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Rassismusanalyse in der Entwicklungsforschung am Beispiel deutscher reproduktiver Gesundheitspolitik in Tansania

Authors:
PERIPHERIE Nr. 146/147, 37. Jg. 2017, https://doi.org/10.3224/peripherie.v37i2.04, S. 206-231
Daniel Bendix & Aram Ziai
Rassismusanalyse in der Entwicklungsforschung
am Beispiel deutscher reproduktiver
Gesundheitspolitik in Tansania
Keywords: racism, Development Studies, global inequality, reproductive
health, population policy, Germany
Schlagwörter: Rassismus, Entwicklungsforschung, globale Ungleichheit,
reproduktive Gesundheit, Bevölkerungspolitik, Deutschland
Unser Interesse in diesem Artikel gilt dem Potenzial bzw. den Fallstricken
politikwissenschaftlicher Analysen von Rassismus in der Entwicklungspoli-
tik. Ausgehend von einer Betrachtung der Disziplin der Politikwissenschaft
im deutschsprachigen Raum, der wir uns zugehörig fühlen, und deren Ausein-
andersetzung mit Rassismus, erörtern wir, wie eine Analyse von Rassismus
unter Berücksichtigung von dessen diskursiven und materiellen Dimensionen
aussehen könnte. Dies erfolgt unter Rückgriff auf die Beschäftigung mit
Rassismus in der anglo-amerikanischen Entwicklungsforschung und durch
die Untersuchung eines konkreten entwicklungspolitischen Fallbeispiels.
Wir betrachten zunächst (1) politikwissenschaftliche Arbeiten zu Ras-
sismus im deutschsprachigen Raum. Während einzelne Bereiche der Poli-
tikwissenschaft wie die Integrations- und Migrationsforschung wichtige
Beiträge geliefert haben, spiegelt sich dies in Einführungswerken kaum
wider und insgesamt ndet das Thema wenig Beachtung. In diesen Werken
erscheint Rassismus zudem nicht als für globale Beziehungen relevant. Eine
Betrachtung der unterschiedlichen Analyseversuche und Verständnisse von
Rassismus in der deutschsprachigen Politikwissenschaft legen neben der
Marginalisierung des Themas offen, dass Rassismus vor allem als innerhalb
von Nationalstaaten wirksame Ideologie1 verstanden wird, deren Zweck es
ist, Ungleichheit zu legitimieren.
Die Entwicklungsforschung mit ihrem Interesse an globaler sozioöko-
nomischer Ungleichheit scheint besonders geeignet zu sein, Rassismus als
1 Der Einfachheit halber verstehen wir Ideologie in diesem Artikel als eine politische Welt-
anschauung. Für eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit dem Begriff s. Hauck 1992.
Rassismusanalyse in der Entwicklungsforschung … 207
umfassenden globalen Komplex zu verstehen, dessen diskursive Dimensio-
nen nicht ohne den Kontext materieller Verhältnisse wirken. Ungleichheit
wird hierbei oft mit rassistischen Modellen erklärt bzw. legitimiert. Hier
scheint uns (2) die verstärkte Beschäftigung mit dem Zusammenhang
von Rassismus, Kolonialismus und „Entwicklung“ bzw. „Entwicklungs-
zusammenarbeit“ in der vor allem anglo-amerikanischen, interdisziplinär
ausgerichteten postkolonialen Entwicklungsforschung besonders fruchtbar.
Entwicklungsforschung grenzen wir hier auf die Untersuchung von Entwick-
lungspolitik ein, welche wir in Anlehnung an Michael Cowen und Robert
Shenton (1995) als intentionale Interventionen externer Akteur_innen (meist,
aber nicht nur, aus dem globalen Norden) im globalen Süden2 verstehen,
die unter der Vorgabe unternommen werden, die Lebensbedingungen der
Gesellschaften, in die interveniert wird, zu verbessern.
Die in der anglo-amerikanischen Entwicklungsforschung ersichtlichen
Forschungsperspektiven, die für ein materielle Dimensionen berücksich-
tigendes Verständnis von Rassismus einstehen, wenden wir (3) empirisch
auf den Fall der internationalen reproduktiven Gesundheits- und Bevölke-
rungspolitik durch die Entwicklungspolitik der BRD in Bezug auf Tansania
an.3 Davon ausgehend schlussfolgern wir, dass der Fokus auf Rassismus in
der deutschsprachigen Politikwissenschaft als diskursives, Ungleichheit
legitimierendes Phänomen aufgrund seiner fortdauernden Marginalität zwar
notwendig ist. Er greift aber zu kurz, um Wirkmächtigkeit und Ausmaß des
Rassismus zu erfassen. Vielmehr sollte die politikwissenschaftliche Untersu-
chung von Rassismus dessen materielle Aspekte und die Interaktion zwischen
Repräsentation und politischer Ökonomie stärker in den Fokus nehmen.
Rassismusanalyse in der Politikwissenschaft
Bei den Publikationen, die wir im Folgenden betrachten, handelt es sich zwar
nicht um eine umfassende, repräsentative Auswahl, aber gerade bei den Ein-
führungswerken um solche, die in der universitären Lehre unserer Erfahrung
2 Mit dem Begriff globaler Süden wird eine im globalen System benachteiligte gesellschaft-
liche, politische und ökonomische Position beschrieben (Levander & Mignolo 2011).
Globaler Norden hingegen bestimmt eine mit Vorteilen bedachte, privilegierte Position. Die
Einteilung verweist auf die unterschiedliche Erfahrung mit Kolonialismus und Ausbeutung,
einmal als Pro tierende und einmal als Ausgebeutete. Mit dem Begriffspaar wird versucht,
unterschiedliche politische Positionen in einem globalen Kontext zu benennen, ohne dabei
wertende Beschreibungen wie z.B. „entwickelt“ oder „Entwicklungsländer“ zu verwenden
(vgl. Bendix 2011).
3 Die Ausführungen zu deutscher reproduktiver Gesundheits- und Bevölkerungspolitik
basieren auf in den Jahren 2009-2011 und 2014-2015 von Daniel Bendix durchgeführten
Forschungen.
208 Daniel Bendix & Aram Ziai
nach breite Verwendung nden. In deutschsprachigen Standardwerken zur
Einführung in die Politikwissenschaft wird das Thema Rassismus meist nur
marginal berührt. In dem Sammelband Studienbuch Politikwissenschaft, der
zum Ziel hat, „über die Politikwissenschaft, wie sie heutzutage an führenden
Universitäten in Deutschland und anderen verfassungsstaatlichen Demokra-
tien gelehrt wird“, zu informieren und in 20 Kapiteln „zentrale Themen der
wichtigsten Teildisziplinen der Politikwissenschaft“ (Schmidt u.a. 2013: 7)
behandelt, ndet Rassismus beispielsweise lediglich untergeordnet in zwei
Beiträgen Erwähnung. In dem Beitrag Vergleich politischer Systeme: Demo-
kratien und Autokratien de niert Wolfang Merkel Rassismus nicht explizit.
Aber er zählt das „[r]assistische Apartheitregime“ (sic) als einen von „acht
Typen autokratischer Herrschaft“ (Merkel 2013: 227) auf. Merkel fährt fort,
dass im 21. Jahrhundert „faschistische und rassistische Autokratien weitge-
hend verschwunden“ sind und „Faschismus und Rassismus […] nicht mehr
als positive Herrschaftslegitimation [taugen]“ (ebd.: 228). Rassismus wird
hier als rechte bzw. rechtsextreme Ideologie, als dem Faschismus ähnlich
verstanden. Gleichzeitig wird Rassismus auf staatsrechtliche Fragen wie
Wahlrecht und Bürgerrechte begrenzt und als unvereinbar mit demokrati-
schen Staaten de niert. Dadurch, dass Deutschland schon in der Einleitung
des Sammelbandes als „verfassungsstaatliche Demokratie“ gesetzt wird,
kann Deutschlands Gesellschaftssystem demnach qua De nition nicht als
Ganzes von Rassismus betroffen sein.
Darüber hinaus erwähnt lediglich ein weiterer Artikel – aus der Teildis-
ziplin der Internationalen Beziehungen bzw. Friedens- und Kon iktfor-
schung – Rassismus, aber ohne zu sagen, was darunter verstanden wird. In
Vom Kon ikt zum Krieg: Ursachen und Dynamiken wird auf den Erkennt-
nisgewinn postkolonialer Perspektiven hingewiesen, da „sie die bis heute
wirkmächtigen Kontinuitäten des westlichen Kolonialismus und die Ausblen-
dung der Historizität von sozialen Beziehungen in inter- und transnationalen
Kon iktformationen herausarbeiten und problematisieren“ sowie der Frage
nachgehen, „welchen Ein uss rassistische, vergeschlechtlichte, patriarchale
und heterosexualisierte Eigenschaften für Begründungen von Gewalt und
militärischen Interventionen haben“ (Chojnacki & Namberger 2013: 521).
Bemerkenswert ist im Vergleich zum Beitrag von Merkel, dass hier – leider
ohne Begriffsde nition oder weiter gehende Auseinandersetzung – Ras-
sismus als gegenwärtig in den internationalen Beziehungen wirkmächtig
sowie als diskursiv Identitäten und Repräsentationen prägend identi ziert
wird. Überraschend ist, dass selbst in politikwissenschaftlichen Beiträgen,
die explizit den bestehenden und möglichen Beitrag postkolonialer Studien
für die Friedens- und Kon iktforschung diskutieren, nicht von Rassismus
Rassismusanalyse in der Entwicklungsforschung … 209
gesprochen wird (Engels 2014). Hier wiederholt sich augenscheinlich, was
die postkolonialen Theoretikerinnen Maria do Mar Castro Varela und Nikita
Dhawan an der vermehrten Verwendung des Konzepts „postkolonial“ kri-
tisieren: dass es „häu g als Euphemismus für bedrohlichere Konzepte wie
‘Imperialismus’ und ‘Neokolonialismus’ zum Einsatz kommt“ (Castro Varela
& Dhawan 2010: 305). Rassismus scheint im deutschen Kontext weiterhin
ein Konzept zu sein, das als ungebührlich aggressiv wahrgenommen wird,
weil es auf Nationalsozialismus und Genozid verweist und das vermeintlich
aufgeklärte und an Menschenrechten orientierte gesellschaftliche Selbstver-
ständnis infrage stellt.
Die in der politikwissenschaftlichen Forschung lange Zeit übliche
Gleichsetzung von Rassismus mit rechtsextremem und neonazistischem
Gedankengut (und entsprechenden Aktivitäten) wurde mit dem Wiederer-
starken rechtspopulistischer Parteien und Tendenzen in Europa etwas rela-
tiviert. Mittlerweile werden vermehrt deren weniger explizite rassistische
Argumentationsweisen unter die Lupe genommen (Bischoff u.a. 2004).
Darüber hinaus wird Rassismus vor allem im politikwissenschaftlichen
Teilbereich der Migrations- und Integrationsforschung diskutiert (Demirović
& Bojadzijev 2002; Ross 2004; Terkessidis 2004). Hier geht es beispiels-
weise um den staatsbürgerlichen Ausschluss von Menschen nicht-deutscher
Herkunft (Karakayali & Tsianos 2002), aber auch um die Frage nach der
Konstruktion des Fremden im Zusammenhang mit der Konstitution der
eigenen Identität und der Legitimierung von Exklusion (Schwarz 2010). Den
Wechselwirkungen zwischen rassistischen Diskursen und konkreten wirt-
schaftlichen Interessen, die z.B. im Fall deutscher entwicklungspolitischer
Interventionen in Tansania zutage treten (s.u.), wird nur in seltenen Fällen
nachgegangen. In seiner Untersuchung der deutschen Arbeitsmarktpolitik
im Hinblick auf die seit dem 19. Jahrhundert in Deutschland beschäftigten
Migrant_innen konstatiert Kien Nghi Ha beispielsweise „eine Reihe von
diskursiv-ideologischen, sozio-ökonomischen und rechtlich-funktionalen
Parallelen“ zwischen den Wanderarbeiter_innen der Kolonialzeit und späte-
ren Gastarbeiter_innen, „die auf fortgesetzte rassistische Kolonialpraktiken
in Deutschland hindeuten“ (Ha 2003: 62). Ha identi ziert in diesem Kontext
die auch heute noch „ethnisch segregierte Arbeits- und Gesellschaftsstruk-
tur“ als „charakteristisches Merkmal von Kolonial- und Apartheidstaaten“
(ebd.: 74). In anderen Beiträgen wird hingegen „Fremdenfeindlichkeit“ ins
Zentrum der Untersuchung gestellt (Krzyzanowski & Wodak 2008), was
unterschlägt, dass das Phänomen nicht alle „Fremden“, sondern nur ganz
bestimmte, rassistisch als „fremd“ De nierte betrifft – und somit analytisch
unzureichend ist.
210 Daniel Bendix & Aram Ziai
Auch die deutschsprachige Entwicklungsforschung als Subdisziplin der Poli-
tikwissenschaft hat dem Thema Rassismus so gut wie keine Aufmerksam-
keit zuteilwerden lassen. Die Standardwerke zu Einführung und Überblick
erwähnen Rassismus nur selten und wenn, dann wird nicht elaboriert. In
Theo Rauchs Entwicklungspolitik: Theorien, Strategien, Instrumente wird
Rassismus mit keinem Wort erwähnt, Kolonialismus nur in der Vorstellung
der „linke[n] anti-imperialistische[n] Kritik“ an „Entwicklungspolitik als
Handlangerin von Kapitalverwertungsinteressen“ (Rauch 2009: 88). In
Dieter Nohlens Lexikon Dritte Welt wird unter dem Stichwort „Rassis-
mus“ auf die Einträge „Organisation für Afrikanische Einheit“ (OAU)
und „Apartheid“ verwiesen (Nohlen 2002: 687). Unter „OAU“ ndet sich
dann wiederum nur der Hinweis, dass diese „spezi sch afrikan. Probleme
(Kolonialismus, Rassismus) konsequent zur Sprache [bringt]“ (ebd.: 626).
Dadurch, dass Rassismus – ähnlich wie im erwähnten Fall von Merkel – nur
noch in Bezug auf Südafrika Erwähnung ndet, wird der Anschein erweckt,
dieser sei nur dort ein Problem (gewesen).
Im Lern- und Arbeitsbuch Entwicklungspolitik (Nuscheler 2005) wird
Rassismus zwar nicht behandelt, wohl aber verliert der Autor ein paar
Worte zum Thema Kolonialismus und Entwicklungspolitik. Hier wird der
Verweis auf Kolonialismus als ursächlich für heutige Probleme in Afrika als
rhetorische Finte afrikanischer Politiker_innen und Intellektueller abgetan,
die dadurch von ihrer Verantwortlichkeit ablenkten (ebd.: 211). Ernster zu
nehmen seien nach Nuscheler Analysen, welche „auch die zivilisatorischen
Leistungen des Kolonialismus“ hervorhöben (ebd.: 213). Rassismus als
global-gesellschaftliches Phänomen, welches die Beziehungen zwischen
globalem Norden und Süden, zwischen „Gebern“ und „Empfängern“
(oder, wie in unserem Fallbeispiel, zwischen Deutschland und Tansania)
im Kontext von Entwicklungspolitik beein ussen könnte, taucht in den
deutschsprachigen Überblickswerken nicht auf. Vielmehr nden sich in den
Forderungen des bekannten politikwissenschaftlichen Entwicklungstheore-
tikers Ulrich Menzel nach Interventionen der Industrieländer des Nordens
in Krisenregionen und der Unterstellung letzterer unter die Treuhandschaft
ersterer selbst rassistische Elemente. Und zwar deshalb, weil die implizite
Unterstellung einer selbstlosen Allgemeinwohlorientierung der politischen
Klasse im Norden und die explizite einer despotischen und korrupten poli-
tischen Klasse im Süden zur Legitimation der Souveränitätseinschränkung
und Herrschaftsausweitung benutzt wird. Mithin rechtfertigt die Zuschrei-
bung von Eigenschaften gegenüber den erwähnten Gruppen ihre rechtliche
Ungleichbehandlung, worauf einer von uns an anderer Stelle bereits detail-
lierter hingewiesen hat (Ziai 2012: 297-299).
Rassismusanalyse in der Entwicklungsforschung … 211
Insgesamt lässt sich konstatieren, dass die explizite Beschäftigung mit Ras-
sismus in politikwissenschaftlichen Ansätzen bisher weitgehend randständig
ist, was sich insbesondere in Überblicks- und Einführungswerken widerspie-
gelt.4 Dies haben wir auch persönlich erlebt: Als einer der Autoren dieses
Artikel vor ca. 10 Jahren seine Abschlussarbeit in Politikwissenschaft zu
Rassismus in der Entwicklungspolitik schreiben wollte, wurde ihm deutlich
zu verstehen gegeben, dass dieser Begriff für Nazizeit und Rechtsextremis-
mus reserviert sei.
Wichtige Impulse für eine rassismuskritische politikwissenschaftliche
Forschung kamen demgegenüber bis jetzt insbesondere aus migrations- und
integrationspolitischen Untersuchungen. In diesen wird vor allem auf Ras-
sismusverständnisse von Robert Miles und Albert Memmi zurückgegriffen:
Rassenkonstruktionen werden entsprechend als „Prozess der Beschreibung
von Gruppengrenzen und der Verortung von Personen innerhalb dieser
Grenzen durch den vorrangigen Bezug auf (möglicherweise) angebo-
rene und/oder biologische (meist phänotypische) Merkmale“ verstanden
(Miles 1991: 100). Um von Rassismus sprechen zu können, müssen einer
derart konstruierten Gruppe „negativ bewertete [biologische oder kulturelle]
Merkmale zugeschrieben werden und/oder sie muß so dargestellt werden,
daß sie negative Konsequenzen für irgendeine andere Gruppe verursacht“
(ebd.: 20). Mittels Rassismus werden „Privilegien oder […] Aggressionen
gerechtfertigt“ (Memmi 1987: 164). Die politikwissenschaftlichen Arbei-
ten, die sich explizit mit Rassismus beschäftigen, gehen, verallgemeinert
gesprochen, von Rassismus aus, wenn Menschen aufgrund ihrer Zugehö-
rigkeit zu einer nach Herkunft de nierten Gruppe bestimmte Eigenschaften
zugeschrieben werden (Rassialisierung) und damit eine ungleiche Verteilung
von Macht, Rechten oder Ressourcen erklärt oder legitimiert wird. Wie wir
im nächsten Abschnitt ausführen und in dem darauf folgenden empirischen
Teil verdeutlichen, ist im Sinne der von uns hier propagierten kombinierten
Rassismusanalyse allerdings deutlichere Verschiebung hin zu Aufmerk-
samkeit für politökonomische Ungleichheit und handfeste ökonomische
Interessen vonnöten, um die sich gegenseitig stabilisierende Wirkung von
Diskursivem und Materiellem zu greifen.
4 Eine Veränderung ist hoffentlich in Sicht durch neuere postkoloniale Arbeiten in der Poli-
tikwissenschaft. In dem von einem von uns herausgegebenen Sammelband „Postkoloniale
Politikwissenschaft“ (Ziai 2016) wird beispielweise in mehreren Beiträgen auf Rassismus
Bezug genommen.
212 Daniel Bendix & Aram Ziai
Rassismusanalyse in der postkolonialen Entwicklungsforschung
Das Forschungsinteresse der politikwissenschaftlichen Teildisziplin Ent-
wicklungsforschung (bzw. Development Studies) – Ungleichheit im globalen
Kontext – müsste diese eigentlich dafür prädestinieren, sich mit Rassismus,
dessen Ursachen und Auswirkungen zu beschäftigen. Hier bietet vor allem
die postkolonial inspirierte Entwicklungsforschung einen theoretischen Rah-
men, mit dem Rassismus als globales Phänomen, das transnationale Zusam-
menhänge strukturiert, fassbar wird. In diesem Forschungskontext verorten
wir uns selbst und re ektieren hier auch unsere eigene Auseinandersetzung
mit, und Herangehensweise an, Rassismus in der Entwicklungspolitik bzw.
im Kontext von Fragen von „Entwicklung“.
Für den deutschsprachigen Kontext wurde mit dem Buch Der Weißheit
letzter Schluß. Rassismus und kolonialer Blick Pionierarbeit geleistet
( Melber 1992). Darin nden sich Überlegungen zur historischen Genese
des Entwicklungsdenkens, dessen Zusammenwirken mit Kolonialismus und
Rassismus und zu Kontinuitäten im Alltagsbewusstsein von Menschen in der
BRD. Neuere Arbeiten aus dem anglo-amerikanischen Kontext rezipierend,
ist einer von uns (Ziai 2008) den kolonialen Kontinuitäten in der Entwick-
lungspolitik und ihren rassistischen Grundannahmen in konzeptioneller
Stoßrichtung nachgegangen. Er kam zu dem Schluss, dass, während der
„koloniale Diskurs“ offen rassistisch ist, große Teile der Entwicklungszu-
sammenarbeit verdeckt rassistische Grundannahmen und Effekte aufweisen:
„Rassismus ist in der Entwicklungszusammenarbeit durch ihr koloniales Erbe
und die damit verbundenen Strukturen ständig präsent“ (ebd.: 201). Während
rassismuskritische Perspektiven in der Entwicklungsforschung im deutsch-
sprachigen Raum in den Anfängen stecken, existieren in den vornehmlich
anglo-amerikanischen Development Studies dynamische, stark interdisziplinär
ausgerichtete Forschungszusammenhänge, die ein breiteres Verständnis von
Rassismus verwenden und gerade für die deutschsprachige Politikwissen-
schaft bzw. Sozialwissenschaften insgesamt wichtige Anstöße geben können.
In den Development Studies hat sich seit ca. Anfang der 2000er eine differen-
zierte Diskussion um den Ein uss von Rassismus auf Entwicklungsdenken,
Entwicklungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit entsponnen.5 Hinzu
kommt der lateinamerikanische Forschungszusammenhang der „dekolonia-
len“ Perspektive, der wichtige Beiträge zum kolonialen Ursprung des Ent-
wicklungsdenkens und vor allem zum primären Forschungsgegenstand der
Entwicklungsforschung – globale sozioökonomische Ungleichheit – leistet
(z.B. Dussel 1995; Quijano 2000).
5 Vgl. u.a. White 2002; Kothari 2006b; Wilson 2012; Shilliam 2014.
Rassismusanalyse in der Entwicklungsforschung … 213
Wissenschaftler_innen haben schon länger die Tendenz in der Entwick-
lungspolitik kritisiert, europäische Epistemologie – positivistische wissen-
schaftliche Rationalität – als einzige legitime Form der Wissensproduktion
zu privilegieren und zu universalisieren (Nandy 1988; Apffel-Marglin &
Marglin 1990). Nach John Briggs und Joanne Sharp herrscht in der interna-
tionalen Entwicklungspolitik die Vorstellung vor, „dass westliche Wissen-
schaft und Rationalität entweder weiter fortgeschritten und kultivierter als
andere Positionen ist, oder dass sie ganz einfach die Norm sind – Wissen
in der Einzahl –, von der andere in ihrer Fehlbarkeit abfallen“ (Briggs &
Sharp 2004: 662).6 Nicht-westliche Wissenssysteme, die diesem hegemoni-
alen europäischen Verständnis nicht entsprechen, würden, wenn überhaupt,
höchstens im Namen von „ownership“ als nützliche Ergänzung zu den
„wissenschaftlichen“ Expert_innenlösungen hinzugefügt. So führe Entwick-
lungspolitik und -zusammenarbeit die kolonialen Praktiken der Zerstörung,
Missachtung und Marginalisierung der Wissens- und Glaubenssysteme
der ehemals kolonisierten Gesellschaften fort. In unserem empirischen
Fall ist das beispielsweise darin angedeutet, dass deutsche Entwicklungs-
expert_innen in Tansania den Wunsch nach einer – in ihren Augen – großen
Anzahl von Kindern als irrational verwerfen.
Rassismuskritische, postkoloniale Untersuchungen von Entwicklungs-
politik und -zusammenarbeit haben weiterhin vor allem herausgestellt,
dass darin die Zweiteilung der Welt in „entwickelt“ und „unterentwickelt“
in Rassenzuschreibungen verstärkender Manier fortgeschrieben wird, das
Denken in „Rassen“ aber auch in vielen anderen Bereichen der Entwick-
lungsforschung fortlebt.7 So wird beispielsweise beobachtet, dass andere
Konzepte „wie ‘Tribalismus’, ‘Ethnizität’, ‘Tradition’, ‘Religion’ und, mög-
licherweise am stärksten, ‘Kultur’“ als Platzhalter für „Rasse“ fungieren, die
Art der Kategorisierung der damit Bezeichneten sich aber nicht verändert
hat (White 2002: 408). Deshalb könne man davon sprechen, dass „anstatt
auf dessen Irrelevanz zu verweisen, das Schweigen über „Rasse“ ein viel-
sagendes Schweigen ist, welches ihre Zentralität für das Entwicklungsprojekt
sowohl maskiert wie markiert“ (ebd.). So stellten entwicklungspolitische
Prinzipien wie „Partnerschaft“, „Partizipation“ und „ownership“, die Gleich-
berechtigung zwischen „Entwicklungshilfegebern“ und „Entwicklungshil-
feempfängern“ suggerieren, die Annahme der Überlegenheit westlicher
Nationen und „Entwicklungsexpert_innen“ nicht wirklich infrage, solange
die Grundstruktur (Probleme dort, Problemlösungskompetenz hier) erhalten
bleibt (Cooke & Kothari 2001; Eriksson Baaz 2005; Noxolo 2006). Dieses
6 Alle Übersetzungen fremdsprachiger Zitate stammen von den Autoren.
7 Vgl. Heron 2007; Kothari 2006a; McEwan 2009; Power 2006.
214 Daniel Bendix & Aram Ziai
Ungleichgewicht kennzeichnet auch grundlegend die Beziehungen zwischen
Deutschland und Tansania, so dass lediglich Entwicklungsinterventionen in
tansanische Richtung im Bereich des Möglichen erscheinen.
Patricia Noxolo (2006) zeigt beispielsweise auf, dass die Unmöglichkeit
tatsächlicher Partnerschaft zwischen Großbritannien und seinen ehemaligen
Kolonien auf einem Fortleben kolonialzeitlicher rassialisierter und verge-
schlechtlichter Hierarchien innerhalb der Commonwealth-Idee der „family
of nations“ gründet. In ähnlicher Stoßrichtung kommt Maria Eriksson
Baaz (2005) in ihrer Untersuchung skandinavischer „Entwicklungshel-
fer_innen“ zu der Erkenntnis, dass diese auf rassistische Vorstellungen von
Afrikaner_innen als faul und irrational und von sich selbst als überlegen
zurückgreifen, um Widerstand ihrer „Partner_innen“ gegen ihre eigenen
Vorschläge als Passivität und Indifferenz anstatt als autonomes Handeln
zu interpretieren. In diesen Arbeiten wird auch vor allem auf Diskurse und
Repräsentation fokussiert. Materiellen Dimensionen wie Geldzahlungen,
Mobilität oder militärischen Ungleichgewichten wird hingegen keine direkte
Aufmerksamkeit zuteil. Sie werden lediglich als Kontext betrachtet, wenn
darauf hingewiesen wird, dass sozioökonomische Ungleichheit zwischen
„Gebern“ und „Empfängern“ beispielsweise das Sprechen über Gleichheit
ad absurdum führe (Cooke 2001).
Die hier angeführten postkolonialen, rassismuskritischen Arbeiten wur-
den oftmals für ihren „kulturellen Bias“ kritisiert: Auch wenn sie materielle
Dimensionen und die Wirkungsweise des globalen Kapitalismus nicht
vollständig außer Acht lassen, so lassen sie diese eben auch nicht explizit
zu einem Teil der Analyse werden. Mit ihrem Fokus auf die Analyse von
Diskursen, Subjektivitäten und Ideologien bärgen sie „das Risiko, die
Materialität der sozialen und politischen Beziehungen zu verdecken bzw.
zu vernachlässigen, welche die Reproduktion dieser Diskurse, Ideologien
und symbolischen Praktiken möglich, wenn nicht sogar unausweichlich,
machen“ (Santos 2010: 234). Dies ist auch für die wenigen empirischen
Arbeiten zu Rassismus in der Entwicklungspolitik im deutschsprachigen
Kontext zu konstatieren. An einigen dieser Arbeiten haben wir schreibend
oder auch beratend mitgewirkt. Hier wurden beispielsweise entwicklungs-
politische Spendenplakate (Kiesel & Bendix 2010), der entwicklungspoli-
tische Freiwilligendienst weltwärts (Kontzi 2015), entwicklungspolitische
Bildungsarbeit (Bendix u.a. 2015) und die Darstellung von Entwicklung in
Schulbüchern untersucht (Marmer & Ziai 2015). Andere Arbeiten haben
sich beispielsweise mit Fairem Handel (Lemme 2015) und auch bereits mit
dem Konzept der „Sexuellen und Reproduktiven Gesundheit und Rechte“
beschäftigt (Deuser 2010). Der Fokus liegt auch in diesen Arbeiten fast
Rassismusanalyse in der Entwicklungsforschung … 215
ausschließlich auf Repräsentation und Identitäten. Hier ist ähnlich wie
für die deutschsprachige Politikwissenschaft insgesamt festzuhalten, dass
Rassismus als Legitimationsnarrativ untersucht wird, welches Identitäten
formt und bestehende ungleiche (global-)gesellschaftliche Teilhabe erklärt
bzw. dessen Fortführung ermöglicht. Die global-gesellschaftlichen Zusam-
menhänge werden nicht näher untersucht bzw. es wird nicht nach dem
Zusammenspiel zwischen Diskursen und Materialität gefragt.
Solche Materialität hat weiter zurückliegende Entwicklungsforschung
stärker in den Blick genommen. So zeichnete Walter Rodney in seinem Werk
„Afrika. Die Geschichte einer Unterentwicklung“ nach, dass Afrika vor dem
Beginn der europäischen kolonialen Aggressionen unterschiedliche Gesell-
schaftsformen mit jeweils unterschiedlichen Produktionsformen aufwies, die
aber seit 500 Jahren europäischen ökonomischen und politischen Interessen
untergeordnet werden. Er versteht Rassismus vom Materiellen aus denkend
als Folge der wirtschaftlich motivierten Versklavung und Ausbeutung von
Afrikaner_innen, Amerikaner_innen und Asiat_innen durch europäische
Kapitalisten (s. dazu auch die Ausführungen von Gerhard Hauck in diesem
Heft, S. 153ff).
In der These, dass im Laufe der Zeit wirtschaftliche und rassistische
Unterdrückung derart miteinander einhergingen, dass sie „nicht mehr zu
unterscheiden“ (Rodney 1975: 76) gewesen seien, ähneln seine Ausführun-
gen denen dekolonialer lateinamerikanischer Theoretiker_innen wie Aníbal
Quijano (2000) und Enrique Dussel (1995), denen zufolge sich die Kategorie
„Rasse“ als grundlegende und universelle Form der sozialen Klassi zierung
im globalen Kapitalismus der Neuzeit etablierte und reproduzierte. Rassia-
lisierung, d.h. die Konstruktion einer ethnischen oder kulturellen Gruppe,
der bestimmte Eigenschaften oder Verhaltensweisen zugeschrieben werden,
wurde zur Grundlage und zum zentralen legitimatorischen Bezugspunkt des
eurozentrischen Charakters der Machtverteilung, der Europa ins Zentrum
der Welt stellte und „den Rest“ zur Peripherie werden ließ. Autor_innen der
rassismuskritischen, postkolonialen Entwicklungsforschung haben entspre-
chend zuweilen auch empirisch untersucht, wie diskursive Rassialisierung,
tatsächliche materielle Praktiken, Ausbeutung und globale politökononomi-
sche Machtkonstellationen zusammenwirken (Wilson 2012). Joel Wainwright
(2008) hat beispielsweise analysiert, wie die rassistische Unterordnung der
Maya im kolonialen wie post-kolonialen Belize (zuvor Britisch-Honduras)
mit materiellen und ökonomischen Effekten von Entwicklungsprojekten
zusammenhing. Diese hatten zum Ziel, die Maya sesshaft zu machen und
ihr Landwirtschaftssystem zu reformieren.
216 Daniel Bendix & Aram Ziai
In dieser Untersuchung der Auseinandersetzung mit Rassismus in der
Entwicklungsforschung ist, auch wenn er im Mainstream selbst im anglo-
amerikanischen Raum weiterhin kein Thema ist, deutlich geworden, dass
gegenwärtige Entwicklungspolitik mit Blick auf globale ökonomische
(sowie politische, militärische, kulturelle etc.) Ungleichheit und Ausbeu-
tung sowie konkrete Interessen auf ihren Zusammenhang mit Rassismus
untersucht werden sollte. Einschlägige Arbeiten (auch unsere eigenen)
haben sich bis jetzt zwar vor allem auf Repräsentationen zum Zweck der
Legitimation von Ungleichheit konzentriert. Diesen Fokus bezeichnen wir als
diskursive Rassismusanalyse. Wir halten ihn immer noch für sinnvoll, aber
auch für begrenzt. Allerdings werden auch in einigen wenigen Arbeiten die
Verbindungen zwischen rassistischen Diskursen und materiellen Praktiken
der politischen Ökonomie empirisch analysiert, mithin eine kombinierte
Rassismusanalyse betrieben. Diese Art der Untersuchung ist aufwändiger,
gewährleistet aber eine materielle Erweiterung bisheriger Analysen. Hier
gilt es, Diskurse politökonomisch zu kontextualisieren und darauf zu achten,
wie Wissenskon gurationen verbunden sind mit „der Sphäre der Materialität
[…] [und] mit dem Bereich der Objekte und spezi schen […] Praktiken“
(Young 2001: 399). Auch wenn dies in der Praxis noch nicht zufrieden-
stellend unternommen wurde, bietet doch die Entwicklungsforschung mit
ihrer Perspektive auf Entstehung und Fortführung globaler Ungleichheit ein
ideales Feld, um eine solche kombinierte Rassismusanalyse durchzuführen.
Deutsche reproduktive Gesundheits-
und Bevölkerungspolitik in Tansania
In diesem Abschnitt wird Einblick in ein Beispiel empirischer Forschung
gegeben, um die bisher angestellten konzeptionellen Überlegungen anzuwen-
den. Dabei gehen wir davon aus, dass Diskurse mit „materiellen Ereignissen
und Umständen, den Formen, durch die Diskurse sozusagen mit der mate-
riellen Welt verwoben sind“, interagieren (ebd.: 387). Die Bundesrepublik
Deutschland ist entwicklungspolitisch in Tansania im Bereich „Sexuelle und
reproduktive Rechte und Gesundheit, und Bevölkerungsentwicklung“ tätig.
Dies ist einer der drei Schwerpunkte deutscher „Entwicklungszusammen-
arbeit“ (EZ) mit Tansania. Die Frage, die wir uns hier stellen, ist, welche
Erkenntnisse eine Betrachtung dieses Falls mithilfe der von uns propagierten
kombinierten Rassismusanalyse liefert und welche Schlüsse sich daraus
für die Untersuchung von Rassismus insgesamt ziehen lassen. Vorweg sei
gesagt, dass die BRD nicht ohne Einwilligung der tansanischen Regierung
in Tansania tätig ist. Jegliche „Entwicklungszusammenarbeit“ beruht auf
Rassismusanalyse in der Entwicklungsforschung … 217
in jeweils spezi schen Macht- und Interessenskonstellationen verhandel-
ten Abkommen, sowohl auf Regierungsebene als auch auf regionaler und
lokaler. Der Fokus dieser Untersuchung ist allerdings die deutsche Seite der
„Entwicklungszusammenarbeit“.
In einem ersten Schritt bedienen wir uns einer diskursiven Rassismus-
analyse. Diese stützen wir zunächst auf die Feststellung, dass deutsche EZ
auf eine Verringerung des Bevölkerungswachstums in Tansania abzielt. So
lautete die of zielle Pressemitteilung beim Besuch des damaligen Ministers
des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-
lung (BMZ) Dirk Niebel folgendermaßen:
„Tansania gehört zu den größten Begünstigten deutscher Entwicklungszusam-
menarbeit in Sub-Sahara Afrika. Wir werden weiter zusammenarbeiten, um
unser gemeinsames Ziel zu erreichen: die weiterhin weit verbreitete Armut in
diesem Land zu bekämpfen. Das hohe Bevölkerungswachstum in Tansania
von 2,9 Prozent droht unsere gemeinsamen Anstrengungen zu untergraben.“
(GTZ 2010)
Das hohe Bevölkerungswachstum stünde also einer effektiven Armutsbe-
kämpfung im Wege (BMZ 2012). Dieses Verständnis von Bevölkerungs-
wachstum basiert auf der Vorstellung, dass Tansanier_innen Konsument_innen
begrenzter ökonomischer, ökologischer und sozialer Ressourcen seien. Eine
Erhöhung ihrer Anzahl würde zu einer Verringerung der konsumierten Menge
führen. Implizit wird hier von Durchschnittswerten und einer gleichmäßigen
Verteilung ausgegangen, was die oft massiven sozialen Ungleichheiten im
Zugang zu diesen Ressourcen außer Acht lässt. Die hier artikulierte Vorstel-
lung, das Verhältnis von Wirtschaftswachstum und Bevölkerungswachstum
sei ausschlaggebend für die Armutsbekämpfung, hätte allenfalls im Kon-
text einer streng planwirtschaftlichen Ressourcenverteilung eine mögliche
Grundlage. Im Rahmen kapitalistischer Verhältnisse ist sie theoretisch
absurd und praktisch seit dem Pearson-Bericht der UN 1970, der feststellte,
dass in zahlreichen Ländern des Südens Wirtschaftswachstum nicht zu einer
spürbaren Verringerung der Armut geführt hatte, widerlegt (Commission on
International Development 1970). Der vom BMZ konstruierte Zusammenhang
von Bevölkerungswachstum und Armut ist somit mindestens fragwürdig. Die
Vorstellung wird allerdings von der tansanischen Regierungsseite – zumindest
of ziell – geteilt und diese ist an bevölkerungspolitisch relevanten Interven-
tionen interessiert. Diese Harmonie zwischen „Geber“ und „Empfänger“
von „Entwicklungshilfe“ war nicht immer gegeben: Erst auf Druck von des
UN-Fonds für Bevölkerungsentwicklung UNFPA (United Nations Population
Fund), der Weltbank und der US-Entwicklungsagentur USAID (United States
218 Daniel Bendix & Aram Ziai
Agency for International Development) schwenkte die tansanische Regierung
in den 1980er Jahren auf den Kurs des internationalen bevölkerungspolitischen
Establishments ein (Richey 2008).
Über die in der GTZ-Pressemitteilung ersichtliche Perspektive hinaus wird
Bevölkerungspolitik auch mit rassi zierten Zuschreibungen gerechtfertigt:
In Interviews8 mit Mitarbeiter_innen deutscher entwicklungspolitischer
Organisationen konnten wir feststellen, dass als problematisch angesehene
Fertilitätsraten bzw. Bevölkerungsgröße stets mit einem angeblich niedrigen
gesellschaftlichen Status von Frauen in Bezug gesetzt wurden. Die deutsche
EZ sieht hohe Fertilitätsraten in Afrika insgesamt und insbesondere die Rate
von 5,5 Kindern pro Frau in Tansania als Problem (DSW 2010; evaplan
2009). Deutsche „Entwicklungsexpert_innen“ sind der Ansicht, dass Frauen
in Tansania kein Mitspracherecht und keine Autonomie in sexuellen und
reproduktiven Angelegenheiten haben, dass „die Männer diktieren und sich
’n Scheiß drum kehren, ob jetzt ein Fruchtbarkeitstag [ist] oder nicht, und ich
hab jetzt Lust und fertig ist“.9 Die fehlende Kontrolle über ihr sexuelles und
reproduktives Leben angesichts gesellschaftlicher Unterdrückung führe dazu,
dass sie mehr Kinder bekämen, als sie gerne hätten, so die vorherrschende
Meinung der EZ-Mitarbeiter_innen. Die Geburtenraten und das Bevölke-
rungswachstum in Tansania werden so als Zeichen für Traditionalität und
gesellschaftliche Rückständigkeit interpretiert. Modernität wird im Sinne des
„demographischen Wandels“ verstanden als gekennzeichnet durch niedrige
Geburtenraten. Die Darstellung tansanischer Frauen durch die deutsche EZ
korrespondiert mit dem, was Chandra Talpade Mohanty (1991) bereits vor
langer Zeit als Konstruktion der „Dritten-Welt-Frau“ kritisiert hat. Diese
werde – selbst von Feminist_innen – als passives, unterdrücktes Opfer ihrer
Kultur zum konstituierenden „Gegenstück“ der vermeintlich emanzipierten
Frau im Globalen Norden konstruiert.
Die deutsche EZ nimmt weiterhin an, dass es einen hohen ungedeckten
Bedarf an Verhütungsmitteln gibt, was eine explizite, auf Verlangsamung
des Bevölkerungswachstums bzw. Geburtenverhinderung abzielende Politik
unnötig mache (evaplan 2009). Diese Perspektive ist ganz im Sinne der
8 Daniel Bendix hat insgesamt über 50 Interviews mit deutschen „Entwicklungsexpert_innen“
bzw. in der Privatwirtschaft tätigen Berater_innen in unterschiedlichen Institutionen
geführt: sowohl mit in Deutschland Tätigen, deren Arbeit Bezug zur deutschen reproduk-
tiven Gesundheitspolitik in Tansania hat, als auch in Tansania. Dort hat er mit deutschen
Mitarbeiter_innen in staatlichen, Nichtregierungs- und kirchlichen/missionarischen Zusam-
menhängen in den Regionen Kilimanjaro, Arusha, Lindi, Mtwara, Daressalam und Tanga
gesprochen und ihre Arbeitskontexte aufgesucht.
9 Interview 10, ehemalige_r Leiter_in des deutschen Gesundheitsprogramms in Tansania.
Rassismusanalyse in der Entwicklungsforschung … 219
Post-Kairo-Konferenz-Agenda10, die of ziell Abschied genommen hat von
expliziter Makro-Bevölkerungspolitik, aber auf das Selbstmanagement
von Frauen im globalen Süden baut, auf ihren Wunsch, weniger Kinder
zu bekommen (Schultz 2006). Bis hierhin könnten Vertreter_innen der
EZ diese Zuschreibungen noch damit zu rechtfertigen versuchen, dass die
Tansanier_innen „nun mal so sind“. Das ist dann zwar eine aufgrund von
zugeschriebener gemeinsamer Kultur erfolgte rassialisierende Homogeni-
sierung und schließt an kolonialzeitliche Diskurse an, könnte aber dennoch
mit statistisch erhebbaren sozialen Phänomenen korrespondieren. Allerdings
werden die deutschen „Entwicklungsexpert_innen“ in Tansania damit kon-
frontiert, dass entgegen ihrer Vorannahme
„erstaunlicherweise das Interesse oder die Nachfrage an Kontrazeptiva, die
man so erheben kann über den ‘unmet need’ [ungedeckter Bedarf] gar nicht
so hoch ist. Das heißt, die Akzeptanz von Familienplanung ist noch nicht so
hoch wie wir uns das wünschen würden, ne. […] In Tansania ist die Heraus-
forderung […] was können wir als deutsche EZ [tun], um diese Nachfrage …
also das Ministerium und die Zivilgesellschaft dabei zu unterstützen, diese
Nachfrage zu generieren.“
11
Das „fehlende“ Bedürfnis, weniger Kinder zu bekommen, wird auch von
Studien bestätigt, die angeben, dass verheiratete Frauen sich durchschnittlich
5,4 und verheiratete Männer 5,9 Kinder wünschen, was gerade bei Frauen
in etwa der tatsächlichen Fertilitätsrate (5,5) entspricht (Leahy & Druce
2009). Erst jüngst hat auch eine Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik
(SWP) festgestellt, dass nicht ein ungedeckter Bedarf an Verhütungsmitteln,
sondern ein zu hoher Kinderwunsch quer durch alle sozialen Schichten in
vielen afrikanischen Ländern das Problem sei (Angenendt & Popp 2014: 27).
Entsprechend dem Bedürfnis, Fertilitätsraten zu senken, setzen sich diverse
deutsche EZ-Organisationen durch unterschiedlichste Aktivitäten und
Finanzmittel dafür ein, den „unmet need“ zu steigern und Akzeptanz, Ange-
bot und Verwendung „moderner“ Verhütungsmittel zu erhöhen. „Moderne“
Kontrazeptiva führten wiederum auch dazu, dass Frauen gleichberechtigter
und freier in ihren Entscheidungen würden. „Freie“ Entscheidungen werden,
wie erwähnt, im Sinne des Kairo-Konsenses als zwangsläu g geburtenre-
duzierend wahrgenommen.
Insgesamt kann die Tendenz festgestellt werden, dass Tansanier_innen
in Diskursen über Bevölkerungsentwicklung und Geburtenraten – oftmals
10 In Kairo fand 1994 die Weltbevölkerungskonferenz der Vereinten Nationen statt.
11 Interview 24, Leiter_in der Komponente Reproduktive Gesundheit des Tanzanian-German
Programme to Support Health (TGPSH), 19.03.2010.
220 Daniel Bendix & Aram Ziai
mit Verweis auf rückständige Geschlechterverhältnisse und irrationales
Verhalten – rassialisiert werden. Während „freie Wahl“ der Kinderzahl
propagiert wird, werden Tansanier_innen als irrational bewertet, wenn sie
nicht weniger Kinder haben oder „moderne“ Kontrazeptiva verwenden
wollen. Solches Verhalten wird mit fehlender Bildung erklärt, worauf mit
EZ-Maßnahmen reagiert wird. Deutsche Entwicklungspolitik (ebenso wie –
nicht zu vergessen – die Eliten Tansanias) ordnet also in paternalistischer
Manier die Wünsche der tansanischen Zielgruppen von EZ dem Ziel der
Reduzierung des Bevölkerungswachstums unter und legitimiert Interventio-
nen über die Rassialisierung von Tansanier_innen als „rückständig“. Dies
steht klar in Widerspruch zur UN-Frauenrechtskonvention (Convention on
the Elimination of All Forms of Discrimination against Women – CEDAW)
von 1979. Nicht zuletzt da niedrige Geburtenraten während der kolonialen
Besetzung Ostafrikas von den deutschen Kolonisator_innen ebenfalls mit
der angeblichen Rückständigkeit der Geschlechterverhältnisse begründet
wurden (Bendix 2016), wird deutlich, dass hier „durch koloniale Prozesse
konstruierte rassialisierte Formationen re-präsentiert und re-artikuliert“ wer-
den (Kothari 1996: 3). Somit kann in diesem Fall die Annahme rassistischer
Elemente im Entwicklungsdiskurs als bestätigt gelten.
In diesen Erkenntnissen weist die Darstellung des Falles deutscher
Bevölkerungspolitik in Tansania jedoch noch nicht über das oben refe-
rierte diskursive Rassismusverständnis, mithin über die Legitimation von
Ungleichbehandlung durch diskursive Konstruktionen, hinaus. Es konnte
lediglich festgestellt werden, dass Rassialisierung vollzogen wird und dies
materielle Praktiken nach sich zieht. Letztere bestehen in entwicklungspo-
litischen Interventionen in Form der Verbreitung von Kontrazeptiva auch
gegen den Willen von Tansanier_innen – nicht in der Form von Zwangsmaß-
nahmen, aber im Rahmen von „Aufklärungsprojekten“ unter Missachtung
oder zumindest Geringschätzung ihrer Selbstbestimmung. Dies bestätigt
die Annahmen, dass „trusteeship“ (Cowen & Shenton 1995), der „will to
improve“ (Li 2007) und „institutionalisierte Besserwisserei“ (Lepenies 2014)
historische Kontinuitäten der Entwicklungspolitik sind.
Eine über die bisherige Forschung hinaus gehende Vorgehensweise
im Sinne einer kombinierten Rassismusanalyse müsste jedoch die Ver-
schränkung von diskursiven und materiellen Faktoren, von Ideologien und
Interessen, genauer in Augenschein nehmen. Im vorliegenden Fall liegt
nahe, die Verknüpfung der diskursiven Konstruktionen in der deutschen
Gesundheits- und Bevölkerungspolitik mit der politischen Ökonomie des
Verhütungsmittelmarktes zu untersuchen. Die wirtschaftlichen Interes-
sen deutscher Pharma rmen und deren Zusammenspiel mit veränderten
Rassismusanalyse in der Entwicklungsforschung … 221
bevölkerungspolitischen Ideologien hat erst kürzlich einer von uns in einem
anderen Heft dieser Zeitschrift analysiert (Bendix & Schultz 2015).
Eine nähere Betrachtung der tatsächlichen Versorgung Tansanias mit
Kontrazeptiva zeigt, dass deutsche Unternehmen einen beträchtlichen
Anteil an diesem Markt für sich beanspruchen. So gelangen Kontrazeptiva
deutscher Provenienz beispielsweise über das Medical Stores Department
(MSD), einer für die Versorgung von Medikamenten und medizinischem
Gerät verantwortlichen, autonomen Abteilung des tansanischen Gesund-
heits- und Sozialministeriums, nach Tansania.12 Die dafür notwendigen
Finanzmittel werden vom so genannten Health Basket der tansanischen
Regierung bereitgestellt, durch den alle großen „Geber“, inklusive Deutsch-
land (über die KfW – Kreditanstalt für Wiederaufbau), ihre „Entwicklungs-
hilfe“ schleusen. Darüber hinaus versorgen UNFPA und USAID Tansania
separat mit Kontrazeptiva.13 Ein großer Teil der durch „Geber“ nanzierten
Kontrazeptiva, die kostenlos in tansanischen Gesundheitseinrichtungen
bereitgestellt werden, stammten von Bayer HealthCare.14 2010 gewann
Bayer die Ausschreibung, um USAID mit der Antibabypille Microgynon
zu versorgen.15 Bayer HealthCare ist insgesamt führend, was die Bereitstel-
lung hormoneller Verhütungsmittel für das öffentliche Gesundheitssystem
Tansanias angeht (v.a. durch das Implantat Jadelle, die Pillen Microgynon
und Microlut und die Dreimonatsspritze Noristerat). Weiterhin waren die
deutschen Firmen Fresenius und HELM zum Zeitpunkt der Forschung in
den Absatz der Dreimonatsspritze Petogen-Fresenius involviert. HELM
hat auch das MSD mit Kondomen beliefert. Die Dreimonatsspritzen, die
von der im Bereich „social marketing“ von Familienplanung führenden
NRO Population Services International (PSI) vertrieben werden, werden
ebenfalls von Fresenius produziert und von HELM vermarktet (die KfW
hat PSI explizit nanziell gefördert, um der Organisation den Bezug von
pharmazeutischen Kontrazeptiva zu ermöglichen). Auch wenn es ange-
sichts unterschiedlicher „Geber“ und Kanäle quasi unmöglich erscheint,
de nitive quantitative Informationen über die Anteile deutscher Firmen am
Kontrazeptiva-Markt Tansanias zutage zu fördern, lässt sich doch feststellen,
dass deutsche Pharmaunternehmen einen großen Anteil am Absatz der zwei
hauptsächlich Anwendung ndenden Arten von Kontrazeptiva haben, da
Dreimonatsspritzen und orale Kontrazeptiva zwei Drittel aller benutzten
12 Interview 48, Verantwortlicher für Logistik im Headquarter von MSD, Tansania, 22.7.2010.
13 E-Mail-Kommunikation mit einem Repräsentanten von John Snow, Inc. (JSI), Tansania,
21.7.2010.
14 ebd.
15 ebd.
222 Daniel Bendix & Aram Ziai
„modernen“ Verhütungsmittel ausmachen (National Bureau of Statistics &
ICF Macro 2010).
Doch es gibt noch weitere Praktiken der EZ, die mit ökonomischen
Interessen deutscher Pharmaunternehmen (und indirekt mit den darge-
stellten Konstruktionen der Gesundheits- und Bevölkerungspolitik) in
Zusammenhang stehen. In Partnerschaft mit USAID hat Bayer HealthCare
2010 die Contraceptive Security Initiative ins Leben gerufen, um orale
Kontrazeptiva in Tansania und weiteren zehn afrikanischen Ländern für
wohlhabendere Bevölkerungsschichten im privaten Markt zu etablieren.
Die Pille Microgynon Fe ist als vergünstigtes Originalpräparat seit 2010
in Äthiopien, seit 2011 in Uganda und seit 2014 in Tansania zu haben.
Nach Bayer hat die „sich in diesen Ländern bildende Mittelschicht […]
somit auch die Möglichkeit, nanzielle Verantwortung für die eigene
Familienplanung zu übernehmen“ (Bayer AG 2011: 15). Diese Zielgruppe
wird in den Ländern des Globalen Südens immer mehr ins Auge gefasst,
oftmals mit umfassender Unterstützung öffentlicher Geldgeber. USAID
nanziert sowohl das länderspezi sche Informationsmaterial, das von
Bayer bereitgestellt wird, als auch das entsprechende „social marketing“
zur Familienplanung. Die Contraceptive Security Initiative stellt nach
Bayer HealthCare „einen neuen strategischen Ansatz und einen innovati-
ven Weg zur Erschließung der Märkte in Entwicklungsländern dar“ (Bayer
HealthCare 2011). Im Anschluss an den „Familienplanungsgipfel“ 2012
in London, bei dem beschlossen wurde, bis zum Jahr 2020 zusätzlichen
120 Millionen Menschen im Globalen Süden Zugang zu Information,
Diensten und Waren rund um Familienplanung zu verschaffen, rief Bayer
HealthCare darüber hinaus 2012 zusammen mit (u.a.) der britischen und
US-Regierung sowie der Bill & Melinda Gates Foundation das Jadelle
Access Program ins Leben (Schultz & Bendix 2015). In diesem Kontext
vereinbarten Bayer und die Bill & Melinda Gates Foundation, 27 Millio-
nen Stück des von Bayer vertriebenen Verhütungsimplantats Jadelle über
sechs Jahre hinweg für einen von 18 US$ auf 8,50 US$ reduzierten Preis
pro Implantat für entwicklungspolitische Maßnahmen (auch in Tansania)
zur Verfügung zu stellen. Mit dieser Initiative und einer Preisreduzierung
von Jadelle um fünfzig Prozent hat Bayer HealthCare mit Hilfe öffentlicher
Entwicklungshilfegelder und der Gates-Stiftung ihr Produkt angesichts des
bis dato günstigeren Sino-Implant (II) (hergestellt von Shanghai Dahua
Pharmaceuticals) wieder wettbewerbsfähig gemacht. Kürzlich kündigte
Bayer an, das Programm bis 2023 zu verlängern. Durch die breite Ver-
marktung von Produkten in Kontrazeptiva-Märkte des Globalen Südens
vorzudringen ist lukrativ. So geht ein Marktinsider davon aus, dass sich in
Rassismusanalyse in der Entwicklungsforschung … 223
Tansania innerhalb von fünf Jahren die Ausgaben für Kontrazeptiva verdop-
peln werden.16 Transparency Market Research (2014) nimmt einen Wert des
globalen Kontrazeptiva-Markts in Höhe von US$ 15,7 Mrd. im Jahr 2013
an und prognostiziert dessen Steigerung auf US$ 19,6 Mrd. im Jahr 2020,
was einer Wachstumsrate von jährlich 3,1 Prozent von 2014 bis 2020 ent-
spräche. Die Pharma-Kampagne der Bundeskoordination Internationalismus
(BUKO) wertet die Contraceptive Security Initiative entsprechend auch als
„Marketinginstrument, um Bayers Position als Weltmarktführer für orale
Kontrazeptiva und auch die Marktstellung im Bereich Frauengesundheit zu
verteidigen“ (BUKO Pharma-Kampagne 2014: 40). Das gleiche lässt sich
über das Jadelle Access Program sagen.
Es lässt sich somit ein offensichtliches und direktes ökonomisches Inter-
esse deutscher Unternehmen an einer geburtenreduzierenden reproduktiven
Gesundheits- und Bevölkerungspolitik in Tansania identi zieren. Die dis-
kursive Konstruktion der tansanischen Frauen durch Entwicklungspolitik
und die damit begründeten Praktiken der Verbreitung von Verhütungsmitteln
stehen hiermit im Einklang und stützen sich gegenseitig. Die Feststellung
eines Zusammenspiels von Repräsentation sowie ökonomischen Strukturen
und Interessen soll weder suggerieren, dass Pharmaunternehmen rassis-
tische Narrative intentional und strategisch einsetzen, um ökonomisch
Pro t zu generieren, noch dass Entwicklungsexpert_innen in ähnlicher
Weise agieren, um ihre Präsenz im Sinne institutioneller Selbsterhaltung
zu legitimieren. Vielmehr wurde in den Interviews deutlich, dass sowohl
Vertreter_innen von Pharmaunternehmen wie in der EZ Tätige von ihren
Perspektiven gänzlich überzeugt waren und glaubwürdig altruistische
Motivationen vermittelten. Inwiefern eigene Interessen so internalisiert
werden, dass sie den Beteiligten als allgemeingültig erscheinen, können
wir hier nicht weiter ergründen.
Festzustellen ist allerdings, dass es in den letzten Jahren Veränderungen in
der deutschen EZ gab, so dass der Dimension der Außenwirtschaftsförderung
mehr Gewicht eingeräumt wurde. Unter Leitung des BMZ durch Minister
Niebel wurde wirtschaftliches und politisches Eigeninteresse als Motivation
für Entwicklungspolitik hierzulande wieder offensiver vorgetragen (German
Federal Foreign Of ce 2011; Kuhn 2011). Entwicklungsminister Niebel
brachte dies auf den Punkt:
„Wenn wir kluge Entwicklungspolitik betreiben, nehmen wir Geld für Deutsch-
land ein. Mit jedem Euro Entwicklungszusammenarbeit ießen langfristig
16 E-Mail-Kommunikation mit einem Repräsentanten von John Snow, Inc., Tansania,
21.7.2010; vgl. Kuumba 1999.
224 Daniel Bendix & Aram Ziai
zwei Euro zurück zu uns. […] Es ist deutlich billiger, mit friedlichen Ländern
Handel zu führen, als feindliche zu bekriegen.“
17
Man fragt sich, wie sich diese außenpolitische Präferenzsetzung verändern
würde, wenn es billiger wäre, mit anderen Ländern Krieg zu führen. Implizit
wird das hier konstruierte nationale Interesse deutlich, „Entwicklungsländer“
in den globalen Kapitalismus bzw. den Welthandel zu integrieren. Hier spielt
auch der Bereich der reproduktiven Gesundheits- und Bevölkerungspolitik
eine Rolle. So verneinte ein für diesen Bereich verantwortlicher Referent
im BMZ zwar direkte ökonomische Interessen, machte aber einen größeren
Zusammenhang auf:
„Ich glaube, es wird einfach klar, dass das [sexuelle und reproduktive Gesund-
heit und Rechte] ein Baustein ist, um funktionierende, langfristig funktionie-
rende Gesellschaften zu schaffen. Na, und da kommt man an dem Thema nicht
vorbei. […] Also hier ist natürlich schon so die Sache, wir haben Interesse
an stabilen Ländern, an stabilen Partnern, ja, ich meine, da wird’s, da ist ’ne
wirtschaftliche Kooperation, das Angebot kommt schnell, ne. Ich meine, die
Länder, die funktionieren, wo, wo dann die Menschen auch Kaufkraft haben,
das wird letztlich in ’ner langen Wirkungskette auch dem Ex-, Noch-Export-
Weltmeister zugutekommen.“
Reproduktive Gesundheits- und Bevölkerungspolitik wird hier in den
Kontext der Schaffung „funktionierender Gesellschaften“ gestellt. Hohes
Bevölkerungswachstum wird in den Interviews und beim BMZ (2014)
assoziiert mit Chaos, unberechenbaren arbeitslosen jungen Männern und
einer Überlastung sozialer Systeme, ökologischer Rahmenbedingungen
und ökonomischer Ressourcen. Funktionierende Gesellschaften hingegen
werden konzipiert als solche, die hohen Anteil am Konsum kapitalistisch
produzierter Güter haben und aufgrund ihrer politischen und ökonomischen
„Stabilität“ Investitionssicherheit für ausländische Unternehmen bereitstel-
len. An letzteren hat Deutschland in dieser Sichtweise Interesse und stellt
seine Bemühungen, Tansanias Bevölkerungswachstum einzudämmen, in
diesen Kontext. Allerdings stellt diese erwähnte „lange Wirkungskette“
eher die Konstruktion eines indirekten außenwirtschaftlichen Interesses
der BRD dar.
Hier ist, gerade weil es selbstverständlich erscheint, wichtig zu erwäh-
nen, dass die ökonomischen und politischen Machtverhältnisse zwischen
Deutschland und Tansania so beschaffen sind, dass Deutschland im Rah-
men von Entwicklungs- und Bevölkerungspolitik zwar in die tansanische
17 http://www.bild.de/politik/inland/dirk-niebel/bild-interview-mit-entwicklungsminister-
29354560.bild.html; letzter Aufruf: 27.6.2017.
Rassismusanalyse in der Entwicklungsforschung … 225
Gesellschaft eingreifen kann, ein umgekehrtes Eingreifen – beispielsweise,
um die sozialökologisch verantwortungslose „imperiale Lebensweise“
(Brand & Wissen 2011) vieler deutscher Unternehmen und Individuen, die
keine Rücksicht auf Mensch und Natur weltweit nimmt, oder womöglich
sogar die Anzahl dieser Menschen einzudämmen – aber undenkbar ist. Dies
hat mit der ungleichen Eingliederung in den globalen Kapitalismus zu tun.
An der historischen „Unterentwicklung“ (Rodney 1975) und Ausbeutung
Tansanias hatte Deutschland, nicht zuletzt durch direkte Kolonialherrschaft
über „Deutsch-Ostafrika“, durchaus einen gewissen Anteil. So kann ver-
einfacht gesagt werden, dass aufgrund einer Geschichte ökonomischer und
politischer Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisse Deutschland über
vielfältige Ein ussmöglichkeiten in anderen Ländern sowie auf globaler
Ebene verfügt und somit im Zentrum des kapitalistischen Weltsystems ein-
geordnet werden kann, Tansania aufgrund seiner beschränkten Handlungs-
und Ein ussmöglichkeiten in der Peripherie.
Aus der Sicht einer kombinierten Rassismusanalyse wird deutlich:
deutsche Bevölkerungspolitik in Tansania ist gekennzeichnet durch ein
Zusammenspiel diskursiver Rassialisierung von Tansanier_innen in der EZ
mit materiellen Praktiken, die verknüpft sind mit direkten ökonomischen
Interessen deutscher Unternehmen sowie indirekten außenpolitischen
Interessen der deutschen Regierung. Dem zugrunde liegt die historische,
durch Rassismus und Kolonialismus geprägte asymmetrische Einbindung
der beiden Länder in den globalen Kapitalismus, die durch rassialisierte
Repräsentationen und Praktiken weiter verfestigt wird. Aufgrund der analy-
tischen Trennung mag es nun so erscheinen, als seien diskursive Ebene und
die Materialität der außenpolitischen bzw. -wirtschaftlichen Interessen der
Bundesregierung sowie der pharmazeutischen Privatwirtschaft zwei gänzlich
voneinander getrennte Sphären. Wie oben bereits angedeutet, kann es nicht
darum gehen, dem einen oder dem anderen mehr Bedeutung zuzuweisen
oder gar das Primat im Ökonomischen, Politischen oder Kulturellen aus-
zumachen. Vielmehr gilt es, deutsche Interventionen in die Bevölkerung in
Tansania als einen Machtkomplex zu begreifen (und zu kritisieren), in dem
diskursive Rassialisierung, die als kolonial geprägtes, historisch tradiertes
Wissen jederzeit aufrufbar ist, ökonomische und politische Ungleichheit
sowie privatwirtschaftliche Interessen sich gegenseitig konsolidieren.
Schlussfolgerung
Unser Fazit ist, dass, um Rassismus in seiner Wirkmächtigkeit und seinem
Ausmaß zu verstehen, über die diskursiven Rassialisierungen hinaus den
226 Daniel Bendix & Aram Ziai
praktischen Auswirkungen, (direkten und indirekten) ökonomischen und
politischen Interessen und insgesamt den „rassialisierten Mustern globaler
Akkumulation, die diese diskursiven Repräsentationen stützen und durch
sie aufrechterhalten werden” (Wilson 2012: 208), mehr Aufmerksamkeit
geschenkt werden sollte. Diese kombinierte Rassismusanalyse haben wir
hergeleitet aus der Betrachtung rassismuskritischer Arbeiten innerhalb der
Entwicklungsforschung und empirisch angewendet auf den Fall des ent-
wicklungspolitischen Feldes der deutschen reproduktiven Gesundheits- und
Bevölkerungspolitik in Tansania. In einem kritischen Verständnis hat die
Entwicklungsforschung die Ursachen und Folgen globaler Ungleichheit zum
Thema (weswegen eher von globaler Ungleichheitsforschung gesprochen
werden sollte) und ist damit besonders dafür geeignet, auf das historische
Gewordensein und den politikökonomischen Nährboden gegenwärtiger
diskursiver Rassialisierung bzw. das Zusammenspiel von Materiellem und
Repräsentation zu fokussieren. Der Beitrag der globalen Ungleichheits-
forschung für die Untersuchung des Phänomens Rassismus ist demnach,
diesen als Teil fortwirkender kolonialer globaler Verhältnisse zu begreifen,
der die Interaktion von diskursiven wie materiellen Dimensionen umfasst.
Allerdings gibt es auch in der globalen Ungleichheitsforschung noch
das Forschungsdesiderat, die sogenannten entwickelten Länder und deren
innergesellschaftliche Situation rassismuskritisch in den Blick zu nehmen.
Hier bietet es sich beispielsweise an, die Verbindung von „overdevelop-
ment“ (Power 2006) oder „imperialer Lebensweise“ (Brand & Wissen 2011)
mit innergesellschaftlichen und globalen rassialisierten Repräsentationen
sowie politikökonomischen Machtungleichheiten zu untersuchen. Die
deutsch sprachige Politikwissenschaft könnte auch jenseits der Entwick-
lungsforschung von einer Herangehensweise im Sinne einer kombinierten
Rassismusanalyse pro tieren. In der Friedens- und Kon iktforschung kann
herausgearbeitet werden, wie die Anwendung unterschiedlicher Waffen-
techniken bzw. Kriegsführung (Kleinwaffen versus hochtechnologisiertes,
quasi entmenschlichtes Kriegsgerät), die mit der ökonomischen Stärke von
Nationalstaaten korrelieren, mit der Darstellung von Gesellschaften als
„barbarisch“ oder „zivilisiert“ zusammenwirken (vgl. Biswas 2001). Die Ver-
gleichende Politikwissenschaft könnte fragen, wie eine ungleiche Einbindung
in den globalen Kapitalismus und entsprechende Ungleichgewichte – nicht
zuletzt in der Wissenschaft selbst – mitentscheiden, welche epistemischen
Brillen angelegt werden, um Staaten als autoritär oder undemokratisch zu
kategorisieren (vgl. Comaroff & Comaroff 2012, Kap. 5). In der Politischen
Theorie bzw. Ideengeschichte könnte sich aus der von uns hier vorgeschla-
genen Perspektive mit den für die westliche Welt grundlegende Ideen von
Rassismusanalyse in der Entwicklungsforschung … 227
Gesellschaftsverträgen (Hobbes, Locke, Rousseau und Kant) beschäftigt
werden. Hier könnte gefragt werden, welche Rolle materielle Herrschafts-
interessen und tatsächliche Machtungleichgewichte dafür spielten, dass diese
wichtigen Staats- und Demokratietheoretiker gleichzeitig eine dichotome,
rassialisierte Weltsicht begründeten, nach der es auf der einen Seite verrecht-
lichte Beziehungen unter Weißen sowie Institutionen für Weiße gibt und auf
der anderen Seite den barbarischen „Rest“ – und wie es um das Fortwirken
eines entsprechenden Denkens und Handelns in der zeitgenössischen Poli-
tischen Theorie bestellt ist (vgl. Anievas u.a. 2015; Buck-Morss 2011). In
konstruierender Manier könnte demgegenüber über nicht-westliche bzw.
anti-koloniale Versuche, Gesellschaften tatsächlich demokratisch und nicht-
rassistisch zu begründen, geforscht werden, etwa in Zusammenhang mit der
haitianischen Revolution oder in Quilombos in Brasilien.
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Anschrift der Autoren:
Daniel Bendix Aram Ziai
danyellow@posteo.de ziai@uni-kassel.de
... Supported by the assumption that the Global South is "overpopulated" -although people in the Global North consume many times more resources -there is often a disregard for women's rights, under the banner of poverty reduction: through financial incentives to sterilise impoverished women, long-term contraceptives (banned in Europe) with unpredictable side effects, or through the aim of teaching women to have fewer children and branding their desire to have children as backward, irrational or irresponsible. An instrumentalisation of development cooperation through foreign trade is found in the partnerships with the pharmaceutical industry (and conservative nongovernmental organisations [NGOs] like the Deutsche Stiftung Weltbevölkerung [German Foundation for World Population]), which result in development cooperation funds being used to finance contraceptives from BayerHealthCare or Fresenius (Bendix/Schultz 2015Schultz 2006;Bendix/Ziai 2017). ...
Article
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Auf der Grundlage von Kwame Nkrumahs Definition von Neokolonialismus untersucht der Beitrag Praktiken in der globalisierten Ökonomie aus den Bereichen Verschuldung, Strukturanpassung, Entwicklungszusammenarbeit und Landwirtschaft sowie die zentralen Institutionen der globalen politischen Ökonomie (Weltbank, IWF, WTO). Er kommt zu dem Schluss, dass die Kontrolle der Wirtschaft durch ausländische Akteure in der heutigen Wirtschaft ein häufig auftretendes Phänomen ist. Diese Akteure sind aber nicht notwendigerweise identisch mit früheren Kolonialmächten.
Article
Rather than only learning about inequality in the development studies classroom, students of colour from the Global South studying in the Global North also live it outside of university. This paper explores to what extent students experience racism in the low-wage sector in German to reflect on consequences for development studies programmes. It provides evidence of how students experience the interrelationship of bordering/migration regimes, exploitation in the low-wage sector, and everyday racism. The exploration finds that students face everyday racism both physically and emotionally. Second, they witness racialisation in the segmentation of the workforce. Third, they live racialised inequality through jobs that do not conform to their level of education or class position in their homelands. Recognising their students’ racialised experiences outside the university calls for development studies programmes to centre engagements on race, to focus on the relationship between racism and socioeconomic processes in the Global North, and to assume an antiracist responsibility towards students.
Article
Full-text available
This paper investigates how colonial power is rearticulated in policy and practice of German development cooperation in Tanzania. Drawing on archives and interviews, it analyses the emergence of interventions with regard to population control and reproductive health during Germany’s colonisation of ‘German East Africa’ and compares these interventions to present-day German development assistance in Tanzania. While German policies during colonial rule addressed ‘underpopulation’ and contemporary German development aid stresses population growth to be the problem, this paper finds that racialised, gendered discourses are interconnected with the political economy of population control in both periods. It highlights that colonial power in development cooperation can only be fully comprehended by tracing the continuity of colonial discourses to material practices as well as economic interests of the Global North, and argues that critique of population politics should address population control in general – whether anti- or pro-natalist – as imbued with racism and serving the interests of capital. Such a perspective might allow us to be sensitive to possible future developments in population and reproductive health policy towards the Global South, in which antinatalist (regarding marginalised people) and pronatalist (regarding privileged people) policies run concurrently, as is the case in countries of the Global North today.
Chapter
Dieser Band steht für ein Programm, das die Relevanz postkolonialer Theorien für die Soziologie aufzeigt. Er bringt die aktuellen Diskussionen zum Thema aus Kultur-, Migrations- und Geschlechtersoziologie mit dem Ziel zusammen, nicht nur die Grundbegriffe und zentralen Theorien im disziplinären Kontext, sondern auch ihre gesellschaftspolitischen Implikationen vor dem Hintergrund einer postkolonialen Perspektive zu überdenken. Die vorwiegend aus dem Fach stammenden Beiträge gehen dabei sowohl theorie-systematisch wie empirisch vor, um die postkoloniale Perspektive in der Soziologie nachhaltig zu verankern.
Book
Beim Thema Rassismus denkt man hierzulande an jugendliche Gewalttäter oder unverbesserliche Neonazis. Doch die meisten Einwanderer haben mit Extremismus kaum eigene Erfahrungen. Was sie kennen, sind permanente, kleine Erlebnisse, in denen ihnen klar gemacht wird, dass sie keine Deutschen sind und dass sie woanders hingehören. In diesem Buch geben Migranten zweiter Generation Auskunft über diesen ganz banalen Rassismus. Sie erzählen, warum für sie Fragen wie »Woher kommen Sie?« oder »Sie sprechen aber gut Deutsch!« nicht nur naive Neugierde oder freundliches Lob bedeuten. Rassismus ist eben der Apparat, der Menschen systematisch zu »Fremden« macht.
Book
Geschlecht und Staatsbürgerschaft markieren Linien des Ein- und Ausschlusses auch in der deutschen Gesellschaft. Im Sammelband werden Aspekte des Zusammenwirkens von rassistischen und sexistischen Diskriminierungen diskutiert und nach Perspektiven nicht-diskriminierender Solidarität in Wissenschaft und politischer Praxis gefragt. Hierzu kommen Wissenschaftlerinnen, Praktikerinnen und ExpertInnen aus den Bereichen feministische Theorie, Frauenbewegung, Anti-Diskriminierungsarbeit und Interkulturalität zu Wort. Sie beschäftigen sich dabei u.a. mit den Themen: Vorurteile bei der Arbeit, Bevölkerungspolitik, Frauenhandel, Asyl, Integrationspolitik, Konstruktion von Geschlecht und Ethnizität und vor allem mit möglichen Wegen, "ohne Angst verschieden sein..." zu können.
Book
This book uses political and socio-anthropological theory to examine the relationship between power, interest, and agency within population and family planning discourse across Africa, with particular emphasis on case studies from Tanzania.