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Der Markt für Mittelstandsanleihen - eine Diagnose
Andreas Schüler*)/ Florian Aschauer**)
Working Paper, Universität der Bundeswehr München.
Später in korrigierter Fassung veröffentlicht als:
Der Markt für Mittelstandsanleihen – eine Diagnose (2017), in: Zeitschrift für Bankrecht und
Bankwirtschaft/Journal of Banking Law and Banking, 29. Jg., S. 206-221.
Bitte die veröffentlichte Version zitieren.
Der Beitrag analysiert den Einfluss von Ausstattungsmerkmalen (Spread, Covenants und
Sicherheiten) und Ratings bei Emission auf die Indikatoren des Erfolgs sämtlicher bis Ende
2016 emittierter Mittelstandsanleihen (Platzierungsquote, Rating-Entwicklung und
Ausfallrate) differenziert nach Branche und verkündetem Emissionsmotiv. In unserer
Untersuchung unterscheiden wir zwischen besicherten und unbesicherten Mittelstandsanleihen
und bestätigen die Bedeutung von Sicherheiten für Gläubiger. Durch einen Vergleich der
Entwicklung von nicht-ausgefallenen und ausgefallenen Anleihen versuchen wir diejenigen
Ausstattungsmerkmale zu identifizieren, die Aufschluss über den Eintritt eines
Ausfallereignisses geben könnten.
*) Universitätsprofessor, Dr. rer. pol., Professur für Finanzwirtschaft und Finanzdienstleistungen,
Universität der Bundeswehr München.
**) B. Sc., wissenschaftliche Hilfskraft an der Professur für Finanzwirtschaft und Finanzdienstleistungen,
Universität der Bundeswehr München.
Inhaltsverzeichnis
I. Problemstellung ............................................................................................................................... 1
II. Der Markt für Mittelstandsanleihen im Überblick .......................................................................... 2
III. Anleihecharakteristika und deren Relevanz zur Differenzierung .................................................... 5
1. Rating ........................................................................................................................................... 5
1.1. Überblick.............................................................................................................................. 5
1.2. Ein genauerer Blick auf die Ausfallwahrscheinlichkeiten .................................................... 6
2. Spread .......................................................................................................................................... 8
3. Covenants .................................................................................................................................. 10
4. Sicherheiten ............................................................................................................................... 13
IV. Einfluss von Branchenzugehörigkeit, Aufnahmegrund, Spread, Erst-Rating, Covenants und
Sicherheiten auf den Emissionserfolg, Folgerating und Ausfallrisiko ............................................ 16
1. Branche ...................................................................................................................................... 16
2. Angekündigtes Emissionsmotiv ................................................................................................. 18
V. Folgerungen ................................................................................................................................... 20
1
Der Markt für Mittelstandsanleihen - eine Diagnose
I. Problemstellung
Seit 2010 gibt es Segmente an deutschen Börsen, die dem Handel von Mittelstandsanleihen
gewidmet sind. Im Laufe der Jahre haben mittelständische Unternehmen dort durch Emission
von Anleihen rund 7 Mrd. an Fremdkapital eingesammelt. Damit tat sich beginnend in den
Nachwehen der Finanzkrise eine Möglichkeit zur Außenfinanzierung an Börsen auf, die
kapitalsuchende mittelständische Unternehmen und kapitalbietende Investoren nutzten. Bei
rund einem Drittel der Emissionen trat mittlerweile ein Ausfallereignis ein. Dies löste in den
entsprechend ausgeflaggten Börsensegmenten Restrukturierungsbedarf aus. Mehr noch, diese
noch relativ neue Außenfinanzierungsquelle droht zu versiegen, auch da Kapitalgeber - wie
Herrmann (2017) bestätigt, waren dies ganz überwiegend private Investoren – herbe Verluste
zu erleiden hatten.
In Schüler/Kaufmann (2014) hatten wir uns bereits mit dem Markt für Mittelstandsanleihen
beschäftigt. Unser Untersuchungszeitraum endete im zweiten Quartal 2013. Wie wir nun
wissen, ging es danach, was die Emissionszahl und –volumen betrifft, bergab. Auch die damals
zunehmende Vereinbarung von Covenants und Sicherheiten hat dies nicht verhindert.
Die Literatur zu Mittelstandsanleihen war zunächst geprägt durch beratungsinduzierte,
unkritische Beiträge sowie erste empirische Analysen zur Performance dieser Anleihen
(Cezanne et al., 2013; Kammler/Röder, 2013; Schiereck et al., 2013). Seither sind einige
empirische Beiträge erschienen, von denen sich einige kritisch mit Ausstattungsmerkmalen wie
dem Kupon bzw. dem Spread (Schöning, 2014) oder der Qualität der vereinbarten Covenants
und Sicherheiten (Drießlein/Wolf, 2014) auseinandersetzen. Jüngere Beiträge analysieren den
Einfluss der Liquidität des Handels in Mittelstandsanleihen und anderer Variablen auf den
Spread (Utz et al., 2016), die Investorenstruktur (Herrmann, 2017) oder ausgehend von einer
kritischen Einschätzung der Ratings die Relevanz des Underpricings bei Emission als
Bonitätsindikator (Mietzner et al., 2016).
Wir legen eine Fortsetzung unserer Studie vor, um zum einen zu prüfen, ob sich in der
Zwischenzeit Änderungen in zentralen Ausstattungsmerkmalen der Anleihen wie Spread,
Covenants und Sicherheiten ergeben haben. Dabei erweitern wir das Analysespektrum um die
Emissionsmotive und die Branchenzugehörigkeit. Zum anderen wollen wir uns weiter damit
auseinandersetzen, was erfolgreiche von nicht-erfolgreichen Mittelstandsanleihen trennt. Als
Erfolgsindikatoren dienen uns – dem idealen Lebenszyklus einer Anleihe folgend – der
2
Platzierungserfolg, die Stabilität des Ratings nach Emission und schließlich insbesondere, dass
kein Ausfallereignis eintritt. Wir definieren ein Ausfallereignis als eine nicht vollständige
Erfüllung der Zins- und/oder Tilgungsverpflichtungen. Dies schließt den Antrag auf Eröffnung
eines Insolvenzverfahrens mit ein.
Wir setzen unseren Beitrag fort mit einem Überblick über den Markt (Abschnitt II), bevor wir
uns intensiv mit den Ausstattungsmerkmalen und Erfolgsindikatoren aller zwischen 2010 und
Ende 2016 emittierten 132 Anleihen beschäftigen (Abschnitt III). In Abschnitt IV
differenzieren wir unsere Ergebnisse nach Branchen (Abschnitt IV.1) und Emissionsmotiv, d.h.
der bei Emission verkündeten geplanten Verwendung des Emissionserlöses (Abschnitt IV.2).
In Abschnitt V fassen wir unsere Folgerungen zusammen. Wir haben in unserem Datensatz alle
bislang emittierten Anleihen erfasst und können daher detailliert über die
Ausstattungsmerkmale und Erfolgsindikatoren berichten. Unsere Ergebnisse sind für die
Marktteilnehmer, also v.a. kapitalsuchende Unternehmen, Investoren und Börsenbetreiber, von
Interesse. Wir glauben, dass sie für die Hypothesenformulierung und Variablenidentifikation
und –definition in künftigen empirischen Studien nützen.
II. Der Markt für Mittelstandsanleihen im Überblick
Beginnend im Mai 2010 sind an deutschen Börsen dem Handel von Mittelstandsanleihen
gewidmete Segmente entstanden (Tabelle 1). Für die folgende Analyse sind sämtliche Anleihen
berücksichtigt und als Mittelstandsanleihen klassifiziert worden, die in den genannten
Segmenten gehandelt werden bzw. wurden.1
Börse Segment
Börse Stuttgart
Bondm
Börse Düsseldorf
Der Mittelstandsmarkt
Börse Frankfurt
Entry Standard
Börse München
m:access bonds
Börse Hamburg-Hannover
Mittelstandsbörse
Deutschland
Tabelle 1: Übersicht über die relevanten Börsensegmente
Der Entry Standard der Börse Frankfurt hatte sich als Marktführer etabliert, wurde aber nach
Ende des Untersuchungszeitraums ersetzt durch das Segment Scale. Die übrigen
Handelssegmente spielen aufgrund der geringen Anzahl gelisteter Anleihen sowie der kaum
1 Zusätzlich berücksichtigen wir eine Anleihe der Adler Real Estate AG, die im Prime Standard emittiert wurde.
Der Prime Standard ist in der Regel ein Handelssegment für größere Unternehmen. Da aber bereits zwei andere
Anleihen der Adler Real Estate AG im Entry Standard der Börse Frankfurt gelistet sind, wurde diese weitere
Anleihe der Vollständigkeit halber aufgenommen.
3
vorhandenen Neuemissionen nur noch eine kleine Rolle. Der Mittelstandsmarkt der Börse
Düsseldorf wurde geschlossen; am Bondm wurde die letzte Mittelstandsanleihe im Juni 2013
und im m:access bonds im Juli 2015 emittiert.
Unsere Untersuchung deckt den Zeitraum 2010-2016 vollständig ab und beinhaltet alle in
diesem Zeitraum begebenen 132 Mittelstandsanleihen. Zentrale Datengrundlage sind die
zugehörigen Emissionsprospekte. Später erfolgte Aufstockungen einer bereits emittierten
Anleihe haben wir dem Quartal, in dem aufgestockt wurde, zugeordnet. Anknüpfend an
Schüler/Kaufmann (2014) haben wir den Untersuchungszeitraum verlängert und damit die
Stichprobe deutlich vergrößert.2
Quartal
1Q
2010
3Q
2010
4Q
2010
1Q
2011
2Q
2011
3Q
2011
4Q
2011
1Q
2012
2Q
2012
3Q
2012
4Q
2012
1Q
2013
Platzierungsquote
100%
100%
81%
87%
87%
77%
76%
91%
66%
86%
92%
100%
2Q 2013
3Q
2013
4Q
2013
1Q
2014
2Q
2014
3Q
2014
4Q
2014
2Q
2015
4Q
2015
1Q
2016
2Q
2016
3Q
2016
4Q
2016
73%
82%
97%
100%
63%
91%
88%
100%
57%
50%
75%
85%
100%
Abbildung 1: Emissionsvolumen in Millionen Euro und Anzahl der Emissionen je Quartal (132 Emissionen zuzüglich
25 Aufstockungen)
Die untersuchten Anleihen weisen ab Emission eine durchschnittliche, geplante Laufzeit von
5,1 Jahren (Median: 5,0) auf. Insgesamt wurden 6,06 Milliarden Euro an Fremdkapital zu einem
2 Vgl. Schüler/Kaufmann (2014), S. 69-79. Wir haben zudem die Stichprobe etwas weiter gefasst als in diesem
Beitrag. Ausstattungsmerkmale wie Spread, Laufzeit, durchschnittliches Volumen entsprechen auch nach
Verdopplung des Analysezeitraums in etwa den in Schüler/Kaufmann (2014) berichteten Werten. Wir danken
Patrick Kaufmann, dem Koautor der ersten Studie, für die Mitarbeit an der lehrstuhleigenen Datenbank zu
Mittelstandsanleihen und seinen Beitrag zu der ersten Studie sowie Martin Geißler für seinen Beitrag beim Ausbau
dieser Datenbank.
1 (0)2 (0)
7 (1)
5 (0)
14 (0)
7 (0)
6 (0) 7 (1) 7 (1)8 (1)
11 (0)
6 (3)
24 (4)
11 (3)
8 (2) 7 (5) 6 (2)7 (2)
3 (2)
2 (0)
3 (0) 1 (0) 2 (0)3 (0) 1 (0)
0
5
10
15
20
25
30
0
100
200
300
400
500
600
700
800
900
Emissionsvolumen inkl. Aufstockung
Mittelwert des Emissionsvolumens inkl. Aufstockung
Anzahl an Emissionen (davon Aufstockungen)
4
durchschnittlichen Kupon von 7,22% (Median: 7,25%; Maximum: 11,5%; Minimum: 4,25%)
eingesammelt.
Gemäß Prospektangaben beträgt das geplante Emissionsvolumen 7,18 Mrd. Euro. Platziert
werden konnten demnach im gewichteten Durchschnitt 84,4% (ungewichtet 82,6%) des
angestrebten Volumens.3 Im Mittel wurden 45,9 Millionen Euro je Anleihe (Median: 30
Millionen Euro) aufgenommen; das durchschnittliche prospektierte Emissionsvolumen liegt bei
54,4 Mio. Euro je Anleihe. Die Emittenten nennen in den Prospekten Emissionskosten von
durchschnittlich 4,4% des geplanten Emissionserlöses. Insbesondere in 2013 und 2014 erfolgte
eine Reihe von Aufstockungen, über den gesamten Untersuchungszeitraum waren es 27. Die
Mittelstandsanleihen verteilen sich auf die Branchen Agrar & Rohstoffe (9), Dienstleistung
(17), Erneuerbare Energien (18), Handel (5), Immobilien (25), Konsumprodukte (17), Nahrung
& Genussmittel (8), verarbeitende Industrie (25) und Sonstige (8). Laut Prospektangaben sollen
die Emissionserlöse vorrangig der Finanzierung von Wachstumsvorhaben und der Ablösung
von Fremdkapital dienen.
Zahlreiche Ausfälle haben den Markt für Mittelstandsanleihen erheblich geschwächt. Wir
definieren ein Ausfallsereignis als eine nicht vertragskonform erfüllte Zins- und
Rückzahlungsverpflichtungen. Bis Ende 2016 haben die Emittenten von 38 Anleihen die
Eröffnung eines Insolvenzverfahren beantragt oder befinden sich im Insolvenzverfahren.
Weitere sieben Anleihen sind mit der Bedienung der Kapitalgeberansprüche in Verzug. Somit
liegt bei rund 34% der 132 Mittelstandsanleihen ein Ausfallereignis im eben definierten Sinne
vor.4 Wie Abbildung 1 veranschaulicht, wurde das Maximum des Volumens und der Anzahl
der Emissionen im zweiten Quartal 2013 erreicht. Danach nimmt die Emissionstätigkeit bei
zum Teil niedrigen Platzierungsquoten deutlich ab, geht gar gegen null.
Seit Ende unseres Untersuchungszeitraum haben zwei weitere Emittenten die Eröffnung eines
Insolvenzverfahrens beantragt.5 Die Rate steigt dann auf rund 35%. In unserem ersten Beitrag
haben wir bis zum zweiten Quartal 2013 eine Ausfallrate von 8,5% beobachtet.6 Zwar ist ein
Anstieg der Rate bei einer Verdopplung der Länge des Untersuchungszeitraums zu erwarten,
eine Vervierfachung der Rate zeigt aber an, dass zunehmend Bonitätsprobleme zutage getreten
3 Für später aufgestockte Anleihen berechnen wir die Platzierungsquote auf Basis der entsprechend aufsummierten
Volumina.
4 Im Beobachtungszeitraum haben 22 Unternehmen mindestens einmal aufgestockt. Davon sind fünf im Laufe der
Zeit ausgefallen, ein Anteil von 22,7%. Diese Ausfallrate ist deutlich geringer als die der gesamten Stichprobe von
34,1%.
5 Vgl. Rickmers Group (2017), René Lezard (2017). Die Anleihe der René Lezard GmbH wurde bereits in 2016
aufgrund des beschlossenen Gläubigerverzichts der Kategorie Ausfall zugeordnet.
6 Vgl. Schüler/Kaufmann (2014), S. 72.
5
sind. Das Bonitätsproblem der Mittelstandsanleihen spiegelt sich auch in der Entwicklung der
Ratings wieder. Häufig musste das Rating nach Emission nach unten korrigiert werden.
III. Anleihecharakteristika und deren Relevanz zur Differenzierung
1. Rating
1.1. Überblick
Ratings sind eine wichtige Informationsquelle unvollständig informierter Investoren. Ihre
Verlässlichkeit ist daher von großer Bedeutung. Die Ratings für Mittelstandsanleihen wurden
hauptsächlich von kleineren Agenturen, vorrangig Creditreform (rund 69% aller Anleihen),
Euler Hermes (rund 7%) und Scope (rund 7%), und zumeist für den Emittenten vergeben.7 16
Mittelstandsanleihen wurden nicht mit einem Rating versehen. Die Ratings bei Emission
verteilen sich wie folgt über die Rating-Klaviatur:
Investment Grade
Non-Investment Grade
A
A-
BBB+
BBB
BBB-
BB+
BB
BB-
B+
B
B-
kein Rating
2
4
8
20
15
20
23
14
4
4
2
16
Tabelle 2: Ratings bei Emission (Zahl Emissionen)
Um ein Verständnis dafür zu entwickeln, wie stabil die Ratings im Zeitablauf sind, stellen wir
deren Entwicklung in Tabelle 3 zusammen.8
Datum
Emission
Rating
bei
Emission
Rating
Ende
2010
Delta
(erstes
zu
letztem
Rating)
Rating
Ende
2011
Delta
(erstes
zu
letztem
Rating)
Rating
Ende
2012
Delta
(erstes
zu
letztem
Rating)
Rating
Ende
2013
Delta
(erstes
zu
letztem
Rating)
Rating
Ende
2014
Delta
(erstes
zu
letztem
Rating)
Rating
Ende
2015
Delta
(erstes
zu
letztem
Rating)
Rating
Ende
2016
Delta
(erstes
zu
letztem
Rating)
1Q 2010
BBB+
BBB+
0,00
BBB+
0,00
BB+
-3,00
D
-12,00
D
-12,00
D
-12,00
D
-12,00
3Q 2010
BBB
BBB
0,00
BBB
0,00
BBB
0,00
BBB-
-1,00
BB+
-2,00
BB-
-4,00
D
-11,00
4Q 2010
BB+
BB
-0,35
BB
-0,60
B
-3,35
CC
-6,60
D
-8,10
D
-8,10
D
-8,10
1Q 2011
BBB-
BBB-
0,25
CC
-7,50
CC
-8,75
CC
-8,75
CC
-8,75
D
-10,00
2Q 2011
BBB-
BBB-
-0,03
BB-
-2,30
B+
-3,27
B
-4,67
B-
-5,87
CC
-7,56
3Q 2011
BBB-
BBB-
0,00
BB+
-0,71
BBB-
-0,14
BB-
-3,57
B-
-5,89
CCC
-7,14
4Q 2011
BBB-
BBB-
0,00
BBB-
-0,40
BBB-
-0,20
BB-
-2,95
B-
-5,87
B-
-5,87
1Q 2012
BB+
BB+
0,00
BB
-1,20
B+
-3,20
B
-3,70
B
-3,95
2Q 2012
BB+
BB+
0,00
BB
-1,33
B+
-3,67
B
-4,00
CCC
-6,67
3Q 2012
BBB-
BBB-
0,00
BB+
-0,67
BBB-
-0,33
BB+
-0,50
B
-4,60
4Q 2012
BBB-
BBB-
-0,08
BB
-1,83
B+
-4,58
B
-5,46
CCC
-7,46
1Q 2013
BB
BB
0,00
BB-
-1,00
BB-
-1,00
B
-3,33
2Q 2013
BB
BB
-0,15
BB-
-1,38
B+
-2,39
B
-3,61
3Q 2013
BB+
BB+
0,14
BB-
-1,43
BB-
-1,86
B
-3,86
4Q 2013
BB
BB-
-0,50
B+
-2,25
BB-
-1,20
B+
-1,50
1Q 2014
BB+
-1,41
BB+
0,00
BB
-0,50
CC
-6,50
2Q 2014
BB
BB
-0,33
BB-
-1,00
B-
-4,00
3Q 2014
BB+
BB
-0,33
BB
-0,33
B
-3,67
4Q 2014
BBB-
BBB-
0,00
BBB-
0,00
BBB
1,00
2Q 2015
B+
B+
0,00
B+
-0,50
4Q 2015
B+
B+
0,00
B
-1,50
1Q 2016
BBB
BBB
0,00
2Q 2016
BBB-
BBB-
0,00
3Q 2016
BB
BB
0,00
4Q 2016
BB
BB
0,00
7 Zur Vereinfachung der Formulierungen ordnen wir im weiteren Verlauf ein Rating dennoch unmittelbar der
vom jeweiligen Emittenten begebenen Anleihe zu.
8 Wir haben die Rating-Kategorien wie folgt transformiert: A = 1; A- = 2; BBB+ = 3; BBB = 4; BBB- = 5; BB+ =
6; BB = 7; BB- = 8; B+ = 9; B = 10; B- = 11; CCC= 12; CC= 13; C= 14; D = 15.
6
Gesamt
BB+
BB+
-0,18
BBB-
0,04
BB
-1,36
BB
-1,73
B+
-2,99
B+
-3,57
B-
-4,95
Tabelle 3: Entwicklung der Ratings von Mittelstandsanleihen im Zeitablauf (angegeben sind ungewichtete
Durchschnitte; ausgefallene Anleihen werden weiter mit D berücksichtigt)
Vergleicht man das Rating der Mittelstandsanleihen bei Emission mit späteren Ratings, ist zu
erkennen, dass die Differenz zwischen diesen Ratings im Zeitablauf wächst. Durchschnittlich
ist das mittlere Rating – wie bei unserer ersten, Mitte 2013 endenden Untersuchung9 – bei
Emission BB+ (5,86) und das Rating der Ende 2016 noch notierten Anleihen im Schnitt B-
(10,81).10 Der zweitgenannte Wert ist deutlich geringer als bei unserer ersten Untersuchung,
bei der wir bis Mitte 2013 ein Rating von BB+ (6,2) ermittelt hatten. Das Rating hat sich im
Schnitt um rund 5 Rating-Kategorien verschlechtert. Zudem ist zu erkennen, dass das Rating
bei Emission sinkt. War zunächst ein Rating von BBB üblich, ist es in jüngerer Vergangenheit
ein BB-Rating. In den letzten Quartalen gibt es keine Veränderung zwischen Erst- und Folge-
Rating. Ob dies nur dem vergleichsweise kleinen Zeitfenster geschuldet ist, muss noch
offenbleiben. Schließlich fällt auf, dass für Anleihen (mit Rating), emittiert während der ersten
vier Quartale des Untersuchungszeitraums, das durchschnittliche Rating auf D gesunken ist.
Bei diesen Anleihen ist zwischenzeitlich mehrheitlich ein Ausfallereignis eingetreten.
Unsere Untersuchung ergibt zudem, dass ausgefallene Mittelstandsanleihen bei Emission
durchschnittlich in die Rating-Kategorie BBB-, nicht-ausgefallene Anleihen dagegen zum
Emissionszeitpunkt in die Kategorie BB+ und Ende 2016 in die Kategorie BB- eingestuft
wurden. Überraschenderweise haben später ausgefallene Anleihen also zunächst ein besseres
Rating erhalten. Die Ersteller der Ratings hatten zum Emissionszeitpunkt Schwierigkeiten,
treffsichere Einschätzungen zu veröffentlichen.11
1.2. Ein genauerer Blick auf die Ausfallraten
Die über unseren Untersuchungszeitraum kumulierte Ausfallrate der Mittelstandsanleihen
beträgt 34,09% (45 Ausfallereignisse bei 132 Anleihen). Um die Qualität der Ratings bei
Mittelstandsanleihen differenzierter einschätzen zu können, stellen wir die Ausfallhäufigkeiten
bei Mittelstandsanleihen den von Standard & Poor’s berichteten rating-spezifischen
Ausfallraten gegenüber. Tabelle 4 zeigt die durchschnittlichen Ausfallraten nach einem Jahr,
geordnet nach Rating-Stufe.
9 Vgl. Schüler/Kaufmann (2014), S. 72.
10 Diese Ergebnisse sind so gut wie unabhängig davon, ob Anleihen voll oder nur teilweise platziert werden
konnten.
11 Vgl. dazu auch Mietzner/Proelss/Schweizer (2016), S. 25. Die Autoren sprechen von einer Rating-Inflation.
Becker/Milbourn (2011) berichten einen negativen Zusammenhang zwischen der Rating-Qualität und der
Intensität des Wettbewerbs unter Rating-Agenturen; vgl. Becker/Milbourn (2011), S. 51.
7
AAA
AA
A
BBB
BB
B
CCC/C
S&P: marginale Ausfallrate (nach 1 Jahr)
0,00%
0,02%
0,07%
0,20%
0,76%
3,88%
26,38%
MA: marginale Ausfallrate (nach 1 Jahr)
0,00%
0,00%
6,67%
10,87%
9,02%
11,29%
30,00%
Verhältnis der Raten
0,0
0,0
95,2
54,3
11,9
2,9
1,1
Tabelle 4: Durchschnittliche Ausfallrate nach einem Jahr für die von Standard & Poor’s (S&P) erfassten
Fremdkapitaltitel und für die Mittelstandsanleihen (MA)12
Die Ausfallrate von Mittelstandsanleihen ist bei jeder Rating-Kategorie höher als die
entsprechende Rate gemäß Standard & Poor’s.13 Bei Anleihen im Investment Grade ist die
relative Diskrepanz besonders hoch. Mittelstandsanleihen weisen demnach ein
Bonitätsproblem auf, das von den Rating-Agenturen nicht erkannt oder nicht gewürdigt wurde.
Schließlich wollen wir unsere Untersuchung der Rating-Qualität noch um eine Betrachtung von
Rating-Wanderungen erweitern. So können wir auch Ausfälle erfassen, die nach Umwegen
über spätere Rating-Änderungen zu verzeichnen sind. In Tabelle 5 sind die durchschnittlichen
Häufigkeiten einer Migration zwischen den Rating-Kategorien innerhalb eines Jahres gem.
Standard & Poor’s abgebildet. Multipliziert man diese Tabelle sechsmal mit sich selbst, erhält
man – unter Annahme konstanter Häufigkeiten – je nach Rating-Kategorie einen Schätzer für
die Wahrscheinlichkeit einer Rating-Änderung innerhalb eines Zeitraums von sieben Jahren;
dieser entspricht der Länge unseres Beobachtungszeitraums. Den so geschätzten
Migrationswahrscheinlichkeiten stellen wir entsprechende Beobachtungen zu den
Mittelstandsanleihen gegenüber. Anleihen, die nach einem Jahr kein Rating mehr erhalten
haben, werden zum jeweiligem Erst-Rating erfasst. Die hypothetische Kategorie E enthält die
über die vorangegangenen Perioden kumulierte Wahrscheinlichkeit einer Migration zur
Kategorie D.14
Letztes Rating
AAA
AA
A
BBB
BB
B
CCC
D
E
Erst-Rating
AAA
90,22%
9,03%
0,54%
0,05%
0,08%
0,03%
0,05%
0,00%
0,00%
AA
0,54%
90,60%
8,14%
0,54%
0,06%
0,07%
0,02%
0,02%
0,00%
A
0,03%
1,83%
92,19%
5,38%
0,35%
0,14%
0,02%
0,07%
0,00%
BBB
0,01%
0,11%
3,58%
91,67%
3,75%
0,56%
0,13%
0,20%
0,00%
BB
0,01%
0,03%
0,14%
5,16%
86,26%
6,96%
0,66%
0,76%
0,00%
B
0,00%
0,03%
0,10%
0,21%
5,40%
86,01%
4,37%
3,88%
0,00%
CCC
0,00%
0,00%
0,14%
0,22%
0,65%
13,26%
59,34%
26,38%
0,00%
D
0,00%
0,00%
0,00%
0,00%
0,00%
0,00%
0,00%
0,00%
100,00%
E
0,00%
0,00%
0,00%
0,00%
0,00%
0,00%
0,00%
0,00%
100,00%
Tabelle 5: Durchschnittliche Migrationsmatrix gem. Standard & Poor‘s für ein Jahr (Average Multiyear Global
Corporate Transition Rates) 1981–201415
12 Vgl. Standard & Poor’s (2015), Table 24, zum Vorgehen dort S.67-69. Wir haben analog zur Vorgehensweise
von Standard & Poor’s für jedes Jahr und jede Rating-Klasse des Untersuchungszeitraums die Zahl der Ausfälle
geteilt durch die Zahl der Anleihen, die das jeweilige Rating im Vorjahr aufgewiesen haben. Aus den so ermittelten
jährlichen Raten haben wir einen gewichteten Durchschnitt errechnet. Tabelle 4 enthält diese Werte.
13 Dies bestätigt auch die Untersuchung von Mietzner et al. (2016), S. 16ff.
14 Vgl. Benninga (2014), S. 528.
15 Vgl. Standard & Poor’s (2015), Table 21, 33; Schüler (2016), S. 463-464.
8
Letztes Rating
A
BBB
BB
B
CCC
D/E
Erst-Rating
A
16,67% / 61,4%
33,33% / 23,83%
0,00% / 4,03%
16,67% / 1,57%
0,00% / 0,23%
33,33% / 0,97%
BBB
0,00% / 15,81%
37,21% / 59,62%
2,33% / 14,25%
2,33% / 5,32%
0,00% / 0,77%
58,14% / 2,82%
BB
0,00% / 3,03%
1,75% / 19,17%
56,14% / 41,77%
17,54% / 22,19%
7,02% / 2,9%
17,54% / 10,48%
B
0,00% / 0,87%
0,00% / 4,14%
0,00% / 16,8%
50,00% / 42,43%
30,00% / 6,02%
20,00% / 29,54%
Tabelle 6: Integrierte Migrationsmatrix Mittelstandsanleihen / S&P – Vergleichswerte nach 7 Jahren16
Tabelle 6 stellt die Migrationsraten der Mittelstandsanleihen denen für das Standard & Poor’s-
Sample gegenüber. Der linke Wert in einer Zelle gibt die Migrationsrate für eine
Mittelstandsanleihe an und der rechte Wert den Standard & Poor’s-Vergleichswert. Die
Häufigkeit konstanter Ratings kann man der Diagonalen entnehmen. Die Werte für eine Rating-
Verbesserung liegen unterhalb und die für eine Rating-Verschlechterung oberhalb der
Diagonalen. Deutlich wird z.B., dass Mittelstandsanleihen kaum eine Rating-Verbesserung
vorweisen können. Die entsprechenden Werte sind fast immer null. Rating-Verschlechterungen
hingegen treten häufiger als im Vergleichs-Sample auf. Insbesondere als Investment Grade
eingestufte Mittelstandsanleihen (A, BBB) können ihr Rating deutlich seltener als üblich stabil
halten. Dieser Eindruck wird durch das sehr häufige Abdriften in das Rating D verstärkt.
Anleihen mit einem Investment Grade sind häufiger ausgefallen als Anleihen ohne Investment
Grade. Wie man es auch dreht und wendet – es fällt nicht leicht, die Ratings bei Emission
durchwegs ernst zu nehmen.
2. Spread
Abbildung 2 ordnet Kuponzinssätze und Spreads nach Emissionszeitpunkt. Dass der
Kuponzinssatz ab 2011 sinkt, wird vom Rückgang der risikolosen Zinssätze beeinflusst. Die
Spreads berechnen wir durch Abzug der zum Emissionszeitpunkt beobachtbaren stichtags- und
laufzeitäquivalenten risikolosen Renditen. Sie sind nach Spitzenwerten Ende 2011, Mitte 2013
und Beginn 2016 zuletzt gesunken.
16 Dabei haben wir die Ratings der Mittelstandsanleihen auf die Ratingstufen der Vergleichswerte von S&P
„gerundet“. Beispielsweise haben wir Anleihen mit einem Rating von BBB+, BBB oder BBB- zu der Kategorie
BBB zusammengefasst. Es wurden keine Mittelstandsanleihen mit einem Erst-Rating von AAA, AA, CCC oder
D emittiert. Nach 2010 emittierte Mittelstandsanleihen können zwangsläufig nur maximal für einen 7 Jahre
unterschreitenden Zeitraum analysiert werden; somit sind unsere Referenzwerte, die über 7 Jahre kumulierten
Migrationshäufigkeiten gem. Standard & Poor’s, zu hoch. Die im Vergleich häufiger auftretenden Ausfälle bei
Mittelstandsanleihen werden somit von uns zu konservativ ausgewiesen. Wir haben diese Vorgehensweise
gewählt, um nicht kleinteilig nach Erst-Rating und Betrachtungszeitraum differenzieren zu müssen.
9
Abbildung 2: Entwicklung von durchschnittlichem Kupon und Spread im Zeitablauf
Ab dem zweiten Quartal 2015 ist der Spread höher als der Kupon, da die risikolosen Renditen
negativ sind. Der durchschnittliche Kupon der Mittelstandsanleihen beträgt 7,22% (Median
7,25%), der durchschnittliche Spread 6,21% (Median 6,30%). Abbildung 3 zeigt die Spreads
nach Rating-Kategorie.
Abbildung 3: Rating-Kategorien und Spreads
Zwar können wir eine erwartbare Tendenz zu höheren Spreads bei niedrigeren Rating-
Kategorien ausmachen, die zwei mit einem A-Rating versehenen Emissionen weisen aber einen
Spread auf, der in etwa auf Höhe des Spreads bei einem Rating von BB+ liegt. Für den
Emittenten einer dieser A-Anleihen wurde mittlerweile ein Insolvenzverfahren eröffnet. Diese
Anleihe weist einen Spread von rund 6,5% auf und beeinflusst somit den ausgewiesenen
Mittelwert erheblich.
4,92
6,05 5,61 5,04 4,84 5,27
7,20
6,88 6,68 6,39 6,75 7,08 7,15
5,82 6,30 6,01 6,53 6,04 5,76
6,33 6,65
7,29
5,50 5,50
4,86
6,50 7,00 7,42 7,43 7,28 7,28
8,33 7,88 7,42 7,23 7,26 7,71 7,71
6,88 7,46 7,00 7,09 6,45 6,50
6,13 6,46
7,00
5,07 4,96 4,50
Mittelwert von Spreads zum Emissionszeitpunkt (in %) Mittelwert von Kupons
24820 15 20 23 14 44216
6,19 5,52 5,11 5,83 6,07 6,16 6,62 6,39 7,64 7,38 7,76 5,97
A A- BBB+ BBB BBB- BB+ BB BB- B+ B B- kein
Rating
Anzahl von Erstrating Mittelwert von Spreads zum Emissionszeitpunkt (in %)
10
Die Mittelstandsanleihen weisen bei Emission ein mittleres Rating von BB+ und am Ende des
Untersuchungszeitraums ein Rating von B- auf (Tabelle 3). Der durchschnittliche Spread bei
Unternehmensanleihen mit einem Rating von BB beträgt aktuell 2,11%, für ein Rating von B-
sind 3,48% zu beobachten.17 Die Mittelstandsanleihen weisen demnach im Vergleich erheblich
höhere Spreads auf, als die Ratings bei Emission und auch am Ende des
Untersuchungszeitraums hätten erwarten lassen.
Der durchschnittliche Spread war am Emissionszeitpunkt bei Vollplatzierung 6,06% und bei
einer Teilplatzierung 6,44%. Der durchschnittliche Spread beträgt für später ausgefallene
Anleihen 6,20% und für nicht ausgefallene Anleihen 6,21%. Der Spread zum
Emissionszeitpunkt kann demnach im Mittel nicht zur Differenzierung zwischen ausgefallenen
und nicht-ausgefallenen Anleihen dienen.
3. Covenants
Covenants sollen Gläubiger vor Zahlungsausfällen bewahren, indem eine Verletzung von
Covenants eine Schieflage des Emittenten frühzeitig anzeigt und Möglichkeiten zur Reaktion
eröffnet.18 Man würde erwarten, dass eine höhere Anzahl von Covenants das Ausfallrisiko des
Emittenten reduzieren sollte. Durchschnittlich wurden 5,17 Covenants vereinbart.19 In nur
einem Fall wurden keine Covenants festgelegt. Bei etwa der Hälfte aller emittierten Anleihen,
71 von 132, wurden fünf bis sieben Covenants festgeschrieben.
17 Für die Berechnung der Vergleichs-Spreads wurde die Differenz zwischen der durchschnittlichen Yield von BB-
bzw. B- Anleihen (1,81% bzw. 3,18% nach Thomson Reuters; am 10.05.2017) und der risikolosen Verzinsung
einer Bundesanleihe mit fünfjähriger Laufzeit (-0,299%; am 10.05.2017) herangezogen. Dies ist eine
vereinfachte Vorgehensweise, da nicht nach Emissionszeitpunkten und Laufzeiten differenziert wird. Die hohe
Differenz zwischen den Spreads der beiden Anleihenkategorien zeigt aber, dass die zentrale Botschaft, dass
Mittelstandsanleihen einen deutlich höheren Spreads aufweisen, auch bei einer detailreicheren Analyse Bestand
haben dürfte.
18 Vgl. zur Literatur zu Covenants Schulte (2015), S. 58ff.; Schüler/Kaufmann (2014), m.w.N.
19 Gemäß unserer ersten Untersuchung bis Mitte 2013 wurden durchschnittlich drei Covenants je Anleihe
vereinbart; vgl. Schüler/Kaufmann (2014), S. 77. Die stärkere Verwendung von Covenants ist einerseits auf
Etablierung der Covenants auf dem Markt für Mittelstandsanleihen und andererseits auf die Aufnahme der Pari
Passu-Klausel und des Kündigungsrechts bei Liquidation und Insolvenz in unsere quantitative Auswertung
zurückzuführen. Diese beiden Covenants wurden bei unserer ersten Untersuchung aufgrund ihrer nahezu
selbstverständlichen Verwendung ausgeklammert; vgl. Schüler/Kaufmann (2014), S. 74, Fn. 21.
11
Abbildung 4: Mittelwert der Covenants je Anleihe im Zeitablauf
Im Zeitraum 1Q 2010 bis 4Q 2013 nimmt die Verwendung von Covenants zu. Dies geht einher
mit der steigenden Zahl der Emissionen (Abbildung 1). Von 1Q 2014 bis 2Q 2016 verbleibt die
Verwendung von Covenants auf hohem Niveau bei durchschnittlich 5,6 Covenants je Anleihe.
In 3Q 2016 und 4Q 2016 wurden jedoch drei Anleihen mit nur zwei und eine Anleihe mit drei
Covenants ausgegeben. Diese unterdurchschnittliche Ausstattung mag damit
zusammenhängen, dass alle drei Emittenten (der vier Emissionen) bereits zuvor eine Anleihe
platziert und den Gläubigern keinen Ausfall zugemutet hatten.
Abbildung 5 stellt die verwendeten Covenants dar, wobei zwischen ausgefallenen und nicht-
ausgefallenen Anleihen unterschieden wird.
Abbildung 5: Relative Häufigkeit der verwendeten Covenants
2,0
3,5 3,0 3,4 4,5 4,0
5,2 5,5 4,7 4,4
5,7 5,7 6,2 6,6
8,0
6,0
4,8 4,2
6,0 7,0 6,3 6,0
7,5
2,3 2,0
96% 95% 83% 74% 56% 41% 31% 12% 5% 6% 18%
96% 87% 76%
59%
43% 37% 28%
9% 4% 2%
15%
97% 99%
86% 83%
63%
43% 33%
14% 6% 8%
20%
Kündigung bei Insolv./ Liq.
Pari passu Clause
Negativerklärung
Change of Control
Cross Default
Ausschüttungsbegrenzung
Begr. von Verm.veräuß.
Verschuldungsbegrenzung
Mindesteigenkapital
Tilgungssonderregel
sonstige Covenants
Gesamt ausgefallene Anleihen nicht-ausgefallene Anleihen
12
Bei nahezu jeder Anleihe (96%) wurden sog. Event Risk Covenants festgeschrieben, die dem
Gläubiger ein Kündigungsrecht bei Insolvenz oder Liquidation des Emittenten einräumt. Diese
Covenants werden in der Regel mit affirmativen Covenants, beispielsweise einer Pari Passu
Clause, Change of Control Clause oder Cross Default Clause, ergänzt. Die Einschränkung der
finanziellen Handlungsmöglichkeiten des Emittenten durch z.B. eine Begrenzung von
Ausschüttungen und Vermögensveräußerungen ist ebenfalls zu beobachten. Einzuhaltende
Kennzahlen werden z.B. in Form von Mindestvorgaben zur Höhe des Eigenkapitals formuliert.
Die Anzahl von Covenants nimmt mit sinkendem Rating zu (Abbildung 6).
Abbildung 6: Rating-Kategorien und Anzahl Covenants
Einen positiven Zusammenhang zwischen der Verwendung von Covenants und dem
Emissionserfolg können wir aber nicht attestieren (Abbildung 7). Bei Vollplatzierung beträgt
die Anzahl vereinbarter Covenants 5,14. Anleihen, die nur zum Teil platziert werden konnten,
weisen 5,24 Covenants auf. Eine Erhöhung der Covenants hat also keinen zwingenden Einfluss
auf die Platzierungsquote.
Abbildung 7: Anzahl von Anleihen nach Anzahl vereinbarter Covenants und Platzierungsquote
24820 15 20 23 14 44216
5,5 4,3 3,3 4,5 5,3 4,9 5,9 5,4 7,0 7,5 5,5 5,2
A A- BBB+ BBB BBB- BB+ BB BB- B+ B B- kein
Rating
Anzahl von Erstrating Mittelwert von Anzahl Covenants
12916 18 27 24 20 12 2 1
100% 75% 95% 79% 79% 91% 79% 75% 84% 80% 100%
-0,1
0,1
0,3
0,5
0,7
0,9
1,1
1,3
1,5
0
5
10
15
20
25
30
012345678910
Anzahl Covenants
Anzahl von Emissionen Platzierungsquote (in %)
13
Die durchschnittliche Anzahl vereinbarter Covenants liegt für ausgefallene
Mittelstandsanleihen bei 4,67 und für nicht-ausgefallene Anleihen bei 5,44. Bei nicht-
ausgefallenen Anleihen ist auch hinsichtlich jeder einzelnen Covenant-Art eine höhere
Häufigkeit festzustellen (Abbildung 5). Eine über den Rahmen des Beitrags hinausgehende
Untersuchung der Covenants könnte den Schutz, den diese Covenants den
Gläubigeransprüchen im Einzelnen tatsächlich bieten, adressieren. Begründete Zweifel an der
Leistungsfähigkeit der Covenants bei Mittelstandsanleihen tragen Drießlein/Wolf (2014) vor.20
4. Sicherheiten
Die Stellung von Sicherheiten ist eine weitere Gläubigerschutzmaßnahme, die wir bereits in
unserem ersten Beitrag untersucht hatten und der wir Potenzial zur Differenzierung zwischen
ausgefallenen und nicht-ausgefallenen Anleihen beigemessen haben.21 Im
Untersuchungszeitraum wurden bei 27 der 132 Mittelstandsanleihen Sicherheiten gestellt.
Abbildung 8 zeigt die entsprechende Entwicklung im Zeitablauf.
Abbildung 8: Emission von besicherten und unbesicherten Mittelstandsanleihen
Während des in unserem ersten Beitrag abgedeckten Zeitraum von ersten Quartal 2010 bis zum
zweiten Quartal 2013 wurden 17 von 94 Anleihen, also 18,1%, mit Sicherheiten versehen.22 Im
Zeitraum vom dritten Quartal 2013 bis Ende 2016 waren es dagegen 10 von 38 Anleihen,
26,3%. Der Rückgriff auf Sicherheiten hat zugenommen. Dabei wurden entweder keine (105
20 Vgl. Drießlein/Wolf (2014). Dies ließe sich auch auf eine Untersuchung der Qualität der Sicherheiten ausdehnen.
Kinateder (2013) meint, Mittelstandsanleihen müssten nicht mit Covenants versehen werden und dies sei ein
Vorteil; dem stimmen wir nicht zu.
21 Vgl. Schüler/Kaufmann (2014), S. 78.
22 Vgl. Schüler/Kaufmann (2014), S. 78.
1
3212 2
6
2321 1 11 2
5 5
11
5665 5
9
3
14
6
3 3
5
2323
1
0
2
4
6
8
10
12
14
16
besicherte Anleihe unbesicherte Anleihe
14
Emissionen), eine (15), zwei (8) oder drei Sicherheiten (4) gewährt. Abbildung 9 zeigt, welche
Sicherheiten eingeräumt wurden.
Abbildung 9: Häufigkeit verschiedener Sicherheiten (Anzahl Beobachtungen in % der Zahl besicherter
Mittelstandsanleihen)
Pfandrechte sind bei mehr als der Hälfte der besicherten Anleihen Teil der
Anleihebedingungen. So wurden z.B. Immobilien, Anteile an Tochtergesellschaften,
Markenrechte, Wertpapiere, Immobilienverkaufserlöse oder Mieterträge verpfändet.
Zusammen mit der Besicherung durch Grundschulden (30%) und Hypotheken (11%) dienen
mehrheitlich Immobilien als Sicherheit.
Besicherte Anleihen unterscheiden sich hinsichtlich ihres Ratings deutlich von unbesicherten
Anleihen. Besicherte Anleihen haben anders als unbesicherte Anleihen in der Mehrzahl ein
Rating im Investment Grade. Im Mittel wurden besicherte Anleihen mit einem Erst-Rating von
4,96 (BBB-) und unbesicherte mit einem Erst-Rating von 6,11 (BB+) versehen. Ende 2016
beträgt das durchschnittliche Rating von besicherten Anleihen 8,43 (BB-) und von
unbesicherten 11,49 (B-). Besicherte Anleihen wurden also weniger herabgestuft als
unbesicherte Anleihen.
In Abbildung 10 haben wir Beobachtungen zu den Instrumenten des Gläubigerschutzes
(Sicherheiten, Covenants und Spreads) zusammengefügt. Zudem wird zwischen besicherten
und unbesicherten Anleihen sowie der Gruppierung in Investment Grade (Rating BBB- oder
besser) oder Non-Investment Grade (BB+ oder schlechter) unterschieden.
56%
33% 30% 26%
11% 4%
15
Abbildung 10: Spread und Covenants bei besicherten und unbesicherten Anleihen
Für das gesamte Sample ist festzustellen, dass schlechtere Ratings mit mehr Covenants
(Abbildung 6) und höheren Spreads (Abbildung 3) einhergehen. Ähnliche Beobachtungen
lassen sich auch für die nach Besicherung aufgeteilte Stichprobe machen (Abbildung 10). Bei
besicherten Anleihen mit Rating liegt der Spread allerdings nur wenig unter dem auf
unbesicherte Anleihen mit Rating.23 Zudem können wir festhalten, dass, betrachtet man die
Anleihen mit Rating, besicherte Anleihen mit mehr Covenants versehen sind als unbesicherte
Anleihen. Somit sollte der Gläubigerschutz bei besicherten Anleihen auch aufgrund der Zahl
der Covenants stärker ausgeprägt sein.
Die Gewährung von Sicherheiten hat sich positiv auf den Emissionserfolg ausgewirkt. Ohne
Sicherheiten betrug der durchschnittliche Emissionserfolg 81,5%, mit einer Sicherheit 83,9%,
mit zwei Sicherheiten 90,5% und mit drei Sicherheiten 91,3%. Von den 27 besicherten
Anleihen sind sieben im Beobachtungszeitraum ausgefallen. Dies entspricht einer Quote von
25,9%. Die Ausfallrate von unbesicherten Anleihen dagegen liegt bei 36,2%, 38 von 105. Es
ist also eine deutlich geringere Ausfallrate bei Gewährung von Sicherheiten festzustellen.
23 Bei besicherten Anleihen ohne Rating ist der Spread höher als bei unbesicherten Anleihen ohne Rating. Da diese
Untergruppe aber nur mit zwei Anleihen – beide sind nicht ausgefallen – besetzt ist, verzichten wir auf eine
Interpretation.
27 16 9 2 105 33 58 14 132
6,06 5,75
6,39
7,02 6,24 5,79 6,60 5,83 6,21
5,37 4,81
6,78
3,50
5,12 4,39
5,47 5,43 5,17
0
1
2
3
4
5
6
7
8
0
20
40
60
80
100
120
140
Emissionsanzahl Mittelwert von Spreads zum Emissionszeitpunkt (in %) Mittelwert von Anzahl Covenants
unbesichert
besichert
16
IV. Einfluss von Branchenzugehörigkeit, Aufnahmegrund, Spread, Erst-
Rating, Covenants und Sicherheiten auf den Emissionserfolg,
Folgerating und Ausfallrisiko
1. Branche
Tabelle 7 ordnet Ausstattungsmerkmale und Erfolgsindikatoren nach Branchen. Wir
differenzieren zudem nach Besicherung, um so zu veranschaulichen, wie diese auf die
Merkmale und Indikatoren wirkt.
Ausstattungsmerkmale
Erfolgsindikatoren
Anzahl von
Emissionen
Rating
bei
Emission Spread Covenants Sicherheiten Emissions-
erfolg Letztes
Rating Rating-
Änderung Ausfallrate
Agrar & Rohstoffe 9 BB+ 7,0 4,3 77,5% B- -5,1 33,3%
davon unbesichert 9 BB+ 7,0 4,3 77,5% B- -5,1 33,3%
Dienstleistung 17 BBB 6,8 5,4 0,2 94,9% B- -6,1 35,3%
besichert 4 BBB 6,7 6,3 1,0 100,0% B+ -4,7 25,0%
unbesichert 13 BBB 6,9 5,2 93,4% B- -6,4 38,5%
Erneuerbare Energien 18 BBB- 5,2 4,2 0,4 75,4% C -9,4 88,9%
besichert 4 BB+ 5,8 5,3 1,8 76,0% CCC -6,0 75,0%
unbesichert 14 BBB- 5,1 3,9 75,3% D -10,4 92,9%
Handel 5 BBB- 6,4 4,4 78,2% D -10,2 80,0%
unbesichert 5 BBB- 6,4 4,4 78,2% D -10,2 80,0%
Immobilien 25 BBB- 5,7 5,2 0,9 82,0% BB -1,8 8,0%
besichert 12 BBB 5,6 4,5 1,9 83,7% BB+ -2,4 16,7%
unbesichert 13 BB 5,8 5,8 80,3% BB- -1,2 0,0%
Konsumprodukte 17 BB 6,9 5,8 72,6% B- -4,2 41,2%
unbesichert 17 BB 6,9 5,8 72,6% B- -4,2 41,2%
Nahrung & Genuss 8 BB 5,9 6,0 100,0% B+ -2,4 12,5%
unbesichert 8 BB 5,9 6,0 100,0% B+ -2,4 12,5%
Sonstige 8 BB- 6,1 4,8 91,0% B+ -1,9 0,0%
unbesichert 8 BB- 6,1 4,8 91,0% B+ -1,9 0,0%
verarbeitende Industrie 25 BB 6,3 5,6 0,4 81,1% B- -4,0 24,0%
besichert 7 BB 6,6 6,4 1,3 91,3% B -3,0 14,3%
unbesichert 18 BB 6,2 5,3 77,1% B- -4,4 27,8%
Gesamtergebnis 132 BB+ 6,2 5,2 0,3 82,5% B- -4,9 34,1%
besichert 27 BBB- 6,1 5,4 1,6 87,0% BB- -3,5 25,9%
unbesichert 105 BB+ 6,2 5,1 81,4% B- -5,4 36,2%
Tabelle 7: Ausstattungsmerkmale und Erfolgsindikatoren nach Branchen (ungewichtete Durchschnitte)
Die Ausfallrate variiert stark zwischen den Branchen. Für die Branchen Erneuerbare Energien
(88,9%) und Handel (80,0%) sind die höchsten Ausfallraten zu verzeichnen. Emissionen aus
der Branche Erneuerbare Energien (bei etwa im Gesamtdurchschnitt liegendem Rückgriff auf
Sicherheiten) sind unterdurchschnittlich mit Covenants ausgestattet. Sie weisen den niedrigsten
durchschnittlichen Spread auf. Diese den Gläubigern vergleichsweise wenig Schutz
17
signalisierende und bietende Ausgestaltung der Anleihen geht einher mit einem klar
unterdurchschnittlichen Erfolg der Anleihen, der mit der niedrigsten Platzierungsquote beginnt
und dem Ausfall fast aller Anleihen, 16 von 18, endet (88,9%). Wie stark die Ergebnisse dieser
Branche die Beurteilung des gesamten Markts an Mittelstandsanleihen beeinflussen, zeigt sich
z.B. daran, dass die Ausfallrate ohne die Anleihen von Emittenten dieser Branche von 34,1%
auf 25% sinkt. Abbildung 11 illustriert die Verteilung der Ausfälle über die Branchen.
Abbildung 11: Aufteilung der Ausfälle von Anleihen nach Branchen
Anleihen von Emittenten aus den Branchen Immobilien (8,0%) und Nahrung & Genuss (12,5%)
sind weniger häufig ausgefallen. Für die Branche Sonstige, die von drei Emissionen von
Schalke 04 und zwei Emissionen von PORR geprägt ist, sind keine Ausfälle zu verzeichnen.24
Emissionen aus der Immobilienbranche weisen den höchsten Besicherungsgrad, eine etwa
durchschnittliche Anzahl von Covenants und einen unterdurchschnittlichen Spread auf. Neben
einer vergleichsweise niedrigen Ausfallrate führt dies auch zu einem relativ stabilen Rating, die
Platzierungsquote liegt auf durchschnittlichem Niveau. In der Branche Nahrung & Genuss ist
eine von acht Anleihen ausgefallen. Alle Anleihen sind unbesichert,25 weisen aber die meisten
Covenants auf. Es ist bei diesen Anleihen gelungen, das Prospektvolumen voll zu platzieren
und das Rating ist vergleichsweise stabil. Es lässt sich folgern, dass die zwei Branchen, die die
geringsten Ausfallraten aufweisen, auf unterschiedlichen Wegen für Gläubigerschutz sorgen:
24 Die Branche Sonstige enthält auch die von der Rickmers Holding begebene Anleihe. Nach Ende des
Untersuchungszeitraums hat das Unternehmen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in
Eigenverwaltung gestellt (Rickmers Group, 2017). Am Ende des Untersuchungszeitraums wurde die Anleihe noch
nicht in die Kategorie Ausfall eingeordnet.
25 Die Geschäftsführung des Emittenten der ausgefallenen Anleihe hielt die Nicht-Bereitstellung von Sicherheiten
durch die Mittelstandsanleihe für einen Vorteil; vgl. o.V. (2013).
3 6 16 427106
0
2
4
6
8
10
12
14
16
18
18
Bei den Immobilienunternehmen sind es Sicherheiten, bei den Unternehmen der Branche
Nahrung & Genuss sind es Covenants.
Wie gesagt ermitteln wir für den abgedeckten Zeitraum eine Ausfallrate von 34,09%, 45
Ausfallereignisse bei 132 Anleihen. Sieben Anleihen sind in Zahlungsverzug und bei weiteren
38 hat der Emittent die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragt oder er befindet sich
bereits im Insolvenzverfahren. Besicherte Anleihen haben im Mittel ein besseres Rating, einen
leicht niedrigeren Spread, eine geringere Rating-Verschlechterung, eine höhere
Platzierungsquote und eine niedrigere Ausfallrate als nicht-besicherte Anleihen. Sicherheiten
verbessern also die Platzierungschancen und reduzieren das Risiko der Anleihegläubiger.
2. Angekündigtes Emissionsmotiv
Den Prospekten ist die geplante Verwendung des Emissionserlöses zu entnehmen. Die
entsprechenden Abschnitte unterscheiden sich in Klarheit und Ausführlichkeit. Es finden sich
häufig nur knappe, zum Teil unpräzise und nicht überschneidungsfreie Ausführungen. Wir
haben die entsprechenden Passagen ausgewertet und sowohl detailliert (Tabelle 8) als auch
verdichtet (Tabelle 9) dokumentiert.
Anzahl Nennungen Anteil an
Nennungen
Anteil in % aller
Gesamt Ausgefallene
Anleihen
Nicht-
ausgefallene
Anleihen Gesamt ausgefallene
n Anleihen
(45)
nicht-
ausgefallenen
Anleihen (87)
Wachstum und F&E
219 88 131 57,2%
Generisches Wachstum
106 41 65 27,7% 91,1% 74,7%
Eintritt in neue Märkte
47 20 27 12,3% 44,4% 31,0%
M&A
52 21 31 13,6% 46,7% 35,6%
F&E
14 6 8 3,7% 13,3% 9,2%
Kapitalstruktur und Liquidität
164 49 115 42,8%
Ablösung bestehenden
Fremdkapitals
89 23 66 23,2% 51,1% 75,9%
Diversifikation Kapitalstruktur
13 2 11 3,4% 4,4% 12,6%
Verbesserung Liquidität
62 24 38 16,2% 53,3% 43,7%
Gesamt
383 137 246 100,0%
Tabelle 8: Geplante Verwendung des Emissionserlöses gem. Ankündigung im Verkaufsprospekt (Mehrfachnennung
möglich)
Die unter der Rubrik Wachstum und F&E zusammengefassten Unterrubriken werden geprägt
durch Wachstumsinitiativen. Unter generischem Wachstum subsumieren wir z.T. unklare,
vorwiegend internem Wachstum zuordenbare Aussagen. Die Anzahl der Nennungen
verdeutlicht, dass die Emittenten diesen Verwendungszweck in der überwiegenden Mehrzahl
der Prospekte (106 von 132) sowohl bei den ausgefallenen (91%) als auch den nicht-
ausgefallenen Anleihen (75%) anführen. Aufgrund vager und nicht-überschneidungsfreier
19
Aussagen in den Prospekten ist dieses Motiv nur eingeschränkt interpretierbar. Zusammen mit
den anderen in dieser Rubrik genannten Verwendungszwecken verfestigt sich aber der
Eindruck, dass bei den ausgefallenen Anleihen diese Rubrik im Vergleich zu den in den
Prospekten genannten Motiven zur Refinanzierung und Liquiditätsverbesserung dominiert. Die
Ablösung bestehenden Fremdkapitals ist – laut Ankündigung im Emissionsprospekt – ein
weiteres zentrales Motiv für eine Emission. Auf Basis unserer Untersuchung lässt sich die
Frage, ob eine Fremdfinanzierung durch Mittelstandsanleihen gewollt oder ungewollt eine
Abkehr von einer Fremdfinanzierung durch Bankkredite darstellt, nicht beantworten.26 Beklagt
wird, dass zumindest in einigen Fällen der ursprünglich genannte Emissionszweck nicht
umgesetzt wurde und auch deswegen das Risiko für die Gläubiger höher war als erwartet.27 Die
Nachverfolgung der Verwendung der eingesammelten Mittel sprengt den Rahmen unseres
Beitrags; untersuchenswert ist die tatsächliche Verwendung und deren Konsequenzen aber.
Um jeder Anleihe – sofern möglich – ein zentrales Motiv für die Emission zuzuordnen, haben
wir zunächst zwei zentrale Motive (Refinanzierung, Wachstum) und ein „Sammel“-Motiv
(Wachstum & Refinanzierung) formuliert. Letzteres ist notwendig, da aus den Prospektangaben
nicht bei allen Anleihen ein zentrales Motiv identifiziert werden kann. Dabei definieren wir als
Wachstumsmotiv den Eintritt in neue Märkte und/oder M&A-Absichten. Refinanzierung liegt
bei der Ablösung bestehenden Fremdkapitals vor. Tabelle 9 zeigt die Ausstattungsmerkmale
und Erfolgsindikatoren für die entsprechend gruppierten Anleihen. Aufgrund der im vorherigen
Abschnitt festgestellten zahlreichen Ausfälle von Emissionen der Branche Erneuerbare
Energien führen wir die Anzahl der Emissionen in dieser Branche in Klammern auf.
Ausstattungsmerkmale
Erfolgsindikatoren
Anzahl von
Emissionen (davon
Erneuerbare
Energien)
Rating
bei
Emission Spread Covenants Sicherheiten Emissions-
erfolg Letztes
Rating Rating-
Änderung Ausfallrate
Refinanzierung 45 (2) BB+ 6,55 5,18 0,36 86,13% B+ -3,07 20,00%
besichert 9 (1) BBB 6,49 5,00 1,78 86,41% BB- -3,75 22,22%
unbesichert 36 (1) BB 6,56 5,22 86,06% B -2,79 19,44%
Wachstum 43 (12) BBB- 5,90 4,74 0,30 85,30% CCC -7,18 51,16%
besichert 9 (2) BB+ 5,89 5,67 1,44 89,33% B -4,13 44,44%
unbesichert 34 (10) BBB- 5,90 4,50 84,23% CC -8,08 52,94%
Wachstum und
Refinanzierung 44 (4) BB+ 6,16 5,59 0,32 76,41% B- -4,33 31,82%
besichert 9 (1) BBB- 5,80 5,44 1,56 85,16% BB -2,29 11,11%
unbesichert 35 (3) BB 6,25 5,63 74,16% CCC -4,95 37,14%
26 Die Befragung von Ueberschär (2013), S. 230ff., streift diese Frage.
27 Vgl. Teske (2014).
20
Gesamtmenge 132 BB+ 6,21 5,17 0,33 82,62% B- -4,95 34,09%
besichert 27 BBB- 6,06 5,37 1,59 86,97% BB- -3,39 25,93%
unbesichert 105 BB+ 6,24 5,12 81,50% B- -5,30 36,19%
Tabelle 9: Ausstattungsmerkmale und Erfolgsindikatoren nach verdichtetem Emissionsmotiv gem. Ankündigung im
Verkaufsprospekt (ungewichtete Durchschnitte)
Laut Emissionsprospekt eindeutig der Refinanzierung oder dem Wachstum gewidmete
Anleihen konnten besser platziert werden. Anleihen zur Finanzierung von Wachstum, deren
Emittenten überproportional häufig aus der Branche Erneuerbare Energien stammen, sind mit
dem im Vergleich geringsten Spread, wenigsten Covenants und wenigsten Sicherheiten bei
zugleich höchstem Rating ausgestattet. Mit diesem vergleichsweise legeren Gläubigerschutz
bei Emission lassen sich die höchsten Rating-Rückstufungen und die höchste Ausfallrate (22
von 45 Ausfällen) nicht vereinbaren. Man kann folgern, dass die Aussichten auf erfolgreiche
Wachstumsmodelle bei Emission ein geringeres Gläubigerschutzniveau ermöglicht haben.
Wenn man sich vor Augen hält, dass die Fremdkapitalgeber mit ihren auf die Zins- und
Tilgungsansprüche gedeckelten Ansprüchen als Verkäufer einer Verkaufsoption fungieren, darf
man weiter folgern, dass auch aus diesem Blickwinkel bestätigt wird, dass riskante
Wachstumsprojekte allein aufgrund der zu erwartenden höheren Volatilität der
Zahlungsüberschüsse besser durch Eigenkapital finanziert werden sollten.28 Der
Refinanzierung dienende Emissionen weisen den höchsten Spread i.V.m. den meisten
Sicherheiten (bei einer etwa dem Durchschnitt entsprechenden Covenants-Zahl) auf. Sie sind
also aus Sicht der Gläubiger besser ausgestattet und haben weniger häufig Schwierigkeiten, die
vertraglichen Zins- und Tilgungsverpflichtungen zu erfüllen (9 von 45).
Tabelle 9 zeigt zudem, dass besicherte Anleihen neben einem besseren Rating auch eine geringe
Ausfallrate als nicht-besicherte Anleihen aufweisen.
V. Folgerungen
Mitte 2013 und damit am Ende des in unserem ersten Beitrag abgedeckten Zeitraums wurde
am Markt für Mittelstandsanleihen die bislang höchste Zahl an Emissionen und das höchste
Emissionsvolumen pro Quartal erreicht. Seitdem entwickelt sich der Markt rückläufig. Dazu
beigetragen hat die (mit den Ratings bei Emissionen und Vergleichsdaten nicht zu
vereinbarend) hohe Ausfallrate, die kumuliert bis Ende 2016 rund 34% beträgt. In Tabelle 10
haben wir zentrale Unterschiede zwischen ausgefallenen, d.h. die Zins- und
28 Ähnlich argumentiert auch Schöning (2014), S. 479f.
21
Tilgungsverpflichtungen nicht vollständig erfüllenden, und nicht-ausgefallenen
Mittelstandsanleihen zusammengetragen.
Ausgefallene Anleihen Nicht-ausgefallene
Anleihen
Rating bei Emission BBB- BB+
Spread bei Emission 6,20% 6,21%
Anzahl von Covenants 4,7 5,4
Anteil besicherter Anleihen 15,6% 23,0%
Anzahl Sicherheiten (bei besicherten Anleihen) 1,6 1,6
Häufigste Branche Erneuerbare Energie (16) Immobilien (23)
Anteil häufigste Branche 35,6% 26,4%
Häufigste Verwendung (detailliert) Generisches Wachstum Ablösung bestehenden
Fremdkapitals
Anteil häufigste Verwendung (detailliert) 91,1% 75,9%
Zweithäufigste Verwendung (detailliert) Verbesserung Liquidität Generisches Wachstum
Anteil zweithäufigste Verwendung (detailliert) 53,3% 74,7%
Häufigste Verwendung (verdichtet) Wachstum Refinanzierung
Anteil häufigste Verwendung (verdichtet) 48,9% 41,4%
Tabelle 10: Übersicht der wichtigsten Ausstattungsmerkmale und des Verwendungszwecks (ggf. ungewichtete
Durchschnitte)
Die Ratings bei Emission lagen für später ausgefallene Anleihen um durchschnittlich eine Stufe
höher als bei nicht-ausgefallenen Anleihen. Die Ratings mussten massiv korrigiert werden, im
Durchschnitt über alle Anleihen um rund 5 Rating-Stufen. Die bei Emission versprochenen
Spreads unterscheiden sich kaum für ausgefallene und nicht-ausgefallene Anleihen, liegen aber
weit über den Spreads anderer Anleihen mit gleichem Rating.
Besicherte Anleihen haben eine geringere Rating-Abstufung erfahren als nicht-besicherte
Anleihen. Ferner ist die Ausfallrate für besicherte Anleihen deutlich niedriger als für nicht-
besicherte Anleihen. Die Anzahl der verwendeten Covenants ist bei besicherten Anleihen höher
als bei nicht-besicherten Anleihen. Gläubigerschützende Maßnahmen wie Sicherheiten oder
Covenants wurden aber nicht mit einem deutlich niedrigeren Spreads verbunden.
22
Nicht-ausgefallene Anleihen sind mit mehr Covenants ausgestattet und häufiger besichert. Am
häufigsten sind Anleihen von Emittenten aus der Immobilienbranche besichert. Diese weisen –
abgesehen von der Branche Sonstige – die niedrigste Ausfallrate (8%) auf. Für Emittenten aus
der Branche Erneuerbare Energien beläuft sich die Ausfallrate hingegen auf rund 89%; deren
Ausstattung mit Covenants und Sicherheiten ist unterdurchschnittlich. Auffällig ist zudem, dass
der Wachstumsfinanzierung dienende Anleihen häufiger ausfallen, als Anleihen, die der
Refinanzierung dienen. Rund 51% der entsprechend klassifizierten Anleihen sind während des
Untersuchungszeitraums ausgefallen. Ausfallraten dieser Höhe wie auch die hohen Spreads
sind mit den Ratings bei Emission schwer in Einklang zu bringen. Es liegt näher zu folgern,
dass die Qualität der Erst-Ratings gering war, als dass die Bonität so vieler Emittenten zum
Platzierungszeitpunkt richtig eingestuft wurde und danach rapide abgenommen hat. Dass die
Platzierung der Anleihen mit Abstrichen gelang, mag daran gelegen haben, dass insbesondere
private Anleger als Kapitalgeber fungiert haben, wenn man institutionellen Investoren eher
zutraut, Risikozuschläge in einer Höhe, wie man sie von Aktien kennt, als Indikatoren hohen
Ausfallrisikos zu verwenden und nicht korrekturbedürftige Ratings im Investment Grade.
Vorsichtige Formulierungen wie diese zeigen, dass unsere Untersuchung bei der
Ursachenanalyse an Grenzen stößt. Eine detaillierte Aufbereitung der Eigenschaften der
Anleihen und der Entwicklung des Marktes ist aber unseres Erachtens eine wichtige
Voraussetzung für explorative empirische Folgeuntersuchungen. Denn die gewonnenen
Erkenntnisse können z.B. der Formulierung von Hypothesen und der Auswahl und Definition
von Variablen dienen.
Die hohe Zahl an Ausfällen hat bei den Börsen zu Umstrukturierungen geführt. Im Januar 2015
hat die Börse Düsseldorf das Segment für Mittelstandsanleihen, den Mittelstandsmarkt,
abgeschafft und ein neues Handelssegment, den Primärmarkt, ins Leben gerufen. Die
Neuordnung zielt darauf ab, die Anforderungen an Emittenten wie z.B. Berichtspflichten und
Eigenkapitalausstattung zu erhöhen.29 Seit März 2017 geht die Börse Frankfurt einen ähnlichen
Weg. Der dortige Entry Standard wurde abgeschafft und das neue Handelssegment Scale wurde
gegründet. Aus Sicht der um Außenfinanzierung bemühten Unternehmen bzw. der nach
Kapitalanlage suchenden Investoren gilt weiterhin: Mehr Finanzierungsquellen bzw. mehr
Anlagemöglichkeiten sind besser als weniger.
29 Vgl. Börse Düsseldorf (2015).
23
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