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Dynamischer Umgehungsarm
Donaukraftwerk Ottensheim-Wilhering –
Durchgängigkeit und Lebensraum
Im Zuge des LIFE+-Projekts „Netzwerk Donau“ wurde am Donaukraftwerk Ottensheim-Wilhering der
Verbund Hydro Power GmbH ein Umgehungsarm errichtet, der mit 14,2km Länge und einer Mittel-
wasserführung an der Mündung von ca. 17m3/s zu den größten Fischaufstiegsanlagen Europas zählt.
Im Vordergrund stand dabei neben der Wiederherstellung der Durchgängigkeit auch die Schaung
von donautypischen Schlüsselhabitaten. Bei ersten Vorerhebungen konnten in der Aus stiegsreuse
bereits 38 Fischarten sowie im Umgehungsarm enorm hohe Jungschdichten nachge wiesen werden.
Gerald Zauner, Michael Jung, Wolfgang Lauber, Martin Mühlbauer und Clemens Ratschan
1 Rahmenbedingungen
Seit dem Inkratreten der Wasserrahmenrichtlinie (WR RL) im
Jahr 2000 sind die EU-Mitgliedstaaten verpichtet, den guten
chemischen und ökologischen Zustand bzw. das gute chemische
und ökologische Potenzial ihrer Gewässer zu erhalten oder wie-
derherzustellen. Der gute Zustand umfasst u. a. eine gewässer-
typische Zönose, die nur zu einem gewissen Ausmaß vom anth-
ropogen unbeeinussten Referenzzustand abweichen soll. An
den österreichischen Fließgewässern im Al lgemeinen und an der
Donau im Speziellen stellen derzeit hydromorphologische Bela s-
tungen das Hauptdezit dar [6], [1]. Das zentrale Planungsinst-
rument für die schrittweise Sa nierung der Gewässer ist in Öster-
reich der vom Bundesministerium für Land- und Forstwirt-
scha, Umwelt und Wasserwirtscha veröentlichte Nationale
Gewässerbewirtschaungsplan (NGP). Der Schwerpunkt des
1.NGP (2009-2015) lag bezüglich der Fließgewässer auf der
Herstellung der Organismenpassierbarkeit von Querbauwerken
innerhalb des prioritären Sa nierungsraumes [4]. Dieser umfasst
die größeren Fließgewässer Österreichs bzw. das Hauptverbrei-
tungsgebiet der potamodromen Mittelstreckenwanderer Nase,
Barbe und Huchen. Im Gegensatz zur Situation in zahlreichen
anderen europäischen Staaten bzw. Gewässersystemen erscheint
die Wiederherstellung von Laichzügen diadromer Langstrecken-
wanderer (ausschließlich Störe) im österreichischen Donauein-
zugsgebiet in einem realistischen Zeithorizont praktisch nicht
umsetzbar und aufgrund der stromauf des untersten österrei-
chischen Donaukrawerks großteils nicht mehr vorhandenen
Laichhabitate auch wenig sinnvoll, weshalb diese im NGP bzw.
in der Planungspraxis nicht berücksichtigt werden.
Die österreichische Donau gliedert sich in zwei verbliebene
Fließstrecken (68km oder 20 % der Länge) und zwei Stauketten
mit insgesamt 10 Donaukrawerken (gesamt 273km oder 80 %
der Länge). Die beiden Fließstrecken sind als natürliche Wasser-
körper (Zielzustand: guter Zustand) ausgewiesen, während es
sich bei den Stauen um erheblich veränderte Wasserkörper (Ziel-
zustand: gutes Potenzial) handelt. Sämtliche Detailwasserkör-
per der österreichischen Donau verfehlen derzeit das Ziel des
guten ökologischen Zustandes bzw. Potenzials, wobei Dezite in
der Fischzönose, wie das Fehlen oder ein ungü nstiger Bestands-
auau von Leitarten und der insgesamt geringe Fischbestand,
ausschlaggebend sind [10]. Dabei handelt es sich um Dezite, die
alleinig über die Herstellung der stromaufgerichteten longitudi-
nalen Organismendurchgängigkeit nicht sanierbar sind,
sondern darüber hinaus auch die Schaung von Schlüsselhabi-
taten (insbesondere Laich- und Juvenilhabitate) für die ussty-
pische (Fisch-) Zönose erfordern [7], [4]. Bei der Errichtung der
Fischaufstiegsanlage am Donaukrawerk Ottensheim-Wilhe-
ring im Rahmen des LIFE+-Projekts „Netzwerk Donau“ standen
diese Aspekte im Vordergrund.
Das Krawerk Ottensheim-Wilhering der Verbund Hydro
Power GmbH (VHP) liegt am unteren Ende des Eferdinger
Beckens, ei ner ehemals breiten Furkationsstrecke der Donau mit
einem Talgefälle von ca. 0,5 ‰. Der Mittelwasserabfluss an
diesem Standort beträg t 1 450m3/s, die Ausbauwassermenge des
in den 1970er-Jahren errichteten Kra werks lieg t bei 2 250m3/s.
Die Fallhöhe beträgt 10,5m. Das Krawerk liegt inmitten einer
Staukette mit vier weiteren im Unterwasser anschließenden
Krawerken und der darauolgenden freien Fließstrecke der
niederösterreichischen Wachau (Bild1). Sowohl das Ober- als
auch das Unterwasser weist mit ausgesprochener Strukturar-
Kompakt
¾Naturnahe Umgehungsarme erfüllen mehrere öko -
logische Funktionen und können sowohl einen wich-
tigen Beitrag zur WRRL-Zielerreichung als auch für
dieZiele der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie liefern.
¾Der überfallsfreie Umgehungsarm am Kraftwerk
Ottensheim-Wilhering bietet der artenreichen Donau -
schfauna sehr gute Migrationsmöglichkeiten.
¾Die hydrologische Dynamik garantiert den langfris-
tigen Erhalt der hergestellten Schlüsselhabitate,
speziell in Bezug auf Reproduktion und Jungschauf-
kommen.
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mut, Staueinuss, Geschiebedezit, unterbrochener longitudi-
naler und lateraler Durchgängigkeit sowie schifahrtsbeding-
tem Wellenschlag zahlreiche gewässerökologische Dezite auf.
Im Unterwasser wurden allerdings in jüngster Zeit großächige
Renaturierungsmaßnahmen in Form von Nebenarmen und
Kiesvorschüttungen durchgeführt [3].
2 Variantenstudie
Um die optimale Variante einer Fischaufstiegsanlage am Stand-
ort zu entwickeln, wurde vorab eine Variantenstudie erstellt [9].
Im Rahmen dieser wurden insgesamt neun potenziell umsetz-
bare Varianten entwickelt und geprü. In die Bewertung oss
neben den Teilkriterien „Aundbarkeit“, „Durchwanderbarkeit
für Großsche, schwimmschwache Stadien und stark sohlorien-
tierte Arten“, „Umsetzbarkeit“ sowie „Herstellungskosten“ auch
der Parameter „Lebensraumverbesserung im gegenständlichen
Donauabschnitt“ ein, womit die Varianten nach dem besten
Kosten-Nutzen-Verhältnis in Hinblick auf die Sanierung der
zentralen gewässerökologischen Dezite nach WRRL bewertet
wurden. Ein rechtsufriger, dynamisch dotierter Umgehungsarm
nach dem Leitbild der ursprünglichen furkierenden Flussland-
scha, der dem bestehenden Talgefälle folgt und sowohl das
Bild 1: Staukette
der österreichi-
schen Donau
(oben) sowie Sche-
maplan des dyna-
mischen Umge-
hungsarms (unten,
grüne Fläche) am
Kraftwerk Ottens-
heim-Wilhering
Bild 2: Schemaskizze des dynamischen
Umgehungsarms (hellblau) sowie der
Donau und Zubringer mit Niedrig-, Mittel-
und Hochwasserabflüssen (NA: Nebenarm)
© [3] sowie Schemaplan des dynamischen Umgehungsarms ( grüne Fläche) am Kraftwerk Ottensheim-Wilhering © VHP
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Krawerk als auch den zentralen Stau in der ausgedeichten Au
großräumig umgeht, kristallisierte sich als am meisten Erfolg
versprechende Maßnahme heraus, sowohl was die Durchwan-
derbarkeit durch sensible Arten bzw. Altersstadien und die
Lebensraumverbesserung als auch die Herstellungskosten
betri. Als Vorteile gegenüber einer Umgehung des K rawerks
auf kurzem Weg in Form einer beckenartigen Fischaufstiegsan-
lage (Schlitzpass, Beckenpass, Raugerinne) wurden insbeson-
dere die natürlichen Gefälle-, Strömungs- und Substratverhält-
nisse, die Lebensraumfunktion sowie die Umgehung des zent-
ralen Staus als wenig geeignetes Habitat für rheophile Fischar-
ten bewertet. Mögliche Einschränkungen stellten die Lage des
Einstiegs sowie Fremdwässer dar.
3 Technische Details des Umgehungsarms
Der im Frühjahr 2016 fertig gestellte dynamische Umgehungs-
arm weist eine Länge von insgesamt 14,2km auf und erstreckt
sich somit nahezu über das gesamte südliche Eferdinger Becken
(Bild1). Der Verlauf folgt über 12km dem bereits vorher beste-
henden Innbach-Aschach-Umleitungsgerinne, der obere
Abschnitt wurde in Form ei nes naturnahen Gerinnes mit 1,7km
Länge neu geschaen. Die Dotation aus der Donau erfolgt dyna-
misch in Abhängigkeit vom Donauabuss und beträgt zwischen
2,5 und 20m3/s. Mit den Zubringern Aschach und Innbach
beträg t die Mittelwasserführung bei der Mündung in die Donau
ca. 17m³/s. Somit handelt es sich um eine der größten Fischauf-
stiegsanlagen Europas, sowohl was die Länge als auch was den
Durchuss betri.
Bezüglich der Hydrologie kann der Umgehungsarm in drei
Abschnitte unterteilt werden (Bild2). Der oberste, neu geschaf-
fene Abschnitt, das Verbindungsgerinne, weist ausschließlich
Donauwasser auf. Die Dotation erfolgt zum einen im Freispie-
gel mit der Donau, wobei die Wassermenge über die Höhe und
Morphologie der obersten Furten geregelt wird. Da das unmit-
telbare Ausstiegsbauwerk in die Donau einen größeren Quer-
schnitt als diese Furten aufweist, treten hier keine hohen hyd-
raulischen Belastungen und dadurch problematische Strö-
mungsgeschwindigkeiten für schwimmschwache Fische auf.
Wasserstandsschwankungen der Donau werden direkt an das
Gerinne weitergegeben, woraus sich bereits eine gewisse Abuss-
dynamik ergibt. Zum anderen bendet sich ca. 400m stromab
ein Zusatzdotationsbauwerk, welches einerseits eine ausrei-
chende Wasserabgabe bei Absenkung des Donaustauraums
garantiert und andererseits zur Abgabe der maximalen Dota-
tionswassermenge von 20m3/s dient. Letzteres ist für den Erha lt
einer dauerha hohen Habitatqualität erforderlich. Der damit
verbundene Ge schiebetrieb wird durch bedarfsorientierte
Geschiebezu gaben beim Zusatzdotationsbauwerk ergänzt.
Der darauolgende, 7km lange Abschnitt weist zusätzlich
die Wassermenge der Aschach-Restwasserstrecke auf, wodurch
sich im Niederwasserfall der Abuss um etwa 0,5m3/s erhöht.
Im Normalbetrieb beträgt die Menge an Aschach-Wasser zwi-
schen 15 und knapp 40 % (MQ Verbindungsgerinne = 4,2m³/s,
MQ Aschach = 2,9m³/s) des Abusses. Die meiste Zeit des Jahres
ist der Einf luss der Aschach allerdings gering, während bei
höheren Abflüssen der Anteil an Aschachwasser wesentlich
größer ist. Dies führ t zu der für die Habitatqualität entscheiden-
den Morphodynamik in der Strecke. Das bestehende Gerinne
wurde renaturiert, indem der geradlinige Lauf verschwenkt,
Kolk-Furt-Sequenzen geschaen und zahlreiche Totholzstruk-
turen eingebaut wurden (Bild3). Dies war auch deshalb notwen-
dig, da das ursprüngliche Doppeltrapezprol des Entlastungs-
gerinnes nicht die für eine Fischaufstiegsanlage erforderlichen
Mindestwassertiefen aufwies.
Bild 3: Abschnitt 2 des dynamischen Umgehungsarms mit
Donau-Stauraum im Hintergrund
Bild 4: Unmittelbare Mündungsstrecke des dynamischen
Umgehungsarms
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Etwa 5,5km ussauf der Mündung in die Donau vereinigt
sich der Umgehungsarm mit dem Innbach, wodurch sich die
Niedrigwassermenge um 2,6m3/s und die Mittelwassermenge
um 8,1m3/s erhöht. Insgesamt ergibt sich ein Mittelwasserab-
uss von ca. 17m3/s, die Donauwassermenge beträgt bei Nied-
rigwasser 35 % und bei Mittelwasser 20 %. Ein Großteil dieses
Abschnitts wurde ebenfalls renaturiert, indem die Ufersiche-
rungen entfernt und initiale Laufverschwenkungen angelegt
wurden. Hier kann sich das Gerinne eigendynamisch entwi-
ckeln, wobei in Bereichen mit zu schützender Infrastruktur im
Hinterland verdeckte Sicherungen eingebaut wurden. Die
ursprüngliche Mündungsrampe des Innbachs, die bei höheren
Donauwasserständen eingestaut, bei Donauniedrigwasser aber
kaum schpassierbar war, wurde rückgebaut und das Gefälle
auf 1,5 km aufgeteilt bzw. in Form von Kolk-Furt-Sequenzen
abgebaut (Bild4).
Der Umgehungsarm bzw. Innbach mündet bei Strom-km
2145,85 in ein im Rahmen von Renaturierungsmaßnahmen
völlig neu gescha enes Donau-Nebenarmsystem mit ca. 100m3/s
Mittelwasserführung. Die Mündung bendet sich rechtsufrig
900m stromab des Krawerks. Die Krawerksturbinen ben-
den sich ebenfalls rechtsufrig.
4 Erste Ergebnisse des fischökologischen
Monitorings
Ein umfassendes schökologisches Monitoring des dynami-
schen Umgehungsarms in Zusammen hang mit dem LIFE+-Pro-
jekt sowie mit den Auagen der wasserrechtlichen Bewilligung
ist für die nächsten Jahre geplant, wobei im Ra hmen dessen auch
die Wanderbewegungen in die beiden Zubringer Innbach und
Aschach quantiziert werden sollen. Einige Untersuchungen
wurden allerdings bereits vor sowie knapp nach Errichtung
durchgeführt und sollen hier zusammenfassend wiedergegeben
werden.
4.1 Fischwanderung ins Zubringersystem
Innbach-Aschach
Im Frühjahr 2008, acht Jahre vor Errichtung des Umgehungs-
arms, wurde im Rahmen eines anderen Projekts die Fischwan-
derung aus der Donau in das Innbach-Aschach-System mittels
dynamischem Fischwehr [5] untersucht. Diese Erhebung kann
als Prämonitoring der Fischaufstiegsanlage angesehen werden,
weil ein Zustand vor Einleitung von Donauwasser dokumentiert
wurde. Im Rahmen dieser Untersuchung konnten 43 Arten
nachgewiesen werden, die in das Zubringersystem einwander-
ten, darunter neun in Anhang II der Flora-Fauna-Habitat-Richt-
linie (FFH-RL) genannte Arten sowie weitere Arten in hohen
Gefährdungskategorien der Roten Liste [8]. Zu nennen sind hier
insbesondere Frauennering, Zope, Perlsch, Seelaube, Schrät-
Bild 5: Der größte in der Ausstiegsreuse nachgewiesene Fisch:
ein Wels mit 165 cm Länge
Bild 6: Größenstruktur der in der Ausstiegs-
reuse nachgewiesenen Schrätzer
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zer, Zingel und Donau-Weißossengründling. Es dominierten
die Arten Rotauge, Zobel und Laube, wohingegen die rheophi-
len Leitarten der Donau, Nase und Barbe, nur in vergleichsweise
geringer Zahl nachgewiesen wurden. Insgesamt wurden zwi-
schen 15.Februar und 5.Juni 2584 Individuen gefangen, woraus
sich im Mittel ein Aufstieg von 23Ind./Tag errechnet. Das größte
Individuum war ein Wels mit 97cm Länge. Es zeigte sich, dass
eine große Zahl an Fischarten zur Laichzeit aus der Donau in
das Innbach-Aschach-System einwandert. Die im Vergleich zu
ähnlichen Untersuchungen [12] eher geringen Individuen zahlen
sind wohl primär auf den geringen Fischbestand im Unterwa sser
zurückzuführen.
4.2 Pilotmonitoring Fischwanderung
Umgehungsarm
Ein erstes Pilotmonitoring erfolgte unmittelbar nach der
Flutung des neu errichteten Umgehungsarms im Frühjahr sowie
im Herbst 2016. Dazu wurde im obersten Bereich 40 0m stromab
des Ausstiegs eine Reuse mit dynamischem Fischwehr instal-
liert, das in der Lage ist, die großen Abüsse zu bewältigen und
gleichzeitig schdicht und fängig zu bleiben. Innerhalb von vier
Monaten (2½ Monate im Frühjahr, 1½ Monate im Herbst)
wurden 7596 Fische aus 38 verschiedenen Arten gefangen,
wobei Laube, Schrätzer, Zobel, Nase, Schwarzmaulgrundel,
Flussbarsch und Zingel die häugsten Arten darstellten. Im
Mittel wanderten im Frühjahr 105Ind./Tag und im Herbst
36Ind./Tag. Besonders hervorzuheben ist der Aufstieg mehre-
rer Welse bis 165 cm Länge (Bild 5), die die gute Großschtaug-
lichkeit belegen, sowie der FFH-Arten Donau-Weißflossen-
gründ ling, Streber, Donaukaulba rsch, Bitterling und Schied. Der
Schrätzer stellte mit 1072 Individuen die zweithäugste Art
nach der Laube dar und ist insofern von besonderem Interesse,
als er im Rahmen des Prämonitorings nur mit Einzelindividuen
nachgewiesen wurde und demnach die Dotation mit Donau-
wasser als Auslöser für die individuenstarke Einwanderung in
das Gewässersystem zu sehen ist. Im Frühjahr wurden primär
laichreife Adulttiere gefangen, während im Herbst fast aus-
schließlich 0+-Individuen in der Ausstiegsreuse nachge wiesen
wurden (Bild 6). Dies deutet darauf hin, dass ein Teil der laich-
reifen Schrätzer den Umgehungsarm durchwandert, während
ein weiterer Teil dort ablaicht. Im Herbst erfolgt dann in großer
Zahl die Auswanderu ng der juvenilen Schrätzer aus dem Umge-
hungsarm in die Donau.
Im Rahmen einer Jungscherhebung in der Donau wurde im
Frühsommer 2016 auch ein kurzer Abschnitt im untersten
Bereich des Umgehungsarms ca. 350m stromauf der Mündung
bescht. Dabei gelang unter anderem der Fang von vier 0+-Stre-
bern, was darauf hindeutet, dass auch diese ausgesprochen
stenöke Art das Gewässer als Reproduktionshabitat nutzt.
Insgesamt deutet die Artzusammensetzung in der Reuse
darauf hin, dass zumindest ein großer Teil der aufgestiegenen
Individuen nicht aus dem Innbach-Aschach-System bzw. Umge-
hungsarm stammte, sondern aus der Donau aufgestiegen war.
Vorangegangene Elektrobeschungen zeigten, dass zwar Laube,
Nase, Schwarzmaulgrundel und Barbe sowohl in der Donau als
auch im Innbach-Aschach-System häug vorkommen, die in
großer Zahl aufgestiegenen Arten Schrätzer, Zingel, Zobel und
Zander allerdings primär bzw. fast ausschließlich in der Donau
zu nden sind.
4.3 Fischbestand im Umgehungsarm
Zur Erhebung der Larven- und Jungschdichte auf Mikrohabi-
tatebene dient die sogenannte Point-abundance-Methode [2].
Anfang Juli 2017 wurde eine Point-abundance-Beschung im
Bild 7: Artverteilung des Gesamt-
fanges im Rahmen der Point-abun-
dance-Befischung im dynamischen
Umgehungsarm (Juli 2017); Farben
geben die Strömungsgilde wieder:
blau: rheophil, grau: oligorheophil,
grün: indifferent, rot: limnophil
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Umgehungsarm zur Dokumentation der Jungschbesiedelung
durchgeführt. Insgesamt konnten 7632 Individuen aus 17 ver-
schiedenen Arten nachgewiesen werden (Bild 7). Bei einem
großen Teil der gefangenen Individuen handelte es sich um
frühe Larven- und Juvenilstadien, die im Freiland nur auf Fami-
lienniveau bestimmbar sind. Dabei düre es sich hauptsächlich
um Vertreter der spät laichenden Arten Laube und Aitel gehan-
delt haben. Bezüglich der bestimmbaren Individuen dominier-
ten die beiden rheophilen Leitarten Nase und Barbe sowie Aitel,
Gründling bzw. Donau-Weißossengründling (frühe Entwick-
lungsstadien im Freiland kaum unterscheidbar) und Bach-
schmerle. An FFH-Arten konnten Bitterling und Schied nachge-
wiesen werden.
In Bild 8 ist die mittlere Jungschdichte (nur 0+-Stadium der
Familie Cyprinidae) bei unterschiedlichen Point-abundance-
Beschungen da rgestellt. Bei umfang reichen Erhebungen in der
Donau zeigte sich, dass die beiden Habitatparameter Ufernei-
gung und Schutz vor schifffahrtsbedingtem Wellenschlag
(hinter Inseln, in durchst römten Nebenarmen) den größten Ein-
uss auf die Jungschdichte haben [10]. Für die vorliegende Aus-
wertung wurden daher Steilufer (Neigung 1:8 oder steiler) und
Flachufer (acher als 1:8) unterschieden. Wellenschlag spielt
natürlich nur im Donau-Hauptstrom, nicht jedoch im Umge-
hungsarm bzw. Zubringer eine Rolle und wurde daher nicht
weiter dierenziert. Aus der Donau-Fließstrecke Wachau stehen
Erhebungen aus den Jahren 2014 und 2017 zur Verfügung. Die
Jungschdichten waren recht ähnlich mit im Mittel 0,9 bzw.
1,8Ind./Pkt. entlang von Steilufern und 7,6 bzw 6,0 Ind./Pkt.
entlang von Flachufern. Auch in der untersuchten Donau-Stau-
wurzel (Unterwasser Krawerk Ottensheim-Wilhering) lagen
die Jungfischdichten mit 0,6 (Steilufer) bzw. 4,3 Ind./Pkt.
(Flachufer) in einer ähnlichen Größenordnung. Bei im Mittel
11,8 (Stei lufer) bzw. 21,1 Ind./Pkt. (Flachufer) wesentlich höhere
Dichten wurden im sommerwarmen, epipotamalen Donau-
Zubringer Melk nachgewiesen, der bezüglich der abiotischen
Bedingungen gut mit der Aschach vergleichbar ist.
Die Dichten im Umgehungsarm lagen allerdings mit 8,5
(Steilufer) bzw. 189 Ind./Pkt. (Flachufer) zumindest entlang von
Flachufern noch um ein Vielfaches höher. Grundsätzlich muss
bedacht werden, dass Jungschdichten abhängig von der Hyd-
rologie zwischen einzelnen Jahren stark schwanken können. Der
Vergleich der zur Verfügung stehenden Daten bzw. der enorme
Unterschied zwischen Donau-Hauptstrom und Umgehungsarm
– auch im selben Untersuchungsja hr – zeigt allerdings, dass das
Ergebnis nicht auf besonders günstige Verhältnisse im Untersu-
chungsjahr, sondern auf tatsächliche Unterschiede in der Habi-
tatqualität zurückzuführen ist.
Diese enorm hohe Jungschdichte belegt, dass im Umge-
hungsarm sowohl günstige Laichplätze als auch großächig
optimale Juvenilhabitate vorhanden sind, die als hochwirksame
Schlüssellebensräume fungieren. Diese fehlen aktuell im Haupt-
strom weitgehend und können unter den derzeitigen Rahmen-
bedingungen bzw. Nutzungen kaum in dieser Qualität wieder-
hergestellt werden. Ein wichtiger Aspekt düre auch der feh-
lende Wellenschlag sein. Weiters weist der Umgehungsarm eine
wesentlich ausgeglichenere Hydrologie auf als die regulierte
Donau. Die Hydrologie düre den natürlichen Bedingungen in
einem mehrere Kilometer breiten Furkationsbett der ursprüng-
lichen Donau ähneln, wo Abussschwankungen zu weit gerin-
geren Wasserstandsschwankungen geführt haben als dies heute
der Fall ist. Andererseits gewährleistet die hohe Dynamik bei
(Aschach-bzw. Innbach-) Hochwässern eine langfristige Bestän-
digkeit der hohen Habitatqualität im Umgehungsarm, weil Fein-
sedimentanlandungen erodiert, Kiesbänke dekolmatiert und
Schlüssel habitate, wie Buchten, Flachwasserzonen oder Totholz-
akkumulationen, laufend neu gebildet werden.
Im Rahmen von Adultscherhebungen (Streifenbeschung,
[6]) vor und nach Errichtu ng des Umgehungsarms im Abschnitt
Bild 8: Vergleich der Jung-
fischdichten (Mittelwert,
nur 0+-Stadium der Familie
Cyprinidae) bei Point-abun-
dance-Befischungen in
einer Donau-Fließstrecke
(Wachau, Juni 2014 bzw.
Juni 2017), einer Donau-
Stauwurzel (Unterwasser
KW Ottensheim-Wilhering ,
Juni 2015), einem sommer-
warmen Donau- Zubringer
(Melk, Epipotamal, Juli
2015) sowie im Umge-
hungsarm Ottensheim-
Wilhering (Juli 2017) Daten-
quellen: Erhebungen ezb-
TB Zauner im Rahmen
verschiedener Projekte
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zwischen der Einmündung der Aschach-Restwasserstrecke und
des Innbaches zeigte sich bereits ein Jahr nach Errichtung eine
Veränderung der Fischzönose. So hatte der Bestand der Stillge-
wässer und gering strömende Bereiche bevorzugenden Arten
Brachse und Karpfen deutlich abgenommen, wohingegen die
rheophilen Leitscharten Nase und Barbe zugenommen hatten.
5 Conclusio
Die vorliegenden ersten Ergebnisse belegen bereits nach kurzer
Zeit die gute Habitateignung des Dynamischen Umgehungsarms
für unterschiedliche Arten, so dass diesbezügliche Habitatde-
zite im Hauptuss zielgerichtet vermindert werden können. Die
hervorragenden Reproduktionsbedingungen lassen sowohl
einen signikanten Beitrag für die Sanierung der schökologi-
schen Defizite in den hydromorphologisch stark belasteten,
angrenzenden Donauabschnitten als auch positive Wirkungen
auf die Erhaltungsziele des FFH-Gebiets Eferdinger Becken (z. B.
Erhaltungsgrad der Schutzgüter Schrätzer, Streber, Schied)
erwarten. Neben der unmittelbaren Verbesserung der Lebens-
raumqualität wirken auch zwei Aspekte in Zusammenhang mit
Migrationen in diese Richtung. Erstens wurde bereits gezeigt,
dass im Umgehungsarm in großer Zahl aufgekommene Jung-
sche in weiterer Folge in den oberliegenden Stauraum auswan-
dern und den dortigen Fischbestand stützen (Strahlwirkung).
Zweitens ist bei stromab gerichteten Rückwanderungen sowohl
der in den Umgehungsarm eingewanderten Adultsche als auch
deren Nachkommen das Erreichen des Unterwassers möglich,
ohne potenziell schädigende Turbinen passieren zu müssen
(Fischschutz im weiteren Sinne). Dies wird erreicht, indem im
Kompartiment Stauraum & Umgehungsarm günstige Habitat-
bedingungen für alle Entwicklungsstadien zur Verfügung
gestellt werden. Von besonderem Interesse ist, wie sich der
Fischbestand im dynamischen Umgehungsarm und in den
anschließenden Donauabschnitten in Zukun entw ickeln wird,
da insbesondere Reaktionen des Adultschbestandes mehrere
Jahre bis zu über ein Jahrzehnt dauern können [11].
Autoren
DI Dr. Gerald Zauner
Mag. Michael Jung
DI Wolfgang Lauber
DI Martin Mühlbauer
Mag. Clemens Ratschan
ezb – TB Zauner GmbH
Marktstraße 35
4090 Engelhartszell, Österreich
ezell@ezb-fluss.at
Literatur
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In:ÖWAV-Tagung „Fischaufstie gshilfen – Neue Anforderungen und
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aus der Donau in das Innbach-Aschach-System & Fischökologische Erhe-
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Studie im Auftrag des Amtes der OÖ Lan desregierung, Abteilung Ober-
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[9] Zauner, G.; Mühlbauer, M.: Varianten- und Machbarkeitsstudie Organis-
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[10] Zaun er, G .; Jung, M.; Mühlbauer, M.; Ratschan, C .: Fischökologische
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Donau gem. WRRL : Immer der Nase (Chondrostoma nasus) nach. In:
Österreichs Fis cherei 68 (2015), 7, S. 177-196.
[11] Zauner, G.; Jung, M.; Rat schan, C.; Mühlbauer, M.: Ökologische Sanie-
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Österreichs Wasser- und Abfallwirtschaft 68 (2016), S. 503-512.
[12] Zitek, A.; Mühlb auer, M.; Schmutz ; S.: A low cost, flood-resistant weir to
monitor fish mig ration in small- and medium-size d rivers. In: Fisheries
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Weitere Empfehlungen aus
www.springerprofessional.de:
Fischaufstiegsanlagen
Spundasch, F.; Johannsen, R.; Schiemenz, T.: Erfahrungen
beim Bau von Fischaufstiegsanlagen. In: Wasser, Energie
und Umwelt. Wiesbaden: Springer Vieweg, 2017.
www.springerprofessional.de/link/12350196
Kopecki, I.; et al.: Leitströmung an Fischaufstiegsanlagen:
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Modellierung. In: WasserWirtschaft, Ausgabe 10/2016.
Wiesbaden: Springer Vieweg, 2016.
www.springerprofessional.de/link/10803392
Gerald Zauner, Michael Jung, Wolfgang Lauber,
Martin Mühlbauer and Clemens Ratschan
Fishpass Ottensheim-Wilhering – migration route and
key habitats
At the Austrian Danube hydropower plant “Ottensheim-Wil-
hering” a 14.2km long bypass channel was built with an ave-
rage discharge of 17m3/s in its lowermost section. Apart from
the longitudinal connectivity for the species rich Danubian
fish fauna, the main focus was to restore type-specific river
habitats and especially key habitats like spawning und nursery
grounds for rheophilic species. To guarantee the ecological
integrity of a bypass channel on the long run, sufficient flow
dynamics are of great importance. In the case of the bypass
channel “Ottensheim-Wilhering” flow dynamics result from
variable discharges from the impoundment and especially
from the tributaries Aschach and Innbach. The approach of
providing both – fish migration and high-quality key habitats
– ensures a significant contribution to the goals of the Water
Framework Directive as well as the Habitats Directive.
PRAXIS | GEWÄSSER
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