Working PaperPDF Available

Interrater-Reliabilität der Aachener Materialien zur Diagnostik Neurogener Sprechstörungen (AMDNS)

Authors:
Interrater-Reliabilität der Aachener Materialien zur Diagnostik
Neurogener Sprechstörungen (AMDNS)
D. Bülte, R. Schnitker
Schlüsselwörter: AMDNS, Dysarthrie, sprechmotorische Störung, akustische Analyse, Interrater-
Reliabilität, normiertes Testverfahren
Zusammenfassung:
Für die Diagnose und Begutachtung sprechmotorischer Störungsbilder infolge einer neurogenen
Schädigung stand bislang im deutschsprachigen Raum kein objektives und normiertes Testverfahren
zur Verfügung. Akustische Analyseprogramme können eine objektive Diagnostik unterstützen, wurden
bislang jedoch nur in der Forschung eingesetzt. Mit den Aachener Materialien zur Diagnostik
neurogener Sprechstörungen (AMDNS) wurde ein Testinstrumentarium entwickelt, das neben der
auditiven Beurteilung eine objektive und computergestützte akustische Untersuchung
sprechmotorischer Auffälligkeiten ermöglichen soll. Mit Hilfe akustischer Analyseprogramme soll eine
untersucherunabhängige Beurteilung von Abweichungen in den sprechrelevanten Funktionsbereichen
Artikulation, Phonation und Respiration ermöglicht werden. Vorgestellt werden hier die Ergebnisse einer
Studie zur Interrater-Reliabilität einzelner Parameter der AMDNS.
Summary:
Up to now, no objective test procedure was available for the diagnosis and investigation of neurogenic
speech-motor disorders for the German language. Acoustic analysis programs can support an objective
diagnosis, but they were used only for research purposes. With the Aachen materials for diagnostics of
neurogenic speech-disorders (AMDNS) a diagnostic assessment was developed aimed at an objective
and computer-aided acoustic investigation of speech-motor problems in addition to an auditory
evaluation. With the help of acoustic analysis programs impairments of articulation, phonation and
respiration should become rater independent. We introduce the results of our interrater-reliability study
for objectively measurable parameters in the AMDNS.
Einführung
Sprechmotorische Störungen im Sinne einer Dysarthrie oder Sprechapraxie sind eine
häufige Folge verschiedener erworbener neurologischer Erkrankungen. Ihr Einfluss
auf die Lebensqualität, Selbstständigkeit und Arbeitsfähigkeit wird nicht selten
unterschätzt. In Folge dessen werden sprechmotorische Störungen in der Diagnostik
und Therapie sowie in der fachärztlichen Begutachtung oft vernachlässigt. Ein Grund
dafür war bislang auch ein Mangel an standardisierten und objektiven
Diagnostikverfahren für die deutsche Sprache.
Zur genauen diagnostischen Bestimmung und Quantifizierung des Profils einer
sprechmotorischen Störung sind standardisierte Untersuchungsverfahren notwendig.
Eingesetzte Diagnostikverfahren müssen testpsychologische Gütekriterien der
Objektivität und Reliabilität erfüllen. Sie können damit u.a. den Einsatz gezielter und
individuell an das Störungsprofil angepasster Therapie verbessern und erlauben den
Nachweis eines therapeutischen Fortschritts oder einer Progredienz der
Grunderkrankung.
Alle bisher bekannten Testverfahren wie z.B. die Frenchay Dysarthrie-Diagnostik
(Enderby 2004), der Untersuchungsbogen neurologisch bedingter Sprech- und
Stimmstörungen (UNS) (Breitbach-Snowdon 1995), die Bogenhausener
Dysarthrieskalen (BODYS) (Nicola et al. 2004) und das Münchener
Verständlichkeitsprofil (MVP) (Ziegler 1992, 1993) basieren vorwiegend auf einer
auditiv-visuellen (perzeptiven) Beurteilung (Buelte 2008). Sie unterliegen dem
subjektiven Einfluss des Untersuchers und können zu unterschiedlichen
Interpretationen der vorliegenden Symptome und des Therapieverlaufs führen. Eine
Normierung gibt es bisher nur für die Frenchay Dysarthrie-Diagnostik, dies allerdings
nur für die englische Sprache.
Ausgehend von der klassischen Syndromklassifikation nach Darley et al. (1975) und
den Ergebnissen der Mayo-Klinik-Studie (Darley et al. 1975) wurde in der
Dysarthriediagnostik traditionell vorwiegend das Ziel einer glichst eindeutigen
Syndromeinteilung auf der Grundlage auditiver Klassifikationskriterien verfolgt.
Bestimmte auditive Merkmale werden dabei in Bezug zu pathophysiologischen
Bewegungsmustern gesetzt. Bereits 1987 konnten Zyski und Weisiger in einer Studie
zur auditiven Beurteilung von Patienten mit Dysarthrie zeigen, dass nur 15% der
untersuchenden Sprachtherapeuten in der Lage waren, nach auditiver Beurteilung die
syndromspezifische Symptomatik von Patienten zu beschreiben und korrekt
einzuordnen. Dass eine rein perzeptive Beurteilung nicht ausreichend reliabel für die
Klassifikation von Dysarthrien ist, belegt auch eine Studie von Bunton und Kollegen
aus dem Jahre 2007. Ähnliche Ergebnisse stützen die These, dass perzeptive
Beurteilungen unzureichend für die genaue Klassifikation von Dysarthrien sind und
begründen somit die Forderung, diese durch zusätzliche instrumentelle Verfahren zu
ergänzen (Fonville et al. 2008; Van der Graaff et al. 2009).
Akustische Analyseverfahren wurden bislang in der Diagnostik einer
sprechmotorischen Störung nicht routinemäßig eingesetzt. Computergestützte
Signalverarbeitungs- und Analyseprogramme können jedoch helfen, auditiv
wahrgenommene Aspekte des Sprechens zu objektivieren und zu differenzieren.
Zudem ist der Zugang zu solchen Programmen und zu qualitativ hochwertiger
Aufnahmetechnik mittlerweile relativ einfach und kostengünstig realisierbar.
Zahlreiche wissenschaftliche Studien haben sich innerhalb der letzten 20-30 Jahre mit
akustischen Untersuchungen dysarthrischer Symptome beschäftigt. Kent et al.
veröffentlichten bereits 1999 eine Übersichtsarbeit, in der sie verschiedene akustische
Verfahren beschrieben, notwendige Komponenten r die Aufnahme und Analyse in
einem Sprachlabor spezifizierten und unterschiedliche Möglichkeiten der
Untersuchung akustischer Parameter zu Aspekten der Respiration, Phonation und
Artikulation auflisteten. Mittels akustischer Analyseverfahren können Aspekte von
Sprechstörungen dargestellt werden, die auditiv nur schwer oder überhaupt nicht
erkannt werden können (Keller et al. 1991). Diverse Studien untersuchten bestimmte
einzelne Aspekte im Sprachsignal dysarthrischer Sprecher wie Besonderheiten der
Grundfrequenzvariation (Kent et al. 2000), der Voice-onset-Time bei Plosiven
(Ackermann & Hertrich 1997), des Formantabstands zwischen erstem und zweitem
Formanten bei Vokalen (Weismer et al. 1992) oder der Konsonant-Vokal-Struktur in
Silben (Liss et al. 2009). Besonderes Interesse galt zudem der Erforschung von
verschiedenen akustischen Parametern in Zusammenhang mit der Verständlichkeit
(Kent et al. 1989, Weismer et al. 2001, Kim et al. 2011). Die Möglichkeit einzelne
Störungskomponenten durch instrumentelle Messungen zu quantifizieren ist ein
wesentlicher Aspekt bei der Evaluation eines Therapieverlaufs bzw. der Erfassung
eines progredienten Verlaufs (Duffy 1995). Bislang wurden jedoch akustische
Analyseverfahren hauptsächlich in wissenschaftlichen Studien eingesetzt. Aus diesem
Grunde wurde die Forderung nach objektiven Messverfahren auch für die klinische
Routinediagnostik laut. Ziel des Einsatzes von Signalverarbeitungs- und
Analyseprogrammen ist es, quantitative Daten unterschiedlicher physikalischer
Stimmparameter zu erheben und so die Veränderungen der Stimmqualität, der
Stimmbandgrundfrequenz, der Intensität und der Artikulationsrate in der Diagnostik
sprechmotorischer Störungen darzustellen. Sie können perzeptive Methoden nicht
vollständig ersetzen, sind aber ergänzend ein wesentlicher Beitrag zur Optimierung
der Diagnostik.
Methode
Aachener Materialien zur Diagnostik neurogener Sprechstörungen (AMDNS)
Die Aachener Materialien zur Diagnostik neurogener Sprechstörungen (AMDNS)
(Schnitker et al. 2012) integrieren Signalverarbeitungs- und Signalanalyseprogramme
in die klinische Routinediagnostik (Abb.1). Mit den AMDNS möchten wir ein
Diagnostikverfahren vorstellen, dass erstmals im deutschsprachigen Raum den
Ansprüchen einer überwiegend objektiven und normierten Befunderhebung von
neurogen bedingten Sprechstörungen gerecht werden soll.
Abb1: Darstellung der Diadochokinese mit dem Signalanalyseprogramm Praat (Boersma & Weenink
2013):
Nach ausführlicher Anamnese werden die drei Komponenten des Sprechvorgangs
(Phonation, Respiration und Artikulation) systematisch untersucht und ein
differenziertes Leistungsprofil des Patienten erstellt. Neben der Erhebung objektiver
Messdaten werden ergänzend Untersuchungen zur funktionellen Anatomie
durchgeführt, bei denen die Leistungen des Patienten auditiv und visuell anhand einer
4-stufigen Skala bewertet werden. Prosodische Merkmale sowie die auditive
Beurteilung der Sprechstimme und die Bestimmung des Atemtyps werden durch
Zusatzbeobachtungen ermittelt (s. Tab.1).
Komponenten der
Untersuchung
Untertest
Untersuchungsaufbau/-parameter
Funktionelle
Anatomie
In Ruhe
Lippen, Unterkiefer, Zunge ,Velopharynx
In Funktion
Lippen, Unterkiefer, Zunge, Velopharynx,
komplexe Funktionen
Respiration
Spirometrie
FVC, FEV1, FEV1/FVC
Ruheatmung
Atemfrequenz
Atemgeräusche
Atemtyp
Phonhaltedauer
Phonhaltedauer von 3 Frikativen
Phonation
Phonhaltedauer
Phonhaltedauer von 3 Vokalen
Intensitätsumfang (dB)
Leises Sprechen versus lautes Rufen
Singen
Variationskoeffizient der Grundfrequenz (F0) der
Singstimme
Lesen
Variationskoeffizient der Grundfrequenz (F0) der
Sprechstimme beim normalen und schnellen
Lesen
Auditive Beurteilung der Sprechstimme
Artikulation
Diadochokinese
(mono-/polysyllabisch)
Wiederholungsrate (Silben/sec) von je 3 mono-
und polysyllabischen Silben
Lesen
Sprechflüssigkeit Verhältnis Silbenrate/
Artikulationsrate
Zusatzbeobachtungen: Freezing,
Geschwindigkeitsschwankungen etc.
Tab.1: Komponenten der Untersuchungen mit den AMDNS
In den AMDNS werden so akustische, auditive und visuelle Analyseverfahren
vereinigt, um ein möglichst detailliertes Bild des jeweiligen pathophysiologischen
Störungsmusters zu erhalten (s. Tab.2). Durch die akustische Analyse werden dabei
die verschiedenen Komponenten des Sprachschalls präzisiert und objektiviert. Die
Beurteilung des Patienten zielt nicht direkt auf eine Syndromklassifikation, sondern auf
eine differenzierte Analyse einzelner Störungskomponenten der Funktionskreise
Respiration, Phonation und Artikulation und die anschließende Beurteilung der
Leistungen anhand des Vergleichs mit alters- und geschlechtsspezifischen Normdaten
ab. Hierbei werden die Leistungen abschließend mit Störungsgraden zwischen 0-3
bewertet (Störungsgrad: 0 = unauffällig, 1 = leichtgradig betroffen, 2 = mittelgradig
betroffen, 3 = schwergradig betroffen). Diese Vorgehensweise trägt auch der
Erkenntnis Rechnung, dass eine eindeutige Syndromzuordnung häufig gar nicht
möglich ist, da eine Störungsausprägung in prototypischer „reiner“ Form sehr viel
seltener vorliegt als ein gemischter Symptomkomplex. Teilweise werden
störungsspezifische Muster zudem durch Kompensationsmechanismen überlagert
oder kommen erst ab einem bestimmten Störungsgrad zum Vorschein (Ziegler & Vogel
2010, S.64). In den AMDNS wurde daher der Schwerpunkt auf eine Untersuchung
einzelner Aspekte als Teil der Gesamtsprechfunktion (Ballard et al. 2003) gelegt, im
Gegensatz zum alternativen, aufgabenabhängigen Modell der Diagnostik (Ziegler
2003).
Auswertungsmethoden
Untersuchungskomponente
Computergestützt
(sprachlich und nicht-
sprachlich)
- Phonhaltedauer (/a/,/i/,/u/,/∫/,/s/,/f/)
- Diadochokinese (pa, ta, ka, pataka, lalilu, mimamu)
- Grundfrequenzvariation (Singen „Fuchs, du hast die Gans
gestohlen“, Lesen „Der Nordwind und die Sonne“)
- Intensität
- Sprechgeschwindigkeit/Sprechflüssigkeit (Lesen „Der Nordwind
und die Sonne“)
Auditiv-visuell
- Anatomie in Ruhe und Funktion
- Stimmqualität
- Atmung
Technische Messung
- Spirometrie
Tab. 2: Datenerhebung mittels AMDNS
Zur Bewertung und Einordnung der mit Hilfe von computergestützten
Analyseprogrammen ermittelten Messdaten eines Patienten wurden die AMDNS
anhand 180 gesunder Normalsprecher im Alter von 20 bis 79 Jahren normiert
(Schnitker et al. 2012). Zudem wurden die AMDNS anhand von sprechmotorisch
auffälligen Patienten vorwiegend nach einem Schlaganfall (akut, postakut), mit
Muskelerkrankungen und mit der Diagnose M. Parkinson erprobt.
Aber können die AMDNS den Anspruch einer objektiven und damit
untersucherunabhängigen Diagnostik erfüllen? Wir untersuchten zur Klärung dieser
Frage die Interrater-Reliabilität für die in den AMDNS mittels akustischer
Analyseverfahren erhobenen Parameter Phonhaltedauer Diadochokinese,
Gundfrequenzvariation (Variationskoefizient (VK)) beim normalen und maximal
schnellen Lesen und beim Singen sowie der Sprechgeschwindigkeit und
Sprechflüssigkeit (Silbenrate (SR) und Artikulationsrate (AR)). Zudem wurde der
Intensitätsumfang anhand einer Testung von maximal leisem Sprechen des Wortes
„Hallo“ im Vergleich zu maximal lautem Rufen des Wortes „Hallo“ untersucht.
Probandenauswahl
Alle Probanden wurden mit Hilfe der AMDNS in einem ruhigen Raum untersucht. Die
Untersuchung dauerte zwischen 25 und 45 Minuten. Zur akustischen Analyse wurde
die Untersuchung über ein USB-Mikrophon (AKG Perception 120 USB) mittels des in
die Softwareversion der AMDNS integrierten Audiobearbeitungsprogramm „Audacity“
(http://audacity.sourceforge.net/) direkt auf dem Computer aufgezeichnet. Die
Aufnahme wurde vor Beginn der Untersuchung probandenspezifisch ausgesteuert und
während der Untersuchung nicht mehr verändert. Der Abstand des Probanden zum
Mikrophon wurde während der Untersuchung konstant bei ca. 30-50cm gehalten. Zur
Analyse der Sprechproben wurden die notwendigen Analysealgorithmen des
Signalverarbeitungsprogramms Praat (Boersma & Weenink 2013) eingesetzt, welches
ebenfalls in die Softwareversion der AMDNS integriert ist.
Zur Evaluation der Interrater-Reliabilität wurde eine Stichprobe von 20 zufällig
ausgewählten Patientenaufnahmen einer Untersuchung mit den AMDNS von neun
Ratern ausgewertet. Dabei hatten 11 Patienten der Stichprobe sprechmotorische
Auffälligkeiten infolge eines M. Parkinson und neun Patienten erlitten eine Dysarthrie
und/oder Sprechapraxie als Folge einer zerebralen Ischämie. Die ausgewählten
Patienten zeigten unterschiedliche Schweregrade der sprechmotorischen Störung. Die
Gruppe der Untersucher/Rater bestand aus Volontären mit unterschiedlicher
klinischer/praktischer Erfahrung sowie unterschiedlichem Vertrautheitsgrad mit dem
Untersuchungsverfahren. Es wurden fünf Studierende des Studiengangs Lehr- und
Forschungslogopädie unterschiedlicher Jahrgangsstufen, eine Medizinstudentin,
sowie drei Logopäden mit einer Berufserfahrung von ein bis fünf Jahren als Rater
ausgewählt. Alle Rater erhielten anonymisiert und randomisiert die gleichen
Aufnahmen der Untersuchungen. Alle Rater waren bezüglich störungsspezifischer
Patientenmerkmale der Stichprobe verblindet. Des Weiteren erhielten die Untersucher
die gleiche Einführung in das Auswertungsprocedere und hatten insgesamt zwei
Monate Zeit für die Analyse der Sprecherproben.
Interrater-Reliabilität
Die Auswertungsobjektivität des Verfahrens wurde anhand der Interrater-Reliabilität
überprüft (Lienert 1989, 2001). Die Übereinstimmung der Ergebnisse der
computergestützten Analyse durch die Beurteiler wurde für die Bereiche Phonation,
Artikulation und Respiration gemessen. Diese wurden anhand der Variablen
Phonhaltedauer, Wiederholungsrate bei der Diadochokinese, Intensitätsumfang beim
lauten Rufen und leisen Sprechen, Variationskoeffizienten beim Singen sowie
Variationskoeffizient, Artikulationsrate und Pausenanalyse beim normalen und
schnellen Lesen bestimmt. Die statistische Analyse erfolgte mit dem Statstikprogramm
SPSS (Version 17).
Als Maß der Beurteilerübereinstimmung wurde die Intraklassenkorrelation (ICC)
verwendet. Für eine möglichst strenge Prüfung der Auswertungsobjektivität wurde das
statistische Modell mit zufällig ausgewählten Beurteilern und Beurteilungsobjekten für
die absolute Übereinstimmung in den per Computer ermittelten Werten gewählt (Wirtz
& Caspar 2002). Zur Beurteilung der erhobenen Werte wurde bei einem ICC von >0,7
eine gute Auswertungsobjektivität und bei einem ICC von >0,9 eine sehr gute
Auswertungsobjektivität angenommen.
Ergebnisse:
Fast alle untersuchten Items der AMDNS zeichneten sich durch einen sehr hohen
Reliabilitätskoeffizienten mit ICC 0,955 aus. Eine Ausnahme bilden die Ergebnisse
der Messung des Intensitätsumfangs, die jedoch mit einem ICC von 0,866 immer
noch im hohen Reliabilitätsbereich liegen. Betrachtet man die Reliabilitätsschätzung
für den einzelnen Messwert einer Person, ergab sich eine durchweg gute
Beurteilerübereinstimmung (vgl. Tabelle 3).
Item
ICC
/a/
0,997
/i/
0,998
/u/
1,000
/sch/
0,987
/s/
0,978
/f/
0,998
/pa/
0,966
/ta/
0,979
/ka/
0,924
/pataka/
0,934
/mimamu/
0,905
/lalilu/
0,965
Lautstärkeumfang
0,866
VK
0,960
VK
0,946
SR
0,985
AR
0,975
VK
0,915
SR
0,989
AR
0,947
SR/AR
0,904
Pausen-Dauer
0,903
Pausen-Anzahl
0,934
Tab.3: Interrater-Reliabilität der untersuchten Parameter für 9 Rater und 20 randomisiert untersuchte
Patienten (VK=Variationskoeffizient, SR=Silbenrate, AR=Artikulationsrate)
Diskussion:
Ziel der Untersuchung war die Evaluation der Untersucherübereinstimmung für
Parameter, die in den AMDNS mittels computergestützter akustischer Analyse
beurteilt werden. Akustische Analyseverfahren wurden bislang nicht routinemäßig im
klinischen Alltag eingesetzt. Sie werden erstmalig mit den AMDNS in ein
deutschsprachiges, klinisches Testverfahren integriert. Neu an dem eingesetzten
Untersuchungsverfahren ist zudem der Einsatz normierter sowie alters- und
geschlechtsgebundener Referenzwerte der einzelnen untersuchten Parameter.
Die vorgestellten Ergebnisse mit insgesamt guter bis sehr guter Interrater-Reliabilität
für alle untersuchten Parameter können eine weitgehend untersucherunabhängige
Befunderhebung belegen. Die Studie unterstreicht damit die Verlässlichkeit der
Messergebnisse der akustischen Analyse, die mit den AMDNS erhoben werden
können. Dies gilt für die untersuchten Bereiche Phonhaltedauer, Diadochokinese
(Wiederholungsrate) und die Grundfrequenzvariation beim Lesen und Singen sowie
die Artikulationsrate, die Silbenrate und die Pausenanalyse beim Lesen mit sehr guter
Reliabilitätsschätzung (ICC >0,9). Auch die Intensitätsanalyse anhand einer
Differenzbestimmung ergab immerhin noch eine gute Interraterübereinstimmung (ICC
= 0,866).
Differenzen der Untersuchungsergebnisse einzelner Interrater könnten v.a. durch die
Auswahl der analysierten Abschnitte verursacht werden. Um eine standardisierte
Analyse zu ermöglichen, wurden alle Rater in gleicher Weise in das Analyseverfahren
eingeführt. Im Handbuch zu den AMDNS, in dem alle Untersuchungs- und
Auswertungsschritte genau beschrieben sind, werden zudem die Regeln und Kriterien
für die Auswahl der Analysebereiche vorgegeben. Damit wurde u.a. möglichst genau
definiert, an welcher Stelle z.B. ein Marker für die Analyse am PC zu setzen ist. Trotz
der hohen Streuung der logopädischen Erfahrung der Rater wie auch der Erfahrung
im Umgang mit akustischen Analyseverfahren ist die Interrater-Reliabilität insgesamt
sehr gut. Die vorliegende Reliabilitätsstudie konnte zeigen, dass das Ergebnis der
Analyse weitgehend unabhängig von der jeweiligen Erfahrung des Raters ist.
Wichtig für eine möglichst hohe Übereinstimmung der Untersuchungsergebnisse
mittels der AMDNS bleibt für die analysierten Maximalleistungstests wie
Diadochokinese, Phonhaltedauer und Intensitätsanalyse eine möglichst gute
Motivation des Patienten durch den Untersucher, um eine maximale Leistung für die
weitere Analyse zu erreichen. Es ist bekannt, dass Maximalleistungstests erhebliche
Abweichungen der Maximalleistung bei unterschiedlichen Untersuchern wegen
unzureichender Motivation des Probanden zeigen können (Tietze et al. 1995) und sie
werden deshalb gelegentlich kritisch gesehen. Trotz der bekannten
Motivationsproblematik sind Maximalleistungstests jedoch nach unserer Auffassung in
der Lage, Defizite grundlegender Sprechfunktionen widerzuspiegeln und damit
wertvolle Schlüsse für die Diagnostik und Therapieplanung zu liefern.
In wieweit die Durchführung nichtsprachlicher Tests, die neben sprachlichen Aufgaben
ein wesentlicher Bestandteil der AMDNS sind, das sprechmotorische Störungsbild und
ihre Beeinflussung der alltagsrelevanten Spontansprache abbilden können, ist in der
Vergangenheit viel diskutiert worden. Schon seit vielen Jahren ist die Erforschung der
Leistungsprofile sprechmotorischer Leistungen verschiedener gängiger Tests Inhalt
von Studien u.a. mit dem Ziel der Erfassung krankheitsbedingter Auffälligkeiten (Kent
et al. 2000, 1997, 2000). Es wird letztlich häufig postuliert, dass eine
Dysarthriediagnostik ohne die Ergänzung nichtsprachlicher Aufgaben keine
vollständige Information über das Störungsbild einer Dysarthrie liefern kann (Folkins
et al. 1995, Enderby 2004) und diese Tests einzelne Aspekte des gestörten Sprechens
als Teil der Gesamtsprechfunktion abbilden können (Ballard et al. 2003). Dieser häufig
in der logopädischen Praxis gängigen und bewährten Theorie folgend, kann die
getrennte Untersuchung einzelner Sprechkomponenten viele Störungskomponenten
entlarven, die bei der Analyse des Sprechens alleine nicht identifiziert werden können
und für eine Therapieplanung grundlegend und unerlässlich sind. Letztlich fehlten
jedoch bislang umfänglich normierte Referenzwerte (Kent 1997). Ziegler (2003)
dagegen geht davon aus, dass motorische Störungen grundsätzlich getrennt
voneinander in einer sprechmotorischen Störung und einer Störung der
nichtsprachlichen motorischen Leistung der am Sprechen beteiligten Organe auftreten
können. Auf dieser Grundlage verwenden die Bogenhausener Dysarthrieskalen
(Nicola et al. 2004) konsequent rein sprachliche Äußerungen und blenden die
nichtsprachlichen Störungskomponenten bei der rein ohrenphonetischen Beurteilung
aus.
Optional enthalten die AMDNS die Möglichkeit, spontansprachliche Äußerungen
aufzunehmen, um weitere Zusatzinformationen zum Patienten (z.B. zur
Selbsteinschätzung, zum Erkrankungsverlauf oder zum sozialem Umfeld) zu erhalten.
Leider ist eine Normierung von spontansprachlichen Äußerungen selbst bei
pseudostandardisierten Interviews nicht ohne Weiteres möglich, so dass hier keine
Normwerte und Störungsgrade vorliegen.
Wie die dargestellte Studie belegen konnte, kann die Integration akustischer
Analyseverfahren in Verbindung mit einem normierten Testverfahren einen wichtigen
Beitrag für die Qualitätssicherung und Objektivität der Diagnostik sprechmotorischer
Störungen sein.
Literatur:
Ackermann, H. & Hertrich, I. (1997). Voice onset time in ataxic dysarthria. Brain Lang 56, 321-333.
Ballard, K.J., Robin, D.A. & Folkins, J.W. (2003). An integrative model of speech motor control: A
response to Ziegler. Aphasiology 17:1, 37-48
Boersma, P., Weenink, D. (2013): Praat: doing phonetics by computer [Computer program]. Version
5.3.51, retrieved 2 June 2013 from http://www.praat.org/
Breitbach-Snowdon, H. (1995). Untersuchungsbogen neurologisch bedingter Sprech- und
Stimmstörungen. Logo-Verlag für Therapie und Rehabilitation, Düsseldorf.
Buelte, D.(2008). Diagnostik und Evaluation sprechmotorischer Störungen bei M. Parkinson. Hrsg.: C.
Nebel, G. Deuschl. In: Dysarthrie bei M. Parkinson. Stuttgart Thieme, S. 74-84.
Bunton, K., Kent, R.D., Duffy, J.R., Rosenbeck, J.C. & Kent, J.F. (2007). Listener agreement for
auditory-perceptual ratings of dysarthria. Journal of Speech, Language and Hearing Research 50,
1481-1495.
Darley, F.L., Aronson, J.R. & Brown, J.R. (1975). Motor Speech Dysorders. Philadelphia: W.B.
Saunders.
Duffy, J.R. (1995). Motor Speech Disorders. Substrates, Differential Diagnosis and Management.
Mosby, St. Louis, Philadelphia, London, Sydney, Toronto.
Enderby, P.M. (2004). Frenchay Dysarthrie-Untersuchung. Deutsche Übersetzung von Großstück K,
Grün HD, Johann B et al. Gustav Fischer Verlag Stuttgart, Jena, New York.
Folkins, J.W., Moon, J.B., Luschei, E.S., Robin, D.A., Tye-Murray, N. & Moll KL (1995). What can
nonspeech tasks tell us about speech motor disabilities? Journal of Phonetics 23, 139-147.
Fonville, S., van der Worp, H. B., Maat, P., Aldenhoven, M., Algra, A., & van Gijn, J. (2008). Accuracy
and inter- observer variation in the classification of dysarthria from speech recordings. Journal of
Neurology 255, 1545 1548.
Keller, E., Vigneux, P. & Lamframboise, M. (1991). Acoustic analysis of neurologically impaired speech.
Br JDisordComm 26, 75-94.
Kent, R. D., Weismer, G., Kent, J. F., &Rosenbek, J. C. (1989). Toward phonetic intelligibility testing in
dysarthria. Journal of Speech and Hearing Disorders 54, 482-499.
Kent, R.D. (1997). The perceptual sensimotor examination of motor speech disorders. In: Mc Neil MR
(Ed). Clinical management of sensorymotor speech disorders. New York, Stuttgart:Thieme. S.27-
47.
Kent, R.D., Weismer, G. Kent, J.F.,Vorperian, H.K.& Duffy, J.R. (1999). Acoustic studies of dysarthric
speech: Methods, progress and potential.Journal of Communication Disorders 32, 141186.
Kent, R.F., Kent, J.F. (2000). Task-based profiles of the dysarthrias. Folia PhoniatrLogop 52, 48-53.
Kim, Y., Kent, R.D. & Weismer, G. (2011).An acoustic study of relationships among neurologic disease,
dysarthria type and severity of dysarthria. Journal of Speech, Language and Hearing Research 54,
417-429.
Lienert, G. & Raatz, A. (2001). Testanalyse und Testkonstruktion. Weinheim Beltz.
Lienert GA (1989). Testaufbau und Testanalyse. Psychologie Verlagsunion.
Liss, J. M., White, L., Mattys, S. L., Lansford, K., Lotto, A. J., Spitzer, S. M., & Caviness, J. N. (2009).
Quantifying speech rhythm abnormalities in the dysarthrias. Journal of Speech, Language, and
Hearing Research 52, 1334135. München.
Nicola, F., Ziegler W. & Vogel M. (2004). Die Bogenhausener Dysarthrieskalen (BODYS): Ein Instrument
für die klinische Dysarthriediagnostik. Forum Logopädie 2 (18), 14-22.
Schnitker, R., Huber, W., Pustelniak, M., Weyer, D., Willmes, K. & Buelte,
D.(2012).www.sprechmotorik.de.
Tietze, I.R., Wong, D., Milder, M.A. et al.(1995).Comparison between clinician assisted and fully
automated procedures for obtaining a voice rang profile.J Speech Hear Res 38, 526-535.
Van der Graaff, M., Kuiper, T., Zwinderman, A., Van de Warrenburg, B., Poels, P., Offeringa, A., Van
der Kooi, A., Speelman, H. & De Visser, M. (2009). Clinical identification of dysarthria types among
neurologists, residents in neurology and speech therapists.EurNeurology 61 (5), 295-300.
Weismer, G., Jeng, J. Y., Laures, J. S., Kent, R. D., & Kent, J. F. (2001). Acoustic and intelligibility
characteristics of sentence production in neurogenic speech disorders.Folia Phoniatrica et
Logopaedica 53, 1-18.
Weismer, G., Martin, R., Kent, R. D., & Kent, J. F. (1992).Formant trajectory characteristics of males
with amyotrophic lateral sclerosis. The Journal of the Acoustical Society of America 91, 10851098.
Wirtz M& Caspar F (2002).Beurteilerübereinstimmung und Beurteilerreliabilität. Hogrefe Göttingen.
Ziegler, W. & Hartmann E (1993).Das Münchener Verständlichkeitsprofil (MVP), Untersuchungen zur
Reliabilität und Validität. Nervenarzt 64, 653-658.
Ziegler, W., Hartmann, E. & Wiesner, I. (1992).Diagnostik mit dem „Münchener Verständlichkeitsprofil“
(MVP) Konstruktion des Verfahrens und Anwendung. Nervenarzt 63: 602-608.
Ziegler, W. & Vogel, M. (2010). Dysarthrie: Verstehen-untersuchen-behandeln. In: Springer, L. &
Schrey-Dern, D. (Hrsg.) Forum Logopädie. Stuttgart/ New York Thieme, S.64.
Ziegler, W. (2003).Speech motor control is task-specific. Evidence from dysarthria and apraxia of
speech. Aphasiology, 17, 3-36.
Zyski, B.J., Weisiger, B.E. (1987) Identification of dysarthria types based on perceptual analysis. Journal
of Communication Disorders, 20, 367-378.
... Patients of the Aachen aphasia ward (see Huber et al., 1993) were consecutively chosen for a naming pre-test (T1) if they met the following inclusion criteria: presence of post-acute or chronic aphasia (> 5 months post-onset) and poor performance in the subtest Confrontation Naming (percentile rank , 60) of the Aachen Aphasia Test (AAT; Huber et al., 1983). Patients were excluded if they showed concomitant severe forms of dysarthria (as obtained from profile characteristics of the AAT) or severe forms of speech apraxia (assessed in an articulatory diadochokinesis test, see Schnitker, Hü tter, Terhorst, Dressel, & Huber, 2007). Patients with mild or moderate motor speech impairments were included, but their articulation-related errors were excluded from the error analysis (see below). ...
Article
Background: The two versions of the connectionist model of Dell and colleagues offer alternative explanations of aphasic naming disorders (Dell, Schwartz, Martin, Saffran, & Gagnon, 1997 Dell, G. S., Schwartz, M. F., Martin, N., Saffran, E. M. and Gagnon, D. A. 1997. Lexical access in aphasic and nonaphasic speakers.. Psychological Review, 104: 801–838. [CrossRef], [PubMed], [Web of Science ®] [Google Scholar]; Foygel & Dell, 2000 Foygel, D. and Dell, G. S. 2000. Models of impaired lexical access in speech production.. Journal of Memory and Language, 43: 182–216. [CrossRef], [Web of Science ®], [CSA] [Google Scholar]). The semantic‐phonological (SP) model hypothesises impairments in lexical‐semantic or lexical‐phonological connections, and the weight‐decay (WD) model assumes global impairments in either connection weights or activation decay. In each version, a patient's error pattern in picture naming is simulated to assess the underlying disorder (connectionist “diagnosis”). A systematic comparison of both model versions in model‐oriented naming therapy has not yet been performed. Moreover, if the normalisation of the error pattern during recovery is lesion‐specific, as suggested in the SP model (Schwartz, Dell, Martin, Gahl, & Sobel, 2006 Schwartz, M. F., Dell, G. S., Martin, N., Gahl, S. and Sobel, P. 2006. A case‐series test of the interactive two‐step model of lexical access: Evidence from picture naming.. Journal of Memory and Language, 54: 223–264. [Google Scholar]), this should be observable in the patient data. Aims: Predictions were made and tested regarding the relation between (1) connectionist diagnosis and therapy outcome, and (2) connectionist diagnosis and error pattern development. For example, patients with phonological disorders in the SP model should (1) benefit more from phonological as compared to semantic therapy, and (2) present a decrease of nonwords in their naming responses. Methods & Procedures: The connectionist diagnosis and a 4‐week therapy with cueing hierarchies (Howard, 2000 Howard, D. 2000. “Cognitive neuropsychology and aphasia therapy: The case of word retrieval.”. In Acquired neurogenic communication disorders: A clinical perspective, Edited by: Papathanasiou, I. London: Whurr. [Google Scholar]; Wambaugh et al., 2001 Wambaugh, J. L., Linebaugh, C. W., Doyle, P. J., Martinez, A. L., Kalinyak‐Fliszar, M. and Spencer, K. A. 2001. Effects of two cueing treatments on lexical retrieval in aphasic speakers with different levels of deficit.. Aphasiology, 15: 933–950. [Taylor & Francis Online], [Web of Science ®], [CSA] [Google Scholar]) were administered to 10 German‐speaking aphasic patients with naming disorders. Six patients, who had been diagnosed by the SP model, received semantic and phonological therapy. The other four patients, diagnosed by the WD model, received increasing and vanishing therapy (Abel, Schultz, Radermacher, Willmes, & Huber, 2005 Abel, S., Schultz, A., Radermacher, I., Willmes, K. and Huber, W. 2005. Decreasing and increasing cues in naming therapy.. Aphasiology, 19: 831–848. [Taylor & Francis Online], [Web of Science ®] [Google Scholar]). Outcomes & Results: Cueing therapy was generally effective for 9 of 10 patients. The trend of improvement was always found in the direction predicted by the connectionist diagnosis, except for two patients diagnosed by the SP model who presented a numerical trend in the opposite direction. Nevertheless, the SP model offered a more plausible explanation of lesion‐specific therapy outcomes, and it properly predicted the error pattern development. Moreover, the errorless learning procedure applied in vanishing therapy was favourable for patients with phonological (SP model) or weight (WD model) lesions, and this may be attributed to their characteristic error types and an impairment of editorial processes. Conclusions: Models can be informative about the effectiveness of potential therapies and error pattern developments. Data from therapy studies can test competing models.
Book
Praxiswissen Logopädie Das erfolgreiche Lehrbuch in der 7. Auflage vermittelt Lernenden und Lehrenden in der Logopädie Grundlagen und evidenzbasiertes Wissen für eine Therapie von Aphasie nach ICF. Die detaillierte Beschreibung spezifischer Beeinträchtigungen, z.B. von Alexien, Agraphien und Akalkulien, ermöglicht eine umfassende Diagnostik und Therapie kommunikativer Störungen nach Schlaganfall. Hinweise zur Phase der Rehabilitation und zu Erholungsprozessen des Gehirns helfen gezielt bei der Planung und Durchführung der Aphasietherapie. Zu den einzelnen Störungsbereichen wie beim Sprachverständnis, Wortfindung oder Wortabruf oder der Satzbildung finden Therapeuten bewährte Übungen, Hilfen und ausgewähltes Übungsmaterial. Auch auf Krankheitsbewältigung, soziale Integration und berufliche Reintegration wird eingegangen. Damit können Sie ein störungsspezifisches und individuell angepasstes Vorgehen für Ihre Patienten entwickeln. Der Inhalt • Grundlagen der Aphasiologie • Sprachverarbeitungsmodelle und ihre Anwendung in der Diagnostik und Therapie • Anamnese, Diagnostik, Planung und Durchführung der Behandlung • Beratung von Patienten und Angehörigen • Qualitätssicherung und evidenzbasierte Praxis Die 7. Auflage wurde umfassend überarbeitet und um zahlreiche Themen ergänzt, w.z.B. Bildgebung und Neuromodulation, partizipationsorientierte Diagnostik, Methoden der Unterstützten Kommunikation und technologiegestützten Aphasietherapie. Plus: Exkurse ermöglichen gezielt eine thematische Vertiefung. Ein Standard für die Behandlung von Patienten mit Aphasie für Auszubildende und Studierende der Logopädie sowie bereits erfahrene Sprachtherapeutinnen und Sprachtherapeuten zum Nachschlagen und Vertiefen.
Chapter
In diesem Kapitel wird gezeigt, wie Aphasien zu anderen kommunikativen Beeinträchtigungen wie Dysarthrophonien, Sprechapraxien, Kognitiven Kommunikationsstörungen und Kommunikationsstörungen bei Demenz abgegrenzt werden können. Differenzierende Symptome, die Lokalisation der entsprechenden Störung und Hinweise zur Differenzialdiagnose werden erläutert. Es werden relevante Demenzformen vorgestellt sowie Möglichkeiten der Diagnostik und Therapie bei demenziell bedingten kommunikativen Beeinträchtigungen aufgeführt.
Article
Full-text available
Background : Ziegler (2003) reviews neural and behavioural evidence to support a task-dependent model of motor control, whereby motor speech disorders represent impairment of a sensory-minor system specialised for speech. Based on this approach, Ziegler argues against the examination of volitional or novel nonspeech motor activities to gain insight into motor control for speech. Aims : The primary objective of this paper is to discuss Ziegler's (2003) conceptualisation of the task-dependent model and present an alternative integrative model. In the latter, speech and volitional nonspeech motor control are integrated into the functioning of a more general motor system where neural and behavioural systems demonstrate areas of overlap. Studies of the nervous system, the evolutionary foundations of speech in great apes, behaviour, and motor learning are presented to support an integrative model of motor control. Main Contribution : Neurological and evolutionary evidence strongly suggest that neural networks are flexible, multifaceted, multifunctional and overlapping in function. It is highly likely that a higher-level behaviour like speech involves networks that are similarly multifunctional and overlapping with other motor functions. Ziegler's concept of task-dependent motor control may relate as much to parameters such as complexity, familiarity, and automaticity of task performance as to the nonpeech-speech distinction. Studies are reviewed that support the inclusion of nonspeech motor tasks in assessment of the disordered speech motor control system. Specific nonspeech tasks clearly facilitate differential diagnosis and provide insight into the functioning breakdown of the motor system for related but more complex speech behaviours. Finally, motor learing studies are discussed with particular reference to how these might inform models of motor control. Conclusions : This response cautions against the seemingly premature acceptance of a model assuming separate sensory motor systems for volitional nonspeech motor activities and speech. Continued research, without the limitations imposed by such an assumption, is required to enhance understanding of component parts of complex behaviours and how those components interact in normal and damaged systems at different levels of a performance. These data have the potential to form the basis for new, more effective approaches to treatment of motor speech disorders.
Article
Full-text available
Background: This work was motivated by recent attempts at explaining apraxia of speech as a general motor disorder which involves both speech and nonspeech movements (Ballard, Granier, & Robin, 2000). It also relates to some more recent theoretical accounts of the diagnostic value of nonspeech tasks, which postulate that suck tasks may help to isolate single motor components and examine their individual contributions to a complex motor speech impairment (e.g., Folkins et al., 1995; Robin, Solomon, Moon, & Folkins, 1997). These approaches are implicitly based on a model which assumes that motor control of the organs implicated in speaking is independent of the particular motor task that is imposed on them. Aims: Two alternative models are discussed: a task-independent model of motor control, which postulates a universal sensory-motor system controlling all motor functions of the speech apparatus, irrespective of their purpose, and a task-dependent model, which postulates different sensory-motor control systems for vegetative functions, emotional expression, and speech. The motor subsystems distinguished in the task-dependent model are considered separate in the sense that (1) they involve distinct sensory-motor patterns, (2) they are based on distinct and specialised neural circuitries, and (3) their impairments through brain lesions are dissociated from each other and from impairments of the nonspeech voluntary motor functions of the same musculature. Main contribution: Evidence for the task-dependent model is provided in three major sections: a section on vegetative motor functions, a section on emotional expressive motor functions, and a section on voluntary nonspeech motor activities. In each section, clinical and experimental dissociations between speech and nonspeech tasks are reviewed and the physiological and neuro-anatomical underpinnings of these observations are discussed. In a general discussion, the nature of speech as a learned motor skill and the relation of speech motor control to an auditory reference frame are highlighted. Conclusions: It is claimed that both the dysarthrias and apraxia of speech should be considered disorders of a sensory-motor system specialised for speaking. Impairments of speech and nonspeech movements should be kept separate.
Article
Full-text available
This study examined acoustic predictors of speech intelligibility in speakers with several types of dysarthria secondary to different diseases and conducted classification analysis solely by acoustic measures according to 3 variables (disease, speech severity, and dysarthria type). Speech recordings from 107 speakers with dysarthria due to Parkinson's disease, stroke, traumatic brain injury, and multiple system atrophy were used for acoustic analysis and for perceptual judgment of speech intelligibility. Acoustic analysis included 8 segmental/suprasegmental features: 2nd formant frequency slope, articulation rate, voiceless interval duration, 1st moment analysis for fricatives, vowel space, F0, intensity range, and Pairwise Variability Index. The results showed that (a) acoustic predictors of speech intelligibility differed slightly across diseases and (b) classification accuracy by dysarthria type was typically worse than by disease type or severity. These findings were discussed with respect to (a) the relationship between acoustic characteristics and speech intelligibility and (b) dysarthria classification.
Article
This paper considers the possible role of nonspeech tasks in theassessment of individuals with motor speech disorders. The difficulties in the definition and isolation of both speech and nonspeech tasks are discussed. A primary point is that an inability to control the movements of the speech structures may be separate from an inability or ability to use the processes that code meaning in the construction of linguistic messages. It may be possible to design nonspeech tasks that provide insight into an individual's ability or inability to control speech movements, but are separate from his or her ability to use language.