ausstattung, curriculare
und organisatorische Bedingungen. Systemstandards beziehen sich auf Regelungen
und Unterstützungen, die mit Blick auf das bildungsadministrative oder bildungspo-
litische System als notwendig erachtet werden, um in den jeweiligen Bildungsinstitu-
tionen die gewünschten Bildungsziele zu erreichen (vgl. Terhart 2002).
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Im Kontext solcher Standards kommt den Bildungsstandards eine besondere Bedeu-
tung zu, weil sie als Orientierungspunkte für alle anderen Standards dienen – geht
es doch darum, bei den jeweiligen Zielgruppen das Erreichen der vorgesehenen Bil-
dungsstandards zu fördern. Anders gesagt: Prozess-, Institutionen- und Systemstan-
dards sollen letztlich dazu beitragen, förderliche Bedingungen für den Erwerb dessen
zu schaffen, was in Bildungsstandards definiert wurde. Vor diesem Hintergrund ist die
Standarddiskussion in der Medienpädagogik insbesondere auf Bildungsstandards
für Medienkompetenz (als Zielperspektive für Kinder, Jugendliche oder Erwachsene)
sowie auf Bildungsstandards für medienpädagogische Kompetenz (als Zielperspek-
tive für die Ausbildung, für das Studium sowie für die Fort- und Weiterbildung von
Medienpädagoginnen, Medienpädagogen und Lehrenden) gerichtet.
These 12: Bildungsstandards sollten auf der Basis von ausdrücklichen Kompe-
tenzmodellen formuliert werden, die sowohl wissenschaftlich fundiert als auch
praxisrelevant sind.
Die Entwicklung von Kompetenzmodellen als Grundlage für Bildungsstandards ist
nicht zuletzt deshalb besonders zu fordern, weil in vorhandenen Ansätzen zum Teil
in mehr oder weniger assoziativ-aneinanderreihender Form Bildungsstandards ohne
hinreichende theoretische Grundlage zusammengestellt werden – wie zuletzt im
Strategiepapier der KMK zur Bildung in der digitalen Welt (vgl. KMK 2016). Ähnliches
geschieht im Übrigen nicht nur in medienpädagogischen Zusammenhängen, son-
dern auch bei der Formulierung anderer Bildungsstandards mit Fachbezug (vgl. u. a.
Keiner 2010; Niesyto 2016). Demgegenüber versucht die Sektion Medienpädagogik
der DGfE zurzeit unter besonderer Berücksichtigung der Professionalisierungspers-
pektive ein theoretisch und praktisch begründetes Kompetenzmodell als künftigen
Orientierungsrahmen für medienpädagogische Studienanteile beziehungsweise ein
medienpädagogisches Studium zu entwickeln.
These 13: Grundsätzlich können und sollten auf allen Ebenen – Personen, Prozes-
se, Institutionen und System – Standards als wünschenswerte „Zustände“ und
Mittel der Orientierung und Reflexion im Sinne von Qualitätsentwicklung und -si-
cherung formuliert werden, wobei der Medienpädagogik als Praxis und als Wis-
senschaft eine Schlüsselposition zukommen sollte.
In der Medienpädagogik liegen nicht nur zu Bildungsstandards gut anknüpfbare
Überlegungen vor (siehe oben), sondern auch zu wünschenswerten Prozessmerk-
malen, institutionellen Bedingungen und Systemregelungen. Allerdings kommen
diese in bildungspolitisch oder bildungsadministrativ gesteuerten Entwicklungen
bisher nur unzureichend zur Geltung (vgl. u. a. KMK 2016). Dies hängt mindestens
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ansatzweise auch mit der multiparadigmatischen Struktur der Medienpädagogik zu-
sammen, die zum einen den Zugang zu wissenschaftlichem Wissen für Praktikerin-
nen und Praktiker erschwert (siehe hierzu die Ausführungen zu These 8) und zum
anderen ausserhalb der Community nicht selten als uneinheitliche Positionen wahr-
genommen wird. Dabei stehen gerade komplexe Diskurse und entsprechend unein-
heitliche Positionen besonders in der Gefahr, (bildungspolitisch oder bildungsad-
ministrativ) missverstanden oder funktionalisiert zu werden (vgl. u. a. Niesyto 2016).
Eine Aufarbeitung des multiparadigmatischen medienpädagogischen Diskurses für
gesellschaftlich relevante Fragen kann vonseiten der Bildungsadministration oder
der Bildungspolitik nicht erwartet werden. Daher erwächst für die Medienpädagogik
die Aufgabe – trotz aller innerwissenschaftlichen Konkurrenz verschiedener Ansätze
–, durch geeignete Verfahren der Konsensfindung wenigstens zu ihren Kernanliegen
gemeinsame Positionen herauszuarbeiten und möglichst verständlich nach aussen
zu kommunizieren und zu vertreten.
Allerdings wird dies zusätzlich dadurch erschwert, dass aktuelle technische Ent-
wicklungen nicht mehr nur aus einer rein erziehungswissenschaftlichen Sichtweise
betrachtet werden können.
These 14: Angesichts der komplexen – nicht zuletzt technisch induzierten – ge-
sellschaftlichen Entwicklungen sollte künftig stärker interdisziplinär und inner-
halb von (internationalen) Netzwerken gearbeitet werden.
Um die sich abzeichnenden Entwicklungen angemessen analysieren, einschätzen
und bewerten zu können, sollen sich Inspiration und Ansätze aus Psychologie, Sozio-
logie, Rechtswissenschaft, Philosophie, Informatik, Medien- und Kommunikations-
wissenschaft sowie aus den Fachdidaktiken als hilfreich und weiterführend erwei-
sen. Den aktuellen Herausforderungen in Erziehung, Bildung und Kultur lässt sich
unseres Erachtens nur in einer konstruktiven Kooperation mit anderen Disziplinen
und im internationalen Diskurs begegnen.
Aus Sicht der medienpädagogischen Praxis sind darüber hinaus nicht nur eine
Vernetzung mit der medienpädagogischen Wissenschaft und weiteren medienpäda-
gogischen Einrichtungen notwendig, sondern auch Kooperationen und Netzwerkar-
beit mit weiteren Akteurinnen und Akteuren aus pädagogischen Handlungsfeldern.
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Thomas Knaus, Dorothee M. Meister und Gerhard Tulodziecki www.medienpaed.com > 24.10.2017
Weiterarbeit
Die genannten Thesen und Überlegungen verweisen darauf, dass es eine wichtige
Aufgabe der Medienpädagogik und damit auch der GMK – als Berufsverband und zen-
trale Schnittstelle für Wissenschaft und Praxis – bleibt, in Anbetracht gegenwärtiger
und zukünftiger Entwicklungen ihre Positionen zur Geltung zu bringen. Das Weiter-
denken in den Workshops des Forums, die Weiterarbeit in den Fachgruppen und die
Diskussionen insgesamt können und sollen zu einer trag- und konsensfähigen Posi-
tionsbestimmung der Medienpädagogik bezüglich Fragen der Qualitätsentwicklung
und Professionalisierung beitragen.
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... Auch der medienpädagogische Diskurs ist im Wesentlichen am kompetenztheoretischen Ansatz von Professionalität orientiert. Unter anderen betonen Knaus, Meister und Tulodziecki (2018), dass für eine adäquate Professionalisierung eine Zielformulierung über Kompetenzstandards wichtig sei und diese als Orientierungs-und Reflexionsfolie genutzt werden könne, nicht aber als Output-Kontrolle und -Steuerung missverstanden werden solle (Knaus, Meister, und Tulodziecki 2018, 38f.). ...
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In diesem Beitrag wird der Blick auf das Handeln im Kontext der Medien- und informatischen Bildung gerichtet. Dafür werden zunächst die nicht-affirmative Erziehungs- und Bildungstheorie Benners (2001) mitsamt den Prinzipien pädagogischen Denkens und Handelns dargelegt Anschliessend werden das professionelle pädagogische Handeln beleuchtet und die Ziele und Zwecke der Medien- und informatischen Bildung betrachtet. Neben den Fachdiskursen in der Medienpädagogik sowie der Informatikdidaktik – und der Zusammenführung der beiden Perspektiven – werden auch die gesellschaftlichen Zieldimensionen beleuchtet. Das dritte Kapitel widmet sich den Prinzipien, Ansätzen sowie Konzepten. Zunächst werden ausserschulische Prinzipien dargelegt, im Anschluss die der Medienpädagogik sowie der Informatikdidaktik. Mit dem pädagogischen Making findet sich ein relativ neuer Ansatz, der im Anschluss beschrieben wird. Das Kapitel endet mit einem Fazit und einer Diskussion der aktuell unterschiedlichen Ziele und Zwecke für Medien- und informatische Bildung vor der nicht-affirmativen Erziehungs- und Bildungstheorie Benners und einer Konkretisierung der Forschungsfragen.
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Ausgehend vom aktuellen Stand der medienpädagogischen Debatte aktualisieren Valentin Dander und Stephan Münte-Goussar klassische Bestände der (theoretischen) Kritik an Kapitalismus und Neoliberalismus. Dabei stehen im Blick auf die Möglichkeiten von «Medienkritik» vor allem die «Kritik der politischen Ökonomie» (Karl Marx) und die «Machtkritik» (Michel Foucault) vor Augen. Im Sinne eines produktiven Schlagabtauschs loten unsere Autoren mithin die Grundlagen einer ideologiekritischen Medienpädagogik angesichts von Marxismus und Poststrukturalismus aus und bereichern damit – in allen Wortbedeutungen – den kritischen Bestand des medienpädagogischen Widerstandes.
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Der Beitrag führt in ein bisher vernachlässigtes Thema in der Medienpädagogik ein: die Frage, was denn eigentlich den Beruf Medienpädagog*in als solchen ausmacht und mit welchen spezifischen Herausforderungen der gegenwärtige Verberuflichungsprozess in der Medienpädagogik verbunden ist. Ausgehend von der derzeit zu beobachtenden Expansion des medienpädagogischen Berufsfeldes werden Merkmale medienpädagogischer Verberuflichung erläutert. Abschlie­ßend werden Schlussfolgerungen für die Weiterentwicklung des Berufsfeldes formuliert.
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Die Funktion dieses Modells besteht darin, einen überfachlichen Orientierungs- und Reflexionsrahmen für Bildungsprozesse im digitalen Wandel bereitzustellen und möglichst alle relevanten Perspektiven daran beteiligter Disziplinen einzubeziehen. Das gemeinsam entwickelte Modell – im Weiteren bezeichnet als Frankfurt-Dreieck, benannt nach dem Ort seiner Entstehung in zwei Expert*innen-Workshops 2017 und 2018 in Frankfurt am Main – basiert auf dem in der sogenannten Dagstuhl-Erklärung enthaltenen Dagstuhl-Dreieck, das 2016 unter Beteiligung von Akteur*innen aus Informatik, Informatikdidaktik, Medienpädagogik, Schulpraxis, Wirtschaft und Bildungspolitik in einem mehrtägigen Workshop auf Schloss Dagstuhl erarbeitet und von einer breiten Öffentlichkeit – entsprechend seiner Intention – insbesondere von Praktiker*innen und Politiker*innen wahrgenommen wurde. Ziel ist es vielmehr, aus den disziplinären Perspektiven von Informatik, Informatikdidaktik, Medienpädagogik und Medienwissenschaft die Phänomene einer digitalen Welt und die daraus resultierenden Erfordernisse für Bildungsprozesse zu beschreiben und dadurch eine gemeinsame Reflexionsbasis zu entwickeln sowie darauf aufbauend – in künftigen Schritten – die notwendigen Kompetenzen für Partizipation in einer digital geprägten Welt zu definieren. Eine Herausforderung im Diskussionsprozess der Autor*innengruppe war, dass es zu wesentlichen Kernbegriffen bislang kein etabliertes Begriffsverständnis gab – schon gar kein zwischen den beteiligten Disziplinen abgestimmtes. So wird beispielsweise „digitale Bildung“ häufig als Schlagwort verwendet (mal mit einem auf das Lehren und Lernen mit digitalen Mitteln eingeschränkten Bildungsverständnis, mal einschließlich informatischer Grundlagen gedacht usw.). Das Adjektiv „digital“ wird in der öffentlichen Diskussion und Berichterstattung oft als ein Synonym für „neuartig“ oder „modern“ verwendet. Dabei beschreibt es ursprünglich die Repräsentation von Daten und indirekt auch Information in einer Weise, die die automatische Verarbeitung mittels Computern ermöglicht, und „Digitalisierung“ damit die Umwandlung analoger in diskrete Werte, was heute im Wesentlichen durch binäre Signale realisiert wird. So ist Digitalisierung eines der drei Grundprinzipien der Informatik neben Automatisierung und Vernetzung, wird aber oft stellvertretend für diese genannt. Mit der Digitalisierung wurde die Voraussetzung für eine universelle Kompatibilität von Daten und Informationen geschaffen und zugleich die Bedingungen für die Integration bislang getrennter Praktiken, sozialer Strukturen und Technologien, was einen nachhaltigen Einfluss auf die tradierten räumlichen und temporären Unterscheidungen sowie soziale Ein- und Ausschließungen hat. Heute wird der Begriff der Digitalisierung in politischen und sozialen Kontexten vor allem zur Beschreibung von aktuellen informatisch und technisch induzierten gesellschaftlichen Transformationsprozessen genutzt.Wir gehen davon aus, dass die Digitalisierung in denheutigen Gesellschaften die Kultur, die Infrastruktur und entsprechend die weitere Technologieentwicklung wesentlich mitprägt und sprechen daher vom digitalen Wandel. Die Teilhabe an politischen, kulturellen und ökonomischen Prozessen innerhalb der Gesellschaft setzt Fähigkeiten im Umgang mit und zur Analyse, Reflexion und Gestaltung von digitalen Artefakten voraus. Erforderlich hierfür ist die Kenntnis der informatischen Grundlagen sowie der medienwissenschaftlichen und erziehungswissenschaftlichen Zugänge und Diskurse. Analog zum Dagstuhl-Dreieck werden im Modell drei Perspektiven ausdifferenziert, die Bildung für und über den digitalen Wandel aufgreifen muss. Diese werden im weiterentwickelten Modell bezeichnet als technologisch-mediale Perspektive, gesellschaftlich-kulturelle Perspektive und Interaktionsperspektive. Diesen Perspektiven sind jeweils die Prozesse Analyse, Reflexion und Gestaltung zugeordnet, die Lernende mit dem Ziel der Befähigung zur Partizipation an der durch Digitalisierung geprägten Welt und am digitalen Wandel jeweils durchlaufen sollen. Zugleich kann eine umfassende Analyse, Reflexion und Gestaltung des digitalen Wandels nur gelingen, wenn alle drei Perspektiven systematisch und sich wiederholend eingenommen werden. Die Mitte des Modells bietet Raum für den jeweiligen Betrachtungsgegenstand der durch Digitalisierung geprägten Welt, also digitale Artefakte wie beispielsweise autonome Fahrzeuge, soziale Netzwerke, Hate Speech und Multitasking und damit in Zusammenhang stehende Phänomene, der dann aus Sicht der drei zuvor benannten Perspektiven und den damit verbundenen Prozessen aufgearbeitet werden soll.Auf Basis dieses Modells sollen künftig Konkretisierungenim Hinblick auf Handlungsfelder wie Schule, außerschulische Bildungskontexte wie Kinder- und Jugendbildung, Kulturelle Bildung und Erwachsenenbildung, Berufsbildung und Hochschule, Lehrer*innenbildung sowie Aus- und Fortbildung von pädagogischen Fachkräften entwickelt werden. Diese können dann in weiteren Schritten im Hinblick auf Kompetenzmodelle und fachdidaktischen- sowie mediendidaktische Fragen und insbesondere die Weiterentwicklung von vorhandenen (Unterrichts-)Konzepten und Empfehlungen der Fachgesellschaften (GI 2008; LKM 2008; GfM 2013; LKM 2015; GI 2016; GfM 2016; DGfE 2017; GMK 2017; GI 2019 usw.) ausgearbeitet werden. Technologisch-mediale Perspektive Ziele der Betrachtung aus einer technologischmediaen Perspektive sind das Hinterfragen und Reflektieren der den Phänomenen und Artefakten der durch Digitalisierung geprägten Welt zugrundeliegenden Strukturen und deren Funktionsweisen sowie eine Befähigung zur (Mit-)Gestaltung solcherArtefakte und Phänomene. Dazu erfolgt eine Auseinandersetzung mit konzeptionellen Fragen, insbesondere mit informatischen und medialen Funktionsprinzipien digitaler Systeme, mit den zu deren Erstellung verwendeten informatischen und medialen Strukturierungs- und Gestaltungsmitteln und -formen, den sich durch sie ergebenden technischen Analyse- und Verarbeitungsmöglichkeiten sowie den an der „Oberfläche“ meist nicht sichtbaren kulturellen, politischen oder persönlichen Einschreibungen.In dieser Perspektive werden damit zwei Aspekte verknüpft, die untrennbar miteinander verbunden sind: - Unter Anwendung langlebiger Informatik-Konzepte werden aus informatischer Sicht die Funktionsweise von digitalen Artefakten, die die digitale vernetzte Welt ausmachen, sowie damit in Zusammenhang stehende Phänomene hinterfragt und bewertet. Zugrundeliegende Funktionsprinzipien und Strukturen der digitalen Artefakte werden analysiert und aufgedeckt und damit Möglichkeiten zur Gestaltung und Erweiterung der Funktion digitaler Systeme unter Berücksichtigung von informatischen Problemlösestrategien und -methoden einerseits, aber auch zu einem reflektierten Umgang mit digitalen Systemen andererseits angelegt. Die Basis hierfür bilden theoretische und praktische Grundlagen der Informatik insbesondere in den Bereichen Digitalisierung, Automatisierung und Vernetzung und deren Anwendung auf aktuelle und gesellschaftlich relevante Themen (wie z. B. Big Data oder Künstliche Intelligenz) sowie Aussagen zu den praktischen und theoretischen Grenzen von Berechenbarkeit bzw. Automatisierung. Hinzu kommen Konzepte zur Kommunikation informatischer Systeme untereinander (z. B. Netzwerke, Protokolle, Verschlüsselung), Priorisierungen darin (insbes. Netzneutralität) sowie systematische Vorgehensmodelle zur Erstellung von digitalen Artefakten und Systemen. - Durch informatische Modellierung von Ausschnitten der Welt mit entsprechenden Mitteln und Werkzeugen sowie geprägt durch kulturelle Einschreibungen und die persönliche Perspektive von Entwickler*innen (z. B. Auswahl von Trainingsdaten für KI, normative Algorithmen ohne Legitimierung von Entwicklern*innen), entstehen digitale Artefakte. Diese beeinflussen als soziotechnische Informatiksysteme mit charakteristischen Eigenschaften, Ästhetiken, Formen und Grenzen die menschliche Wahrnehmung und bedürfen daher auch einer Auseinandersetzung aus medialer Sicht. Von den Entwickler*innen und/oder den Auftraggeber*innen wird explizit und mitunter auch interessengeleitet, unreflektiert oder aufgrund kultureller Konventionen festgelegt, was sichtbar oder wahrnehmbar ist, wie auch, was in den Hintergrund tritt. Hierdurch wird die mit solchen Systemen mögliche Interaktion und insbesondere das Repertoire kultureller Ausdrucks- und Kommunikationsmöglichkeiten bestimmt. Mit diesen charakteristischen Prägungenschreibt sich die Technologie mittels ihrer Artefakte, aber auch deren Geschichte und Genese, in die durch sie ermöglichten kulturellen und sozialen Formen ein: In ihnen sind Sozialstrukturen angelegt, in ihnen ist festgeschrieben, was in welcher Weise archiviert, was vergessen und ignoriert wird sowie was historisches Gewicht verliehen bekommt. Darüber hinaus legen verwendete Technologien erforderliche Kompetenzen für ihre Nutzung fest. Umgekehrt kann die Reflexion und Kenntnis von solchen Determinationsverhältnissen in die Konstruktion von digitalen Artefakten einfließen, was zu einem dynamischen souveränen Umgang mit Technologien befähigen würde. Es ist daher unerlässlich, die Strukturen, Funktionen und Funktionsweisen von digitalen (Medien-)Systemen aus informatischer und medialer Sicht analysieren, reflektieren und (mit-)gestalten und diese Sichten aufeinander beziehen zu können. Solcherart fundiertes und verknüpftes Informatik- und Medienwissen erklärt technologische und mediale Phänomene mit langlebigen Konzepten und schafft zusammen mit der Entwicklung grundlegender Problemlösestrategien die Basis für die reflektierte Teilhabe an einer digital geprägten Welt. Gesellschaftlich-kulturelle Perspektive Der digitale Wandel prägt die sozialen Kommunikations- und Interaktionsbedingungen sowie die politische Organisation von Gesellschaften. Er bildet dabei nicht zuletzt auch einen kulturellen Möglichkeitsraum, der von Gesellschaften genutzt und gestaltet werden kann. Dasselbe gilt auch für die ökonomische Reproduktion von Gesellschaften. Es werden beispielsweise neue Arbeitsbedingungen, Produktionsmethoden und Austauschbedingungen entwickelt. Dadurch verändern sich die gesellschaftlichen Rollen von Akteur*innen sowie die Dynamiken gesellschaftlicher Entwicklung. Gesellschaften entwerfen Normen und Regeln für die Verwendung und den Einsatz von Technologien und Techniken, die die konkrete Bedeutung und den Einfluss von digitaler Technik strukturieren. So werden in gesellschaftlichen Aushandlungsprozessen die Bedingungen von Privatheit und Öffentlichkeit festgelegt, es werden Interaktionsmöglichkeiten geschaffen oder aber begrenzt und es wird der Zugang zu technischen Systemen geregelt. Gesellschaften prägen Bildungsinstitutionen und regulieren durch Bildungsangebote für den Erwerb entsprechender Kompetenzen das Verständnis für und die gesellschaftliche Nutzung von digitalen Technologien und Techniken. Der Grad der gesellschaftlichen Durchdringung mit Technologien und auch deren soziale Rolle wird daher wesentlich vom Bildungssystem bestimmt. Dabei bestimmt der Grad der Enkulturation digitaler Technologien und Techniken auch die Rolle einer digitalen Kultur in der Gesellschaft und deren Verhältnis zu analogen kulturellen Artefakten. Aus gesellschaftlich-kultureller Perspektive werden deshalb Wechselwirkungen zwischen Individuen, Gesellschaft und digitalen Systemen vor dem Hintergrund der Medialisierung und des digitalen Wandels analysiert und reflektiert. Im Vordergrund stehen die Veränderungen, denen Individuen und Gesellschaft unterworfen werden, sowie eine Analyse und Bewertung von Chancen und Problemen, die sich durch den digitalen Wandel ergeben. Das betrifft beispielsweise sich durch digitalisierungsbezogene Kompetenzen eröffnende Möglichkeiten für wirtschaftliches, ökologisches, nachhaltiges und politisches Handeln und die damit einhergehende Verantwortung einerseits sowie die sich durch Nutzung digitaler Systeme ergebenden Datenspuren der*des Einzelnen im Netz und die damit verbundenen Profilbildungen für kommerzielle oder ideologische Zwecke andererseits. Zudem werden unter den Bedingungen digitaler Infrastrukturen das Erkennen und die Bewertung medialer Einflüsse sowie die aktive Teilhabe an gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklungen voraussetzungsreicher. Sie erfordern Hintergrundwissen und spezifischeKompetenzen, wie beispielsweise das Beurteilen von Information oder die Entwicklung eigener Standpunkte. Hierbei lassen sich widersprüchliche Tendenzen feststellen: Die erhöhten Partizipationsmöglichkeiten steigern den potentiellen Einfluss von Individuen, wohingegen die wachsende Komplexität einer digital gewandelten/beeinflussten Kultur und die Geschlossenheit autonomer und/oder selbstlernender Systeme den individuellen und gesellschaftlichen Ein- und Zugriff wiederum erschweren. Dadurch stellt sich die Frage nach einer Mitgestaltung von „digitaler“ Kultur und ihrer Enkulturation grundlegend neu. Zugleich können in der digitalen Welt mittels digitaler Technologien (neue) soziale Ungleichheiten produziert beziehungsweise verfestigt werden, so dass auch Fragen sozialer Gerechtigkeit und sozialen Ausgleichs neu reflektiert werden müssen. Ein weiterer Aspekt ist die historische und die damit einhergehende politische Entwicklung von Informations- und Kommunikationstechniken. Dazu muss analysiert werden, welche Normen und Regeln in mediengestützten sozialen Prozessen wirksam sind, wie und von wem sie ausgestaltet werden und welche Machtstrukturen hier eingeschrieben sind. Konkret sind beispielsweise Fragen der Netzneutralität in den Blick zu nehmen – auch im Hinblick der Entstehung des Internets und seiner Dynamiken vor dem Hintergrund historischer Prozesse. Dazu gehören auch ökonomische Implikationen digitaler Technologien und Techniken. So müssen Fragen wie die von Nutzung versus Besitz, die des Eigentums an Daten, die von Persönlichkeitsrechten, die der Mündigkeit der verschiedenen Akteur*innen, die der informationellen Selbstbestimmung sowie die eines zivilen Ungehorsams gegenüber immer autonomer werdenden technischen Systemen und die der gesellschaftlichen Teilhabe gerade auch aus einer ethischen Perspektive analysiert werden. Digitale Artefakte beeinflussen als soziotechnische Informatiksysteme auch die menschliche Wahrnehmung. Interaktionsperspektive Im Fokus der Interaktionsperspektive stehen die Menschen, zentral sind die Fragen, wie sie vor dem Hintergrund der technologisch-medialen und gesellschaftlich-kulturellen Voraussetzungen welche digitalen Medien und Systeme warum und wozu nutzen, inwiefern sie am digitalen Wandel teilhaben und ihn mitgestalten (können) sowie wie sie sich als handlungsfähige Subjekte konstituieren (vgl. auch Medienaneignung). Dabei sind die Aspekte Nutzung, Handlung und Subjektivierung zentral. Unter Nutzung ist die funktionale Anwendung von digitalen Medien und Systemen beispielsweise für rezeptive, gestalterische, kommunikative, problemlösende und organisatorische Zwecke gefasst. Diese Nutzungsoptionen, die von Einzelnen oder Gruppen von Personen wahrgenommen, selektiert und ggf. auch verändert werden, beziehen sich auf digitale Artefakte und die von ihnen eröffneten Möglichkeiten. Im Rahmen von Handlungen werden diese Nutzungsoptionen in unterschiedliche soziale Praktiken integriert. Dabei werden kulturell tradierte Interaktions- und Kommunikationsformen sowohl aufgenommen als auch transformiert. Eine bewusste Aneignung dieser Nutzungsoptionen setzt stets bestimmte Handlungsmotive wie auch die Reflexion und Analyse der technologischen und medialen Funktionsprinzipien und Potentialesowie rahmender soziokultureller Praktiken voraus – dies gilt gleichermaßen für den Einsatz von Bildungsmedien, Lehr- und Lerntechniken. Auf dieser Grundlage lassen sich die Gestaltungspotentiale digitaler Artefakte realisieren. Derartige Handlungsoptionen bilden auch den Horizont für die individuelle Kompetenzentwicklung. Mit Subjektivierung ist schließlich darauf verwiesen, dass im Zusammenwirken von digitalen Medien und Systemen sowie menschlichem Handeln auch die Identitätsbildung und -entwicklung angelegt, ermöglicht oder auch behindert werden können. Dies betrifft mehrere Ebenen: Konkret sind damit erstens Formen der Selbstthematisierung gemeint, die in und über digitale Medien und Systeme ermöglicht und nahegelegt werden. So sind beispielsweise in Interfaces von sozialen Netzwerken bestimmte Handlungsaufforderungen eingeschrieben, wie man sich in und über diese Dienste zeigen und darin agieren soll und sich zugleich damit selbst konstituiert. Aus der Interaktionsperspektive betrachtet, interessiert, welches Menschenbild durch diese Formen möglicher Selbstthematisierung konstituiert wird. Zweitens wird abstrakter auch die Frage gestellt, wie und vor dem Hintergrund welcher kulturellen Einschreibungen Subjekte in den jeweiligen Medien repräsentiert und adressiert sind, beispielsweise in Form von Interessenprofilen in Empfehlungs- und Filtersystemen oder auf Ebene von Interfaces und Interaktionsmöglichkeiten. Drittens sind beispielsweise im Angesicht von Data Analytics und Künstlicher Intelligenz traditionell auf Subjekte bezogene Konzepte wie Autonomie und Authentizität auch auf technologisch- medialer Ebene in den Blick zu nehmen. Reflektiert werden soll aus der Interaktionsperspektive, wie und warum digitale Medien und Systeme als Werkzeuge jeweils für konkrete Vorhaben ausgewählt und genutzt werden. Dies erfordert eine Orientierung hinsichtlich der vorhandenen Möglichkeiten und Funktionsumfänge gängiger Werkzeuge in der jeweiligen Anwendungsdomäne sowie deren sichere Handhabung, aber auch die Kenntnis ökonomischer, gesellschaftlicher und politischer Interessen, welche Anbietende von digitalen Werkzeugen vertreten. Mit dem eigenen Handeln stellt sich so auch immer die Frage, welche anderen Handlungsoptionen individuell und sozial wünschenswert und realisierbar wären. Gleichzeitig ist aus dieser Perspektive immer auch zu reflektieren, welche Subjektpositionen technologisch-medial und kulturell angelegt sind, wie Subjekte sich in diesem Rahmen konstituieren und inwiefern sich Subjektivität angesichts digitaler autonomer Systeme transformiert. Anschlüsse Die drei Seiten des Frankfurt-Dreiecks beschreibenjeweils unterschiedliche Perspektiven für die Analyse, Reflexion und Gestaltung von Artefakten und Phänomenen einer durch digitale Medien und Systeme geprägten Welt. Dies schließt jeweils unterschiedliche Zugänge zur Erklärung der digitalen Artefakte und damit verbundener Phänomene ein. Das (theoretisch-konzeptionelle) Modell bietet eine begriffliche und strukturelle Grundlage, um an die Diskurse der Disziplinen Informatik, Informatikdidaktik, Medienpädagogik und Medienwissenschaft anschließen zu können, in einen produktiven interdisziplinären Austausch einzutreten und eigene anschlussfähige Theoriebildung zur Ausdifferenzierung und Konkretisierung voranzutreiben.Für Bildungskonzepte, die digitale Medien und Systeme einschließlich der damit verbundenen Phänomene und ihrer Grundlagen adressieren und zur Teilhabe an der durch sie geprägten Welt befähigen sollen, ergibt sich aus dem Frankfurt-Dreieck die Maßgabe, dass sowohl die technologischen und medialen Strukturen und Funktionen, als auch die gesellschaftlich-kulturellen Wechselwirkungen sowie die Nutzungs-, Handlung- und Subjektivierungsweisen in Interaktionen mit digitalen Medien und Systemeneinzubeziehen sind. Das übergeordnete Ziel muss dabei sein, digitale Artefakte und mit ihnen verbundene Phänomene im Zusammenspiel dieser drei Perspektiven analysieren, reflektieren, gestalten und damit erklären und beurteilen zu können.Vor dem Hintergrund derartiger Bildungskonzepte gilt es im Austausch mit Bildungspolitik und -praxis konkrete Kompetenzanforderungen weiterzuentwickeln und im Zusammenwirken informatischer, informatikdidaktischer, medienwissenschaftlicher und medienpädagogischer Expertise (fach-)didaktische Szenarien und Lernmaterialien zu entwickeln, die den Auf- und Ausbau dieser Kompetenzen in Bildungseinrichtungen ermöglichen. Dieses Rahmenmodell kann dabei für alle Praxis- und Handlungsfelder in Bildungskontexten und pädagogischer Arbeit adaptiert werden: für die allgemeinbildende Schule, für die Hochschule, die Lehrer*innenbildung wie auch für außerschulische Bildungskontexte, wie die Kinder- und Jugendarbeit und Erwachsenenbildung.Perspektivisch ergibt sich so ein umfassender, wissenschaftlich fundierter und interdisziplinär getragener Katalog von Zielstellungen und Maßnahmen für Bildungskonzepte in einer durch digitale Medien und Systeme geprägten Welt. Anmerkung1 Dieser Text erscheint zeitgleich in Publikationsorganen der beteiligten Fachgesellschaften: merz 4/19 und MedienPaedagogik.com, Medienimpulse 58/19, Informatik und Schule INFOS 2019 sowie den Webseiten der Gesellschaft für Informatik e. V. und ist daher den institutionsinternen Standards zur geschlechtergerechten Sprache untergeordnet. Autor*innen: Prof. Dr. Torsten Brinda (U Duisburg-Essen, D), Dr. Niels Brüggen (JFF, München, D), Prof. Dr. Ira Diethelm (U Oldenburg, D), Prof. Dr. Thomas Knaus (PH Ludwigsburg, D | Frankfurt UAS, D | GMK), Prof. Dr. Sven Kommer (RWTH, Aachen, D | KBoM), Christine Kopf (DFF, Frankfurt, D), Ass.-Prof. Dr. Petra Missomelius (U Innsbruck, A | KBoM), Prof. Dr. Rainer Leschke (U Siegen, D), Prof. Friederike Tilemann (PH Zürich, CH), Dr. Andreas Weich (HBK Braunschweig, D | TU Braunschweig, D)
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Die Arbeit beschäftigt sich mit Angeboten im Feld der Medien- und informatischen Bildung für Kinder im mittleren Kindesalter, wobei der Fokus auf den Strategien und Rahmenbedingungen der Bildungspraktiker:innen liegt. Im ersten Teil der Arbeit wird die Sozialisation der Kinder heutzutage betrachtet. Neben der Sozialisationstheorie werden die Metaprozesse der Mediatisierung, der Individualisierung sowie der Globalisierung und die Auswirkungen auf die kindliche Sozialisation dargelegt. Im Anschluss wird der Medienumgang vor den Spezifika des mittleren Kindesalters analysiert, indem Medienaneignungs- und Entwicklungsprozesse, Befunde zur Mediennutzung sowie die Diskurse zu Risiken und Chancen hinsichtlich der kindlichen Mediennutzung ausgeführt werden. Die Selbstverständlichkeit der Medien und digitalen Artefakten in den Lebenswelten der Kinder zeichnet Kindheit heutzutage aus. Damit einhergehend steigen die Erwartungen an alle Mitglieder der Gesellschaft, mit dem gesellschaftlichen Wandel und den damit verbundenen Phänomenen umzugehen. Bildung gilt als Schlüssel zur gesellschaftlichen Teilhabe und so ist es nicht verwunderlich, dass der Bildung die Aufgabe zukommt, auf die Anforderungen zunehmender Digitalisierung zu reagieren. Dargestellt werden im dritten Kapitel die disparaten Vorstellungen der verschiedenen gesellschaftlichen Akteur:innen darüber, wie eine entwicklungsgemässe Bildung in der digitalen Welt ausgestaltet sein könnte. Aus allgemeiner erziehungswissenschaftlicher Perspektive ist im dritten Kapitel ein theoretischer Analyserahmen erarbeitet worden, der das erziehungswissenschaftliche Verständnis des pädagogischen Handelns nach Benner (2001) zugrunde legt und es ermöglicht, Zielbestimmungen unter pädagogischen Gesichtspunkten zu analysieren. Es fehlt an empirischen Erkenntnissen, welchen Schwerpunkt die ausserschulische pädagogische Praxis für Kinder im mittleren Kindesalter legt und welchen Zielstellungen sie folgt. Auch sind die Bedingungen sowie die Strukturen, unter denen das pädagogische Handeln stattfindet, nicht bekannt. Um diese Forschungslücke zu schliessen, wurden mit 31 Bildungspraktiker:innen leitfadengestützte Interviews geführt. Die erhaltenen Daten wurden zunächst mittels der inhaltlich strukturierenden, qualitativen Inhaltsanalyse (angelehnt an Kuckartz 2018) unter Verwendung einer Kombination aus induktiv und deduktiv gebildeten Kategorien ausgewertet. Zur weiteren Auswertung der systematisierten Daten fand eine Typenbildung statt, wobei mit dem Konzept des Merkmalsraums und mit einem mehrschrittigen Reduktionsverfahren eine Typologie mit sechs Typen gebildet wurden. Die teilformalisierten Aktivitäten im Feld der Medien- und informatischen Bildung umfassen sowohl präventive und erzieherische Massnahmen wie auch Bildungsangebote, die Kinder für ihre Entwicklung nutzen können, die mit oder ohne Medieneinsatz umgesetzt werden. Sowohl im pädagogischen Fachdiskurs als auch beim Grossteil der untersuchten teilformalisierten Aktivitäten wird neben den Gestaltungs- auch auf die Reflexions- bzw. Analysefähigkeiten der Kinder gezielt. Es zeigen sich unterschiedliche Strategien im Feld der Medien- und informatischen Bildung, in denen durch das Zusammenspiel der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und der pädagogischen Praxis Spannungsfelder und Herausforderungen zum Vorschein kommen.
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In diesem Beitrag wird der Frage nach den Rahmenbedingungen und dem Handeln im Feld der Medien- und informatischen Bildung mit Kindern im mittleren Kindesalter nachgegangen. Dafür wird zunächst der Blick geweitet, indem die Sozialisation der Kinder heutzutage betrachtet wird. Aufbauend auf der Darlegung des interaktionistischen Verständnisses von Sozialisation als lebensbegleitender Vorgang, in dem die Subjekte als aktive Konstrukteure der Sozialisation definiert werden, wird zum einen auf die Bedeutung von Medien im Sozialisationsprozess und zum anderen auf die zentralen Sozialisationsinstanzen von Kindern im mittleren Kindesalter eingegangen. Dass auch Kinder als soziale und kompetente Akteur:innen betrachtet werden, stellt eine relativ neue Entwicklung dar. Diese wird zu Beginn des zweiten Kapitels ‹Gesellschaftlicher Wandel› ausgeführt. Im Anschluss werden aktuelle Spezifika kindlicher Sozialisation herausgearbeitet und Veränderungsprozesse in der Gesellschaft dargelegt. Es werden die Metaprozesse der tiefgreifenden Mediatisierung, der Individualisierung sowie der Globalisierung und den Auswirkungen auf die Sozialisation dargelegt. Das anschliessende Kapitel richtet den Blick explizit auf Kinder im mittleren Kindesalter und stellt neben dem Medienaneignungsprozess und den Mediennutzungsmotiven auch den Entwicklungsprozess sowie aktuelle Befunde zur kindlichen Mediennutzung dar. Das Kapitel wird mit einer Darstellung der Chancen und Risiken der Mediennutzung abgeschlossen. Das letzte Kapitel richtet den Blick auf die Medien- und informatische Bildung von Kindern im mittleren Kindesalter. Nach einer Begriffsklärung zu ›Medienbildung› und ‚informatische Bildung› werden unterschiedliche Aktivitäten der Medien- und informatischen Bildung ausgeführt. Dabei wird zwischen formalisierten, nicht formalisierten sowie teilformalisierten Aktivitäten unterschieden. Zuletzt wird das Kapitel mit einem Fazit abgerundet.
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Digitale Kompetenzmodelle unterliegen regelmässigen Updates und Erweiterungen im Zuge der technologischen Entwicklungen. Viele beziehen sich weiterhin auf ursprüngliche Modelle der Medienpädagogik und doch scheinen vor dem Hintergrund einer Kultur der Digitalität einige Leerstellen noch wenig ausgeleuchtet: Werden digitale Kompetenzmodelle mit den Ideen zur Kultur der Digitalität (Stalder 2016) verbunden, so drängen drei Dimensionen ins Blickfeld, die in bisherigen Kompetenzmodellen zu fehlen scheinen. Wie und wo diese drei Dimensionen «Transformation», «Haltung» und «Gleichzeitigkeit» eingebunden werden können, um möglichst grossen Nutzen für die Medienkompetenzdebatte zu entfalten, aber auch, wie Menschen die mit diesen Dimensionen verbundenen übergreifenden und wenig fassbaren Kompetenzen herausbilden könnten, wird ins Zentrum des Beitrags gestellt. Dabei wird deutlich, dass alle drei Dimensionen als basale Grundfolien dienen können, um aus dieser Perspektive die Herausbildung von Kompetenzen für eine zeitgleich analoge und digitale Lebenswelt zu ermöglichen. In diesem Kontext erhalten die Bestimmung, Entwicklung und Verinnerlichung der individuellen Werte für das eigene Leben im Zuge eines lebenslangen Lernens eine wesentliche Rolle.
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Die vorliegende Studie ermittelt durch Clusterung Überzeugungsmuster zukünftiger Lehrpersonen (N = 504) zum Einsatz digitaler Medien im Unterricht. Übergreifend sind positive Überzeugungen zum Medieneinsatz geringer ausgeprägt. Negative erfahren mehr Zustimmung, fallen allerdings zwischen den Mustern divergenter aus. 40 % der Studierenden schätzen den Nutzen für die Unterrichtsentwicklung sowie Motivation und Förderung von Schüler:innen (noch) verhalten positiv ein. Dem stehen zwei Gruppen zukünftiger Lehrpersonen entgegen, deren Überzeugungen zu Überforderung, Zweifeln an der Förderung der ‹richtigen› Kompetenzen und gesundheitlichen Gefährdungen durch digitale Medien stärker ausgeprägt sind. Etwa ein Fünftel von ihnen stimmt solchen negativen Überzeugungen besonders zu. Die Muster und daraus folgende Implikationen werden hinsichtlich der schwierigen Veränderbarkeit von Überzeugungen diskutiert.
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In dem Beitrag geht es zunächst um die Fragen, in welchen Zusammenhängen die Begriffe Medienpädagogik, Medienerziehung, Mediendidaktik, Medienkompetenz und Medienbildung entstanden sind, in welchem Verhältnis sie zueinander stehen und mit welchem Verständnis sie im Laufe der Entwicklung verwendet wurden. Damit soll ein vertieftes Verständnis der Begriffe und ihrer Bedeutung für die pädagogische Auseinandersetzung mit Medien erreicht werden. Zugleich lassen sich so unterschiedliche Auffassungen zum jeweiligen Begriffsinhalt einordnen bzw. aufklären. Vor diesem Hintergrund werden Empfehlungen zur zukünftigen Begriffsverwendung und zu einer möglichen Strukturierung der Medienpädagogik formuliert.
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Mit Blick auf aktuelle technische und gesellschaftliche Entwicklungen sowie die historischen Wurzeln der Medienpädagogik wird in diesem Beitrag eine Metapher vorgeschlagen, die die Rolle der Disziplin in der nächsten Gesellschaft (Baecker 2007) beschreibt – einer Gesellschaft, die durch digitaltechnikinduzierte Entgrenzungen und Neu-Vernetzungen beeinflusst ist. Den Ausgangspunkt theoretisch-konzeptioneller Überlegungen bildet das Sozialisationskonzept, aus dem die Medienpädagogik bereits Anleihen machte. Die gegenwärtigen Entwicklungen um die Spezifika des Digitalen werfen jedoch neue Fragen auf, die eine Re-Vision des Konzepts nahelegen: Zentral wird dabei die Frage sein, welchen Anteil Medien in einer «digitalen» und «vernetzen» Welt am «Prozess der dynamischen und produktiven Verarbeitung von Realität» (Hurrelmann 2006, 28) haben. Auslöser von Konstruktionsprozessen sind nicht nur andere Menschen, sondern auch deren mediale Artefakte – Dinge, die Individuen kommunikativ vernetzen und die zunehmend mittels digitaler Werkzeuge erstellt, gestaltet und manipuliert werden. Hierdurch beeinflusst das medienschaffende Subjekt die Prozesse der Realitätsverarbeitung und -konstruktion seines sozialen Umfeldes – zumal nicht nur das Medium selbst gestaltbar ist, sondern auch die digitalen Werkzeuge. Aufgrund ihrer Programmierbarkeit, Adaptivität und Konvergenz werden sie selbst zu Kommunikationsmedien. Besondere Aufmerksamkeit gilt also der Kommunikation zwischen Menschen sowie der Kommunikation zwischen Menschen und Dingen – der symbolischen Mensch-Maschine-Interaktion. Diese Erkenntnisse liefern Einsichten über das Lernen mit und über Medien, die einer Weiterentwicklung der schulischen Medienpraxis mit dem Ziel der Förderung «Digitaler Bildung» als Grundlage dienen. Sie verweisen zugleich auf das Desiderat einer zuständigkeitsklärenden interdisziplinären Vernetzung der Medienpädagogik mit technisch-gestalterischen Disziplinen wie der Informatik.
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Informatische Bildung zum Verstehen und Gestalten der digitalen Welt. Digital ist nicht nur ein omnipräsenter Hashtag, sondern bezeichnet technische Entwicklungen, die in hohem Maße subjekt- und gesellschaftsprägend sind. Diese sozialisatorische Relevanz des Digitalen wird im vorliegenden Beitrag anhand von fünf Thesen exemplarisch aufgezeigt: So beeinflussen digitale Medien unsere Wahrnehmung und damit die produktive Verarbeitung von Wirklichkeit. Aufgrund der ständigen Verfügbarkeit (mobiler) digitaler Medien und technischer Netze umgeben uns auch unsere sozialen Netzwerke permanent, was neue Formen sozialer Eingebundenheit ermöglicht. Da wir mit digitalen Medien nicht nur Umwelt wahrnehmen, sondern zunehmend auch selbst Realität in Form von digitalen Artefakten erzeugen, werden Realitätskonstruktionen unmittelbar erlebbar. Hiervon kann die Entwicklung von Subjekt und Gesellschaft nicht unbeeindruckt bleiben – denn digitale Medien und Werkzeuge sind inzwischen allgegenwärtig und entwickeln sich aufgrund ihrer neuen sozialen Bedeutung zunehmend vom Interface zum kommunizierenden Gegenüber. Auslöser von subjekt- und gesellschaftskonstituierenden Konstruktionsprozessen sind also nicht nur andere Menschen, sondern auch deren mediale Artefakte – Dinge, die mittels digitaler Werkzeuge produziert und manipuliert werden und Individuen in zunehmendem Maße kommunikativ vernetzen. Digitale Medien sollten sowohl als Mittel als auch als Gegenstand einen zentralen Platz im schulischen Unterricht einnehmen, da Medienbildung auf die Bildung des Subjekts zielt und das mediengebildete Subjekt künftig Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe sein wird. Da Prozesse hinter dem Interface der Maschine für Menschen nicht (mehr) unmittelbar durchschaubar sind, ist gleichermaßen auch eine Sensibilisierung für digitale Technik desiderat, die sich hinter den Medien befindet. Hieraus erwächst die Verantwortung, Medienbildung und informatische Bildung gemeinsam zu gestalten.
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Media criticism has always been a pivotal task of media education. The assumption is that media education has a need to catch up in regard to a critical analysis of media and society. After looking back at the historical development of media education it is found, why it is necessary to strengthen a socio- and media-critical perspective. In addition, the topic of ‹digital capitalism› is discussed by outlining selected papers from different scientific perspectives and by working out important structural principles of those. The conclusive part addresses the social responsibility of media education: either to become a training and repair company of ‹digital capitalism› (for digital technologies and their ‹side effects›) or to understand itself as a critical-reflexive support to media- related educational and learning processes.
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Hauptaufgaben von Unterricht sind die Anregung und Unterstützung von Lern- und Entwicklungsprozessen. Diese sollen im Sinne von Chancengerechtigkeit darauf gerichtet sein, allen Kindern und Jugendlichen ein sachgerechtes, selbst bestimmtes, kreatives und sozial verantwortliches Handeln im gesellschaftlichen Zusammenhang zu ermöglichen. Ausgehend von dieser Zielvorstellung sowie unter Rückgriff auf wichtige Einsichten didaktischer Ansätze und Ergebnisse empirischer Unterrichtsforschung entfalten die Autoren das Konzept eines handlungs- und entwicklungsorientierten Unterrichts. Dieser wird als problem- und fallbasierte Auseinandersetzung mit Aufgaben verstanden, die für Kinder und Jugendliche bedeutsam sind und sich bei unterschiedlichen Lernvoraussetzungen in binnendifferenzierter Weise bearbeiten lassen. Das Buch bietet vielfältige Anregungen für die gegenwärtige oder zukünftige Tätigkeit in Unterricht und Schule. Es eignet sich für die Lehreraus- und Lehrerfortbildung und erlaubt eine fallorientierte Auseinandersetzung mit praxis- und theorierelevanten Fragen der Unterrichtsgestaltung.
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Nach der Auffassung Thomas S. Kuhns ist in einer wissenschaftlichen Disziplin, die einen bestimmten Reifegrad erreicht hat, stets genau ein Paradigma vorherrschend, welches die normalwissenschaftliche Entwicklung bestimmt. In diesem Sammelband wird untersucht, ob im Widerspruch zu Kuhn Paradigmenkonstellationen existieren, in denen mehrere Paradigmen über einen langen Zeitraum parallel existieren und unterschiedliche, sich z.T. widersprechende Erklärungsmuster für dieselben Gegenstandsbereiche bereitstellen. Zu diesem Zweck haben die Herausgeber Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Soziologie, Physik, Musikpädagogik, Erziehungs-, Politik-, Sprach-, Kultur- und Sportwissenschaft eingeladen, die Paradigmenstrukturen ihrer Wissenschaften anhand eines einheitlichen Begriffsapparates zu analysieren. Es stellt sich heraus, dass sich Kuhns Position als nicht adäquat erweist und durch ein differenzierteres Wissenschaftsverständnis abgelöst werden muss. Der Inhalt Koexistenz rivalisierender Paradigmen.- Thomas S. Kuhn Die Zielgruppe Leser mit einem allgemeinen Interesse an Methodologie und metawissenschaftlicher Reflexion Die Herausgeber Dr. Stephan Kornmesser ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Philosophie der Universität Oldenburg und am Deutschen Seminar (Abteilung für Sprachwissenschaft) der Universität Hannover. Prof. Dr. Gerhard Schurz ist Lehrstuhlinhaber für Theoretische Philosophie an der Universität Düsseldorf.
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Die Nutzung von Druckmedien und das Aufkommen des Films, die Verbreitung von Radio und Fernsehen, die Aufzeichnungsmöglichkeiten für visuelle und auditive Medien sowie die zunehmende Bedeutung der digitalen Medien haben dazu geführt, dass immer mehr Medien in Bildungsprozessen verwendet werden. Zugleich sollen Bildungsbemühungen sicherstellen, dass Kinder und Jugendliche die Bereitschaft und Fähigkeit zu einem sachgerechten, selbstbestimmten, kreativen und sozial verantwortlichen Handeln in einer von Medien mitgestalteten Welt erwerben. In entsprechenden Diskussionszusammenhängen hat der Begriff „Medienkompetenz“ – angeregt durch die Arbeit von Baacke (1973) – seit den 1980er Jahren große Bedeutung gewonnen. Er wurde bis zu den 1990er Jahren sowohl für die medienpädagogische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen als auch für die Lehrerbildung verwendet. So gab es beispielsweise an der Universität Bielefeld von 1995 bis 1997 ein Projekt mit der Bezeichnung „Medienkompetenz in der Lehrerausbildung“ (vgl. Möhle/Switalla/Hugger 2001, 59). Mit der Zeit setzte sich für die Lehrerbildung jedoch der Begriff „Medienpädagogische Kompetenz“ durch. Dies geschah in den teilweise parallel durchgeführten Modellversuchen „Neue Medien und Lehramtsstudium“ (Universität Paderborn 1995–1998, vgl. Tulodziecki/Gallasch/Moll 1998) sowie „Informations- und Kommunikationstechnologische Ausbildung im Rahmen des universitären Lehramts- Studiums“ (Universität Dortmund 1996–1999, vgl. Schulz-Zander 1999) und vor allem im Rahmen des Hochschulnetzwerks „Lehrerausbildung und neue Medien“ mit den Universitäten in Bielefeld, Dortmund, Hamburg, Nürnberg- Erlangen, Paderborn sowie mit der Humboldt-Universität zu Berlin und der Pädagogischen Hochschule Weingarten (vgl. Bentlage/Hamm 2001). So hat beispielsweise Aufenanger 1997 bei einer vorbereitenden Tagung zum Hochschulnetzwerk seinen Beitrag mit „Medienpädagogische Kompetenz für Lehrerinnen und Lehrer“ überschrieben (vgl. Herzig 1997, 39). Damit sollte verdeutlicht werden, dass Lehrpersonen über die eigene Medienkompetenz hinaus in der Lage sein müssen, Lernbedingungen zu schaffen, die Schülerinnen und Schülern die (Weiter-)Entwicklung ihrer Medienkompetenz ermöglichen.