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Waffensysteme im polizeilichen Einsatztraining –
Die psychophysiologische Wirkung konventioneller Munition
und nicht-tödlicher Trainingsmunition auf Polizeibeamte
1 Einleitung
Im Rahmen des Einsatz- oder Polizeitrainings erweitern Polizeibeamte regelmäßig
ihre Kompetenzen in der Bewältigung von Konflikt- und Gewaltsituationen im Einsatz.
Hierbei wird regelmäßig auf Trainingsmaßnahmen zurückgegriffen, in denen mögli-
che Einsatzsituationen unter der Verwendung von Trainingswaffen oder Simulations-
waffen mit nicht-tödlicher Trainingsmunition geübt werden. Der Einsatz unterschied-
licher Waffensysteme unterliegt dabei trainingsdidaktischen Überlegungen (Staller,
Bertram & Körner, 2017), die maßgeblich vom Spannungsfeld zwischen Repräsen-
tativität der angedachten Trainingsaktivität bzw. höchstmöglicher Sicherheit und Un-
verletztheit der beteiligten Personen geprägt sind (siehe Staller, Zaiser & Körner, in
diesem Band).
Dieses Spannungsfeld erfordert einen Kompromiss zwischen authentischer Erfah-
rung und Übungssicherheit in der Gestaltung von Übungsaktivitäten (Staller, Zaiser
& Körner, 2017). Dieser Kompromiss wird als Einflussgröße begriffen, der die Reprä-
sentativität des Trainingsdesigns einschränkt und damit den erfolgreichen Transfer
von Fertigkeiten aus dem Training in die Anwendungssituation hemmt. So fordert die
Gestaltung von Übungsformen im „scharfen Schuss“ (konventionelle Munition), dass
diese zu keiner Gefährdung von Personen führt. Entsprechend werden Übungen we-
niger dynamisch und ohne Gegnereinwirkung durchgeführt. Auf der einen Seite ist
hier eine hohe physische Repräsentativität durch den Einsatz einer Echtwaffe gege-
ben, allerdings wird die Repräsentativität bezüglich perzeptuell-kognitiver (Entschei-
den in hoch-dynamischen Situationen) und affektiver Elemente (Angst vor Geg-
nereinwirkung) deutlich eingeschränkt.
Ein mögliches Herabsetzen der physischen Repräsentativität durch die Verwendung
eines Trainings- oder Simulationswaffensystems wird in der Praxis regelmäßig als
Argument für hohe Übungsanteile mit konventioneller Munition angeführt, ohne je-
doch empirisch validiert zu sein.
Aktuelle Untersuchungen (Kratzig, 2013; Getty, 2014) zeigen, dass in statischen
Schießtrainings, wie sie zu Beginn der Schießausbildung durchgeführt werden, Echt-
waffen nicht repräsentativer sind als Simulationswaffensysteme. Die hier dargestellte
Studie baut auf diesen Beobachtungen auf und untersucht, ob Unterschiede in Bezug
auf die physische Repräsentativität der Waffensysteme mit entsprechender Muniti-
onsart – Echtwaffe mit konventioneller Munition und Simulationswaffe mit nicht-töd-
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licher Trainingsmunition – bestehen. Als Marker hierfür wird die psychophysiologi-
sche Beanspruchung, operationalisiert über die Herzratenvariabilität, herangezogen.
In der Praxis wird konventioneller Munition häufig ein anderes „Stresslevel“ als nicht-
tödlicher Trainingsmunition attestiert. Ferner ist über die Wirkung des Einsatzes von
Simulationswaffen, verglichen mit Echtwaffen, auf das Stressempfinden von Polizei-
beamten bislang noch wenig bekannt.
2 Methode
Die vorliegende Studie wurde als quasi-experimentelle Feldstudie mit Messwieder-
holung durchgeführt. Die unabhängige Variable bildeten die genutzten Waffensys-
teme mit der entsprechenden Munitionsart. Jeder Teilnehmer absolvierte zwei
Durchgänge mit jeweils einem Waffensystem. Die Parameter der psychophysiologi-
schen Beanspruchung (kardiovaskuläre Daten) bildeten die abhängigen Variablen.
2.1 Stichprobe
Zweiundvierzig Polizeibeamte mit Spezialverwendung nahmen an der vorliegenden
Studie teil. Für 25 Teilnehmer lagen vollständige kardiovaskuläre Daten vor. Bei den
übrigen Teilnehmern führte die hohe Dynamik der zu absolvierenden Kampf- und
Schießübung zu Datenverlusten in den zur Datenaufnahme benutzen Instrumenten.
Die 25 Polizeibeamten hatten ein mittleres Alter von M = 29,00 Jahren (SD = 5,52),
eine mittlere Erfahrung von M = 7,94 (SD = 7,94) Jahren im Polizeiberuf und M = 4,12
(SD = 4,48) Jahren in einer Spezialverwendung.
2.2 Material
Die psychophysiologische Beanspruchung wurde über Herzfrequenz (HR) und Herz-
ratenvariabilität (HRV) operationalisiert. Die Intervalle zwischen benachbarten R-Za-
cken (interbeat interval) wurde mittels Suunto Herzfrequenzmessgeräten (Suunto
T6c, T6d, und Suunto Memory Belt) detektiert und aufgenommen. Der HRV Parame-
ter RMSSD (root mean square of sucessive differences) wurde als Ausdruck para-
sympathischer Aktivität für die weitere Analyse genutzt, analog zu vergleichbaren
Forschungsbeiträgen (Brisinda, Venuti, Cataldi, Efremov, Intorno & Fenici, 2015; ;
Strahler & Ziegert, 2015) und gemäß Empfehlungen im Rahmen der HRV Messung
und Analyse (Task Force of The European Society of Cardiology and The North Ame-
rican Society of Pacing and Heart rate Variability Standards of Measurement, Physi-
ological Interpretation, and Clinical Use, 1996; Laborde & Mosley, 2016;).
Die mittlere HR (mHR) und RMSSD wurden anhand von 60 Sekunden Intervallen
berechnet. Gerade in schnellen, dynamischen Interaktionen wie polizeilichen Ausei-
nandersetzungen wird eine Verkürzung der Berechnungssegmente auf bis zu 30 Se-
kunden empfohlen (Brisinda et al., 2015).
Die Teilnehmer nutzten ihre Dienstwaffen mit konventioneller Munition. Sofern das
Experiment das Nutzen von nichttödlicher Trainingsmunition vorsah, wurden den
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Teilnehmern Simulationswaffen der Firma „Simunition FX“ desselben Models ausge-
händigt. Die Angreifer während des Szenarios trugen RedMan Schutzanzüge, die
Teilnehmer hingegen ihre persönliche Einsatzausrüstung.
2.3 Durchführung
Die Studie wurde an drei verschiedenen Tagen durchgeführt. Jeder Teilnehmer nahm
an nur einem Tag teil. Die Teilnehmer gaben ihre Einwilligung zur Teilnahme an der
Studie nach erfolgter Aufklärung zum Ziel und Zweck des Experiments. Jeder Teil-
nehmer absolvierte zwei Durchgänge der Übung: ein Treatment mit konventioneller
Munition unter Verwendung der Dienstwaffe und ein Treatment mit nicht-tödlicher
Trainingsmunition unter Verwendung einer Simulationswaffe (Farbmarkierungs-
waffe). Jeder Teilnehmer startete mit einer 10-minütigen Ruhephase in sitzender Po-
sition, in welcher die Ruhemessung der HRV erfolgte. Das Treatment bestand aus
drei Teilen, welche jeweils ohne Pause nacheinander durchgeführt wurden. Zuerst
wurden die Teilnehmer gebeten, so oft wie möglich zwischen zwei Schlagpolstern
hin- und herzurennen und jeweils eine Angriffskombination mit mindestens drei
Schlagtechniken auszuführen. Im Anschluss mussten die Teilnehmer eine Ringer-
puppe mit einem Gewicht von 60kg über eine Distanz von 13 Metern ziehen. Dabei
wurden sie von einem Angreifer in einem RedMan Suit attackiert. Nachdem die Teil-
nehmer sich gegen den Aggressor verteidigt hatten, mussten sie die Ringerpuppe
weiter ziehen. Die Distanz von 13 Metern musste so häufig wie möglich innerhalb
von zwei Minuten zurückgelegt werden (inklusive Angriff durch den RedMan). Nach
Beendigung der zwei Minuten zogen die Teilnehmer direkt eine Schutzbrille und Ge-
hörschutz auf und rannten in die vorgegebene Schießposition, die sich 6 Meter von
der Zieldarstellung entfernt befand. Den Teilnehmern wurde die Erwartung mitgeteilt,
jede rote Zieldarstellung zweimal zu beschießen, ohne dabei das Ziel zu verfehlen
oder eine andersfarbige Zieldarstellung zu treffen. Im Laufe der Schießübung musste
ein schneller Magazinwechsel durchgeführt werden, da in einem Magazin nur 6 Pat-
ronen enthalten waren. Nach Beendigung der Schießübung musste die Waffe ge-
holstert werden und die Teilnehmer setzten sich direkt an einen vorbereiteten Tisch,
an dem ein Test zur Erfassung der Leistung des Arbeitsgedächtnisses durchgeführt
wurde. Dieser Test dauerte 4 Minuten. Anschließend nahmen die Teilnehmer in ei-
nem angrenzenden Erholungsraum für 15 Minuten Platz. Die Reihenfolge der Trea-
tments erfolgte randomisiert mit einer Pause von mindestens 2,5 Stunden zwischen
den Durchgängen.
2.4 HRV Analyse
Die Aufbereitung der R-R-Daten sowie die anschließende Frequenzbereichsanalyse
erfolgte mit der Software Kubios HRV v.2.1 (Tarvainen, Niskanen, Lipponen, Ranta-
aho & Karjalainen, 2014). Zunächst wurde aus dem ursprünglich unregelmäßig ab-
getasteten, diskreten R-R- Intervall-Signal eine äquidistant abgetastete, kontinuierli-
che Zeitreihe konstruiert. Kubios HRV nutzt zur Darstellung der Zeitreihe als stetige
Funktion eine stückweise Spline-Interpolation. Neben der visuellen Überprüfung der
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Daten auf offensichtliche Artefakte kam die Artefaktkorrekturfunktion der Kubios HRV
mit einer Korrekturstärke von „very strong“ mit einem Schwellenwert von 0,05 Se-
kunden zum Einsatz. Die notwendige, zumindest schwache Stationarität der R-R-
Zeitreihe wurde durch das Trendbereinigungsverfahren „smoothness priors“ mit
einer hier gewählten Grenzfrequenz von 0,035 Hz (Lambda = 500) gewährleistet.
Kardiovaskuläre Parameter wurden in vier Intervallen zu je 60 Sekunden analysiert
(Brisinda et al., 2015): a) im Ruhezustand (T1), b) während des Treatments (Intervall
wurde zentriert auf der maximalen HR; T2), c) 2 min nach Beendigung des Treat-
ments (T3) und d) 8 min nach Beendigung des Treatments (T4). Anhand der Inter-
valle wurden HR sowie die parasympathische Aktivierung (RMSSD) als Marker der
psychophysiologischen Beanspruchung berechnet.
2.5 Statistische Analyse
Jedes Datenset (mHR und RMSSD) wurde mittels Shapiro-Wilk Test, visueller Be-
trachtung der Histogramme, der normalen Quantile-Quantile-Plots sowie der Box-
Plots auf Normalverteilung analysiert (Doane & Seward, 2011).
Die Ergebnisse zeigten eine Normalverteilung des mHR Datensets. Entsprechend
wurde eine 2x2 faktorielle ANOVA (Zeit X Waffensystem) mit Messwiederholung auf
beiden Faktoren gerechnet. Mauchly’s Test zeigte eine Verletzung der Annahme der
Sphärizität für den Haupteffekt von Zeit,
χ
2
(5) = 25.40, p < .001, sowie den Interakti-
onseffekt zwischen Zeit und Waffensystem,
χ
2
(5) = 34.20, p < .001. Entsprechend
wurden die Freiheitsgrade mittels Greenhouse-Geisser korrigiert (ε = .66 für den
Haupteffekt von Zeit und ε = .54 für den Interaktionseffekt zwischen Zeit und Waffen-
system).
Das Datenset RMSSD war nicht normalverteilt. Transformationen führten ebenfalls
zu keiner Normalisierung der Daten. Da keine robusten faktoriellen ANOVAS mit
Messwiederholung existieren (Field, Miles & Field, 2012), wurden separate robuste
ANOVAs für jedes Waffensystem mittels der rmanova() Funktion (20% getrimmte
Mittelwerte) gerechnet (Wilcox, 2012).
Etwaige Differenzen zwischen den beiden Waffensystemen wurden für jeden Zeit-
punkt einzeln mittels eines robusten t-Tests mit Bootstrapping für mHR und RMSSD
berechnet. Die statistische Auswertung erfolgte mittels SPSS Version 24.0 und R.
Das Signifikanzniveau wurde auf p = 0.05 gesetzt.
3 Ergebnisse
Die Ergebnisse der faktoriellen ANOVA zeigten für mHR keinen signifikanten Haupt-
effekt für das Waffensystem F(1, 24) = 1.86, p = .185,
η
p2
= .072 und keinen Interak-
tionseffekt zwischen dem Zeitpunkt der Messung und dem Waffensystem, F(1.61,
38.54) = 1.43, p = .251,
η
p2
= .056. Ein signifikanter Haupteffekt für Zeit wurde fest-
gestellt: F(1.97, 47.16) = 634.68, p < .001,
η
p2
= .964. Bonferroni-korrigierte paar-
weise Vergleiche zeigten hochsignifikante (p < .001) Unterschiede zwischen allen
Messzeitpunkten (siehe Abb. 1).
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Abb. 1. Mittlere HR (mHR) zu den unterschiedlichen Messzeitpunkten für beide Durchgänge mit unterschied-
lichen Waffensystemen.
Potentielle Effekte des Messzeitpunktes auf die RMSSD Werte wurden anhand ro-
buster ANOVAs mittels der rmanova()-Funktion basierend auf 20% getrimmten Mit-
telwerten berechnet. Die robusten ANOVAs wurden für beide Durchgänge (Dienst-
waffe, Simulationswaffe) getrennt in R berechnet.
Für die Durchgänge mit konventioneller Munition zeigten die Ergebnisse einen signi-
fikanten Haupteffekt des Messzeitpunktes auf die RMSSD Werte: F(2.28, 31.96) =
158.49, p < .001.
Post-hoc Tests, basierend auf 20% getrimmten Mittelwerten, zeigten Differenzen
zwischen den folgenden Messzeitpunkten: T1 und T2, psihat = 12.96 (9.12, 16.81),
p < .001, T1 und T3, psihat = 19.32 (16.09, 22.56), p < .001, T1 und T4, psihat =
17.72 (12.65, 22.79), p < .001, T2 und T3, psihat = 5.74 (4.37, 7.01), p < .001, T2
und T4, psihat = 3.65 (0.72, 6.57), p < .001. Die Analyse ergab keinen signifikanten
Effekt zwischen T3 und T4: psihat = -1.47 (-3.67, 0.72), p > .05.
Für den Durchgang mit Simulationswaffen zeigten die Ergebnisse einen signifikanten
Haupteffekt der Zeit auf den Messzeitpunkt der RMSSD Werte: F(2.03, 28,40) =
49.97, p < .001. Post-hoc Tests, basierend auf 20% getrimmten Mittelwerten, zeigten
Differenzen zwischen den folgenden Messzeitpunkten: T1 und T2, psihat = 8.65
(4.56, 12.73), p < .001, T1 und T3, psihat = 13.30 (10.86, 15.74), p < .001, T1 und
T4, psihat = 11.50 (6.53, 16.47), p < .001, T2 und T3, psihat = 4.01 (1.66, 6.37),
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p < .001, und T2 und T4, psihat = 2.70 (0.24, 5.16), p < .001. Die Analyse ergab
keinen signifikanten Effekt zwischen T3 und T4, psihat = -0.98 (-2.63, 0.67), p > .05.
Abbildung 2 zeigt die RMSSD Werte der vier Messzeitpunkte für beide Durchgänge
(Dienstwaffe, Simulationsaffe).
Abb. 2. RMSSD zu den unterschiedlichen Messzeitpunkten für beide Durchgänge mit unterschiedlichen Waf-
fensystemen.
Potentielle Unterschiede der kardiovaskulären Daten zwischen Dienst- und Simula-
tionswaffen wurden mittels einzelner T-tests mit Messwiederholung zu sämtlichen
Messzeitpunkten analysiert. Die Ergebnisse wiesen keine signifikanten Unterschiede
zwischen dem Gebrauch von konventioneller und nicht-tödlicher Trainingsmunition
zu den Messzeitpunkten auf (siehe Tab. 1).
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4 Diskussion
Die vorliegende Studie zeigt, dass es keinen Unterschied zwischen dem Gebrauch
von konventioneller Munition (der „scharfe Schuss“) im Vergleich zu nicht-tödlicher
Trainingsmunition (FX Farbmarkierungsmunition), gemessen an der psychophysiolo-
gischen Beanspruchung, gibt. Forschungsarbeiten im Kontext von laser-basierten
Trainingssystemen zeigen, dass für die Entwicklung von (statischen) Schießfertigkei-
ten der „scharfe Schuss“ nicht nötig ist (Kratzig, 2013; Getty, 2014). Die vorliegenden
Ergebnisse erweitern diese Erkenntnisse insofern, dass nicht-tödliche Trainingsmu-
nition zu denselben psychophysiologischen Veränderungen führt wie konventionelle
Munition.
Unbeabsichtigte Schussabgaben mit Verletzungs- oder gar Todesfolgen sind ein
schwerwiegendes Risiko (Heim, Schmidtbleicher & Niebergall, 2006a, 2006b; Barber
& Hemenway, 2011; Fowler, Dahlberg, Haileyesus & Annest, 2015;), das es im Rah-
men von Trainingssettings zu vermeiden gilt. Das Gestalten von Trainingsbedingun-
gen mit Waffensystemen, die dazu beitragen, Verletzungs- und Todesfolgen zu
minimieren, erscheint in diesem Kontext besonders wichtig. Der Gebrauch von nicht-
tödlicher Trainingsmunition ermöglicht eine enorme Reduzierung des Gesundheits-
risikos der beteiligten Personen, ohne die Repräsentativität zu verringern.
Weiterhin zeigt die Studie, dass die HR während des Treatments den Maximalwert
von ca. 200 Schlägen pro Minute erreichte. Derartig hohe HR Messwerte wurden in
bisherigen Forschungsarbeiten zum polizeilichen Einsatzverhalten noch nicht berich-
tet (Armstrong, Clare & Plecas, 2014; Strahler & Ziegert, 2015; Andersen, Pitel, Wee-
rasinghe & Papazoglou, 2016). Hingegen werden im Bereich des Kampfsportes re-
gelmäßig Maximalwerte zwischen 195 und 205 Schlägen pro Minute gemessen
(Bouhlel, Jouini, Gmada, Nefzi, Ben Abdallah & Tabka, 2006; Markovic, Vucetic, &
Cardinale, 2008; Haddad, Chaouachi, Wong, Castagna & Chamari, 2011; Santos,
González, Iscar, Brime, Fernández-Río, Rodríguez & Montoliu, 2011). In Kombina-
tion mit den Ergebnissen der vorliegenden Studie kann davon ausgegangen werden,
dass HR Werte von 200 Schlägen pro Minute erreicht werden, sofern der körperliche
Kampf eine Rolle in der Auseinandersetzung spielt. Entsprechend sollten Polizeibe-
amte Lernumgebungen ausgesetzt werden, welche die Erfahrung dieser Beanspru-
chung in Kombination mit leistungsorientiertem Handeln ermöglichen.
Die Ergebnisse dieser Studie bringen neue Einsichten in die Gestaltung repräsenta-
tiver Einsatztrainings-Designs. Bislang waren korrespondierende Erkenntnisse auf
statische Schießtrainings, wie z. B. zu Beginn der Schießausbildung üblich, be-
schränkt. Nunmehr kann davon ausgegangen werden, dass Einsatztrainings, die Si-
mulationswaffen verwenden, genauso repräsentativ wie Trainings mit Echtwaffen
sind. Das bedeutet, dass der Transfer relevanter Fertigkeiten vom Training in die
Echtsituation in gleichem Maße gewährleistet ist.
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4.1. Limitationen
Mehrere Schwachstellen der Studie müssen angemerkt werden. Erstens wurden
innerhalb der Studie drei verschiedene kognitive Tests eingesetzt. Obwohl (a) die
Testzeiten mit jeweils vier Minuten gleich und (b) die Teilnehmer ausgeglichen den
jeweiligen Treatments zugeordnet waren, besteht die Möglichkeit, dass die kardiovas-
kulären Daten zwischen den drei Durchgängen variierten. Zweitens schossen die
Teilnehmer in der Studie mit den jeweiligen Munitionsarten auf statische nicht-
menschliche Ziele, während sie wussten, dass nicht auf sie geschossen wird. Die
psychophysiologische Beanspruchung ist damit geringer einzuordnen als dies in
Echtlagen der Fall sein könnte. Es ist davon auszugehen, dass in Echtlagen die
psychophysiologische Beanspruchung noch größer ist.
4.2. Schlussbemerkungen
Die vorliegende Studie erbringt einen Beleg dafür, dass nicht-tödliche Trainingsmuni-
tion zum selben Grad an psychophysiologischer Beanspruchung führt wie konventio-
nelle Munition. Entsprechend bietet das Nutzen von nicht-tödlicher Trainingsmunition
eine sichere, aber dennoch repräsentative Möglichkeit, den Umgang und Fertigkeiten
mit der Dienstwaffe zu erlernen. Weiterhin weist die Studie darauf hin, dass körperli-
che Auseinandersetzungen eine sehr hohe Belastung für das Individuum darstellen
und dass Polizeibeamte auf diese Belastungen vorbereitet sein müssen. Künftige For-
schungsvorhaben sollten die vorliegenden Ergebnisse für andere nicht-tödliche Mu-
nitionsarten und laser-basierte Waffensysteme replizieren. Darüber hinaus wäre es
sinnvoll, die Fertigkeitsentwicklung im Längsschnitt in Abhängigkeit des Trainingssys-
tems zu untersuchen. Systematische Interventionen mit Transfer- und Retentions-
tests könnten dabei helfen die Frage zu beantworten, ob letztendlich Fertigkeiten ge-
lernt wurden oder nicht (Kratzig, 2013).
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