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Timo Meynhardt und Andreas Fröhlich1
Die Gemeinwohl-Bilanz – Wichtige Anstöße, aber im
Legitimationsdefizit
Gemeinwohl; Gemeinwohl-Bilanz; Gemeinwohl-Ökonomie; Public Value; Public Value-Theo-
rie
Unternehmen sind sich zunehmend ihres Gemeinwohlbeitrages bewusst, weshalb Instrumente
zu dessen Messung an Bedeutung gewinnen. Die Gemeinwohl-Bilanz ist ein aktuell erfolgrei-
ches Instrument, welches vor allem in kleineren und mittleren Unternehmen eingesetzt wird.
Eine Studie untersuchte, wie Manager die Vorstellung und erstmalige Implementierung der Ge-
meinwohl-Bilanz reflektierten. Die Ergebnisse der Studie verweisen sowohl auf positive Effekte
für die Unternehmensentwicklung in den durch die Bilanz adressierten Bereichen als auch auf
damit verbundene Probleme. Der Beitrag schließt mit einer kritischen Betrachtung des in der
Bilanz operationalisierten Gemeinwohlverständnisses. Hier zeigt sich, dass eine Enge in der
Auslegung und ein grundsätzliches Legitimationsdefizit einer Einführung der Bilanz in dieser
Form entgegenstehen.
Kontext und Problemstellung
Im Kontext der Finanz- und Staatsschuldenkrise entstand ab 2010 eine neue soziale Bewegung
– die Gemeinwohlökonomie (GWÖ). Ursprünglich im Umfeld der globalisierungskritischen
Attac-Bewegung in Österreich ins Leben gerufen, zielen die Protagonisten auf eine aus ihrer
Sicht radikale Änderung des gegenwärtigen Wirtschaftssystems. „Ein Hauptcharakteristikum
der gegenwärtigen kapitalistischen Markwirtschaft ist, dass Ziele (Bedürfnisbefriedigung, Le-
bensqualität, Gemeinwohl) und Mittel (Geld, Gewinn, Kapital) verwechselt werden“ (Felber/
Heindl 2015, S. 16).
Die GWÖ bezeichnet sich heute selbst als „ein Wirtschaftssystem, das auf gemeinwohlfördern-
den Werten aufgebaut ist“ und als „Veränderungshebel auf wirtschaftlicher, politischer und ge-
sellschaftlicher Ebene“ (Verein zur Förderung der Gemeinwohl-Ökonomie 2017a). Auf gesell-
schaftlicher Ebene wirkt sie ihrem Selbstbild zufolge als „Initiative der Bewusstseinsbildung
für Systemwandel“, auf politischer Ebene „als Motor für rechtliche Veränderung“ und auf wirt-
schaftlicher Ebene als „lebbare, konkret umsetzbare Alternative für Unternehmen“, die den
„Zweck des Wirtschaftens und die Bewertung von Unternehmenserfolg „anhand gemeinwohl-
orientierter Werte definiert.“ Dabei versteht sich die Gemeinwohl-Ökonomie als „ergebnisoffe-
I.
1 Wir danken Christina Stockmann-Zipfel herzlich für ihre kritische Durchsicht und sprachliche Verbesserung
des Textes.
152 ZögU 40. Jg. 2-3/2017, DOI: 10.5771/0344-9777-2017-2-3-152
ner, partizipativer und lokal wachsender Prozess mit globaler Ausstrahlung“ (Verein zur Förde-
rung der Gemeinwohl-Ökonomie 2017a).
Das Verständnis der eigenen Rolle verweist auf eine fundamentale Kritik an der aktuellen Wirt-
schaftspraxis, deren Mängel die GWÖ beheben soll. Es wird unterstellt, dass das bestehende
System und insbesondere gängige Praktiken nicht dem Gemeinwohl zuträglich seien. Insofern
zielt die Gemeinwohlökonomie als Protestbewegung auf gesellschaftlichen Wandel und ist in
dieser Hinsicht vergleichbar mit anderen politischen Bewegungen wie der Ökologiebewegung,
Occupy Wall Street oder auch Attac selbst.
Die GWÖ erfährt seit ihrer Gründung eine verhältnismäßig hohe öffentliche Aufmerksamkeit.
Die Website weist derzeit 7152 Privatpersonen, 2250 Unternehmen und 65 PolitikerInnen als
Unterstützer aus. Von den unterstützenden Unternehmen haben laut Angaben der GWÖ etwa
400 eine sogenannte Gemeinwohl-Bilanz (GWB) erstellt oder sind Mitglied (Verein zur Förde-
rung der Gemeinwohl-Ökonomie 2017a). Die GWÖ ist mittlerweile auch international aktiv. So
beschäftigen sich etwa auch Gebietskörperschaften und Hochschulen mit der GWÖ und der
GWB und es wird an einer Gemeinwohl-Bank gearbeitet (Verein zur Förderung der Gemein-
wohl-Ökonomie 2015a).
Die mit der GWÖ verbundenen gesellschaftspolitischen Ambitionen sind zeitdiagnostischer
und normativer Natur und nicht Gegenstand unserer Betrachtung. Ihre Ziele und Mittel sind,
wie häufig im Kontext neuer gesellschaftskritischer Bewegungen, Gegenstand reger kontrover-
ser Diskussionen (siehe dazu Ungericht 2013; Rüther 2013; Zeller 2013; Steigenberger 2013;
Reisach 2012; Schmidpeter 2012; 2014; Verein zur Förderung der Gemeinwohl-Ökonomie
2014).
Wir blicken hier aus Sicht einer managementorientierten Gemeinwohlforschung allein auf die
durch die GWÖ-Bewegung entwickelte Gemeinwohl-Bilanz als dem entscheidenden Mobilisie-
rungsinstrument der Bewegung, welches 2011 erstmals einige Unternehmen im deutschsprachi-
gen Raum implementierten und dann teilweise nach externer Auditierung veröffentlichten (Fel-
ber 2014).
Die Gemeinwohl-Bilanz ist ein Beispiel für aktuellere Entwicklungen im weiten Spektrum der
Verfahren, die nicht-finanzielle Kennzahlen mit Gemeinwohlbezug erheben. In den letzten Jah-
ren wurden verschiedenste Ansätze in diesem Bereich entwickelt, die jeweils neue Gesichts-
punkte einbeziehen und die Angebotspalette stetig erweitern. Dazu zählen etwa die ISO 26000,
die Global Reporting Initiative (GRI) oder auch die Aktivitäten zur Umsetzung der Sustainable
Development Goals (SDG). Insgesamt gewinnen Instrumente zur Messung und Berichterstat-
tung nicht-finanzieller Kennzahlen zunehmend an Bedeutung in der Praxis. Forciert wird dieser
Trend zusätzlich durch die EU-Richtlinie 2013/34, die jeweils in nationales Recht übernommen
wird und Unternehmen in die Berichtspflicht nimmt.
Vor diesem Hintergrund ordnet sich auch die aus der GWÖ heraus entstandene Gemeinwohl-
Bilanz ein und bietet Anlass zur Auseinandersetzung mit der Thematik. Neben der Anwen-
dungs- und Nutzenperspektive stellt sich die Frage nach dem Werte- und Menschenbild, wel-
ches der Bilanz zugrunde liegt. Denn erst das Verständnis der spezifischen Gemeinwohlausle-
gung ermöglicht eine ausgewogene Entscheidung für oder gegen den Einsatz des Verfahrens.
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Dieser Beitrag möchte die Möglichkeiten und Grenzen der Gemeinwohl-Bilanz genauer auslo-
ten. Nach unserem Kenntnisstand liegen dazu bisher keine veröffentlichten Evaluierungsstudien
vor. Zwei Fragenkomplexe sollen dabei im Mittelpunkt stehen:
1. Wie reflektieren die Anwender den Nutzen der Bilanz? Welche Funktionen erfüllt das Ins-
trument? In einem ersten Schritt nähern wir uns über eine Interviewstudie den Erfahrungen
des Managements von Unternehmen, die sich für die GWB entschieden haben.
2. Welches sind die Möglichkeiten und Grenzen des verwendeten Gemeinwohlverständnisses?
Die GWB erhebt anhand einiger weniger Gemeinwohlwerte den Anspruch, den Gemein-
wohlbeitrag von Unternehmen objektiv zu erfassen. In einem zweiten Schritt verorten wir
daher den Ansatz in der managementorientierten Gemeinwohlforschung unter besonderem
Bezug auf die Public Value-Theorie.
Insgesamt wird sich zeigen, dass sich die Gemeinwohlbilanz zwar einerseits durch hohe Prakti-
kabilität auszeichnet, andererseits aber eine ideologische Enge und ein grundsätzliches Legiti-
mationsdefizit einer Einführung des Instruments in dieser Form entgegenstehen.
Die Gemeinwohl-Bilanz
Ziel und Wesen
GWÖ-Begründer und -Leitfigur Christian Felber betont in seinem Buch „Gemeinwohl-Ökono-
mie“, dass Gemeinwohl und nicht Profit das oberste Ziel des Wirtschaftens sein sollte. Er beruft
sich dabei auf einige Verfassungen demokratischer Staaten: „In den Verfassungen demokrati-
scher Staaten herrscht Konsens, was das Ziel des Wirtschaftens ist: die Förderung des Gemein-
wohls“ (Felber 2014, S. 32). Mit dem Rekurs auf verfassungsrechtliche Aspekte wird auch ein
besonderer Geltungs- und Durchsetzungsanspruch verbunden. So möchten Felber und Heindl
(2015) zeigen, „dass alle fundamentalen Voraussetzungen für eine Gemeinwohl-Ökonomie be-
reits heute in den Verfassungen enthalten, in der realen Wirtschaft aber zu wenig wirksam sind,
weil die Wirtschaftsordnung im Allgemeinen und die ökonomischen Erfolgsmessinstrumente
im Konkreten die verfassungsmäßigen Ziele und Werte der Wirtschaft nicht unterstützen und
umsetzen“ (S. 16).
Die Förderung des Gemeinwohls müsse auch bei der ökonomischen Erfolgsmessung auf allen
Ebenen gemessen werden: „auf der Ebene der Volkswirtschaft […], des einzelnen Unterneh-
mens […] und bei jeder Investition“ (Felber 2014, S. 33). Der Erfolg auf Unternehmensebene
wird mittels der so genannten Gemeinwohl-Bilanz gemessen: „Wenn Gemeinwohl das Ziel al-
ler Unternehmen ist, muss dieses konsequenterweise auch in einer entsprechenden Gemein-
wohl-Bilanz gemessen werden – sie wird zur unternehmerischen Hauptbilanz. Die bisherige
Hauptbilanz, die Finanzbilanz, wird zur Neben- und Mittelsbilanz“ (Felber 2014, S. 37).
Zur konkreten Definition des Begriffes „Gemeinwohl“ hält Felber (2014, S. 39) fest, dass es
sich dabei „nur um einen demokratischen Diskussions- und Entscheidungsprozess handeln
[kann], da der Begriff a priori nicht feststeht und sich im Lauf der Zeit wandeln kann.“ Aller-
dings hat die GWÖ – offenkundig im Widerspruch dazu – bereits erste Versionen der Gemein-
II.
1.
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wohl-Bilanz eigenständig entwickelt und dadurch den Gemeinwohl-Begriff zumindest vorläu-
fig a priori festgelegt. Felber selbst betont, dass die demokratische Legitimierung des Instru-
ments noch erfolgen muss (Felber 2014). Abhängig davon, ob und wie diese demokratische Le-
gitimierung tatsächlich erfolgen wird, kann man in diesem Ansatz einen entwicklungsoffenen
Vorschlag oder aber eine folgenschwere Inkonsistenz erkennen.
Die erste Version der Bilanz (1.0) wurde 2009 in einem kleinen Kreis von Interessierten ent-
wickelt und im Jahr 2010 veröffentlicht. Dies markiert auch den Beginn der Gemeinwohl-Öko-
nomie-Bewegung. Mehr als 20 Unternehmen meldeten sich freiwillig, die Gemeinwohl-Bilanz
im Folgejahr das erste Mal anzuwenden und bei der Weiterentwicklung mitzuwirken. Bis zum
Ende des Jahres wuchs die Zahl der so genannten „Pionierunternehmen“ auf 50 an. Ein vier-
köpfiges Redaktionsteam entwickelte Version 3.0 der GWB, jene Version, welche im Jahr 2011
erstmals offiziell angewendet wurde (Felber 2014, S. 40). Seither hat sich die Matrix zur Versi-
on 5.02 weiterentwickelt und das „Matrix-Entwicklungsteam“ gleichzeitig vergrößert (Verein
zur Förderung der Gemeinwohl-Ökonomie 2017 a).
Nach dem Erreichen eines gewissen Reifegrades in Form eines repräsentativen, präzisen und
anwendungsfreundlichen Tools soll die Gemeinwohl-Bilanz letztendlich durch gewählte „Wirt-
schaftskonvente“ demokratisch legitimiert werden (Felber 2014, S.40). Dies ist jedoch bisher
nicht erfolgt.
Felber formuliert acht zentrale Anforderungen an die Gemeinwohl-Bilanz (Felber 2014,
S. 41ff.), welche gewährleisten sollen, dass das Instrument die Finanzbilanz zur „Nebenbilanz“
macht und nicht wie die „erste Generation von CSR-Instrumenten“ – so Felbers Vorwurf – wir-
kungslos bleiben:
●Die Anwendung soll verbindlich sein.
●Die Evaluierung sollte ganzheitlich alle „Grundwerte“ erfassen.
●Die Ergebnisse sollen gemessen – also objektiv bewertet – werden können.
●Die Resultate sollten über alle Unternehmen hinweg vergleichbar sein.
●Die Ergebnisse sollen für alle – nicht nur Fachleute – verständlich sein.
●Die Gemeinwohl-Bilanz soll öffentlich einsehbar sein.
●Die Ergebnisse sollen extern geprüft werden.
●Ein höherer Beitrag zum Gemeinwohl soll rechtlich belohnt werden.
Wichtig ist der GWÖ-Bewegung, dass die Anwendung der Bilanz mit konkreten Konsequenzen
verbunden ist. So sollen die Ergebnisse der GWB auf allen Produkten und Dienstleistungen bei-
spielsweise in Form von Farbcodes erscheinen. Dies würde Markttransparenz schaffen und es
dem Konsumenten erlauben, den Gemeinwohlbeitrag bei der Kaufentscheidung zu berücksich-
tigen (Felber 2014, S. 44ff.).
2 Diese Studie basiert auf Erfahrungen von Anwendern der GWB im Jahr 2011. Die Unternehmen erstellten da-
mals ihre Gemeinwohl-Bilanzen basierend auf der Version 3.0, auf die sich der empirische Teil dieser Abhand-
lung bezieht. Um möglichst aktuelle Informationen zu liefern, bezieht sich der Rest der Abhandlung auf die bis
vor kurzem gültige Version 4.1, die auch Gegenstand der neuesten Auflage von Christian Felbers Buch (Felber
2014) ist. Unmittelbar vor Druck des hier vorliegenden Textes wurde bereits die Version 5.0 veröffentlicht, auf
die hier nicht im Detail eingegangen wird. Die hier dargestellten Erkenntnisse sollten trotz aktueller Weiterent-
wicklung der Bilanz weiterhin Gültigkeit haben, da sich am Wesen der Bilanz und ihrer Grundstruktur (insbe-
sondere dem Werte-Set) wenig verändert hat. Wo besonders erforderlich, wird auf die Neuerungen hingewie-
sen.
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Der „entscheidende Schritt“ (Felber 2014, S. 46) ist jedoch „die Koppelung des Gemeinwohl-
Bilanz-Ergebnisses an eine differenzierte rechtliche Behandlung“. Je höher die Gemeinwohl-
Punktzahl eines Unternehmens, desto mehr rechtliche Vorteile werden ihm eingeräumt. Unter
anderem sollen eine ermäßigte Umsatzsteuer, niedrige Zölle und günstige Kreditkonditionen
Anreize bieten, dem Gemeinwohl dienend zu handeln.
Aufbau und Funktion
Nach Felber (2014) erfasst die Gemeinwohl-Bilanz, „wie die zentralen Verfassungswerte, die
das Gemeinwohl komponieren, von den Unternehmen gelebt werden. Diese fünf Werte sind
[…] die häufigsten Verfassungswerte demokratischer Staaten: Menschenwürde, Solidarität, Ge-
rechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit und Demokratie“ (S. 37). Speziell soll die Bilanz be-
werten, wie diese „Grundwerte“ gegenüber den Berührungsgruppen (i.e. Stakeholdern) des Un-
ternehmens gelebt werden. Zu ihnen zählt Felber Lieferanten, Geldgeber, Mitarbeiter, Kunden,
Mitunternehmen, Standortgemeinden, künftige Generationen sowie die Umwelt (Felber 2014,
S. 37).3
Die fünf Werte werden mit fünf Berührungsgruppen des Unternehmens gekreuzt und bilden die
so genannte „Gemeinwohl-Matrix“ (Felber 2014, S. 37). Einige der 25 Kreuzungsfelder werden
zusammengefasst, sodass die Version 4.1 insgesamt 17 Felder ausweist. Diese bilden Evaluie-
rungskategorien und stellen als „Gemeinwohl-Indikatoren“ das Rahmenwerk der Gemeinwohl-
Bilanz dar (Felber 2014, S. 37, im Folgenden bloß „Indikatoren“). Abbildung 1 zeigt die Ge-
meinwohl-Matrix in der Version 4.1.4
Im Handbuch zur Gemeinwohl-Bilanz 4.1 heißt es: „[Die Indikatoren] sollen eine Beurteilung
von unternehmerischem Verhalten bzw. dessen Beitrag zum Gemeinwohl ermöglichen. Derzeit
erfolgt die methodische Erfassung mittels Gemeinwohlpunkten, welche für proaktives Verhal-
ten bei den 17 Indikatoren vergeben werden. Mit exakten Punkten soll nicht suggeriert werden,
dass eine millimetergenaue Messung des unternehmerischen Gemeinwohlbeitrages möglich ist.
Zielsetzung ist eine nachvollziehbare, plausible und konsistente Einschätzung, wo sich ein Un-
ternehmen auf dem Weg zum Gemeinwohl befindet“ (Verein zur Förderung der Gemeinwohl-
Ökonomie 2015b). In Abbildung 1 findet man die maximal erreichbare Punktzahl in der rech-
ten unteren Ecke eines jeden Indikators. Angelehnt an die Methodik des EFQM-Modells (Euro-
pean Foundation for Quality Management 2016) können insgesamt 1000 Punkte erreicht wer-
den, welche sich als Summe der Maximalpunkte der individuellen Indikatoren ergeben. In je-
dem Indikator werden freiwillige Aktivitäten belohnt, die über gesetzliche Mindeststandards
2.
3 In Version 5.0 wurden die Wertespalten Solidarität und soziale Gerechtigkeit zusammengefasst. Bei den Berüh-
rungsgruppen wurden Eigentümer und Geldgeber zusammengefasst (Verein zur Förderung der Gemeinwohl-
Ökonomie 2017 b).
4 In Version 5.0 gab es auch Anpassungen und Ergänzungen bei den Indikatoren und Subindikatoren, die nun
„Themen“ und „Aspekte“ genannt werden. Laut GWÖ ist allerdings „kein Thema oder Aspekt verschwunden.
Eine direkte Vergleichbarkeit der Berichte und Bewertungen mit früheren Versionen ist bei den betroffenen
Themen und bei der Gemeinwohl-Punktezahl aber nicht möglich.“ (Verein zur Förderung der Gemeinwohl-
Ökonomie, S. 10 f.) Dennoch sind das Grundgerüst der Gemeinwohlmatrix und insbesondere das Werte-Set er-
halten geblieben.
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hinausgehen5 (Verein zur Förderung der Gemeinwohl-Ökonomie 2015 b, S. 8). Darüber hinaus
gibt es so genannte Negativkriterien, in denen Minuspunkte für gemeinwohlschädigendes Ver-
halten vergeben werden (z. B. Verletzung der Menschenrechte oder Erzeugung von Atomstrom)
(Verein zur Förderung der Gemeinwohl-Ökonomie 2015 b, S. 13).
Die Gemeinwohl-Matrix bildet das Rahmenwerk zur Evaluierung der Gemeinwohl-Bilanz. Die
eigentliche Bilanz besteht dann aus einem Gemeinwohl-Bericht und einem Testat. Der Bericht
ist eine „umfassende Dokumentation“, in dem ein Unternehmen „seine Aktivitäten zu jedem
der 17 Indikatoren nach einer vom Verein [zur Förderung der Gemeinwohl-Ökonomie] ent-
wickelten Vorlage beschreibt“ (Verein zur Förderung der Gemeinwohl-Ökonomie 2015b, S. 8).
„Das Testat dokumentiert im grafischen Design der Matrix […] eine extern evaluierte Punkte-
vergabe“ (Verein zur Förderung der Gemeinwohl-Ökonomie 2015b, S. 8).
Wie der empirische Teil zeigt, wurde die Messung mittels Punkten in den ersten Versionen der
Bilanz kontrovers diskutiert. Es verwundert daher kaum, dass es im Handbuch der letzten Ver-
sion 5.0 heißt: „Die Bewertung ist […] keine Messung, sondern die Anwendung der Gemein-
wohl-Werteskala auf die Aktivitäten von Unternehmen bzw. deren Wirkungen auf die unter-
schiedlichen Berührungsgruppen. […] Obwohl die Gemeinwohl-Punktezahl im Sinne der Orga-
nisationsentwicklung wenig aussagekräftig ist, wurde diese von vielen Pionierunternehmen ge-
wünscht und hat künftig auch Bedeutung für etwaige Rechtsfolgen der Gemeinwohl-Bilanzie-
rung“ (Verein zur Förderung der Gemeinwohl-Ökonomie 2017 b, S. 9ff.).
5 In Version 5.0 wurde die quantitative Bewertung angepasst. Die Gesamtpunktzahl beträgt weiterhin 1000 Punk-
te, allerdings werden nun alle Indikatoren (bzw. Themen) aufgrund von Faktoren wie Unternehmensgröße oder
Branche unterschiedlich gewichtet.
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Abbildung 1: Gemeinwohl-Matrix 4.1
Quelle: Verein zur Förderung der Gemeinwohl-Ökonomie 2015b
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Anwendung und Auditierung
Um die GWB implementieren zu können, müssen sich die Unternehmen zunächst selbst evalu-
ieren, mittlerweile optional in Begleitung eines Beraters oder in einer Peer-Gruppe. Die Ge-
meinwohl-Bilanz soll auf Organisationen aller Art anwendbar sein, auch wenn sie sich hinsicht-
lich Größe, Umsatz, Branche, regionaler Risiken, Position in der Wertschöpfungskette oder
Marktmacht unterscheiden. In den jüngsten Weiterentwicklungen werden diese Unterschiede
allerdings zunehmend differenziert berücksichtigt (Verein zur Förderung der Gemeinwohl-Öko-
nomie 2015b; 2017 b). Zusätzlich erlaubt die Gemeinwohl-Bilanz auch „ein gewisses Maß an
Flexibilität, damit Unternehmen ihren Beitrag zur Weiterentwicklung der Matrix leisten kön-
nen. Sie werden selbst angespornt, Mittel und Wege zu suchen, die Gemeinwohl-Werte zu le-
ben“ (Verein zur Förderung der Gemeinwohl-Ökonomie 2017 b, S. 10).
Nach Abschluss der Selbstevaluierung folgt in den meisten Fällen ein „Audit“-Prozess durch
den so genannten „Gemeinwohlauditor“, also eine Kontrolle der Ergebnisse durch eine dritte
Partei. Dieser Gemeinwohlauditor soll „[g]anz analog zur WirtschaftsprüferIn [sein], die heute
die Finanzbilanz prüft“ (Verein zur Förderung der Gemeinwohl-Ökonomie 2015 b, S. 14). Im
Folgenden werden diese als „Auditoren“ bezeichnet, wobei (noch) unklar ist, wie ihre Qualifi-
kation garantiert und die Einhaltung branchenüblicher Qualitätsstandards gesichert werden
kann. Felber selbst plädiert an dieser Stelle für eine staatliche Lösung (Felber 2014, S. 47ff.).
Das Ergebnis des externen Audits wird im erwähnten Testat festgehalten, welches der Vorlage
der Gemeinwohl-Matrix entsprechend die Gemeinwohl-Punkte eines Unternehmens in jedem
Indikator und insgesamt ausweist (Verein zur Förderung der Gemeinwohl-Ökonomie 2015b).
Aufbau der Studie
Ziel unserer explorativen Studie6 war es zu verstehen, wie Anwender die Vorstellung der Ge-
meinwohlbilanz und deren Implementierung reflektieren und welche Auswirkungen das Instru-
ment auf die Unternehmensentwicklung hat. Das Forschungsdesign folgt der Grounded Theory,
bei der auf strukturierte Weise (Kodierung) aus Interviewdaten Erkenntnisse gewonnen und
theorieorientiert verallgemeinert werden (Corbin/Strauss 2008).
Datenerhebung
Den Kern der Datenerhebung bildeten qualitative semi-strukturierte Interviews mit Repräsen-
tanten der Unternehmen, die die GWB im Jahr 2011 implementiert hatten. In dieser Interview-
form werden detaillierte Informationen durch offene Fragen gewonnen, wobei weder die Fra-
3.
III.
1.
6 Siehe dazu auch Fröhlich (2013 a) und ausführlicher Fröhlich (2013b).
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gen selbst noch ihre Reihenfolge festgelegt sind und neue oder Folgefragen auftauchen können
(Rubin/Rubin 2012).
Insgesamt konnten 14 Unternehmen in Deutschland und Österreich für die Teilnahme gewon-
nen werden – von kleinen Einzelunternehmen (unter 10 Mitarbeiter) bis hin zu mittelständi-
schen Unternehmen (bis zu 700 Mitarbeiter). Vertreten war ein breites Spektrum an Branchen
sowohl aus dem Dienstleistungsbereich (z. B. Finanzdienstleistungen, Beratung) aber auch aus
dem produzierenden Bereich (z. B. Maschinenbau, Mode). Zusätzlich wurde ein Interview mit
einem offiziellen Auditor der GWÖ geführt. Insgesamt umfasst die Studie 16 Interviews mit
Unternehmensvertretern, die mit der Implementierung der Gemeinwohl-Bilanz vorwiegend be-
traut waren. Im Falle kleinerer Unternehmen war dies (einer) der Geschäftsführer, im Falle grö-
ßerer Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern zumeist ein Marketing-Verantwortlicher.
Die Mehrzahl der Gespräche fand innerhalb einer Periode von vier Wochen von Juli bis August
2012 vorwiegend am Standort der Unternehmen statt. Drei Interviews wurden telefonisch ge-
führt. Alle Interviewpartner erhielten vorab einen verkürzten Leitfaden ohne dabei die detail-
lierten Fragen zu erfahren. Dieses Vorgehen sollte Flexibilität auf Seiten des Interviewers sowie
Spontanität bei den Antworten der Interviewpartner garantieren. Die Interviews dauerten im
Schnitt etwa 1.5 Stunden. Die Gespräche wurden im Anschluss vollständig transkribiert und
von den Interviewpartnern autorisiert.
Datenanalyse
Insgesamt flossen mehr als 450 Seiten Text in die Auswertung ein. Zur Datenanalyse wurden
verschiedene Kodiertechniken im Sinne der Grounded Theory eingesetzt (Strauss/Corbin 1998;
Strübing 2008). Dieser Ansatz bietet sich immer dann an, wenn aus dem Feld heraus („induk-
tiv“) Erkenntnisse gewonnen und in einem kontinuierlichen Abgleich an neuen Daten („deduk-
tiv“) überprüft und verfeinert werden sollen. Die Grounded Theory stellt hierfür eine systemati-
sche Vorgehensweise auf der Basis eines offenen, axialen und selektiven Kodierens bereit. Die-
ses Kodierverfahren wurde auf die Rohdaten in mehreren Iterationen unter Nutzung der Soft-
ware Atlas.ti (Version 7.0) angewendet, um zu den nachstehenden Befunden zu gelangen.
Ergebnisse
Im Folgenden werden die Ergebnisse der Studie präsentiert, welche im ersten Abschnitt die
Evaluierungsmethode der GWB und im zweiten Abschnitt den Beitrag der GWB zur Unterneh-
mensentwicklung behandeln. Die Ziffern in Klammern verweisen auf die jeweiligen Interview-
partner, auf deren Aussagen die Darstellungen gründen. Stellenweise werden auch direkte Zita-
te verwendet. Generell wurde dabei eine Interpretation der Aussagen „nahe am Text” ange-
strebt. Der Grounded Theory-Ansatz diente dabei primär dem Zweck, übergreifende Tendenzen
herauszuarbeiten und weniger dazu, Wirkungszusammenhänge aufzuspüren oder zu (re)kon-
struieren.
2.
IV.
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Die Evaluierungsmethode
Die Studie untersuchte zunächst, wie Manager die Evaluierungsmethode der GWB (Version 3.0
im Jahr 2011) reflektierten. Das Evaluierungsrahmenwerk, der Evaluierungsprozess sowie die
Implikationen der Evaluierungsergebnisse werden im Weiteren beschrieben.
Evaluierungsrahmenwerk
Generell schienen sich die Interviewpartner weitgehend einig zu sein, dass die Indikatoren alle
Aspekte erfassen, die das Gemeinwohl betreffen (I: 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 11, 12, 13).
„Ich persönlich hatte noch nirgendwo ein so vollständiges Sortiment von Möglichkeiten
gesehen, die Leistungen eines Unternehmens zu bewerten.“ (I: 2)
Trotz der mehrheitlich attestierten Vollständigkeit äußerten manche Interviewpartner auch deut-
liche Kritik an den Inhalten der Gemeinwohl-Matrix. Zum Beispiel passten einer oder mehrere
Indikatoren ihrer Ansicht nach nicht auf ihr Unternehmen. (I: 1, 6, 7, 8, 9, 11, 13).
Einige (I: 7, 11, 14) merkten zudem an, dass die Gewichtung der Indikatoren teilweise unpas-
send sei, weil diese die relative Wichtigkeit der Indikatoren nicht korrekt widerspiegele. Unei-
nigkeit schien allerdings dahingehend zu bestehen, wie die korrekten Gewichtungen dann aus-
sehen sollten. Geteilt waren auch die Meinungen darüber, ob das Tool den Beitrag und Wert des
Endproduktes bzw. -services ausreichend berücksichtigt (I: 5, 10). Wie schon angemerkt, hat
hinsichtlich der Gewichtungen mittlerweile eine gewisse Differenzierung und Flexibilisierung
stattgefunden (Verein zur Förderung der Gemeinwohl-Ökonomie 2017 b).
Evaluierungsprozess
Aussagen mancher Interviewpartner (I: 1, 11, 13) suggerieren, dass die Bewertung der Indikato-
ren teilweise Schwierigkeiten bereitete. Die genauen Gründe dafür sind schwer zu greifen. Die
Daten lassen jedoch vermuten, dass es sich zum Teil um „Kinderkrankheiten“ des Tools und
der zugehörigen Anleitungen handelte, welche sich leicht beheben lassen oder in der aktuellen
Version bereits behoben sind. Dazu zählen Faktoren wie unzureichende Instruktionen (I: 6, 8, 9,
10, 12) oder das Fehlen von Peers, an denen sich die Unternehmen orientieren können.
Andere Aussagen (I: 4, 8, 11, 13) legen jedoch nahe, dass auch systematische Gründe für Eva-
luierungsschwierigkeiten vorliegen könnten:
„Und was immer eine Herausforderung [darstellt], war und ist auch heute, qualitative
Kriterien quantitativ zu bewerten.“ (I: 11)
1.
a)
b)
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Implikationen der Evaluierungsergebnisse
Für einige Unternehmen fiel das Bewertungsergebnis schlechter aus als erwartet. Entweder wa-
ren sie schon bei der Selbstevaluierung zu einem geringen Ergebnis gekommen, oder sie wur-
den im Zuge des Audits nach unten korrigiert. Dies führte teilweise zu negativen Reaktionen
(I: 2, 3, 6, 10, 12).
„[W]ir waren auch enttäuscht, dass man so wenige Punkte kriegt.“ (I: 3)
Interessanterweise gaben trotzdem die meisten Unternehmen an, dass das quantitative Ergebnis
ihres Gemeinwohlbeitrags für sie nicht wesentlich sei (I: 1, 3, 4, 6, 7, 8, 9, 11, 12, 13, 14). Ent-
weder weil die Unternehmen den Fokus auf den qualitativen Beitrag der Bilanz (I: 4, 6, 7, 8, 11,
13, 14) legten oder aber angesichts der Mängel des Bewertungssystems ein gewisses Misstrau-
en gegenüber den Zahlen entwickelt wurde (I: 7, 11).
Offensichtlich wird die Bedeutung des quantitativen Ergebnisses ambivalent wahrgenommen:
Auf der einen Seite schätzen Unternehmen es als wenig bedeutend ein, auf der anderen Seite
reagieren sie doch deutlich auf das Ergebnis.
Passend zu dem gewonnenen Bild wurde dem Auditor der GWÖ zufolge das quantitative Er-
gebnis zu diesem Zeitpunkt innerhalb der GWÖ Bewegung intensiv diskutiert. Ursprünglich
beabsichtigte die GWÖ, den Unternehmen zu vermitteln, dass sie die Punkte in Anbetracht der
noch offensichtlichen Mängel des Bewertungssystems “vergessen” sollten. Die starke mediale
Aufmerksamkeit für die Punktzahl bewirkte allerdings das Gegenteil (I: Auditor). Diese Ambi-
valenz ist auch in der neuesten Version 5.0 noch gegeben: Trotz Aufzeigens der Nachteile und
qualifizierender Darstellung wird an der Bewertung durch Punkte und dem Wunsch nach
Rechtsfolgen in Abhängigkeit der Punktzahl festgehalten (Verein zur Förderung der Gemein-
wohl-Ökonomie 2017 b).
Zusammenfassung
Dem Evaluierungsrahmenwerk der Gemeinwohl-Bilanz wurde von den Interviewpartnern weit-
gehend Vollständigkeit attestiert – in manchen Fällen wurden allerdings Teile als unpassend
oder unpassend gewichtet beurteilt, worauf die GWÖ mittlerweile mit einer beginnenden Diffe-
renzierung und Flexibilisierung antwortet.
Der Evaluierungsprozess bereitete teilweise Schwierigkeiten. Gründe scheinen „Kinderkrank-
heiten“ der frühen Version zu sein, die Quantifizierung abstrakter Größen bleibt aber ebenfalls
eine systematische Herausforderung.
Das quantitative Bewertungsergebnis wurde von den Unternehmen teilweise ernster genommen
als von der GWÖ und auch den Unternehmen selbst in dieser ersten Version beabsichtigt. Ur-
sächlich dafür scheint die hohe mediale Aufmerksamkeit zu sein, die der GWB allgemein und
den Punktzahlen speziell entgegengebracht wurde. Trotz der Nachteile und Qualifizierungen
hält die GWÖ an einer Bewertung durch Punkte und dem Wunsch nach verbindlichen Konse-
quenzen fest.
c)
d)
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Der Beitrag zur Unternehmensentwicklung
Neben dem Evaluierungssystem untersuchte die Studie, welchen Beitrag die Implementierung
der Gemeinwohl-Bilanz aus Sicht der Interviewpartner auf die Unternehmensentwicklung hat-
te. Hier wurde zwischen direkten und indirekten Beiträgen unterschieden. Direkte Beiträge sind
unmittelbare Wirkungen der Evaluierung entlang der Bewertungsdimensionen der Gemein-
wohl-Bilanz. Indirekte Beiträge sind jene, die darüber hinaus im Erstellungsprozess selbst und
teilweise zeitverzögert entstanden sind.
Direkte Beiträge
Was Unternehmen von der GWB selbst erwarteten, hat sich offenbar bewahrheitet: Faktisch al-
le Interviewpartner (I: 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14) schienen einig, dass die Imple-
mentierung der GWB und deren Konsequenzen Bewusstsein für die in der Gemeinwohl-Bilanz
adressierten Themen geschaffen hat und Verbesserungspotentiale identifiziert werden konnten.
„Und das war ein Verdienst der Gemeinwohl-Matrix oder der Gemeinwohl-Bewegung,
dass wir auch mit anderen Dingen in Berührung gekommen sind, wo wir sagten: Es wäre
wichtig und sinnvoll, das auch bei uns umzusetzen.“ (I: 7)
In vielen Fällen haben die Unternehmen bereits Schritte zur Verbesserung ihrer eigenen Ge-
meinwohl-Bilanz unternommen, allerdings mit jeweils unterschiedlichen Schwerpunktsetzun-
gen. Im Folgenden werden diese entlang der Wertkategorien der Gemeinwohl-Bilanz genauer
diskutiert. Abbildung 2 zeigt einen Überblick.
Abbildung 2: Übersicht über direkte Beiträge der GWB zur Unternehmensentwicklung7
Quelle: Eigene Darstellung
2.
a)
7 Die Zahlen in den Klammern zeigen, wie viele Interviewpartner Beiträge in der jeweiligen Kategorie nannten.
Die Gemeinwohl-Bilanz – Wichtige Anstöße, aber im Legitimationsdefizit
ZögU 40. Jg. 2-3/2017 163
Ökologische Nachhaltigkeit
Viele Interviewpartner (I: 1, 4, 5, 6, 8, 10, 14) äußerten, dass sie durch die Anwendung der
GWB Verbesserungspotentiale im Bereich der ökologischen Nachhaltigkeit entdeckt hatten.
Beispielsweise wurde einem Dienstleistungsunternehmen bewusst, dass es auch einen CO2-
Fußabdruck hat.
„Es ist mir bewusst geworden, dass ich auch ein CO2-Produzent bin, das war mir vorher
nicht so bewusst und das nehme ich jetzt wirklich anders wahr[.]“ (I: 10)
Einige Unternehmen (I: 1, 4, 5, 6, 8, 10) wurden auch zu konkreten Handlungen ermutigt, bei-
spielsweise zu einem Bekenntnis zu mehr Regionalität (I: 6, 8), zur Erstellung einer CO2-Bilanz
(I: 4), zum Wechsel der Energiequelle (I: 1) oder des Energieversorgers (I: 10) oder zur Berück-
sichtigung veganer Ernährung (I: 6).
Menschenwürde
Im Bereich der Menschenwürde entwickelten Unternehmen den Interviews folgend mehr Be-
wusstsein in den Bereichen Arbeitsbelastung (I: 3, 5, 7, 10, 12, 14), Umgang mit Mitarbeitern
(I: 8) sowie ethisches Beschaffungswesen (I: 13).
In diesem Kontext wurden auch die Abschaffung von All-Inclusive Verträgen (I: 3), die Be-
rücksichtigung der Menschenwürde, insbesondere der Arbeitsbelastung bei der Auftragsevalu-
ierung (I: 7), der gute Umgang mit Mitarbeitern auch in Stress-Situationen (I: 8) sowie ethische
Aspekte bei der Lieferantenauswahl (I: 13) genannt.
„Und [der Prozess] hat letztlich dazu geführt, dass ich auch meine Bezugsquellen verän-
dert habe.“ (I: 13)
Solidarität
Die im Bereich Menschenwürde genannten Maßnahmen fallen teilweise in diese Kategorie. Zu-
sätzlich wurden nur vereinzelt Beiträge im Bereich Solidarität erwähnt, etwa der Anreiz, einen
Verhaltenskodex zu implementieren (I: 1) oder gesellschaftliche Verantwortung stärker in der
Organisation zu verankern (I: 11).
Demokratische Mitbestimmung und Transparenz
Trotz des breiten Konsens, dass die Implementierung der Gemeinwohl-Bilanz allgemein mehr
Transparenz bewirkte, gab es nur wenige Unternehmen die in dieser Evaluierungskategorie di-
rekte Beiträge zur Unternehmensentwicklung identifizierten (I: 3, 4, anonym). In Bezug auf de-
mokratische Mitbestimmung wurde einem anonymen Interviewpartner bewusst, dass in man-
chen Bereichen weniger Einstimmigkeit existiert als zuvor erwartet. Ein anderes anonymes Un-
Timo Meynhardt und Andreas Fröhlich
164 ZögU 40. Jg. 2-3/2017
ternehmen überdenkt nun seine Eigentümerstruktur. Interviewpartner 3 erwähnte, dass sein Un-
ternehmen ermutigt wurde, ein Mitarbeiter-Vertretungs-Modell zu implementieren.
Soziale Gerechtigkeit
Lediglich ein Interviewpartner (I: 3) berichtete von gesteigertem Bewusstsein im Bereich sozia-
le Gerechtigkeit – speziell im Bereich von Frauen in Führungsrollen und behindertengerechten
Arbeitsplätzen.
Ethisches Finanzmanagement
Als übergreifende Kategorie betrifft ethisches Finanzmanagement alle genannten Kategorien.
Drei Interviewpartner (I: 1, 10, 13) gaben an, dass sie nun die ethischen Aspekte ihres Finanz-
managements berücksichtigten. So wechselte das Unternehmen von Interviewpartner 1 auf-
grund dieser Perspektiven seine Bank, und auch Interviewpartner 13 hat dies in der nahen Zu-
kunft vor.
Verstärkte Berücksichtigung der gesamten Lieferkette
Es scheint, dass die Strukturierung der Gemeinwohl-Bilanz entlang der Berührungsgruppen des
Unternehmens auch zu einer verstärkten Berücksichtigung der gesamten Lieferkette führte
(I: 7, 10, 14). Zum Beispiel fühlte sich Interviewpartner 10 nun stärker verantwortlich für den
Ressourcenverbrauch seiner Abnehmer.
Indirekte Beiträge
Neben den Beiträgen, die direkt dem Evaluierungsrahmen der Gemeinwohl-Matrix zugeordnet
werden können, gab es zahlreiche andere Veränderungen, die die Interviewpartner in ihren Un-
ternehmen beobachteten und auf die Implementierung der GWB zurückführten. Diese indirek-
ten Beiträge sind im Folgenden überblicksmäßig dargestellt und werden im Anschluss erläutert.
b)
Die Gemeinwohl-Bilanz – Wichtige Anstöße, aber im Legitimationsdefizit
ZögU 40. Jg. 2-3/2017 165
Abbildung. 3: Übersicht über indirekte Beiträge der GWB zur Unternehmensentwicklung8
Quelle: Eigene Darstellung
Erhöhte Transparenz
Es scheint Konsens dahingehend zu bestehen, dass die Implementierung der Gemeinwohl-Bi-
lanz die Transparenz insgesamt verbesserte und so sowohl internen als auch externen Berüh-
rungsgruppen eine neue, klarere Perspektive auf die jeweiligen Organisationen ermöglichte
(I: 2, 4, 5, 9).
„[Die Bilanz hilft uns], weil sie die ganzen Leistungen des Unternehmens transparent
macht.“ (I: 2)
Potentielle Marketing-Effekte
Die Daten suggerieren, dass es verschiedene Meinungen bezüglich der Frage gab, ob die Ge-
meinwohl-Bilanz als Marketinginstrument verwendet werden konnte bzw. sollte.
Die Interviewpartner 3, 4, und 6 äußerten, dass sie die Gemeinwohl-Bilanz bewusst als Marke-
tinginstrument verwendeten.
„Wir nutzen [die GWB] als Instrument der Öffentlichkeitsarbeit, zum Vertrauenserhalt
bei unseren Kunden und als Instrument zur Neukundengewinnung.“ (I: 4)
Andere Äußerungen (I: 5, 8, 9, 14) legten einen bestimmten Marketing-Effekt nahe, obwohl die
jeweiligen Unternehmen angaben, diesen nicht bewusst anzustreben. Eine weitere Gruppe
(I: 10, 12, 13) bezweifelte explizit, ob es überhaupt einen Marketingeffekt für ihre Unterneh-
men gegeben hatte.
Gesteigertes Selbstvertrauen
Vier Interviewpartner gaben zu verstehen, dass ihr Vertrauen in ihr gemeinwohlorientiertes En-
gagement durch die Implementierung der Gemeinwohl-Bilanz gestärkt wurde (I: 5, 7, 11, 12).
8 Die Zahlen in den Klammern zeigen, wie viele Interviewpartner Beiträge in der jeweiligen Kategorie nannten.
Timo Meynhardt und Andreas Fröhlich
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„Aber schon allein das Selbstbewusstsein – [mein] eigene[s] und [das] der Mitarbeiter –
ist gefestigt worden.“ (I: 11)
Bildung eines Gemeinschaftssinns
Im Zusammenhang mit dem vorigen Punkt suggerierten mehrere Kommentare, dass die Imple-
mentierung der Gemeinwohl-Bilanz etwas geschaffen hat, das man am ehesten mit der „Bil-
dung eines Gemeinschaftssinns” mit anderen Unternehmen zusammenfassen könnte (I: 3, 5, 8,
12, 14).
Erhöhtes Bewusstsein der Mitarbeiter
Mehrere Aussagen legen nahe, dass das Bewusstsein von Anspruchsgruppen des Unterneh-
mens, vordergründig der Mitarbeiter, zunahm (I: 4, 8, 11).
„Es hat auch bei den Mitarbeitern mehr Bewusstsein bewirkt, was mich sehr freut.“
(I: 8)
Diese Bewusstseinsbildung ging in zwei Unternehmen auch einher mit einer unterstellten Stei-
gerung der Mitarbeitermotivation (I: 6, 11), allerdings löste sie in anderen Fällen wiederum Be-
denken der Mitarbeiter über den künftigen Erfolg des Unternehmens aus (I: 2, 4).
Verstärkte Auseinandersetzung und Reflexion
Auf einer generellen Ebene brachten manche Interviewpartner (I: 1, 3, 4, 7, 10) zum Ausdruck,
dass der Grad an Auseinandersetzung mit dem eigenen Unternehmen zugenommen habe.
„Wir sind für uns selbst auch kritischer.“ (I: 4)
Zusammenfassung
Insgesamt lassen die Daten darauf schließen, dass die Implementierung der Gemeinwohl-Bilanz
sowohl direkt als auch indirekt einen durchaus relevanten Beitrag zur Weiterentwicklung der
Unternehmen geleistet hat.
Direkte Beiträge fanden sich vorwiegend in den Bereichen ökologische Nachhaltigkeit und
Menschenwürde, aber auch teilweise in anderen Wertkategorien der Gemeinwohl-Bilanz. Indi-
rekte Beiträge beinhalten höhere Transparenz, ein gestärktes Selbstvertrauen, mehr Konfrontati-
on und Reflexion, ein gesteigertes Bewusstsein der Mitarbeiter, Bildung eines Gemeinschafts-
sinns sowie potentielle Marketingeffekte.
Die Beiträge lassen sich prägnant unter dem Begriff „Transparenz- und Bewusstseinsbildung“
zusammenfassen. Sie werden gestützt durch Beobachtungen des Auditors, wonach die Gemein-
c)
Die Gemeinwohl-Bilanz – Wichtige Anstöße, aber im Legitimationsdefizit
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wohl-Bilanz Bewusstsein geschaffen hat, indem sie ein realeres Bild vom eigenen Unterneh-
men vermittelt und dynamische Prozesse innerhalb der Organisationen ausgelöst hat.
Die genannten Beiträge müssen jedoch insofern relativiert werden, als dass oft schwer beurteilt
werden kann, ob nicht auch andere Effekte eine zusätzliche oder sogar stärkere kausale Rolle
für den Anstoß bestimmter Entwicklungen spielten (I: 1, 9, 10, 12).
Implikationen der Ergebnisse
Die Interviewanalyse legt nahe, dass die Gemeinwohl-Bilanz bereits in ihrem Anfangsstadium
methodisch durch ihre Anwendungs- und Wirkungsorientierung die beteiligten Manager über-
zeugen konnte, besonders im Hinblick auf ihre Darstellungsfunktion und der damit einherge-
henden Transparenz- und Bewusstseinsbildung. Die Implementierung der GWB in Verbindung
mit dem Audit verlangte von den Unternehmen auf praktikable Weise eine detaillierte Ausein-
andersetzung mit sich selbst und schaffte dadurch ein erhöhtes Verständnis für die Konsequen-
zen von Prozessen und Handlungen, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Organisation.
Daneben soll die Gemeinwohl-Bilanz aber auch eine Bewertungsfunktion erfüllen, also den Ge-
meinwohlbeitrag eines Unternehmens objektiv ermitteln. Wie die Interviewergebnisse zeigen,
ist das quantitative Bewertungssystem, welches große Genauigkeit für sich beansprucht, aus
methodischer Sicht zu hinterfragen, was die GWÖ selbst auch bereits getan hat (Verein zur För-
derung der Gemeinwohl-Ökonomie 2015 b; 2017 b)
Unabhängig von methodischen Gesichtspunkten stellt sich auch die Frage nach der inhaltlichen
Umsetzung, also inwieweit die Messung des Gemeinwohlbeitrages objektiv erfolgt. Das berührt
nicht nur die Punktevergabe, sondern das gesamte wertebasierte Evaluierungsrahmenwerk. Die
Interviews lieferten dazu nur wenig aussagekräftige Ergebnisse.
Theorieorientierte Reflexion der GWB
Fünf (bzw. in der Version 5.0 noch vier) spezifische Gemeinwohlwerte (Menschenwürde, Soli-
darität, Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit und Demokratie) bilden das Herzstück der
Gemeinwohl-Bilanz. Dieser material aufgeladene Gemeinwohlbegriff soll der GWÖ zufolge
für alle Sektoren der Wirtschaft und über Ländergrenzen hinweg Gültigkeit beanspruchen. Da-
mit wird aus Anwenderperspektive ein komplexes Thema auf attraktive Weise vereinfacht und
griffig. In dieser inhaltlichen Präzisierung liegen jedoch gleichzeitig auch die zwei größten Pro-
bleme der GWB:
Erstens zeigt sich zunächst ein Auslegungsproblem. Es darf angezweifelt werden, dass die aus-
gewählten Werte die einzigen Bereiche sind, in denen Unternehmen zum Gemeinwohl beitra-
gen. Selbst wenn sie es wären, leidet ihre Übersetzung in konkrete Beurteilungskriterien unter
einer nicht gerechtfertigten ideologischen Enge.
Zweitens zeigt sich ein Legitimationsproblem. Eine demokratische Legitimierung der Gemein-
wohl-Bilanz bzw. der zugrundeliegenden Gemeinwohldefinition wird seit langem angekündigt,
V.
VI.
Timo Meynhardt und Andreas Fröhlich
168 ZögU 40. Jg. 2-3/2017
ist aber weiterhin ausständig und wäre mit der gegenwärtigen Engführung des Gemeinwohlbe-
griffs sehr wahrscheinlich unvereinbar. Abgesehen davon könnte die Umsetzung der Rechtsver-
bindlichkeit auf verfassungsrechtliche Hürden stoßen.
Beide Problemstellungen möchten wir im Folgenden näher behandeln. Wir beziehen uns dabei
stellenweise auf das deutsche Grundgesetz, gehen aber davon aus, dass der GWÖ-Ansatz zu
strukturell ähnlichen Herausforderungen in anderen Ländern führt.
Zum Auslegungsproblem: Die Auswahl der fünf (bzw. neu vier) Gemeinwohlwerte erscheint
auf den ersten Blick leicht nachvollziehbar, entspringen sie doch stark dem europäischen
Grundrechtsdenken. So ist etwa die Menschenwürde der oberste Wert des Grundgesetzes (Di
Fabio 2004).
Man könnte auch darüber hinwegsehen, dass nicht alle Wertbegriffe gleichermaßen, sei es ex-
plizit oder implizit, in den von Felber betrachteten Verfassungen vorkommen: Zum Beispiel
findet sich im deutschen Grundgesetz weder der Begriff „ökologische Nachhaltigkeit“ noch je-
ner der „Solidarität“ (Felber/Heindl 2015).
Problematisch ist also zunächst nicht die Auswahl bestimmter Gemeinwohlwerte. Es darf je-
doch angezweifelt werden, dass sich unter dem unbestimmten bzw. pluralisierten Begriff des
Gemeinwohls (Grimm 2002) ausschließlich diese Werte subsumieren lassen.
Vorrechtliche, in der Gesellschaft verankerte Werte mögen durch die Aufnahme ins Grundge-
setz eine besondere Verstärkung erfahren und dadurch auch eine gewisse Berechtigung, Teil
einer gemeinwohlorientierten Werteauswahl zu sein. In ähnlicher Weise hätten diese oder wei-
tere Werte aber auch auf Basis anderer Werteordnungen (insbesondere religiöse Texte als Wer-
tehorizont und Sittlichkeits-Ressource) konstruiert werden können. Zudem: Im Grundgesetz
eine objektive (und somit auch vollständige) Werteordnung zu sehen, kann höchst konflikt-
trächtig sein, wie Di Fabio (2004) eindrucksvoll aufgezeigt hat.
Das Auslegungsproblem besteht also primär in der starken Beschränkung der Anzahl der Werte
und dem damit verbundenen Ausschluss vieler anderer möglicher Werte, auf Basis derer „Ge-
meinwohl“ definiert werden könnte. Darin verdeutlicht sich eine ideologische Enge in der Aus-
legung des Gemeinwohlbegriffs durch die GWÖ.
Diese ideologische Enge wird besonders frappant im Lichte der Public Value-Theorie (Meyn-
hardt 2008; 2009; 2015). Dort wird Public Value als Wertschöpfung zum Gemeinwohl wie folgt
definiert: „Public Value wird erst dann geschaffen oder zerstört, wenn das individuelle Erleben
und Verhalten von Personen und Gruppen so beeinflusst wird, dass dies stabilisierend oder de-
stabilisierend auf Bewertungen des gesellschaftlichen Zusammenhalts, das Gemeinschaftserle-
ben und die Selbstbestimmung des Einzelnen im gesellschaftlichen Umfeld wirkt“ (Meynhardt
2008, S. 462). Was das in einer konkreten historischen Situation und in unterschiedlichen kultu-
rellen Kontexten bedeutet, wird dabei nicht a priori festgelegt, sondern ergibt sich situativ aus
den subjektiven Bewertungen jener Individuen, die die Gemeinschaft bilden, deren Wohl be-
wertet wird.
Als Grundlage für die Analyse der individuellen Bewertungen dient der Bezugsrahmen
menschlicher Grundbedürfnisse nach Epstein (1993; 2003).
Die Gemeinwohl-Bilanz – Wichtige Anstöße, aber im Legitimationsdefizit
ZögU 40. Jg. 2-3/2017 169
●Bedürfnis nach Orientierung und Kontrolle (instrumentell-utilitaristisch, Fokus auf den Nut-
zen)
●Bedürfnis nach Selbstwerterhalt und -steigerung (moralisch-ethisch, Fokus auf das Individu-
um)
●Bedürfnis nach positiven Beziehungen (politisch-sozial, Fokus auf die Gruppe)
●Bedürfnis nach Unlustvermeidung und Lustgewinn (hedonistisch-ästhetisch, Fokus auf posi-
tive Erfahrung)
Mit diesen in der psychologischen Forschung etablierten Bedürfniskategorien wird im Public
Value-Ansatz die individuelle Bedürfnisebene mit der gesellschaftlichen Wirkungsebene von
Unternehmen bzw. insgesamt Organisationen verbunden. Ein Gemeinwohlbeitrag wird gemäß
Public Value-Theorie immer dann bemerkt, wenn Organisationen auf gesellschaftliche Werte so
einwirken, dass dies den Einzelnen in seiner Bedürfnisstruktur beeinflusst. Unternehmen tragen
insofern zur Produktion und Reproduktion gemeinschafts- und gesellschaftsbildender Werte
bei, die im Gemeinwohl ihr anstrebenswertes Ideal finden. Aus dieser Funktion heraus entsteht
auch ihr Public Value, d.h. ihre Wertschöpfung zum Gemeinwohl. Etwas pointierter: Organisa-
tionen machen Gesellschaft (Meynhardt 2016).
Im günstigen Fall bilden Organisationen für den Einzelnen eine Ressource – also etwas, woraus
er Sinn, Orientierung und im besten Fall Identität und Energie ableiten kann. Public Value kann
folglich auch zerstört werden, wenn Organisationen Schaden anrichten, ihren gesellschaftlichen
Rückhalt riskieren und der Einzelne sich damit nicht mehr identifizieren kann.
Die jeweils relevanten Gemeinwohlwerte können jedoch weder ein für alle Mal festgelegt wer-
den, noch sind sie völlig willkürlich. Im Gegensatz zur Top-Down-Vorgabe von Gemeinwohl-
werten werden in der Public Value-Theorie lediglich vier Grundbedürfnisse als Bewertungsdi-
mensionen postuliert, die je nach sozialem und kulturellem Kontext zu anderen Gemeinwohl-
werten führen können. Innerhalb der Public Value-Theorie kann das Spektrum aller Gemein-
wohl-Werte allein analytisch beschrieben werden. Kombiniert man die einzelnen Public Value-
Dimensionen, so ergibt sich eine Landkarte mit 16 möglichen Feldern. Verortet man die fünf
GWB-Gemeinwohlwerte, ergibt sich folgendes Bild (siehe Abbildung 4).
Timo Meynhardt und Andreas Fröhlich
170 ZögU 40. Jg. 2-3/2017
Abbildung 4: Einordnung der GWÖ-Werte in die Public Value Landkarte
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an die Public Value Landscape (Meynhardt 2009,
S. 208)
Die hier vorgenommene Einordnung der GWB-Werte ist in gewissem Sinne natürlich willkür-
lich – auch andere Zuordnungen sind möglich. Außerdem hätten in jedem Feld auch noch wei-
tere Werte Platz. Es ist jedenfalls offensichtlich, dass bei jeder denkbaren Zuordnung blinde
Flecken auf der Landkarte zurückbleiben, diese also niemals vollständig von den GWB-Werten
abgedeckt werden kann. Beispiele für vernachlässigte Bereiche sind etwa der Beitrag zum so-
zialen Frieden, der Beitrag zum kulturellen Erbe, die Wohlstandssicherung durch Innovation,
der Beitrag zur Generationengerechtigkeit, der Beitrag zur Versorgungssicherheit oder auch der
Beitrag zum Beschäftigungsniveau. All dies sind potenziell ebenso relevante Gemeinwohlbei-
träge, die die GWB aufgrund der Werteeinschränkung nicht in den Blick nehmen kann.
Selbst wenn man die durch die GWÖ vorgegebene Werteauswahl als vollständig akzeptieren
würde, muss man mindestens ebenso kritisch auf deren nächste Konkretisierungsstufe blicken:
Die Operationalisierung der Wertbegriffe in Form der (Sub)Indikatoren bzw. der Themen und
Aspekte. Hier zeigt sich zwar in den jüngsten Weiterentwicklungen der Matrix eine gewisse
Verbreiterung und Flexibilisierung – dennoch lesen sich viele Bewertungskriterien wie eine An-
sammlung bestimmter politischer Forderungen: Warum sollte etwa die „Selbstbestimmung der
Wochenarbeitszeit“ bzw. die „Weitergabe von Arbeitskräften, Aufträgen, Finanzmitteln oder
Technologie“ an andere Unternehmen zwingend solidarisch und damit gemeinwohlförderlich
sein? Weitere Beispiele für das vorformatierte Gemeinwohlverständnis in der aktuellen Version
Die Gemeinwohl-Bilanz – Wichtige Anstöße, aber im Legitimationsdefizit
ZögU 40. Jg. 2-3/2017 171
sind die „Ablöse konventioneller Kredite“, fleischlose Ernährung oder die periodische Wahl
und Evaluierung von Führungskräften durch die Mitarbeiter (Verein zur Förderung der Gemein-
wohl-Ökonomie 2017 b, S. 37ff.).
Beim Lesen dieser Forderungen entsteht auch der Eindruck, dass die GWB weniger einen un-
mittelbaren Gemeinwohlbeitrag von Unternehmen evaluiert, als vielmehr die Umsetzung einer
Auswahl von Maßnahmen überprüft, die als „Mittel“ potentiell dem „Zweck“ der Gemeinwohl-
förderung dienlich sein könnten. Dabei stellt sich die Frage, auf welcher Legitimationsgrundla-
ge die Annahme der Gemeinwohlförderlichkeit dieser Maßnahmen beruht (siehe dazu die Be-
handlung des Legitimationsproblems) und warum die Maßnahmenliste, wie schon die Werte
selbst, den Eindruck einer stark selektiven Auswahl erweckt. In der Gemeinwohl-Bilanz wird
damit über die Operationalisierung einzelner Themen und Aspekte eine programmatische Fo-
kussierung vorgenommen, deren Gemeinwohlverträglichkeit nicht einfach unterstellt werden
kann. Im Kern werden – für soziale Bewegungen wiederum nicht untypisch – Partikularinteres-
sen mit dem Gemeinwohl verknüpft.
In der vorgestellten Studie gaben zwar mehrere Interviewpartner an, dass die Gemeinwohl-Bi-
lanz alle wichtigen Aspekte des Gemeinwohls abdecke. Wir erklären uns diesen Befund jedoch
mit einem Selbstselektions- und Selbstkonfirmierungseffekt, nach dem sich zu diesem Zeit-
punkt vorwiegend jene Unternehmen freiwillig der GWB stellten, die das darin akzentuierte
Gemeinwohlbild ohnehin teilen bzw. die GWÖ Bewegung unterstützen wollten. Umgekehrt
aber wird die GWB durch diese Engführung für alle anderen unattraktiv bzw. birgt die Gefahr,
durch den oberflächlich breitenwirksamen Titel „Gemeinwohl-Bilanz“ bei Unternehmen, Kun-
den und anderen Stakeholdern zunächst Anhänger zu finden, die das zugrundeliegende Werte-
bild und dessen Konkretisierung bei genauerer Betrachtung nicht teilen.
Zusammenfassend zeigt sich das Auslegungsproblem durch eine ideologische Enge nicht nur in
der Auswahl der Gemeinwohlwerte, sondern auch in deren Konkretisierung bzw. Operationali-
sierung.
Zum Legitimationsproblem: Das Auslegungsproblem wäre weniger gravierend, wenn die
Auswahl und Konkretisierung der Gemeinwohlwerte legitimiert wären. Zunächst bezieht sich
die GWÖ hier wie beschrieben auf einige Verfassungen demokratischer Staaten. Die bisherigen
Überlegungen legen jedoch nahe, dass dieser Bezug inhaltlich überstrapaziert wird. Gleichzei-
tig erhebt die GWÖ mit dem Verweis auf den „entwicklungsoffenen Vorschlag“ gar nicht den
Anspruch, durch den Verfassungsbezug schon eine inhaltlich final legitimierte Gemeinwohlde-
finition erreicht zu haben. Vielmehr kündigt sie seit ihren Anfängen eine kollektive Willensbil-
dung („Wirtschaftskonvent“) an, um das Legitimationsproblem zu lösen, welche aber bisher
nicht erfolgt ist.
Dies hat zwei folgenschwere Konsequenzen: Erstens verstärkt sich das Auslegungsproblem in-
sofern, als dass Unternehmen nicht nur anhand einer engen, sondern auch einer gewissermaßen
willkürlichen Gemeinwohldefinition evaluiert werden. Zweitens würde sich die durch eine kol-
lektive Willensbildung errungene und damit gesellschaftlich breit akzeptierte Lösung mögli-
cherweise deutlich von der gegenwärtigen, ideologisch engen Lösung unterscheiden.
Selbst wenn die ausstehende Willensbildung zustande käme, stellt sich die Frage, was dadurch
genau legitimiert wäre bzw. welche Konsequenzen diese nach sich ziehen könnte. Vorstellbar
ist zunächst eine gewisse inhaltliche Legitimation einer bestimmten Gemeinwohlauslegung
Timo Meynhardt und Andreas Fröhlich
172 ZögU 40. Jg. 2-3/2017
bzw. der Gemeinwohlbilanz. Dies könnte eine breitere freiwillige Akzeptanz der Gemeinwohl-
bilanz am Markt durch private Akteure im Sinne einer Appellfunktion begünstigen.
Komplexer ist jedoch die Erreichung der von der GWÖ geforderten Rechtsverbindlichkeit.
Dies soll als juristische Frage hier nicht Gegenstand einer detaillierten Abhandlung sein. Trotz-
dem sei kurz auf zwei potentielle Hürden verwiesen: Laut Grimm (2002) steht die deutsche
Verfassung im Geiste eines prozeduralen Gemeinwohlverständnisses. Insofern würde eine ge-
setzliche Verankerung einer stark konkretisierten Gemeinwohldefinition auf verfassungsrechtli-
che Hürden stoßen. Ähnliche Hürden könnten sich ergeben, wenn eine Gemeinwohlorien-
tierung des Einzelnen zu Lasten der individuellen Freiheit in zu pauschalisierter Form verbind-
lich gemacht werden soll. „[Der Staat] stößt auf grundrechtlichen Widerstand, wenn er die Bür-
ger für gemeinnützige Dienste in die Pflicht nehmen will. Seine Möglichkeiten, das soziale Ver-
halten gesetzlich zu steuern, werden durch die Grundrechte eingeschränkt. Vollends hat der li-
berale Staat im Unterschied zum sozialistischen nicht den Ehrgeiz, seine Bürger aus selbstsüch-
tigen ‚bourgeois‘ in gemeindienstfreudige ‚citoyens‘ zu verwandeln. Wenn Familie, bürgerliche
Gesellschaft, Religion, Kultur und Markt versagen, kann der Staat nicht einspringen und das
Defizit aus eigenen Ressourcen ausgleichen. Dieses Risiko des Gemeinwohls ist der Preis der
Freiheit“ (Isensee 2016, S. 47).
Natürlich sind die genannten rechtlichen Hürden wie gesagt im Detail juristisch zu prüfen.9 Al-
lerdings gehört der Gedanke gesellschaftlicher Selbststeuerung zum Wesen des deutschen
Grundgesetzes. Der damit verbundene Verzicht auf staatliche Lenkung findet sich in allgemei-
nerer Form auch in modernen Selbstorganisationstheorien. Diese beschreiben Wertedynamiken
in komplexen sozialen Systemen als stets fragilen Prozess der Selbstorganisation, der durch
Lenkungseingriffe nur bedingt beeinflusst werden kann. So gesehen ist auch das Gemeinwohl
ein synergetischer Ordnungsparameter (Meynhardt 2015), der aus dem Zusammenspiel unter-
schiedlichster Akteure und Faktoren entsteht und sich also einer direkten Steuerung entzieht.
Wir halten fest: Die frühzeitige, ideologisch enge Festlegung des Gemeinwohl-Begriffs bei
gleichzeitig geforderter, aber noch ausstehender und potentiell unmöglicher demokratischer Le-
gitimierung führt die GWÖ in einen aktuell unlösbaren Zielkonflikt hinein: Auf der einen Seite
propagiert die GWÖ ein selektives Wertesystem, auf der anderen Seite einen entwicklungsoffe-
nen, demokratischen Prozess, der genau dieses Wertesystem letztendlich verändern oder im Ex-
tremfall ablehnen könnte. Der tiefere Grund dafür liegt in der engen Auslegung des Gemein-
wohls, was im Lichte der Public Value-Theorie insbesondere markant wird. Diese basiert auf
einer bedürfnistheoretisch begründeten Verknüpfung von individueller Mikro- und kollektiver
Makroebene. Ohne eine solche (wie auch immer wissenschaftlich gefasste) Annahme bleibt je-
de Gemeinwohlsetzung willkürlich und muss sich mit dem Vorwurf einer fehlenden theoreti-
schen Grundlage auseinandersetzen. Für eine soziale Bewegung muss dies allerdings auch kei-
ne relevante Fragestellung sein, vielmehr ist eine entsprechende Wertsetzung sogar konstitutiv.
Potenziell problematisch ist die einseitige Vereinnahmung des Gemeinwohls jedoch für An-
9 Eine derartige Prüfung könnte unter Umständen auch Felbers Aussage, „dass alle fundamentalen Voraussetzun-
gen für eine Gemeinwohl-Ökonomie bereits heute in den Verfassungen enthalten, in der realen Wirtschaft aber
zu wenig wirksam sind“ (Felber/Heindl 2015, S. 16) widerlegen. Da unser Fokus allerdings auf der Bilanz als
Instrument und nicht auf der GWÖ liegt, wird hier auf nähere Ausführungen verzichtet.
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wender in der Unternehmenspraxis und deren Anspruchsgruppen, die sich für den Legitimati-
onshintergrund des Instruments interessieren.
Schlussfolgerung
Die Gesamtwürdigung der Gemeinwohl-Bilanz fällt zwiespältig aus: Das Instrument themati-
siert einerseits auf innovative Weise eine für Unternehmen wichtige Herausforderung, nämlich
den Beitrag zum Gemeinwohl, und setzt damit in der Praxis wertvolle Diskussionen in Gang.
Die bisher steigende Popularität der Gemeinwohl-Bilanz sowie die hier präsentierten Ergebnis-
se zeigen, dass die GWÖ-Bewegung mit der Idee eines Gemeinwohl-Reporting-Instruments
einen Nerv in der Gesellschaft getroffen hat. Zudem zeigen sie, dass die Gemeinwohl-Bilanz
als praktisches Fallbeispiel für eine methodische Umsetzung einer solchen Idee dienen kann,
vor allem im Hinblick auf die Anwendungs- und Wirkungsorientierung ihrer Darstellungsfunk-
tion. Die Praktikabilität der GWB könnte für andere Ansätze des Non-Financial Reporting An-
regungen zur nutzerfreundlichen Aufbereitung bieten, die gerade in kleinen und mittleren Un-
ternehmen ohne eigene Entwicklungskapazitäten gefordert ist.
Andererseits: Was die inhaltliche Ausrichtung betrifft, haften der Gemeinwohl-Bilanz zumin-
dest derzeit noch zwei bedeutende Schwächen an: Erstens beruht sie auf einem ideologisch en-
gen Gemeinwohlverständnis, das sowohl die zugrundeliegenden Werte als auch deren Operatio-
nalisierung betrifft. Zweitens ist dieses Gemeinwohlverständnis weder theoretisch noch ander-
weitig legitimiert. Eine immer wieder angekündigte demokratische Legitimierung ist bisher
ausgeblieben und würde möglicherweise in einem deutlich anderen Gemeinwohlverständnis re-
sultieren. Darüber hinaus würde die Forderung nach Rechtsverbindlichkeit einer Gemeinwohl-
definition und -orientierung potentiell auf verfassungsrechtliche Hürden stoßen.
Aufgrund der Relevanz der Gemeinwohlfrage im Management wäre es allerdings wünschens-
wert, dass ein gemeinwohlorientiertes Reporting-Instrument der Offenheit des Konstrukts Ge-
meinwohl Rechnung trägt. Die Gemeinwohl-Bilanz kann dies bisher nicht für sich beanspru-
chen. Potenzielle Anwender, die auf ein praktikables Instrument setzen, finden in der GWB
letztlich ein Mobilisierungsinstrument einer sozialen Bewegung, welche dem Gemeinwohl eine
dem eigenen Menschen- und Gesellschaftsbild angepasste Definition verliehen hat.
Daher kann und darf der GWB-Einsatz in der Praxis derzeit nur zur Unterstützung eines Ent-
wicklungsprozesses und als hypothesengetriebener Testlauf dienen. Außerdem erscheint es rat-
sam, vor einer tatsächlich erfolgten Legitimation mit der Begrifflichkeit „Gemeinwohl“ behut-
sam(er) umzugehen. Das Entwicklungspotenzial der Gemeinwohl-Bilanz wird davon abhängen,
inwieweit es gelingt, sich aus dem starren Korsett der durch die Gemeinwohl-Ökonomie vorge-
gebenen Kriterien zu lösen und zu offeneren Konzeptionen vorzudringen. Ein Lösungsweg
könnte darin bestehen, die Gemeinwohl-Bilanz für alle möglichen gemeinwohlrelevanten Wer-
te zu öffnen, deren relative Bedeutung und Auslegung in einem breit angelegten Prozess mit
Unternehmen und der Gesellschaft situativ, dezentral und individuell zu bestimmen und so ein
gemeinschaftlich definiertes und damit legitimiertes Gemeinwohlverständnis zu operationali-
sieren.
VII.
Timo Meynhardt und Andreas Fröhlich
174 ZögU 40. Jg. 2-3/2017
Abstract
Timo Meynhardt and Andreas Fröhlich; The Common Good Balance – Important Triggers, but
Facing a Legitimacy Deficit
Common Good; Common Good Balance; Economy for the Common Good; Public Value; Pu-
blic Value Theory
Organizations are more and more conscious of their contribution to the common good, which
emphasizes the need for adequate measuring instruments. The Common Good Balance – pri-
marily used in small and medium-sized companies – is a measuring tool successfully applied in
recent years. An empirical study examined how managers think of its general concept and initi-
al implementation. From a managerial perspective, the Common Good Balance positively af-
fects the corporate development in the targeted areas while also entailing a number of difficul-
ties. Our study concludes with a critical reflection on the notion of common good as operatio-
nalized in the Common Good Balance. As will be shown, a narrow interpretation and a funda-
mental legitimacy deficit question the implementation of the balance in its current shape.
Literaturverzeichnis
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