Content uploaded by Mario S. Staller
Author content
All content in this area was uploaded by Mario S. Staller on Sep 29, 2017
Content may be subject to copyright.
264 S
TALLER
,
Z
AISER
&
K
ÖRNER
: Zwischen Training und der Anwendung im Ernstfall
M
ARIO
S.
S
TALLER
,
B
ENJAMIN
Z
AISER
&
S
WEN
K
ÖRNER
Zwischen Training und der Anwendung im Ernstfall –
Repräsentatives Lerndesign im polizeilichen Einsatztraining
1 Einleitung
Das Verteidigen gegen körperliche Gewalthandlungen sowie die legitimierte Gewalt-
anwendung zur Durchsetzung rechtsstaatlicher Interessen sind integraler Bestand-
teil des Polizeiberufes. Im Rahmen des polizeilichen Einsatztrainings trainieren Poli-
zeibeamte unter anderem den Einsatz körperlicher Gewalt für den Ernstfall. Aktuelle
Studien zur Gewaltanwendung von Polizeibeamten (Jager, Klatt & Bliesener, 2013;
Renden, Nieuwenhuys, Savelsbergh & Oudejans, 2015) weisen allerdings darauf
hin, dass entsprechende Trainingsmaßnahmen verbesserungsfähig sind.
Die Diskrepanz zwischen Training und der Anwendung im Ernstfall stellt hohe Anfor-
derungen an den in diesem Kontext agierenden Trainer. Der vorliegende Beitrag
greift die Problematik der Diskrepanz zwischen Trainings- und Anwendungskontext
im Ernstfall sowie die damit verbundene Frage nach dem Lerntransfer im polizeili-
chen Einsatztraining auf. Im Mittelpunkt der Betrachtung steht hierbei das Konzept
des „repräsentativen Lerndesigns“ (Pinder, Davids, Renshaw & Araújo, 2011b;
Broadbent, Causer, Williams & Ford, 2015; Staller, Zaiser & Körner, 2017). Basie-
rend auf dem kürzlich vorgestellten „Trade-Off Model of Simulation Design“ (TOMSD;
Staller et al., 2017) werden Möglichkeiten dargestellt wie ein repräsentatives Lern-
design im polizeilichen Einsatztraining zielführend genutzt werden kann. Die darge-
stellten Überlegungen ermöglichen (a) dem Trainer fundierte Entscheidungen in der
Trainingsgestaltung und geben (b) dem wissenschaftlichen Diskurs in Bezug auf den
Lerntransfer im polizeilichen Einsatztraining neue Impulse.
2 Repräsentatives Lerndesign
In verschiedenen Veröffentlichungen haben die Autoren in jüngster Vergangenheit
für die Umstellung zahlreicher zentraler Begriffe und Konzepte im Kontext polizeili-
chen Einsatztrainings argumentiert. Im Ausgangspunkt nichtlinearer Trainingspäda-
gogik wurde hier unter anderem für den Begriff der Simulation plädiert, um damit das
Verhältnis zwischen Lern- und Anwendungsumgebung (polizeiliche Einsatzsituation)
neu beschreibbar zu machen und didaktisch zu reorganisieren. Im Zentrum steht hier
vor allem die aus dem Kontext der ‟ecological dynamics” abgeleitete Idee, Interakti-
onen zwischen kontextspezifischen Informationsvariablen und zielgerichtetem Ver-
halten in das Zentrum didaktisch gestalteter Lernumgebungen zu stellen. Simulatio-
nen sollten somit grundsätzlich Bedingungen und Informationsvariablen beinhalten,
welche in Echteinsätzen ebenfalls existieren.
dvs Band 266 © Edition Czwalina 265
Demnach können sowohl Schießübungen auf menschliche Zieldarstellungen aus
Papier in der Raumschießanlage als auch Trainingsaktivitäten mit einem beispiel-
weise angreifenden Partner als Simulationen verstanden werden. Für die Simulation
von gewalttätigen Auseinandersetzungen heißt dies, dass überraschende Angriffe,
hohe Aggression, hohe Dynamik und psychischer Druck (Miller, 2008; Jager et al.,
2013; Jensen & Wrisberg, 2014) wichtige Parameter der Übungsgestaltung bilden.
Gleichzeitig muss der Einsatztrainer für die Gesundheit und Sicherheit der beteiligten
Trainingsparteien Sorge tragen. Dies wird dadurch erreicht, dass Elemente, die ein
hohes Gesundheits- oder Sicherheitsrisiko darstellen, weggelassen oder abgeändert
werden (Murray, Yanagi, Ensign, Clark & Dast, 2010; Wollert, Driskell & Quali, 2011).
So birgt das Training mit echten Messern oder Schusswaffen in hochdynamischen,
überraschenden Angriffssituationen das Risiko von schwerwiegenden Verletzungen,
wenn ein Trainingsbeteiligter einen Fehler macht. Eine mögliche Option dem vorzu-
beugen besteht in der drastischen Reduktion der Geschwindigkeit, der Dynamik, der
Komplexität und des überraschenden Charakters der Situation.
Hier wird deutlich, dass verschiedene Trainingsaktivitäten dazu beitragen können
den Fertigkeitstransfer zu erhöhen, sofern die Aktivitäten repräsentativ sind. Aus der
„ecological dynamics“-Perspektive heraus wurde in diesem Zusammenhang für die
Verwendung des Terminus „Repräsentativität“ anstatt „Realismus“ argumentiert
(Staller & Bertram, 2016). Ein repräsentatives Training ist ein „Training, welches die
kontextgebundene Validität (egological validity) von Wahrnehmungs-, Entschei-
dungs- und Handlungsprozessen in den Mittelpunkt stellt und die optimale Verbin-
dung dieser Prozesse entsprechend den funktionalen Verhaltensweisen im jeweili-
gen Anwendungskontext des trainierenden Individuums fördert“ (ebd., S. 65).
Repräsentative Aufgaben ermöglichen dem Trainierenden, die Umgebung nach va-
liden Informationen abzusuchen und diese Informationen mit vorhandenem Wissen
zu kombinieren, um im Sinne einer ergebnisorientierten Problemlösung zu agieren
(Broadbent et al., 2015). Die Repräsentativität einer bestimmten Aufgabe besteht
dabei aus zwei Komponenten: der (a) Funktionalität der Aufgabe und der (b) Hand-
lungstreue (Pinder, Davids, Renshaw & Araújo, 2011a; Broadbent et al., 2015).
Während die Funktionalität einer Übungsform dem Teilnehmer erlaubt, die ihn oder
sie in Realität erwarteten Aufgaben, Druckbedingungen und Restriktionen zu erfah-
ren und zu trainieren, bezieht sich Handlungstreue auf Prozesse des Trainierenden.
Er oder sie darf die Bewältigungsstrategien üben, welche auch im Einsatzfall auszu-
führen sind. Damit sind technische Elemente, aber auch Informationsverarbeitungs-
prozesse (von außen nicht wahrnehmbar) und emotionale Bewältigungsstrategien
(Umgang mit Angst etc.) gemeint. Ein Kernelement der Repräsentativität ist die Be-
ziehung zwischen perzeptuell-kognitiven, motorischen und emotionalen Prozessen
(Pinder, Davids, Renshaw & Araújo, 2011b; Broadbent et al., 2015; Headrick,
Renshaw, Davids, Pinder & Araújo, 2015). Die Unterscheidung spiegelt sich in den
(a) physischen, (b) perzeptuell-kognitiven und (c) affektiven Belastungen in Einsatz-
situationen wieder. Hier muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass eine klare
266 S
TALLER
,
Z
AISER
&
K
ÖRNER
: Zwischen Training und der Anwendung im Ernstfall
Unterscheidung nach Ursache und Wirkung der einzelnen Aspekte nicht immer mög-
lich ist. Dennoch erscheint eine Unterscheidung dieser drei Aspekte aus praktischer,
trainingsdidaktischer Sicht sinnvoll.
Die Bedingungen der konkreten Situation, unter welchen der Polizeibeamte im Ein-
satzfall handeln muss, können in (a) physische, (b) perzeptuell-kognitiven und (c)
affektive Elemente unterteilt werden. Das physische Design „Übungen“ bezieht sich
auf Einflussfaktoren, die die Intensität von Angriffen und das Verhalten der Angreifer
beeinflussen, welchen der Verteidiger ausgesetzt ist (Funktionalität). Eng damit ver-
bunden ist die Intensität der ausgeführten Handlungen des Verteidigers (Handlungs-
treue). Perzeptuell-kognitive Elemente beeinflussen das Entscheidungsverhalten,
also welche Handlung ausgeführt werden sollte und wie die konkrete Umsetzung
aussieht (Funktionalität). Diese Bedingungen beanspruchen die Wahrnehmungs-,
Entscheidungs- und Problemlösungskompetenz des Verteidigers (Handlungstreue).
Affektive Elemente beeinflussen den emotionalen Zustand, unter welchem der Ver-
teidiger tätig werden muss (Funktionalität). So wird dem Trainierenden ermöglicht,
die mit der zu bewältigenden Aufgabe verbundenen Emotionen und deren Auswir-
kungen auf seine/ihre Gedanken, Entscheidungen und Handlungen zu erfahren. Die
Trainierenden können so Bewältigungsstrategien gegenüber emotionaler Beanspru-
chung in der Lernumgebung lernen und in der Testumgebung auf die Probe stellen
(Handlungstreue).
Der repräsentativen Gestaltung einer Lernumgebung steht auf der anderen Seite das
Bedürfnis nach Gesundheit und Sicherheit der beteiligten Personen gegenüber. In
Arbeitsumgebungen, in denen regelmäßig der Gebrauch von Schusswaffen und
kämpferische Handlungen stattfinden, besteht ein erhöhtes Risiko für (schwerwie-
gende) Gesundheitsschäden (Örnehult & Eriksson, 1987; Griffith, 2003; Murray,
2004; Kochhar, 2005; Zetaruk, Violán, Zurakowski & Micheli, 2005; Heim, Schmidt-
bleicher & Niebergall, 2006a, 2006b). Entsprechend muss der Einsatztrainer eine
Lern- und Testumgebung gestalten, die die Sicherheit aller Beteiligten gewährleistet.
Da in Lernumgebungen regelmäßig (für den Lernprozess wichtige) Fehler stattfin-
den, muss der Trainer sicherstellen, dass diese keine schwerwiegenden Folgen für
die körperliche Unversehrtheit der Teilnehmer nach sich ziehen. Dies kann durch (a)
eine Verringerung der Intensität, (b) eine Verringerung der Komplexität der Aufgabe
oder (c) Veränderungen in den Rahmenbedingungen der Lern-/Testumgebung er-
reicht werden.
Verringerungen der Intensität beziehen sich auf Maßnahmen, die Techniken in der
Lern- und Testumgebung, beispielsweise durch die Reduzierung von zulässigem
Kontakt (als Verteidiger oder als Angreifer), den Ausschluss von Trefferzonen oder
die Reduktion der Geschwindigkeit und der angewandten Kraft, weniger gefährlich
machen. Die Reduzierung der Komplexität der Aufgabenstellung reduziert die Bean-
spruchung perzeptuell-kognitiver Prozesse beim sich Verteidigenden. Durch die Re-
duzierung von Überraschungen, der Ambiguität von Angriffssituationen oder von ver-
fügbaren Optionen nimmt die Wahrscheinlichkeit von Fehlern im Entscheidungspro-
zess ab. So kann der Trainierende mehr Aufmerksamkeit auf die korrekte Ausführung
dvs Band 266 © Edition Czwalina 267
der entsprechenden motorischen Prozesse richten. Veränderungen der Umgebung
beziehen sich auf Maßnahmen des Trainers, die das Verletzungsrisiko durch Anpas-
sung der physischen Struktur der Lern- und Testumgebung verringern. Dies kann
beispielsweise durch die Verwendung von Sicherheitsausrüstung, speziellen Trai-
ningswaffensystemen oder Anpassung des Trainingsbereiches, z. B. durch das Hin-
zufügen von Matten oder das Entfernen von scharfen oder gefährlichen Gegenstän-
den, erreicht werden.
Diese Gestaltungsentscheidungen bezüglich der Sicherheitsvorkehrungen bedürfen
ein Einbeziehen der Kompetenz der jeweiligen Teilnehmer. Insbesondere die Frage,
ob Teilnehmer in der Lage sind zu kontrollieren (also z. B. abzustoppen, um eine Kon-
tertechnik anzudeuten), scheint hier wichtig. Auch könnte beispielsweise ein Rollen-
spieler einen Trainingsteilnehmer mit Handschuhen angreifen, um damit die Wirkung
seiner Schläge zu reduzieren (Umgebungsveränderung; Verringerung der Intensität),
während ein weiter fortgeschrittener Teilnehmer mit voller Kraft und dünneren Hand-
schuhen angegriffen wird (weniger Umgebungsveränderung; keine Verringerung der
Intensität). Das Fehlerrisiko bleibt damit trotz eines unterschiedlichen Fertigkeitsni-
veaus der Teilnehmer gleich. Je erfahrener der Einsatztrainer ist, desto besser wird
seine Einschätzung in Bezug auf das Fehler- und Verletzungsrisiko in der Gestaltung
von Trainingsaktivitäten sein.
Abb. 1. Das „Trade-off Model of Simulation Design“ (TOMSD, adaptiert von Staller et al., 2017).
268 S
TALLER
,
Z
AISER
&
K
ÖRNER
: Zwischen Training und der Anwendung im Ernstfall
Das kompetitive Verhältnis zwischen Repräsentativität bzw. Gesundheit und Sicher-
heit in Kombination mit dem Kompetenzniveau der Teilnehmer ist im „Trade-Off Mo-
del of Simulation Design“ (Staller et al., 2017, Abb. 1) dargestellt. Die verschiedenen
Bestandteile des repräsentativen Lerndesigns sowie die Abwägungen in Bezug auf
die Sicherheit der Teilnehmer ermöglichen dem Einsatztrainer, informierte und be-
wusste Entscheidungen über den Kompromiss zwischen den beiden konkurrieren-
den Einflussgrößen zu treffen. Da Repräsentativität zu nicht 100 Prozent erreicht
werden kann (dies wäre die Anwendungsumgebung, die ethisch für den Erwerb und
die Prüfung von vielen Einsatztrainingsinhalten unzulässig ist; z. B. Schusswaffenein-
satz), kann der Trainer eine Aufgabe konzipieren, die einerseits ein höheres Maß an
Repräsentativität in einem bestimmten Teilbereich gewährleistet, während die Reprä-
sentativität eines anderen Teilbereiches reduziert wird, um Gesundheit und Sicherheit
der Teilnehmer zu gewährleisten. So senkt beispielsweise der Einsatz von Airsoft-
Waffen im Training die Repräsentativität in Bezug auf den Rückstoß der Waffe (Hand-
lungstreue), allerdings ermöglicht der Einsatz dieses Trainingssystems ein hohes
Maß an Komplexität in der Simulation (Funktionalität) und damit eine repräsentative
Beanspruchung perzeptuell-kognitiver Prozesse des Teilnehmers (Handlungstreue)
ohne Beteiligte zu gefährden.
3 Die Anwendung des TOMSD in der Praxis
Die Anwendung des TOMSD in der Trainingspraxis soll nun im Folgenden anhand
eines Beispiels erläutert werden. Das Beispiel „Massenangriffe aus kurzer Distanz“
aus dem Themenkomplex „Umgang mit Gewalt gegen Polizeibeamte“ eignet sich
hier besonders, da das Beispiel so auch für den zivilen Selbstverteidigungsbereich
Gültigkeit hat.
Eine wesentliche Prämisse des TOMSD ist, dass eine 100-prozentige Repräsentati-
vität von Simulationen aufgrund der damit einhergehenden Gefährdung für die Ge-
sundheit und Sicherheit der beteiligten Personen nicht gewährleistet werden kann.
Der Trainer trifft durch die Gestaltung jeder Simulation eine Entscheidung, welchen
Grad an Funktionalität und Handlungstreue darin enthalten sind. In der Abwägung
zwischen physischen, perzeptuell-kognitiven und affektiven Elementen kann das De-
sign einer Simulation einzelne Elemente mehr (z. B. komplexe Entscheidungen) und
andere weniger (z. B. Angst vor einem echten Messer) fordern. In der nächsten
Übungsform könnte er dann die affektive Komponente fordern (z. B. Training mit
einem scharfen Messer), sollte aber aus Sicherheitsgründen keine komplexen Ent-
scheidungen mit einbeziehen, d. h. die Angriffs- und Verteidigungshandlungen sind
zwischen den Trainierenden abgesprochen. Sollten beide Komponenten (scharfes
Messer und komplexe Entscheidungen) abgefordert werden, steigt das Sicherheitsri-
siko wesentlich. Es erscheint logisch, dass ein maximal repräsentatives Niveau nicht
in jeder Kategorie gleichzeitig erreicht werden kann, ohne dabei die Übungssicherheit
zu gefährden (Wollert et al., 2011).
dvs Band 266 © Edition Czwalina 269
Tabelle 1 zeigt exemplarisch eine Übersicht, welche in einer Matrix die Komponenten
der Funktionalität und Handlungstreue im jeweiligen Zusammenhang mit physi-
schen, perzeptuell-kognitiven und affektiven Designkomponenten für Messeran-
griffssimulationen aus kurzer Distanz zeigt. Die beschriebenen Designelemente sind
dabei als das Extremum einer Skala zu verstehen. Für das Design einzelner Simu-
lationen heißt dies, dass Abstufungen (z. B. in der Dynamik, im Schmerzreiz etc.)
vorgenommen werden können. Das Aufsplittern der Repräsentativität einer Simula-
tion in Funktionalität und Handlungstreue ermöglicht es dem Trainer wie mit einem
Mischpult zu „spielen“. In der Gesamtheit der in einem Trainingsprogramm durchge-
führten Simulationen kann so sichergestellt werden, dass sämtliche Elemente eines
repräsentativen Designs abgedeckt sind.
Tab. 1. Beispielhafte Elemente, die das repräsentative Design von Simulationen im Kontext „Messerangriff
aus kurzer Distanz“ beeinflussen
Funktionalität Handlungstreue
physisch
− Der Messerangriff wird mit voller Ge-
schwindigkeit und hoher Dynamik aus-
geführt (inkl. mehrfaches Zustechen)
− Messerangriff wird in der korrekten
Distanz ausgeführt (d.h. der Angriff
trifft das Ziel)
− Der Angriff wird so ausgeführt, dass
dieser mit voller Intensität den Trainie-
renden trifft
− Die Verteidigung gegen den Messeran-
griff wird mit voller Geschwindigkeit und
hoher Dynamik ausgeführt (z. B. mehr-
faches Schlagen zum Gesicht) ausge-
führt
− Die Verteidigung (besonders etwaige
Schläge/Tritte) werden in der korrekten
Distanz ausgeführt (also so, dass diese
treffen)
− Die Verteidigung wird so ausgeführt,
dass diese (z. B. Block, aber auch
Schläge/Tritte) den Angreifer mit voller
Intensität trifft
perzeptuell-
kognitiv
− Der Messerangriff stellt einen validen
Reiz dar, d.h. dieser wird so ausge-
führt, dass dieser in seiner Struktur
(Geschwindigkeit, Dynamik, Distanz,
Präsentation des Messer, etc.) einem
echten Messerangriff gleicht
− Der Messerangriff wird überraschend,
ohne Vorwarnung ausgeführt (z. B. von
der Seite, von hinten, mit Ablenkungs-
manöver)
− Messerangriffe werden in Verbindung
mit weiteren Angriffen ausgeführt
− Der Verteidiger sucht in der Gefahren-
situation nach Hinweisreizen auf eine
bevorstehende oder stattfindende
Handlung und nimmt diese wahr
− Der Verteidiger trifft eine Entscheidung
(bewusst/unbewusst) für das weitere
(Abwehr-)Handeln
− Der Verteidiger findet eine Lösung für
den Messerangriff, der in der so prä-
sentierten Form noch nicht vorgelegen
hat
affektiv
− Der Verteidiger hat bereits Schmerzen
und möchte aufhören
− Der Messerangriff führt bei erfolgrei-
cher Ausführung zu Schmerzen (z. B.
Metallübungsmesser) oder zu Verlet-
zungen (z. B. scharfes Messer); dies
führt zu Angst beim Verteidiger
− Der Verteidiger versucht Schmerzen zu
vermeiden
− Der Verteidiger versucht weiterzuma-
chen, auch wenn er starke Schmerzen
spürt
Ein weiterer Vorteil des TOMSD liegt in der Möglichkeit der nichtlinearen Trainings-
gestaltung (siehe hierzu ausführlich Staller et al., 2017). Selbst Anfänger können mit
perzeptuell-kognitiv anspruchsvollen Designelementen gefordert werden, ohne – wie
in traditioneller Hinsicht üblich – eine Phase des isolierten Übens einer einzelnen
270 S
TALLER
,
Z
AISER
&
K
ÖRNER
: Zwischen Training und der Anwendung im Ernstfall
Technik erlebt zu haben. Forschungsarbeiten zum Themenbereich des impliziten
Lernens stützen diese These (Raab & Johnson, 2007; Masters & Maxwell, 2008). So
könnte, um dem Trainierenden ein Lernen angriffsrelevanter Signale zu ermöglichen,
dem angreifenden Trainingspartner vorgegeben werden, mit einem geringen Maß an
Kontakt, jedoch sehr schnell anzugreifen. Der Trainierende hat so die Chance im
Kontext individuelle Lösungsmöglichkeiten der Situation auszuprobieren. Hier wird
deutlich, dass dem gegenseitigen Partnerverhalten eine prominente Bedeutung zu-
kommt. Zukünftige Forschungsbemühungen sollten die Interaktionsdynamiken zwi-
schen Trainingspartnern und deren systematische Ausbildung näher untersuchen.
3 Fazit
Die effektive Gestaltung von Trainingsaktivitäten im Einsatztraining ist fundamental
für die Entwicklung von Einsatzkompetenz, welche von einer Lernumgebung in eine
Anwendungsumgebung transferieren soll. Der vorliegende Beitrag stellt das reprä-
sentative Design von Trainingsaktivitäten mit Hilfe des TOMSD in den Fokus effekti-
ver Trainingsgestaltung und liefert praktische Beispiele wie Simulationen im Einsatz-
training gestaltet werden können.
Literatur
Broadbent, D. P., Causer, J., Williams, A. M. & Ford, P. R. (2015). Perceptual-cognitive skill training
and its transfer to expert performance in the field: Future research directions. European Jour-
nal of Sport Science, 15(4), 322-331. doi: 10.1080/17461391.2014.957727
Griffith, D. (2003, 17. Januar). Friendly fire: Officer training accidents. Zugriff unter https://www.poli-
ceone.com/training/articles/58677-Friendly-Fire-Officer-Training-Accidents/
Headrick, J., Renshaw, I., Davids, K., Pinder, R. A. & Araújo, D. (2015). The dynamics of expertise
acquisition in sport: The role of affective learning design. Psychology of Sport and Exercise,
16, 83-90. doi: 10.1016/j.psychsport.2014.08.006
Heim, C., Schmidtbleicher, D. & Niebergall, E. (2006a). The risk of involuntary firearms discharge.
Human Factors, 48(3), 413-421. doi: 10.1518/001872006778606813
Heim, C., Schmidtbleicher, D., & Niebergall, E. (2006b). Towards an understanding of involuntary
firearms discharges. Policing: an International Journal of Police Strategies & Management,
29(3), 434-450. doi: 10.1108/13639510610684683
Jager, J., Klatt, T. & Bliesener, T. (2013). NRW-Studie: Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und Poli-
zeibeamte. Kiel: Institut für Psychologie, Christian-Albrechts-Universität.
Jensen, P. R. & Wrisberg, C. A. (2014). Performance under acute stress: A qualitative study of sol-
diers’ experiences of hand-to-hand combat. International Journal of Stress Management,
21(4), 406-423. doi: 10.1037/a0037998
Kochhar, T. (2005). Risk of cervical injuries in mixed martial arts. British Journal of Sports Medicine,
39(7), 444-447. doi: 10.1136/bjsm.2004.011270
Masters, R. S. W. & Maxwell, J. (2008). The theory of reinvestment. International Review of Sport
and Exercise Psychology, 1(2), 160-183. doi: 10.1080/17509840802287218
Miller, B. S. (2008). A phenomenological study of training addressing critical incident stress in law
enforcement Dissertation, Capella University Minneapolis.
Murray, K. R. (2004). Training at the speed of life, Vol. 1: The Definitive Textbook for Military and
Law Enforcement Reality Based Training. Gotha, FL: Armiger Publications.
Murray, S. A., Yanagi, M., Ensign, W., Clark, C. & Dast, B. (2010). The effects of acute stress on
cognitive performance. San Diego, CA: Space and Naval Warfare Systems Center Pacific.
dvs Band 266 © Edition Czwalina 271
Örnehult, L. & Eriksson, A. (1987). Fatal firearm accidents in Sweden. Forensic Science Interna-
tional, 34(4), 257-266. doi: 10.1016/0379-0738(87)90039-9
Pinder, R. A., Davids, K., Renshaw, I. & Araújo, D. (2011a). Manipulating informational constraints
shapes movement reorganization in interceptive actions. Attention, Perception, & Psycho-
physics, 73(4), 1242-1254. doi: 10.3758/s13414-011-0102-1
Pinder, R. A., Davids, K., Renshaw, I. & Araújo, D. (2011b). Representative learning design and
functionality of research and practice in sport. Journal of Sport & Excercise Psychology, 33,
146-155.
Raab, M., & Johnson, J. G. (2007). Implicit Learning as a Means to Intuitive Decision Making in
Sports. In H. Plessner, C. Betsch & T. Betsch (Hrsg.), Intuition in Judgement and Decision
Making (S. 119-134). New York: Erlbaum.
Renden, P. G., Nieuwenhuys, A., Savelsbergh, G. J. P. & Oudejans, R. R. D. (2015). Dutch police
officers' preparation and performance of their arrest and self-defence skills: A questionnaire
study. Applied Ergonomics, 49, 8-17. doi: 10.1016/j.apergo.2015.01.002
Staller, M. S. & Bertram, O. (2016). Ist es Deeskalation, Selbstbehauptung oder Selbstverteidigung?
– Der Bedeutungsumfang von Kernbegriffen im Bereich der Gewaltprävention. In M. J. Meyer
(Hrsg.), Martial Arts Studies in Germany – Defining and Crossing Disciplinary Boundaries
(S. 57-70). Hamburg: Czwalina.
Staller, M. S., Zaiser, B. & Körner, S. (2017). From Realism to Representativeness: Changing Ter-
minology to Investigate Effectiveness in Self-Defence. Martial Arts Studies, 4, 70-77.
Wollert, T. N., Driskell, J. E. & Quali, J. (2011). Stress exposure training guidelines: Instructor guide
to reality-based training. Homeland Security. Zugriff unter http://www.virtualtactical-
academy.com/files/stress_exposure_training_manual_9-26B.pdf
Zetaruk, M. N., Violán, M. A., Zurakowski, D. & Micheli, L. J. (2005). Injuries in martial arts: a com-
parison of five styles. British Journal of Sports Medicine, 39(1), 29-33. doi:
10.1136/bjsm.2003.010322