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Gaffen 4.0 - Schneller auf Youtube als im Rettungswagen! Kriminalpsychologische Annäherung an den hässlichen kleinen Bruder der Neugier

Authors:
  • Institut für Gerichts- und Kriminalpsychologie, Tübingen, Germany

Abstract

Die Lust an spektakulären Ereignissen, bei denen andere Menschen Leid erfahren, ufert in den letzten Jahren nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ aus. So schildert beispielsweise die Polizei betreffend einen Fall in Hagen (2016), bei dem ein Mädchen von einem Auto erfasst und schwer verletzt wurde auf ihrer Facebook-Seite: „Polizisten in der Absperrung habt ihr gefragt, ob sie mal zur Seite gehen können, damit ihr besser filmen könnt. Unfassbar!“ Immer öfter fordern sogenannte Gaffer einen offenbar gefühlten Anspruch auf Teilhabe am Geschehen ein und scheuen sich nicht, diesen auch aggressiv und rücksichtslos durchzusetzen. Nachfolgende Ausführungen beleuchten historische und konzeptionelle Zugänge zur Entwicklung eines an sich nicht neuen, jedoch in seinen neuzeitlichen Ausprägungen und Auswüchsen zunehmend bedrohlichen Phänomens. Besondere Berücksichtigung findet dabei der Aspekt der fortschreitenden Technisierung und Digitalisierung der menschlichen Lebenswelt sowie die Wechselwirkung von virtueller und realer Sozialisation (Mindset-Problematik). Weiter werden juristische Gesichtspunkte sowie die Frage, ob und inwiefern dem ausufernden Verhalten von Gaffern durch Gesetze oder andere Maßnahmen Einhalt geboten werden kann, diskutiert.
Kriminalistik 10/2017 571
Kriminalpsychologie
Gaffen 4.0 – Schneller auf
YouTube als im Rettungswagen!
Kriminalpsychologische Annäherung an den hässlichen Bruder der Neugier
Von Ursula Gasch und Luise Weber
Die Lust an spektakulären Ereignissen, bei denen andere
Menschen Leid erfahren, ufert in den letzten Jahren nicht
nur quantitativ, sondern auch qualitativ aus. So schildert
beispielsweise die Polizei betreffend einen Fall in Hagen
(2016), bei dem ein Mädchen von einem Auto erfasst und
schwer verletzt wurde auf ihrer Facebook-Seite: „Polizisten in
der Absperrung habt ihr gefragt, ob sie mal zur Seite gehen
können, damit ihr besser filmen könnt. Unfassbar!“ Immer
öfter fordern sogenannte Gaffer einen offenbar gefühlten
Anspruch auf Teilhabe am Geschehen ein und scheuen sich
nicht, diesen auch aggressiv und rücksichtslos durchzuset-
zen. Nachfolgende Ausführungen beleuchten historische und
konzeptionelle Zugänge zur Entwicklung eines an sich nicht
neuen, jedoch in seinen neuzeitlichen Ausprägungen und
Auswüchsen zunehmend bedrohlichen Phänomens. Beson-
dere Berücksichtigung findet dabei der Aspekt der fortschrei-
tenden Technisierung und Digitalisierung der menschlichen
Lebenswelt sowie die Wechselwirkung von virtueller und
realer Sozialisation (Mindset-Problematik). Weiter werden
juristische Gesichtspunkte sowie die Frage, ob und inwiefern
dem ausufernden Verhalten von Gaffern durch Gesetze oder
andere Maßnahmen Einhalt geboten werden kann, disku-
tiert.
So sind die Menschen fürwahr, und ei-
ner ist doch wie der andere, daß er zu
gaffen sich freut, wenn den Nächsten
ein Unglück befällt! (Zitat von J. W. von
Goethe aus „Hermann und Dorothea“
1797)
Vorbemerkung
Ein Unfall – ein Opfer am Boden, Poli-
zei, Rettungskräfte und eine Schar von
Menschen, die nicht dahin gehört. Inzwi-
schen sind solche Szenarien trauriger All-
tag an Unfallstellen. Sogenannte „Gaf-
fer“ gehören genauso zum Geschehen
wie die Einsatzkräfte. Schlagzeilen, wie
z. B. „Polizei muss Gaffer mit Polizeihund
vertreiben“ (Spiegel Online 05/2017) ver-
mitteln den Eindruck, dass das Phäno-
men immer groteskere Züge annimmt.
Behinderung der Rettungskräfte bei ih-
rem Kampf um das Überleben der Opfer
sowie der Kampf um die erste Reihe mit
gezücktem Handy gehören zunehmend
zum gängigen Verhaltensrepertoire der
neuzeitlich-penetranten Schaulustigen.
Und so finden sich manche Unfallopfer
schneller auf YouTube als im Rettungs-
wagen wieder.
Erstmals Kriminalisierung des
Gaffens im Mai 2017
Die Problematik ist keineswegs neu: Be-
reits 1993/1994 forderte der Kölner Re-
gierungspräsident infolge der Probleme
mit Schaulustigen beim Rheinhochwasser
schärfere Gesetze. Mit dem „Gaffer-Pro-
zess“ in Bremervörde kam 2016 schließ-
lich die Wende: Als Reaktion auf diesen
Fall forderte Niedersachsens Innenminis-
ter Boris Pistorius einen Gesetzesentwurf,
um gegen entgleiste Schaulust einiger
Zeitgenossen besser vorgehen zu können.
Kriminalpsychologie
Dr. Ursula
Gasch,
Diplompsy
chologin und
Kriminologin,
Forensische
Gutachte
rin, Leitung
Institut für
Gerichts‑ und
Kriminalpsy
chologie in
Tübingen
Luise Weber,
Psychologin
(Bachelor of
Science) Mit
arbeiterin am
Institut für
Gerichts‑ und
Kriminalpsy
chologie in
Tübingen
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Kriminalistik 10/2017
572 Kriminalpsychologie
Mit der Schaffung einer neuen Vorschrift
in Form des § 323 c Abs. 2 StGB im Mai
2017 erfolgte erstmals die Kriminalisie-
rung des Gaffens.
Eine Autofahrerin fuhr im Juli 2015 in
eine Eisdiele. Bei dem Unfall wurden
neun Menschen verletzt, Zwei Men-
schen kamen ums Leben. Viele Schau-
lustige versammelten sich um den Un-
glücksort. Drei Männer haben dabei
die Einsatzkräfte von Polizei und Ret-
tungsdienst massiv behindert, sich de-
ren Anweisungen widersetzt und diese
angegriffen, da sie die Geschehnisse
mit dem Handy festhalten wollten.
Die Männer mussten sich wegen Be-
drohung, Widerstands gegen Vollstre-
ckungsbeamte, Körperverletzung und
versuchter Nötigung vor dem Amtsge-
richt Bremervörde verantworten. Ver-
urteilt wurde der Hauptangeklagte im
April 2017 wegen Widerstands gegen
Vollstreckungsbeamte und Köperver-
letzung zu vier Monaten Haft ohne
Bewährung. Die Mitangeklagten wur-
den zu Geldstrafen zwischen 100 und
150 verurteilt (Gaffer-Prozess am AG
Bremervörde, Urteil vom 27.4.2017).
1. Schaulust historisch gesehen
Lust am blutigen Spektakel bestand offen-
sichtlich über alle Zeitalter hinweg – der
Hintergrund dabei stets der Gleiche: man
wohnte einem Ereignis bei, welches sich
durch seine aufsehenerregende Art aus-
zeichnete und bei dem mindestens eine
andere Person Leid erfuhr. Im antiken Rom
strömten tausende von Menschen in die
Arenen, um sich Gladiatorenkämpfe anzu-
sehen und sich am Schicksal der Kämp-
fenden „zu erfreuen“. Diese Art des Zeit-
vertreibs zählte zum festen Bestandteil der
römischen Kultur. Auch öffentliche Hinrich-
tungen erfreuten sich über das Mittelal-
ter hinaus kulturübergreifend großer Be-
liebtheit (Strauß & Jürgensen 1998). Noch
heute gibt es Länder, in denen der Vollzug
strafrechtlicher Sanktionen, wie beispiels-
weise Auspeitschen, aber auch Hinrichtun-
gen durch z. B. Steinigung, in Gegenwart
eines Publikums stattfindet.
Einer speziellen Variante von Schau-
lustigen, der hier als „aufsuchender Typ“
bezeichnet werden soll, ist dabei kaum
ein Weg zu weit, um dem Spektakel vor
Ort beizuwohnen. Dombrowsky (1998)
berichtet vom „Katastrophentourismus“.
So sollen beispielsweise zur Unglücks-
stelle des Untergangs der „Herald of Free
Enterprise“ (6.3.1987) in Zeebrügge bis
zu 150 000 „Katastrophen-Touristen“ ge-
kommen sein, um sich vor Ort das Unheil
zu betrachten – sogar Kaffeefahrten wur-
den angeboten.
Der offenbar tiefsitzende Wunsch vie-
ler Menschen, dem Moment größter
menschlicher Blöße und Verletzlichkeit
beizuwohnen und diesen darüber hinaus
zu konservieren, fand schon immer Aus-
druck auch in Bildern, welche das Leid an-
derer darstellt, wie z. B. in Form von Hei-
ligenbildern christlicher Märtyrer, Schlach-
tengemälden oder Kriegsfotografien.
Kaum mehr Grenzen
beim 24/7
Echtzeit-Privatpaparazzitum
Durch den rasanten Fortschritt der Tech-
nik im 20. und besonders 21. Jahrhundert
sowie deren Verfügbarkeit für Jedermann
entfiel der bis dahin vorherrschende auf-
suchende Charakter des Spektakels. Dank
Berichterstattungen über Katastrophen
und Unfälle in Echtzeit fand eine beachtli-
che Erweiterung der Unterhaltungspalette
statt. Nicht genug damit: seitdem so gut
wie jeder im Besitz einer „nicht melde-
pflichtigen Bewegtbildwaffe“ und reich-
lich Munition in Form von Speicherplatz“
(Jochheim 2016) ist, kennt das 24/7 Echt-
zeit-Privatpaparazzitum kaum mehr Gren-
zen. Jeder kann zum Berichterstatter und
Regisseur seines eigenen Films werden.
Warum ziehen gerade leidvolle Ereig-
nisse Menschen immer wieder so in ihren
Bann, obwohl das Gaffen gleichzeitig ver-
pönt ist und als respektlos, rücksichtlos
und pietätlos angesehen wird? Handelt
es sich – um mit Kant zu sprechen – wo-
möglich nur um die Manifestation einer
uncharmanten Charakteristik der mensch-
lichen Gattung an sich?
2. Gaffer – die unerwünschten
Zuschauer
Laut Duden (2017) wird „gaffen“ wie
folgt definiert: „verwundert, neugierig,
selbstvergessen, häufiger aber sensations-
lüstern [mit offenem Mund und dümm-
lichen Gesichtsausdruck] jemanden, et-
was anstarren, einen Vorgang verfolgen.
Gebrauch: abwertend“. Der oft synonym
und eher neutral konnotierte Begriff der
„Schaulust“ umschreibt ein „starkes Ver-
langen, Vorgänge, Ereignisse (die als Sen-
sation erlebt werden) zu beobachten.“
Zuschauer sind regelmäßig nicht Bestand-
teil des eigentlichen Geschehens und
mitunter erwünscht, wie zum Beispiel als
Theater- oder Kinobesucher. Gaffer hinge-
gen sind unerwünschte Zuschauer.
Gaffendes Verhalten geht weit über
ein auf Neugier beruhendes reflexhaftes
Schauen hinaus – ihm liegt ein starkes
Verlangen zu Grunde, einen „fesselnden“
Vorgang gebannt (weiter) zu beobachten.
Insofern ist der Aspekt der Selbstverges-
senheit zu betonen. Dies impliziert, dass
das Gaffen beim Zusehen eine Eigendy-
namik entwickelt, bei der die gaffende
Person gedanklich so bei dem Ereignis
ist, dass sie u. U. die außerhalb des Er-
eignisses liegende Umwelt zum Großteil
ausblendet. Dombrowksy (1998) postu-
liert ein darüberhinausgehendes sozial-
psychologisches Moment: Das Zuschauen
ermögliche Gemeinschaft, was soziale
Bindungen fördern würde, die das Gaffen
erst interessant und womöglich erträglich
machen.
Sind Gaffer Voyeure?
Ein Gaffer wird auch gerne als „Voyeur“
bezeichnet. Ein Voyeur ist jemand, der in
sexuelle Erregung gerät, wenn er (meist
ahnungslosen) Fremden zusieht, wie sie
sich ausziehen, nackt sind oder wenn sie
Sex haben. Sie sind Zuschauer, die ihre
Befriedigung durch die heimliche Beob-
achtung nackter Menschen erhalten. Der
Begriff Voyeurismus bezeichnet insofern
auch eine Kategorie der „Störungen der
sexuellen Präferenz“ (vgl. ICD-10). Gaffer
und Voyeure weisen zwar Gemeinsamkei-
ten auf, die entscheidenden Komponen-
ten der Heimlichkeit und sexuellen Lust-
befriedigung sind beim Gaffen aber nicht
vorhanden. Insofern ist der synonyme Ge-
brauch der Begrifflichkeiten nicht korrekt.
Aktives und aggressives
Durchsetzen des „Anspruchs“
auf aktive Teilhabe
Aus Sicht der Verfasserinnen ist ein zen-
trales Merkmal des Gaffens die Beharr-
lichkeit des Beobachtens, was mit einem
sich nicht Lösen Können und/oder Wollen
einhergeht. Dies beinhaltet leider zuneh-
mend das auch aktive und mitunter sehr
aggressive Durchsetzen bzw. Verteidigen
eines gefühlten „Anspruchs“ des Gaffen-
den auf aktive Teilhabe. Aktuelle Fälle be-
legen, dass Gaffer immer öfter so weit
gehen, andere Personen wegzuschubsen,
Einsatzkräfte anzugreifen oder zumindest
stark zu behindern, um sich freie Sicht zu
verschaffen. Bisherigen Umschreibungen
des Phänomens ist gemeinsam, dass sie
den Gaffenden als passiv verstehen. Dies
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Kriminalpsychologie
wird der Entwicklung bzw. den aktuellen
Auswüchsen des Phänomens jedoch nicht
gerecht: Aus dem passiven Zuschauer
wurde zunehmend ein das Handlungs-
geschehen (mit-) manipulierender Akteur.
Von dieser neuen Generation Gaffer wird
damit in vielerlei Hinsicht – eine nicht nur
moralische, sondern auch rechtliche –
Grenze überschritten.
Nachfolgende Ausführungen beleuch-
ten verschiedene Konzeptionen, mit dem
Ziel, das Phänomen und speziell seine
neueren Entwicklungen und Auswüchse
begreifbarer – und damit womöglich be-
herrschbarer zu machen.
3. Theoretische Konzepte des
Gaffens
Grundlegend ist jeder Mensch motiviert,
seine Sinne zu nutzen, um Informationen
aufzunehmen. Je auffälliger, ungewohn-
ter und unerwarteter, desto eher wenden
wir uns diesem zu. Kurz: Beachtung findet
ein Reiz nur, wenn dieser vom Betrachter
in der jeweiligen Situation als relevant ein-
gestuft wird. „Attraktive Geschehnisse“
zeichnen sich durch folgende Merkmale
aus (vgl. auch Gasch & Lasogga 2008):
seltenes Auftreten
Komplexität
Intensität
Destruktivität
Beteiligung vieler Menschen
Hohe Freisetzung von Emotionalität in
der Szenerie (z. B. schreiende Opfer)
Ungewisser Ablauf und Ausgang mit
Spannungsbogen (z. B. klappt die Ret-
tung des im Auto Eingeklemmten?)
Aus evolutionärer Warte dient die re-
flexartige Hinwendung zu einem Reiz
oder Ereignis der Orientierung und Ge-
fahrenabschätzung, aber auch der Bestä-
tigung der eigenen Unversehrtheit im Ver-
gleich zur Wahrnehmung der Versehrtheit
z. B. einer verletzten Person – quasi als
Referenzpunkt.
Neugier ist außerdem grundlegende
Voraussetzung und Antrieb des Lernens.
Der Mensch lernt u. a. durch Beobachtung
anderer Menschen – also ohne dieselbe
Erfahrung am eigenen Leib machen zu
müssen – wie er mit bestimmten Situati-
onen umgehen kann bzw. welche Verhal-
tensmuster und Situationen er besser mei-
den sollte, um keine Nachteile zu erleiden.
Spiegelneuronen im Gehirn ermöglichen
uns sogar, Empfindungen beobachteter
Menschen nachzuerleben, ohne selbst in
der Situation des Akteurs zu sein.
Einhergehend mit physiologischen Kon-
zepten wird davon ausgegangen, dass
jeder Mensch ein individuelles Erregungs-
niveau besitzt und bestrebt ist, dieses auf-
recht zu erhalten. Droht dieses Level abzu-
sacken oder sinkt es unter ein bestimmtes
Niveau, können externe „anregende Be-
dingungen“ einen entsprechenden Kont-
rapunkt setzen und für den ausgleichen-
den und mit Wohlgefühl einhergehenden
Schub Adrenalin sorgen. Nicht von unge-
fähr frönen viele Menschen einem Faible
für beispielsweise spannende Krimis und
Horrorfilme oder Wrestling. Insofern stellt
auch ein spektakulärer Verkehrsunfall eine
geeignete Anregungsbedingung für ge-
langweilte, unterstimulierte Zeitgenossen
dar: Thrill-Seeking als Verhaltenskorre-
lat zu (drohender) Langeweile und Ab-
gestumpftheit.
Gaffen hat hochpotentes
Suchtpotenzial
Neurobiologische Mechanismen des Ler-
nens und der Suchtentwicklung sind eng
miteinander verwoben. Sucht ist dabei
nicht zwangsläufig stoffgebunden, was
inzwischen gut belegt ist (Spitzer 2015):
jedes Verhalten (z. B. Spielen, Einkaufen,
Essen) kann süchtig machen, sofern es
uns massives Wohlgefühl beschert. Unter
Umständen kann ein mit einem bestimm-
ten Verhalten gekoppeltes Gefühl als so
stark und angenehm empfunden werden,
dass man es wiedererleben will. Mit zu-
nehmendem Konsum steigt das Verlan-
gen – beispielsweise nach dem „thrill“,
den ein vormaliges Ereignis auslöste, an.
Ein bedeutsames Merkmal von Sucht ist
die Entwicklung der sogenannten „Tole-
ranz“. Es wird eine immer höhere Dosis
des gleichen „Stoffs“ benötigt, um das
vormalige Level an Wohlgefühl bzw. Be-
friedigung zu erlangen. Dies kann mit
dem Thrill-Seeking-Verhalten eines Men-
schen korrespondieren, welches im Übri-
gen auch im deutlichen Zusammenhang
mit dem Begehen von Straftaten steht
(Burt & Simons 2013). Reality strikes fic-
tion! Tatsächliche Unglücke sind insofern
für manche Zeitgenossen gerade mal aus-
reichend, um ihre persönlich benötigte
„Thrill-Dosis“ zu erhalten. Gaffen hat in-
sofern ein hochpotentes Suchtpotenzial.
Die Nachrichtenberichterstattung kommt
dem wachsenden und sich in Quote
niederschlagenden Wunsch der Konsu-
menten nach spektakulären Einblicken in
tragische Schicksale anderer Menschen
besonders auch auf Kosten der Würde
manch Geschädigter – zunehmend nach.
In diesem Kontext sowie in Ermangelung
greifbarer Unglücke oder Katastrophen
erfreuen sich ersatzweise auch auf Herab-
würdigung und besondere Schadenfreude
zielende Sendeformate wie Casting-und
Reality Shows, größter Beliebtheit. Eine
Variante dieser Demütigungs-Mode fin-
det schon länger bei Jugendlichen ihren
Niederschlag, die dem „Happy Slapping“
frönen. Der Begriff bezeichnet eine Form
von Gewaltverhalten, die sich erst mit der
Verbreitung von Handys mit einer Video-
kamera entwickelt hat: Szenen, in denen
arglose Personen angegriffen, geschlagen
oder verletzt werden, werden von Kom-
plizen gefilmt und dann via Handy oder
über das Internet verbreitet. Für die Opfer
kommt nebst dem körperlichen Leiden die
Demütigung hinzu, wenn die Gewalttat
im Internet und im Freundeskreis verbrei-
tet wird.
Was unterscheidet einen Gaffer von
einer Person, die ein Geschehen zur
Kenntnis nimmt und sodann adäquate
Hilfsmaßnahmen einleitet – oder ein-
fach ihres Weges zieht?
In der Regel fühlen sich Menschen zu
einem außergewöhnlichen negativen
Ereignis hingezogen, haben aber gleich-
zeitig Angst, sich dem Szenario zu nä-
hern – sie erleben einen Annäherungs-
Vermeidungskonflikt. Dieser zeichnet
sich dadurch aus, dass eine ambivalente
Handlungsoption existiert, die gleich-
zeitig negative und positive Valenzen
aufweist: Wer zu den Ersten an der Un-
glücksstelle zählt, fragt sich, ob er selbst
Rettungsmaßnahmen einleiten sollte, wie
beispielsweise eine Person aus dem ver-
unglückten Auto zu ziehen oder ob er
dem am Boden liegenden, ohnmächtigen
Motorradfahrer den Helm abnehmen soll.
Schließlich geht dies bekanntermaßen
auch immer mit dem Risiko einher, sich
selbst, aber auch den zu Rettenden in
(noch mehr) Gefahr zu bringen, falls die
Aktion missglückt. Insofern befindet sich
das Individuum in einer Zwickmühle und
Annäherungs- und
Vermeidungskonflikt in
Form einer ambivalenten
Handlungsoption
muss eine Entscheidung treffen. Oft stellt
sich eine Unfallsituation aber auch so dar,
dass offensichtlich bereits ausreichend
Maßnahmen getroffen wurden, um den
Verletzten zu helfen. Hier wäre es eher
hinderlich, sich dazuzugesellen und wo-
möglich die Hilfeleistungen zu behindern.
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574 Kriminalpsychologie
Es gilt: je mehr Menschen vor Ort sind,
desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit,
dass eine Person eingreift, da jeder davon
ausgeht, ein anderer wird es tun („Bystan-
der-Effekt“). Die damit korrespondierende
These der Verantwortungsdiffusion be-
sagt, dass die Anwesenden annehmen,
unter Ihnen sei ohnehin einer mit mehr
Kompetenz, der die Aufgabe übernehmen
kann (Bierhoff & Rohman 2011). Weitere
Gründe für das Nichteingreifen können
neben der eigenen wahrgenommenen
Inkompetenz auch Vorurteile (z. B. Angst
vor AIDS-Ansteckung) oder Zuschreibun-
gen (z. B. Rückschluss von Automarke
auf Fahrstil – selbst schuld!) sein (Dom-
browsky 1998). Grundlegend für den
Entscheidungsprozess sind individuelle
Empathie sowie Hemm- und Aktivations-
mechanismen bzw. deren Ausprägung.
Diese werden durch Erziehung und Sozia-
lisation sowie kulturelle Normen geprägt.
Einige Eltern verbieten ihren Kindern, ein
Notfallopfer anzuschauen; andere Kinder,
denen diese Norm nicht vermittelt wurde,
tun dies „ungehemmt“ (Gasch & Lasogga
2008).
Eine durch erhebliche
Aggression geprägte Spezies
der Gaffer ist zu beobachten
Gaffer scheinen keinen Entscheidungskon-
flikt auszutragen, der damit im Zusam-
menhang steht, einen wie auch immer
gearteten Beitrag zur Rettung eines Ver-
unglückten zu leisten: er betrachtet, von
der Situation überwältigt und gefesselt, die
Szenerie – er verharrt und kann sich kaum
davon lösen und beispielsweise einfach
weiterfahren. In jüngerer Zeit beobach-
ten wir daneben verstärkt eine durch er-
hebliche Aggression geprägte Spezies der
Gaffer. Diese werden plötzlich selbst zum
Teil des Szenarios, indem sie, ihren gemut-
maßten Anspruchs auf aktive Teilhabe – in
Form von z. B. „in die erste Reihe“ drängen
und Opfer aus allernächster Nähe betrach-
ten, Filmen oder Bilder machen, auch um
diese dann womöglich ins digitale Netz
einzuspeisen – aktiv, aggressiv und rück-
sichtslos durchzusetzen versuchen. Betref-
fend die Rücksichtslosigkeit des Verhaltens
könnte das Phänomen der Diskontinuität
der Zukunft eine Rolle spielen. Menschen
bevorzugen kurzfristige (Lust-)Gewinne in
der Gegenwart und beachten mögliche
Folgen in der Zukunft weniger (Spitzer
2015; Gottfredson & Hirschi 1990). Wer
gafft, zieht in dem Moment seinen per-
sönlichen Nutzen möglichen moralischen
Bedenken sowie juristischen oder gesund-
heitlichen Folgen vor.
In der Gesamtschau wird deutlich,
dass es verschiedene Ausprägungen des
Zuschauens bzw. unterschiedliche Arten
des Zuschauers – und inzwischen sogar
Unterformen des Gaffens gibt. Die Über-
gänge sind fließend. Die Bandbereite
reicht vom einfach wahrnehmenden Pas-
santen eines Unglücks, der einfach seines
Verschiedene Ausprägungen
des Zuschauens bzw.
unterschiedliche Arten
des Zuschauers
Weges zieht über denjenigen, der in-
folge seiner Wahrnehmung entscheidet,
zu helfen über den, der passiv gaffend
dasteht (und womöglich eine Rettungs-
gasse blockiert) bis zu dem, der aggressiv
einen Platz in der ersten Reihe des Ge-
schehens durchsetzt, um gut beobach-
ten zu können – oder gar andere (mit-)
schauen lassen zu können.
4. Gaffen 4.0 – Eine neue
Dimension beanspruchter
Teilhabe
Seit einem guten Jahrzehnt bestimmen
Smartphones und soziale Online-Netz-
werke zunehmend unser Leben. Mittler-
weile ist die menschliche Lebenswelt so
eng mit technischen Errungenschaften
verknüpft, dass das Phänomen des Gaf-
fens von heute nur vor diesem Hinter-
grund zu betrachten und würdigen ist.
Haben wir auch beim Gaffen inzwischen
die Stufe 4.0 erreicht?
4.1 Gaffer, Smartphones und soziale
Netzwerke
Wenngleich Opfer von Unfällen oder Ka-
tastrophen die primär Betroffenen des
Geschehens sind, stehen inzwischen die
Gaffer mehr und mehr im Mittelpunkt
des Interesses, denn ihr Verhalten behin-
dert, (ver-)stört und entsetzt – und das in
einem zuvor nie dagewesenen Ausmaß.
Nach der Kollision einer Straßenbahn mit
einem Auto in Duisburg im Mai 2017
tummelten sich ca. 300 Schaulustige um
die Unfallstelle (Spiegel Online 05/2017).
Es genügt vielen aber nicht mehr nur, vor
Ort zuzuschauen. Darüber hinaus besteht
offenbar ein zunehmendes Bedürfnis, die
soziale Umwelt sogleich daran teilhaben
zu lassen. Mittel der Wahl ist das Smart-
phone: es ist omnipräsent, immer griff-
bereit und verbindet uns heute maßgeb-
lich mit der Welt. Der Großteil der online
verbrachten Zeit wird inzwischen ohnehin
mit sozialem Austausch verbracht (Müller,
Pfetch & Ittel 2014) und unsere heutige
Lebenswirklichkeit ist so eng mit der di-
gitalen Welt verknüpft, dass die Mittei-
lung von Geschehnissen in Ton und Bild
über Kanäle wie soziale Netzwerke zum
Alltag gehört. Vor dem Hintergrund der
technischen Möglichkeiten kann jeder,
auch wenn er nicht vor Ort ist, Teil eines
auch entfernten Geschehens sein. Soziale
Online-Netzwerke werden genutzt, um
das Bedürfnis nach Gemeinschaft und so-
zialen Bindungen zu befriedigen, soziale
Präsenz zu kreieren und sich selbst dar-
zustellen (Spitzer 2015; Nadkarni & Hof-
mann 2012; Cheung, Chiu & Lee 2011).
Laut einer Studie von Tamir & Mitchell
(2012) kommt ein weiterer Aspekt hinzu,
der soziale Online-Netzwerke so beliebt
macht: die Preisgabe privater Informati-
onen scheint unser Belohnungszentrum
im Gehirn zu stimulieren, was ein stark
suchtbegünstigender Umstand ist.
Nun scheint ein Unfallgeschehen an
sich eher ungünstig, um die eigene Per-
son prestigeträchtig in den Vordergrund
zu rücken, da das Ereignis bereits für sich
gesehen die Aufmerksamkeit der Men-
schen vor Ort auf sich zieht und starke
Emotionen hervorruft (Tedeschi, Madi
& Lyakhovitzky 1998). Um aus dem Ge-
schehen trotzdem einen wohlgefälligen
eigenen Nutzen ziehen zu können, wird
das Smartphone gezückt, draufgehalten,
gefilmt und das Ergatterte online hoch-
geladen. Der insofern aktive Gaffer schafft
sich so ein Gefühl von Urheberschaft
und Macht: er erlebt eine „krasse“ Situ-
ation, ist womöglich der Erste, der die-
ses Spektakel digital einspeist, und kann
von etwas berichten, das wiederum die
Aufmerksamkeit anderer Personen fesselt.
Diese Aktion findet bestenfalls von einigen
Seiten Beachtung: in Form von Klicks oder
Gefahr der Traumatisierung
des Gaffers selbst bisher
vernachlässigt
Followern. Dies spricht das menschliche
Belohnungssystem verstärkt an und führt
dazu, dass der Akteur dieses, als positiv
bewertetes Gefühl wieder erleben will – er
postet das nächste Mal erneut und, wenn
möglich, bitte etwas noch „Krasseres“.
Ein weiterer und bisher vernachlässigter
Aspekt ist die Gefahr der Traumatisierung
der Person des Gaffers. Er bezeugt beim
Betrachten von Unfallfolgen oder den Fol-
gen einer Katastrophe eine Situation, die
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Kriminalistik 10/2017 575
Kriminalpsychologie
potenziell geeignet ist, eine behandlungs-
bedürftige Traumafolgestörung auszulö-
sen. Internationale Befunde belegen, dass
neben dem Unfallopfer auch Angehörige,
Rettungskräfte und Beobachter in beson-
derem Maße gefährdet sind (Angenendt,
Nyberg & Frommberger 2009).
Welche Bedeutung hat die Betrachtung
eines schrecklichen Geschehens für
diejenigen, die es sich auf z. B. YouTube
betrachten?
Lange Zeit hieß es, die Betrachtung mit-
tels Kamera schaffe eine Distanz zum
Geschehen und mache die Konfrontation
mit einem tragischen Unglück womög-
lich erträglicher. Neuere Befunde legen
aber nahe, dass dies ein Trugschluss ist.
Längst ist die hochauflösende Qualität ge-
eignet, jedes Detail derart lebensecht zu
konservieren und zu replizieren, dass der
Abstand des Betrachters zum Geschehen
gegen „0“ konvergiert. Besonders bei Kin-
dern und Jugendlichen ist zu beobachten,
dass diese zunehmend an Traumafolge-
störungen durch insofern ungeeigneten
Medienkonsum leiden. Nach dem Motto
Hältst Du das aus?“ sind Mutproben und
der Kampf um den Rang in der Gruppe
unter jungen Menschen oft der Grund für
die Konfrontation mit extremen Inhalten,
wie z. B. Hinrichtungsvideos auf YouTube.
4.2 Wenn Einsatzkräfte auf Gaffer
stoßen
Gaffer werden insbesondere dadurch zum
Problem, dass sie durch ihr Verhalten den
Einsatzkräften ihre Arbeit erschweren
oder gar tätlich gegen diese werden. Dies
führt nicht nur zu Frust und Ärger sowie
physischen und psychischen Zusatzbelas-
tungen auf Seiten der Einsatzkräfte, son-
dern kann Menschenleben gefährden.
4.3 Die Begafften
Begaffte werden durch das Verhalten der
Gaffer zum Objekt degradiert. Eine Be-
troffene meint beispielsweise: „Die haben
gelacht und Videos gemacht – und das
dürfen sie nicht. […] Wie würden sich die
Menschen wohl fühlen, würde ich sie fil-
men und auslachen, wenn sie verletzt am
Boden liegen?“ (WDR-Online 04/2016).
Bereits die bloße Anwesenheit von Zu-
schauern wird von den Gewalt- und Un-
fallopfern oft als sehr belastend erlebt
und kann die Entstehung einer Trauma-
folgestörung begünstigen. Für die meisten
Menschen ist es unangenehm, in diesem
schutzlosen Zustand im Fokus der Auf-
merksamkeit zu stehen. Es hat sich bei Un-
fallopfern gezeigt, dass beim Aufrechter-
halten eines gewissen Maßes an Kontrolle
Begaffte werden durch das
Verhalten der Gaffer zum
Objekt degradiert
weniger Krankheitssymptome in Folge des
Geschehens auftreten (Lasogga & Gasch
2008). Wird dann noch fotografiert und
gefilmt – und die Betroffenen können sich
gegen dieses Tun nicht wehren – fühlen
sie sich übergangen und ausgeliefert. So
wird die Wahrscheinlichkeit zusätzlicher
Gesundheitsgefährdungen erhöht.
Selbst für den Fall, dass das Opfer das
Verhalten der Umgebung gar nicht rea-
lisieren kann, da es beispielsweise ohn-
mächtig ist, drohen nachhaltige Folgen.
Die im Umlauf befindlichen Bilder oder
Filme kursieren im Netz und es besteht
jederzeit die Möglichkeit, dass Opfer
damit konfrontiert werden bzw. jeder-
zeit weltweit darauf zugegriffen werden
kann, ohne dass ein Opfer es wirklich ver-
hindern kann. So kann durch Videos und
Bilder im Netz und einer damit einherge-
henden, noch dazu unfreiwilligen nach-
träglichen Konfrontation mit Eindrücken
des schrecklichen Ereignisses, eine Retrau-
matisierung ausgelöst werden.
4.4 Gaffen unter juristischen
Gesichtspunkten
Schaulustige, die per Handy Aufnahmen
von Verunglückten machen, anstatt zu
helfen oder gar Rettungskräfte behindern,
missachten einerseits die Persönlichkeits-
rechte der Opfer. Darüber hinaus ist es
nach § 201 a StGB strafwürdig, eine Bild-
aufnahme, die die Hilflosigkeit einer an-
deren Person zur Schau stellt, unbefugt
herzustellen oder zu übertragen. Der
Schutzbereich des § 201 a StGB umfasst
derzeit nur das Anfertigen unbefugter
Bildaufnahmen lebender Personen – ver-
storbene Personen werden hingegen
nicht berücksichtigt.
Darüber hinaus stellen Gaffer eine
große Gefahr für die Verunglückten dar,
indem sie die Rettungsmaßnahmen er-
schweren oder gar verhindern. Bisherige
Normen sanktionierten lediglich den
„gewaltsamen“ Widerstand gegen Voll-
streckungsbeamte (vgl. § 113 StGB). Die
gewaltsame Behinderung von Rettungs-
maßnahmen durch Vollstreckungsbeam-
ten gleichstehende Personen, wie bei-
spielsweise Angehörige der Feuerwehr
oder Angehörige von Rettungsdiensten,
wurde gem. § 114 StGB a. F. sanktioniert.
Wer gaffenderweise eine Rettungsgasse
blockierte oder stehenderweise den Weg
versperrte, konnte danach bislang straf-
rechtlich nicht belangt werden.
Auch der Rückgriff auf Hilfskonstrukte
ermöglichte letztlich nur eine Ahndung
der Begleitumstände des Gaffens als Ord-
nungswidrigkeit: Beispielsweise erfolgte
bei Personen, die mit dem Handy aus dem
Auto heraus eine Unglücksstelle filmten
eine Sanktionierung mittels Bußgeld we-
gen „Handy am Steuer“ oder „Befahren
des Seitenstreifens“.
Die Vorkommnisse in Bremervörde führ-
ten anno 2016 schließlich zum „Entwurf
eines Gesetzes zur Änderung des Straf-
gesetzbuches – zur effektiven Bekämp-
fung von sogenannten Gaffern sowie der
Verbesserung des Persönlichkeitsrechts
von Verstorbenen“ (Drucksache 18/9327
Deutscher Bundestag). Die Novellierung
sah eine Ausweitung des § 201 a StGB auf
unbefugte Bildaufnahmen verstorbener
Personen vor sowie die Strafbarkeit des
Versuchs. Weiter sollte ein neuer § 115
StGB eingeführt werden. Danach „soll
mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder
Geldstrafe bestraft werden, wer bei Un-
glücksfällen oder gemeiner Gefahr oder
Not Hilfeleistende der Feuerwehr, des Ka-
tastrophenschutzes oder eines Rettungs-
dienstes behindert“. Insofern sollte auch
das bloße Sitzen- oder Stehenbleiben
oder sonstiges Nichtentfernen von Zu-
gangshindernissen kriminalisiert werden.
Behinderung von
hilfeleistenden Personen
unter Strafe gestellt
Abweichend von diesem Entwurf trat
im Mai 2017 eine Gesetzesänderung in
Kraft, welche durch eine geringfügige
Änderung des § 323 c StGB, nämlich das
Einfügen eines neuen Abs. 2 die „Behin-
derung von hilfeleistenden Personen“ kri-
minalisiert bzw. unter Strafe stellt. „Behin-
dern“ umfasst nun das „Erschweren des
Hilfeleistens in jeder Form“. Ausreichend
ist dabei „eine nicht ganz unerhebliche
Erschwernis“. Damit gewinnt ein Tatbe-
standsmerkmal Bedeutung, das bislang in
§ 114 StGB a. F. enthalten war, dort aber
durch den geforderten Gewaltbezug in
den Hintergrund rückte.
§ 323 c
Unterlassene Hilfeleistung; Behinde-
rung von hilfeleistenden Personen
(1) Wer bei Unglücksfällen oder ge-
meiner Gefahr oder Not nicht Hilfe
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Kriminalistik 10/2017
576 Kriminalpsychologie
leistet, obwohl dies erforderlich und
ihm den Umständen nach zuzumuten,
insbesondere ohne erhebliche eigene
Gefahr und ohne Verletzung anderer
wichtiger Pflichten möglich ist, wird
mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr
oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer in die-
sen Situationen eine Person behindert,
die einem Dritten Hilfe leistet oder leis-
ten will.
Nicht aufgenommen in die aktuelle Geset-
zesänderung wurde die vorgeschlagene
Änderung zur Ausweitung des § 201 a auf
verstorbene Personen.
5. Diskussion
Aus dem einfachen Zuschauer und sen-
sationslüsternen (passiven) Schaulustigen
hat sich eine neue Spezies der aktiven
und den Geschehensablauf manipulie-
renden, rücksichtslosen sowie die (öf-
fentliche) Sicherheit gefährdende und
Individualrechte anderer Personen verlet-
zende, Gaffer 4.0 herausgebildet. Mag
die grundlegende Verhaltensmotivation
vor dem Hintergrund psychologischer,
neurobiologischer sowie soziologischer
Aspekte im Ansatz erklärbar sein, werden
Ausmaß und Auswüchse des Phänomens
erst im Kontext technischer Fortschritte
und allseitiger und -zeitiger Medienver-
fügbarkeit wirklich nachvollziehbar. Man-
cher Zeitgenosse „hantiert“ im Grunde
naiv mit Gerätschaften, deren Gebrauch
aber womöglich doch eine gewisse
– auch ethische – Reife und jedenfalls
ein Mindestmaß an Verantwortungsbe-
wusstsein voraussetzen. Eine Analogie
beim Gebrauch von z. B. Smartphones,
um Aufnahmen der Opfer etc. am Unfall-
ort zu machen, sehen die Verfasserinnen
insofern auch mit der Problematik be-
treffend Raser beim „Missbrauch“ eines
PKW, um sich ihren Kick ohne Rücksicht
auf andere Menschen zu besorgen. Auf
eine insgesamt beobachtbare Verrohung
und damit einhergehende Zunahme der
Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen
Personen, um vermeintlich zustehende
Rechte einzufordern, wurde bereits hin-
gewiesen. Paradoxerweise würde keiner
der Gaffer selbst zum Spielball eines
anderen Gleichgesinnten werden wol-
len. Diese Haltung erinnert an Personen
mit antisozialer bzw. dissozialer Persön-
lichkeitsstörung (ICD-10 F 60.2) – auch
diese zeichnen sich maßgeblich durch
Empathie- und Rücksichtslosigkeit bei ei-
ner gleichzeitig hohen paradoxen Anpas-
sungserwartung betreffend ihre Umwelt
aus.
Kann dem inzwischen ausufernden
Verhalten von Gaffern durch Gesetze
Einhalt geboten werden?
Gesetzesnovellierungen kommt regelmä-
ßig auch Signalcharakter zu. Die Ände-
rung des § 323 c StGB ermöglicht nun das
tatsächliche Vorgehen gegen Rettungs-
gassen blockierende und im Weg ste-
hende Gaffer. Soweit so gut, aber kann
die Gesetzesänderung tatsächlich eine
Verbesserung im Sinne eines Umdenkens
und einer Verhaltensregulierung bewirken
– gerade was die aggressive Variante des
Gaffers betrifft?
Die kriminologische Forschung zeigt,
dass die Androhung von Sanktionen nur
unter bestimmten Bedingungen wirksam
ist. Entscheidend sind dabei aber eine
hohe Entdeckungswahrscheinlichkeit so-
wie die konsequente und zeitnahe Ver-
folgung – und nicht das Strafmaß (Zöller
2017). Diejenigen aus der Menge zu iso-
lieren, die sich strafrechtlich relevant ver-
halten, ist oft schwierig, zumal bei einem
Unglück der Fokus der personellen Kapa-
zitäten auf den Verletzten und der Siche-
rung der Unglücksstelle liegt. So stellt be-
reits die tatsächliche Erfassung der Gaffer
ein Problem dar. Um eine entsprechende
Verfolgung zu gewährleisten müsste u. U.
ein erheblicher personeller, technischer
und damit finanzieller Mehraufwand ge-
leistet werden.
Hohe Entdeckungswahrschein-
lichkeit sowie konsequente
und zeitnahe Verfolgung
entscheidend
Ein weiterer wesentlicher Gesichtspunkt
ist die Akzeptanz einer Norm, welche
ein bestimmtes Verhalten als strafwürdi-
ges Fehlverhalten klassifiziert. Fehlt diese
und wird mit Strafe gedroht, kann dies
bei manchen Zeitgenossen zu einem
Jetzt erst recht-Ruck“ führen. Es folgen
sture Reaktionen und die Widerstandsbe-
reitschaft erhöht sich, da das Gesetz als
ungerecht und schikanös angesehen wird
– das eigene Verhalten zur Zielerreichung
als angemessen.
Sozialisation, Virtuelle Welt und
Mindset-Problematik
Ein Gesetz allein kann keine nachhaltige
Besserung bewirken. Entscheidend ist die
Einflussnahme Sozialisation und Erzie-
hung. Sozialisation erstreckt sich heute
auch auf den adäquaten Umgang mit
moderner Informationstechnologie. Kei-
nesfalls außer Acht gelassen darf es, dass
analog zur realen Sozialisation und Inter-
aktion Verhalten und Regeln im virtuel-
len Raum erlernt bzw. verstärkt werden.
So können auch die innerhalb der sozi-
alen Online-Netzwerke und Metaversen
geltenden und womöglich problemati-
schen Regeln in die nichtdigitale Realität
rückkoppeln und Wirkung entfalten. Der
Begriff Mindset-Problematik umschreibt
die Frage, ob und inwiefern dissoziales
bzw. kriminelles Verhalten in der virtuellen
Welt dazu führen kann, dass sich das Ri-
siko der entsprechenden Tatbegehung in
der realen Welt erhöht. Möglicherweise
führt beispielsweise die öfters wahrge-
nommene Option, im virtuellen Raum zu
töten oder „Vergewaltigung zu spielen“
zu einer Desensibilisierung beim Operator
bezüglich der Folgen der jeweiligen Hand-
lung für das Opfer in der realen Welt und
stilisiert so eine Vergewaltigung oder eine
Tötung zu einer akzeptablen Verhaltens-
variante. (Gasch 2013). Die empfundene
Distanz der Realität zur Virtualität durch
das menschliche Gehirn wird immer ge-
ringer – die einhergehende stärkere Emo-
tionalität des virtuellen Erlebens zeitigt
eine intensivere Verstärkung im Sinne
des Lernens und Einübens von Verhalten.
Bereits existente Dispositionen werden
unterstützt. Menschen werden nicht un-
bedingt gewalttätiger, als sie sind; aber
sie lernen es auch nicht, angemessene
Umgangsformen in Bezug auf schädliche
Handlungsimpulse zu entwickeln und es
droht ein wachsender Dispens von Empa-
thie. Gut belegt ist der Zusammenhang
zwischen der Gewöhnung an virtuelle Ge-
walt und das Bedürfnis nach immer stär-
keren Reizen als Ausdruck einer tieferen
Bedürfnisdisposition: Macht und Kont-
rolle zu erlangen und lustvoll auszuüben
(Spitzer 2012; Gasch 2013). Medienkom-
petenz muss daher wesentlich auch eine
moralische und soziale Dimension umfas-
sen. Ein Nutzer sollte bestenfalls unter As-
pekten wie Ethik, sozialer Verträglichkeit
und Auswirkungen auf Kommunikation,
Interaktion und Persönlichkeit den Einsatz
der Technologie betrachten und beurtei-
len können. Eine Studie von Müller, Pfetch
& Ittel aus dem Jahr 2014 belegt, dass
„ethische Medien-Kompetenz“ sich als
protektiver Faktor für „Cyberbullying und
Cybervictimization“ erweist.
Noch kommt dem (realen) sozialen Nah-
raum bei der Vermittlung von Werten und
Normen, auch für das Verhalten im vir-
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Kriminalistik 10/2017 577
Kriminalpsychologie
tuellen Raum und dem Umgang mit Me-
dien, eine große Bedeutung zu. Die The-
matik sollte nicht nur auf dem Lehrplan der
Schule stehen. Weitere geeignete Mög-
lichkeiten wären bspw. die Thematisierung
im Erste-Hilfe-Kurs, im Fahrschulunterricht
oder bereits während der Verkehrserzie-
hung in der Schule durch die Polizei.
Opferschutz umfasst auch
den Schutz Verstorbener
und ihrer Rechte
Kritisch anzumerken ist weiter die feh-
lende Umsetzung des Gesetzesentwurfs
betreffend § 201 a. Im Sinne des Opfer-
schutzes ist es von maßgeblicher Bedeu-
tung, auch die Verstorbenen und Ihre
Rechte zu schützen. Außerdem können
weitere überlebende Beteiligte und Ange-
hörige diese Bilder sehen und dadurch an
der psychischen Gesundheit geschädigt
werden.
Fraglich ist weiter die Veränderung
des § 323 c StGB, da eigentlich ungeklärt
bleibt, welches Rechtsgut geschützt wer-
den soll. Jedenfalls sollte mittels restrik-
tiver Auslegung vermieden werden, dass
durch eine nicht an konkreten Gefährdun-
gen orientierte Interpretation eine „gesin-
nungsrechtliche Pönalisierung einer unso-
lidarischen Einstellung“ des Individuums
bestraft wird (Zöller 2017).
6. Fazit und Ausblick
Die Ausführungen dürften deutlich auf-
gezeigt haben, dass die Problematik viel-
schichtig ist und eine nachhaltige Lösung
ein Vorgehen repressiv und präventiv
sowie auf verschiedenen Ebenen voraus-
setzt. Eine gesetzliche Handhabe mag vor
dem Hintergrund der Signalwirkung re-
levant und ein Anfang sein, aber damit
allein ist es nicht getan. Damit ein Gesetz
nicht an seiner praktischen Umsetzbarkeit
scheitert, müssen auch entsprechend per-
sonelle und technische (und damit finan-
zielle) Mittel eingesetzt werden, welche
die konkreten Ermittlungen der Polizei un-
terstützen. Nicht zu vergessen, dass damit
auch eine vermehrte Belastung der Jus-
tiz einhergeht. Involviert werden müssen
außerdem auch Sozialisationsinstanzen,
wie z. B. Kindergärten, Schulen und so-
ziale Einrichtungen. Hier kommt auch der
Präventionsarbeit der Polizei große Bedeu-
tung zu. Ziel sollte die Sensibilisierung be-
reits von Kindern im Vor- und Grundschul-
alter sein. Dazu gehört auch das altersge-
rechte Aufzeigen möglicher Folgen für Be-
troffene. Durch diese frühe Erziehung und
Sozialisierung soll das Unrecht speziell
des aktiv-aggressiven Gaffens vermittelt
und die Einsicht, dieses Verhalten selbst
zu unterlassen und bei anderen Personen
zu sanktionieren, gefördert werden. Wei-
ter gehört diese Thematik nicht nur auf
den Lehrplan von Schulen, sondern auch
insbesondere aller Fahrschulen. Durch die
Berücksichtigung innerhalb des Prüfungs-
kanons kann die Bedeutung der Thematik
noch hervorgehoben werden. Im Rahmen
der Zuständigkeit und Aufgaben von digi-
talen Löschzentren (z. B. Facebook) müss-
ten zukünftig auch die hier aufgezeigten
Gaffer-Szenarien berücksichtigt werden.
Gaffer-Szenarien müssen auch
von digitalen Löschzentren
berücksichtigt werden
Derzeit mangelt es (noch) an ausreichend
empirischen Befunden in Bezug auf die
Problematik des Gaffens. So kann derzeit
weder auf verlässliche Zahlen oder syste-
matische Untersuchungen zurückgegrif-
fen werden. Keinesfalls sollten wir in An-
betracht der bizarr anmutenden Verhal-
tensmuster der hier näher beschriebenen
Zeitgenossen unsererseits in eine Schock-
starre fallen – um kurz darauf, einem gut-
gemeint hilflosen Aktionismus verfallend,
eine Menge unsinniger Entscheidungen
zu treffen, die zu kurz greifen und der
nachhaltigen Lösung des Problems nicht
gerecht werden.
Kontakt
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tungskraeften.pdf
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Eine große Zahl von Menschen verbringt ihre Zeit online und einige auch gerne in virtueller Gesellschaft - nicht selten vertreten durch ihr Alter-Ego in Form eines Avatars mit anderen Avataren. Kybernetische Entwicklungen ermöglichen die zunehmende Verschmelzung von Realität und Virtualität. Zwangsläufig etablieren sich dort Regeln und Werte, welche dann wieder Eingang in das Leben in der realen Welt finden. Die Erweiterung der realen um eine virtuelle Dimension des Lebens und damit der Möglichkeit des Sichetablierens einer Parallelwelt mit ihrer eigenen Gesellschaft sowie Schnittstellen zur realen Welt wirft unzwischen nicht nur hypothetische , sondern manifeste (straf)rechtlich und kriminologisch relevante Fragen auf: - Was ist Cybercrime? - Eröffnen virtuelle Welten völlig neue Formen von Kriminalität? - Sind für die reale Welt gültige kriminologische Erkenntnisse auf die virtuellen Spiel- und Lebenswelten übertragbar? - Welche Rückkoppelungseffekte hat die Nutzung der virtuellen Welt auf die reale Welt bzw. Gesellschaft und auf das Individuum? - Erhöht oder minimiert womöglich kriminelles Verhalten in der virtuellen Welt das Risiko der entsprechenden Tatbegehung in der realen Welt? - Problematik nicht synchronisierter Rechtssysteme und -auffassungen
Article
Full-text available
Self-control theory (SCT), as a control theory, assumes that the pleasures gained from crime are equally obvious and attractive to all. This study brings a consideration of crime as a process into SCT, recognizing that the sensations inherent in offending may not be equally attractive to everyone. In doing so, we test the theory’s equal motivation assumption, bringing a consideration of individual differences in thrill seeking to the fore. Drawing on theory and research on the personality characteristic thrill seeking, we hypothesize that thrill seeking and self-control have independent influences on offending: that motivation to the process of crime matters. In addition, we investigate whether the effects of self-control are contingent on levels of thrill seeking, in part because high thrill seekers are less averse to the process of risk. These hypotheses are tested using data from the Family and Community Health Study, a sample of roughly 700 African American youth and their families. A new measure of self-control is employed in tandem with an existing attitudinal measure of self-control and thrill seeking. Consistent with hypotheses, the results suggest that self-control and thrill seeking have largely independent influences on offending and that the effects of self-control are contingent on levels of thrill seeking. These results provide further evidence that SCT’s assumption of equal motivation to crime is untenable, as individual differences in the personality characteristic thrill seeking influence the likelihood of offending.
Article
Humans devote 30-40% of speech output solely to informing others of their own subjective experiences. What drives this propensity for disclosure? Here, we test recent theories that individuals place high subjective value on opportunities to communicate their thoughts and feelings to others and that doing so engages neural and cognitive mechanisms associated with reward. Five studies provided support for this hypothesis. Self-disclosure was strongly associated with increased activation in brain regions that form the mesolimbic dopamine system, including the nucleus accumbens and ventral tegmental area. Moreover, individuals were willing to forgo money to disclose about the self. Two additional studies demonstrated that these effects stemmed from the independent value that individuals placed on self-referential thought and on simply sharing information with others. Together, these findings suggest that the human tendency to convey information about personal experience may arise from the intrinsic value associated with self-disclosure.
Article
The social networking site, Facebook, has gained an enormous amount of popularity. In this article, we review the literature on the factors contributing to Facebook use. We propose a model suggesting that Facebook use is motivated by two primary needs: (1) The need to belong and (2) the need for self-presentation. Demographic and cultural factors contribute to the need to belong, whereas neuroticism, narcissism, shyness, self-esteem and self-worth contribute to the need for self presentation. Areas for future research are discussed.
Article
The growth and popularity of online social networks has created a new world of collaboration and communication. More than a billion individuals around the world are connected and networked together to create, collaborate, and contribute their knowledge and wisdom. Despite the importance of online social networks, there is relatively little theory-driven empirical research available to address this new type of communication and interaction phenomena. In this paper, we explored the factors that drive students to use online social networks (e.g., Facebook). Specifically, we conceptualized the use of online social networks as intentional social action and we examined the relative impact of social influence, social presence, and the five key values from the uses and gratification paradigm on We-Intention to use online social networks. An empirical study of Facebook users (n=182) revealed that We-Intention to use online social networks is strongly determined by social presence. Among the five values, social related factors had the most significant impact on the intention to use. Implications for research and practice are discussed.
Article
By articulating a general theory of crime and related behavior, the authors present a new and comprehensive statement of what the criminological enterprise should be about. They argue that prevalent academic criminology—whether sociological, psychological, biological, or economic—has been unable to provide believable explanations of criminal behavior. The long-discarded classical tradition in criminology was based on choice and free will, and saw crime as the natural consequence of unrestrained human tendencies to seek pleasure and to avoid pain. It concerned itself with the nature of crime and paid little attention to the criminal. The scientific, or disciplinary, tradition is based on causation and determinism, and has dominated twentieth-century criminology. It concerns itself with the nature of the criminal and pays little attention to the crime itself. Though the two traditions are considered incompatible, this book brings classical and modern criminology together by requiring that their conceptions be consistent with each other and with the results of research. The authors explore the essential nature of crime, finding that scientific and popular conceptions of crime are misleading, and they assess the truth of disciplinary claims about crime, concluding that such claims are contrary to the nature of crime and, interestingly enough, to the data produced by the disciplines themselves. They then put forward their own theory of crime, which asserts that the essential element of criminality is the absence of self-control. Persons with high self-control consider the long-term consequences of their behavior; those with low self-control do not. Such control is learned, usually early in life, and once learned, is highly resistant to change. In the remainder of the book, the authors apply their theory to the persistent problems of criminology. Why are men, adolescents, and minorities more likely than their counterparts to commit criminal acts? What is the role of the school in the causation of delinquincy? To what extent could crime be reduced by providing meaningful work? Why do some societies have much lower crime rates than others? Does white-collar crime require its own theory? Is there such a thing as organized crime? In all cases, the theory forces fundamental reconsideration of the conventional wisdom of academians and crimina justic practitioners. The authors conclude by exploring the implications of the theory for the future study and control of crime.
Fallstudien zur Ethik in Wissenschaft und Wirtschaft, Technik und Gesellschaft, Schriftenreihe des Zentrums für Technik-und Wirtschaftsethik am Karlsruher Institut für Technologie Band 4
  • H.-W Bierhoff
  • E Rohmann
Bierhoff, H.-W./Rohmann, E. (2011): Diffusion der Verantwortung. In Maring, Matthias (Hrsg.), Fallstudien zur Ethik in Wissenschaft und Wirtschaft, Technik und Gesellschaft, Schriftenreihe des Zentrums für Technik-und Wirtschaftsethik am Karlsruher Institut für Technologie Band 4, S. 29 -36
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbucheszur effektiven Bekämpfung von sogenannten Gaffern sowie der Verbesserung des Persönlichkeitsrechts von Verstorbenen
  • Deutscher Bundestag
Deutscher Bundestag (2017): Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbucheszur effektiven Bekämpfung von sogenannten Gaffern sowie der Verbesserung des Persönlichkeitsrechts von Verstorbenen. Drucksache 18/9327 Deutscher Bundestag
  • Horst Dilling
Dilling, Horst et al. (2010): Internationale Klassifikation psychischer Störungen ICD-10 Kapitel V(F) 7. Auflage Dombrowsky, Wolf R. (1998): Zuschauer bei Katastrophen. In: Strauß, B. (Hrsg.): Zuschauer. Hogrefe Verlag, S. 271 -294