Content uploaded by Alexander Mrkvicka
Author content
All content in this area was uploaded by Alexander Mrkvicka on Jul 14, 2017
Content may be subject to copyright.
Neilreichia 1: 7-14 (2001)
August Neilreich
Wolfgang Adl er, Alexander C. Mrkvicka & Em st Vitek
A bst ra ct : Au gust N eilreic h.
Au gust Ne i l r e ic h , to wh om this new scien tific journa l is ded icated, was an im portant Austrian botanist. He
was born on Dec emb er 12th, 1803 in Vie nna, studied law, becam e doctor juris in 1827 and mad e a career
as officer o f justice, b eco ming a renow ned ju dg e, entitled “C ouncillor o f the Superior Court” in 1850 . Since
1831 he w as engaged in stu dying the flora around Vien na and taught hi m self bota ny, one of his closes t
friends - and bio grapher - being Ludwig von K öchel, also a hobby bo tanist and naturalist, though beco ming
fam ous for his produ cin g the “Köchel Catalogue ” (o f Mo zart’s co mpositio ns). In 185 7 Neil re ich retired
bec aus e of illness (tubercu losis). His main bota nical work s are “Flora von Wien ” [Flora of Vienna] (184 6)
and “Flora von Nieder-O esterreich ” [Flora o f Lower Austria] ( 18 57-1 858) . Du e to large fie ld exp erien ce
Nei l r e ic h ’s s pe cies con cept is c om paratively wide but in cludes carefully studied “va rie ties” He a lso m ade
important and fundam ental critical rev isions to the study of the flora o f the who le Austrian Empire, and in
more detail of Hungary and Croatia. Neil re ich died on June 1st 1871.
K ey W o rd s: N eilreich, biogr aphy, b otanica l histor y, flora of Austria.
Z u sa m m e nf ass u ng : A ugu st Ne i l r e ic h , zu des sen G edächtn is di ese neu e wisse nschaftlich e Zeitsch rift
benannt ist, war ein hervorragender österreichischer Botaniker. Er wur de am 12. De zember 1803 in Wien
geb oren, studierte Rec ht, wurd e 1827 doctor juris und machte eine Karriere als Justizbeamter, wurde ein
geschätzter Richter und 1850 zum k.k. Oberlandesgerichtsrat ernannt. Seit 1831 be schäftigte er sich mit der
Erforschung der Flora um Wien und studierte Botanik autodid aktisch . Einer seiner eng sten Freunde war
Lu dw ig vo n K öchel, gleich fall s Botaniker und Naturforscher, obwohl weltber ühmt für sein Verz eich nis der
Kompos itione n M ozarts (K öchel-V erzeic hnis ). 1857 z og sich Neil r e i c h krankheitshalber (Tuberkulose)
aus dem Berufsleben zurück. Ne il r e ic h s w icht igs te W erke sind die „Flora von W ien “ (1 846 ) und die
„Flora von Niede r-O este rreich“ ( 1857 -195 8). Wohl als F olge a usg edehnter Geländ eerfahrung verwend et er
- auch im Unterschied zu seinen Zeitgenossen - einen relativ we ite n Artbeg riff; er b erü cksichtig t jed och
sor gfält ig zah lreiche „Var ietäten “. Er verfasste des weiteren kritische und grundlegende R evisionen der flo-
ristischen Literatur d es gesa mt en österreichischen Kaiserstaates, spe ziell Unga rns und Kroatiens. Neil rei ch
starb am 1. Juni 1871.
August Neilreich wurde am 12. Dezember 1803 in Wien, Kämtnerstraße Nr. 20 geboren.
Sein Vater, Franz Karl Neilreich, war G roßhandlungsgesellschafter in der Firma des von
Maria Theresia geadelten berühmten Buchdruckers und Verlegers Kurzbeck, seine Mutter
Josefa, geb. Edle von Kurzbeck, stammte aus ebendieser Familie, der das Schloss Ober
liesing (heute Altersheim Liesing der Stadt Wien) gehörte.
Bis zur österreichischen Finanzkrise des Jahres 1811 war die Familie Neilreich recht
wohlhabend, danach musste die Firma au fg elöst w erden. Nur durch große
Einschränkungen und die Ernennung Franz Karl Neilreichs zum Börsensensal kamen
die Neilreichs wieder zu einigem Wohlstand, wodurch die vier Kinder eine adäquate
Erziehung und Ausbildung bekommen konnten. Die beiden jüngeren Schwestern
©Verein zur Erforschung der Flora Österreichs; download unter www.biologiezentrum.at
8W Adl er , A. C. Mrkv icka & E. Vitek
August Ne il r e i c h s starben frühzeitig, während ihn sein älterer Bruder Franz überlebte.
Sein Vater starb im Cholerajahr 1831 als eines der ersten Opfer in Wien, seine Mutter
im Jahr 1846.
Schon frühzeitig erw achte Nei l r e i c h s Interesse an den Naturwissenschaften, das auch
vom Elternhaus stark gefördert wurde. Von 1815 bis 1820 besuchte er das Schotten
gymnasium, wo er sich mit besonderem Eifer der Geographie und der Geschichte
widmete, w ährend er sich mit den alten Sprachen und der M athematik nicht so recht
anfreunden konnte.
An der Universität belegte er zunächst das obligate, zwei Jahre um fassende Studium der
Philosophie und wandte sich dann seinem juridischen Fachstudium zu. Ob Neilreich an
der Universität botanische Lehrveranstaltungen besuchte, ist nicht bekannt. Mehrere
hundert Pflanzenaquarelle aus seinen Jugendjahren zeugen zwar von Neilreichs
Beschäftigung mit der Flora (von Köchel 1871; der Verbleib der Aquarelle ist anschei
nend unbekannt), das intensive Studium der Pflanzenwelt begann er jedoch erst 1831,
und zwar angeregt durch Karl von Enderes [1787-1860, höherer Finanzbeamter,
Polyglott, Musikliebhaber, Botaniker (Lorenz 1999)] und Ludwig von Köchel
[1800-1877, „Kaiserlicher Rat“, Pädagoge - Prinzen-Erzieher im Haus Habsburg, u. a.
des Erzherzogs Karl (Czeike 1994: 547), k.k. Schulrat und Schulinspektor, Botaniker1,
Mineraloge, Musikforscher, weltbekannt durch sein Werkeverzeichnis Mozarts], die in
der Folge zu engen Freunden wurden (letzterer auch zu seinem Biographen) und die er
bezüglich floristischer Kenntnisse bald überflügelte. Neilreich erwarb sich sein botani
sches und naturwissenschaftliches Wissen autodidaktisch. Er kam in Kontakt mit den
Wiener Botanikern (die meisten Professoren der Universität Wien) Stephan Endlicher,
Franz Unger, Stephan Reisseck und insbesondere Eduard Fenzl, den er besonders
schätzte. An weiteren w ichtigeren botanischen und naturwissenschaftlichen Zeit
genossen wären etwa Anton Sauter, Georg Dolliner, M oritz M. Daffinger, Friedrich
Welwitsch, Anton und Josef Kerner, Jacob Juratzka, Josef Boos, Karl Fritsch (Meteoro
loge und Vater des Botanikers), Dominik Bilimek, Christoph Brittinger, Josef Karl
Maly, Jose f von Pittoni, Heinrich W ilhelm Schott und Theodor Kotschy zu nennen.
Kö c h e l (1871) berichtet, dass Ne il r e i c h nicht nur voll beruflichen und w issenschaft
lichen Eifers war, sondern sich in seiner Jugend auch als ein leidenschaftlicher Tänzer
und beliebter G esellschafter auszeichnete; er war allerdings nie verheiratet.
1827 prom ovierte er zum Doctor juris und erhielt 1828 eine Stellung als „Auskultant“
(Anwärter au f das Richteram t) beim „Civilsenat“ des Wiener Magistrats. Eine derartige
Beamtenkarriere ging aber - damals wie heute - auch bei hervorragender Leistung sehr
langsam vor sich, erst 1847 wurde er zum „Civilgerichtsrath“ befördert.
Trotz der intensiven beruflichen Verpflichtungen fand Ne i l r e i c h immer wieder Möglich
keiten, sich der Flora zu widmen. M it den Freunden Enderes, Köchel und anderen unter
nahm er zahlreiche Exkursionen in die Umgebung W iens und sammelte Belege für sein
umfangreiches Herbar und den Herbar-Tausch.
Sein Herbarium und seine Miner aliensamm lung ve rmach te er dem Kremser G ymnasiu m ( C z e i k e
1994).
©Verein zur Erforschung der Flora Österreichs; download unter www.biologiezentrum.at
Au gust Neilreich 9
1846 erschien im Verlag Friedrich Beck seine umfangreiche „Flora von Wien“, die im
Kern schon das Konzept der späteren Flora von Niederösterreich vorw egnahm und ihm
große Anerkennung verschaffte. Er zeigte darin bereits volle Vertrautheit mit dem
aktuellen Stand der botanischen Forschung taxonomisch-floristischer Richtung und dar
über hinaus eigenständig gebildetes Urteil in vielen strittigen Fragen. Eine wichtige
Grundlage für die „Flora von Wien“, die Frucht 14 Jahre langer Forschungen, waren
mehr als 800 Exkursionen. Im Unterschied zu vorangegangenen Werken anderer
Autoren enthält sie nicht nur knappe Listen, sondern - damals keineswegs allgemein
üblich - zu den Gattungen führende Bestimmungsschlüssel auf der Grundlage des
Linneschen Systems („Analytische Anordnung der Gattungen der Flora Wiens nach
dem Sexualsystem“), Beschreibungen der Familien („Ordnungen“) und Gattungen,
Artenschlüssel („Analytische Zusammenstellung der Arten“) der größeren Gattungen,
vollständige Zitate der Synonyme und vor allem aber sorgfältige Beschreibungen der
Arten mit Hervorhebung der Differenzialmerkmale sowie nicht zuletzt genaue Angaben
der Standorte und der Fundorte. Ein ausführliches Einleitungskapitel („Pflanzengeo
grafische Uebersicht“) gibt einen Überblick über Geologie („Geognostische Be
schaffenheit“), Hydrologie und Klima sowie die Pflanzengeographie des Naturraums
von Wien einschließlich statistischer Angaben und eines knappen Hinweises auf die
wichtigsten Nutzpflanzen („Kulturgewächse“). Dieses Werk gibt uns heute die Möglich
keit zu genauen Vergleichen, und so manche seltene Art kann noch heute an dem von
Ne il r e i c h genannten Ort gefunden werden. Neue Erkenntnisse zur Flora Wiens ver
öffentlichte er 1851 als „N achträge“ sowie in mehreren Zeitschriftenartikeln.
Die Entstehung der Eisenbahnen kam der Forschungstätigkeit Nei l r e i c h s im Gelände
sehr zustatten, wie er in den „Nachträgen“ ausdrücklich betont, und das Avancement im
Jahre 1847 ermöglichte es ihm, für seine botanischen Unternehmungen mehr Zeit
zu finden. Erwähnenswert ist auch Ne i l r e i c h s maßgebliche Tätigkeit im 1851 ge
gründeten „Zoologisch-botanischen Verein“ (später und bis heute „Zoologisch-
Botanische Gesellschaft“), dessen Zeitschrift ihm ein w ichtiges Publikationsorgan
wurde.
1858 bis 1859 erschien im Verlag Carl Gerolds Sohn seine „Flora von Nieder-
Oesterreich“, die bei ihrem Erscheinen bei Botanikern allgem einen Beifall fand und
Ne il r e i c h eine Reihe von Ehrungen einbrachte. In einer Rezension beschreibt Kö c h e l
die für damalige Floren vorbildliche, umfassende Darstellung des Gebietes und des
naturkundlichen Umfeldes:
„Ohne hier au f den eigentlich botanischen Teil der scharfen Diagnosen [...] eingehen
zu dürfen, können wir es uns doch nicht versagen, einen Blick au f die meisterhafte
Umrahmung des Hauptgemäldes zu werfen.
Wir erhalten darin eine Geschichte der Botanik in Wien und Niederösterreich samt
der einschlägigen Literatur, ein Bild der natürlichen Beschaffenheit des Gebietes,
seiner Bewässerung durch Flüsse, Seen, Sümpfe, die Gestaltung der Oberfläche des
Landes im Alpengebiete, dem Mittelgebirge, dem Hügellande und der Ebene, beglei
tet von zahlreichen Seehöhen, die geologische Darstellung nach den verschiedenen
Zonengebieten, die klimatischen Verhältnisse der Lufttemperatur, des Luftdruckes,
der Feuchtigkeit, der Niederschläge und W indverteilung.
©Verein zur Erforschung der Flora Österreichs; download unter www.biologiezentrum.at
10 W A dle r, A. C. M rk vic ka & E. V itek
All diese Momente werden dann als Faktoren der Vegetation betrachtet und charak
teristische Bilder der Flora der Ebenen, Gebirge, Alpen, des Urgebirges, der Kalk
zone, Sandsteinzone, der tertiären Hügel, hierauf noch die Vegetationsformen der
Wälder und Auen, der sonnigen Hügel, der Felsen und Schütte, der Wiesen, der
Weiden, der Sümpfe und Wässer, des bebauten Landes und der wüsten Plätze, end
lich eine Vergleichung der behandelten Flora m it den Grenzfloren geboten, so daß es
kaum m ehr denkbar scheint, einen neuen Gesichtspunkt zu finden zu einem voll
ständigen Vegetationsbilde.“
Besonders hervorzuheben ist die - auch aus heutiger Sicht - hohe Qualität der wissen
schaftlichen und kritischen Arbeitsweise Ne i l r e i c h s . Er übernahm keine Angabe unge
prüft, wie an entsprechenden Anm erkungen erkennbar ist. Die D iagnosen der von
ihm beschriebenen Arten sind klar und unmissverständlich. Für die systematische An
ordnung der Taxa in seinen Floren verw endete er das damals neue natürliche System
von Endlicher. Widersprüchliche Auffassungen zur Definition und Umgrenzung der
Arten diskutierte er anhand eigener Befunde. Ne i l r e i c h fasste den Artbegriff zwar
grundsätzlich weiter als die meisten seiner Zeitgenossen, befasste sich aber dennoch
sorgfältig mit der Polymorphie seiner Arten und erfasste und beschrieb die Varietäten in
seinen Floren recht detailliert. Nei l r e i c h s um fassender Artbeg riff ist somit nicht die
Folge einer ungenauen Arbeitsweise, sondern beruht im Gegenteil auf reicher
„Geländeerfahrung“ mit natürlichen Populationen und damit einer betont „biologi
schen“ Sichtweise - soweit sie damals möglich war die ihn zur Skepsis gegenüber
einem m itunter bedenkenlosen „Splitting“ führte. Zwar erwiesen sich nicht wenige der
Taxa, die Ne i l r e ic h dank seiner reichen Geländeerfahrung aus wohlbedachten (und in
seinen Florenwerken dargelegten) Gründen bloß als Varietäten einstufte, aufgrund spä
terer Kenntnisse als gute Arten; in vielen Fällen halten seine Zusammenziehungen
jedoch auch aus heutiger Sicht stand.
Unter dem bescheidenen Titel „Nachträge zu Maly’s Enum eratio “ legte Ne il r e i c h
1861 eine sorgfältige und kenntnisreiche R evision der letzten Gesamtübersicht der Flora
des österreichischen Kaiserstaates vor, in der er viele Irrtümer bereinigte und wider
sprüchliche Angaben im Licht der aktuellen europäischen Taxonomie erörterte.
Ne il r e i c h veröffentlichte weiters eine kritische Übersicht der Blütenpflanzen Ungarns
und Slawoniens, wobei er auf die Herbarien des berühmten, aus der Gegend von
Mattersburg stamm enden Botanikers Paul Kitaibel, des ungarischen Botanikers August
Kanitz sowie des Dr. Ludwig Haynald, Erzbischofs von Kalocsa, eines ebenfalls renom
mierten Botanikers, zurückgreifen konnte. In ähnlich kritischer Weise revidierte er die
floristische Literatur Kroatiens.
In seiner letzten Publikation, über die „Veränderungen der W iener Flora“ w ährend
seiner Lebenszeit, dokumentiert Ne i l r e i c h (1870) den Florenwandel im Zug des
Wachstums der Stadt, der einsetzenden Industrialisierung und der Intensivierung der
Landwirtschaft - auch hierin „am Puls seiner Zeit“ und für unsere Gegenwart höchst
aktuell.
Im Zuge der Um strukturierung der Verwaltung nach 1849 wurde Ne i l r e ic h als M itglied
in die niederösterreichische Gerichtseinfuhrungskommission berufen und 1850 durch
eine außertourliche Beförderung zum k.k. Oberlandesgerichtsrat ernannt. 1853 und
©Verein zur Erforschung der Flora Österreichs; download unter www.biologiezentrum.at
August Neilreich 11
1854 war er Mitglied der Niederösterreichischen Landeskommission zur Einrichtung
neuer Gerichte und wurde mit der A usführung wichtiger administrativer Aufgaben
betraut.
Gesundheitlich hatte Ne il r e i c h bereits in jüngeren Jahren Probleme, seine Lunge war
schon seit längerer Zeit angegriffen gewesen, bevor man dies erkannt hat. Vielleicht
auch unter dem Einfluss der großen beruflichen Belastungen verschlechterte sich sein
Gesundheitszustand immer mehr.
1856 brach die Tuberkulose voll aus, und die Ärzte rieten ihm, zur Schonung entweder
seinen Beruf oder die Botanik aufzugeben. Trotz seiner beruflichen Erfolge war die
Liebe zur B otanik größer. 1857 suchte Ne i l r e ic h um seine vorzeitige Pensionierung an,
und noch im selben Jahr wurde er in den dauernden Ruhestand versetzt.
Er übersiedelte in das Haus seines Bruders Franz, wo sich sein Zustand durch gute
Pflege stabilisierte, Bergbesteigungen oder anstrengende Wanderungen waren ihm aber
seit dem Ausbruch der Krankheit nicht mehr möglich. Nach einem Sommeraufenthalt
in Hietzing und einer Reise nach Venedig, wo er bis Ende April 1858 blieb, besserte sich
sein Leiden etwas, w orauf er sich verstärkt der Publikation seiner botanischen
Beobachtungen widmen konnte.
1859 wurde Ne i l r e i c h - gegen seinen Willen - zu einem der Direktoren der Ersten
Österreichischen Spar-C asse gewählt und führte bis 1861 das Präsidium bei deren
Sitzungen.
1862 war aberm als Bluthusten aufgetreten, der bald chronisch wurde. Nei l r e i c h legte
in der Folge seine Direktorsstelle bei der Ersten Österreichischen Spar-Casse zurück.
Bis 1865 hatte er noch einzelne Ausflüge in das Voralpengebiet, zum Neusiedler See
und ins Waldviertel unternehmen können. Danach war ihm das Verlassen des Hauses
kaum mehr möglich, was ihn, dem seine botanischen Exkursionen und Beobachtungen
ein wichtiger Lebensinhalt geworden waren, sehr tie f getroffen hat. Umso bewunderns
werter, dass Ne il r e i c h seine wissenschaftlichen Arbeiten dennoch bis zu seinem Tod
unermüdlich fortsetzte.
Som meraufenthalte in der Hinterbrühl 1866 und in Rodaun 1868 konnten an der fort
schreitenden Tuberkulose nichts mehr bessern. Sein Vorhaben, eine Flora von Krain und
dem damals österreichischen Küstenland zu schreiben, blieb daher unausgeführt. Ab
Ende April 1871 konnte er sein Krankenlager infolge völliger Entkräftung nicht mehr
verlassen. Telegraphisch erbat er sich von Erzbischof Haynald den apostolischen Segen
für seinen letzten Gang. In den M orgenstunden des 1. Juni 1871 verstarb Ne il r e i c h , er
wurde in der Familiengruft auf dem Liesinger Friedho f (seit 1986 a uf Initiative von
W. Adler Ehrengrab der Stadt Wien) bestattet.
Für seine wissenschaftlichen Leistungen erhielt Nei l r e i c h zahlreiche Ehrungen, darunter
von der
• Leopoldinisch-Carolinischen Akademie der Naturforscher in Halle
• Königlichen A kademie in Pest
• Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien
• Königlichen botanischen Gesellschaft in Regensburg
• Naturforschenden Gesellschaft in Cherbourg.
©Verein zur Erforschung der Flora Österreichs; download unter www.biologiezentrum.at
12 W. Adle r, A. C. Mr kvic ka & E. Vitek
Mehrere Vereine ernannten ihn zum Mitglied, so der Botanische Verein für die Provinz
Brandenburg, der Apothekerverein in Wien, der Naturwissenschaftliche Verein in Brünn
und der Naturwissenschaftliche Verein in Graz.
1865 wurde Nei l r e i c h zum Ehrendoktor der Philosophie promoviert.
1866 verlieh ihm der Kaiser den Orden der Eisernen Krone III. Klasse.
Die 1875 so benannte Neilreichgasse (vgl. Au t e n g r u b e r 2001) führte zunächst vom
Bereich des Südbahnhofes (damals Linienwall) bis auf den Wienerberg, später wurde
der an dessen Südhang in das Liesingtal führende Brunn-Weg ebenfalls einbezogen,
sodass diese Gasse heute (im 10. und 23. Bezirk Wiens gelegen) drei bevorzugte
Exkursionsgebiete Ne il r e i c h s verbindet.
Auch mehrere zu Nei l r e i c h s Ehren benannte Arten bzw. Unterarten erinnern an diesen
großen Botaniker, wie z. B. Sempervivum neilreichii Schott, das Ne i l r e i c h bei Aspang
in Niederösterreich entdeckt hatte (= Jo vibarba hirta subsp. neilreichii); Asperu la
neilreichii Beck, eine charakteristische ostalpisch-karpatische Art der Nordöstlichen
Kalkalpen; die M ödlinger Feder-Nelke D ianth us neilreichii Hayek (= D. plum arius
subsp. neilreichii), ein Lokalendemit im Kalk-Wienerwald; die pannonische Trocken-
rasen-Sippe Achillea neilreichii Kerner (= A. nobilis subsp. neilreichii)', und die gleich
falls östliche Anthemis neilreichii Ortmann (heute zu A. ruthenica); sowie die fossile,
aus dem oberen Miozän stammende Carpinus neilreich ii (nahe verwandt m it C.
betulus). Die von E. Fenzl aufgestellte tropisch-am erikanische Gattung N eilreichia
(Asteraceae-Heliantheae-Helianthinae) heißt heute Schisto carpha.
Neil re ich s circa 14.000 Beleg e auf 13.787 B oge n ( B eck 1888) um fa sse ndes
„H erbarium florae A ustriae Inferioris“ gelan gte 1871 d urch testam entarisc hes Ver
mächtnis Neilreic hs an das Naturhistorische M useum in Wien (Botanische A bteilung ,
Herbarium W) (Beck & Zahlbru ckner 1894), wo es getre nnt au fb ewa hrt wu rd e und
da durch für nunmehr fast 150 Jahre nur sc hwer zug änglich geblieben ist2 Die
Bedeutung der vo rh and enen Be lege liegt nicht zu letzt auch darin, dass viele der F und
orte heute nicht m ehr ex istieren (z. B. Glacis, Türkensc hanze , Schottenbastei, Da m en
strandba d an d er Donau etc.)3
2 Für die Ka talog isierung des Herbars erwies sich diese getrennte Lagerung als Glück, da die sehr schö n
aussehende, aber dennoch schw er lesbare Hand schrift Ne i l r e ic h s nur mit einiger Ü bung entziffer t werden
kann. Im verga ngene n Jahr wurde dies e Au fgab e von J. Barta, M. Lengheim und M. Vnuk , drei ehrenamt
lichen Mitarbeiterinnen der Bota nis chen Abte ilu ng am Naturhistorische n Museum (NHM ) über nom men,
und alle Eti kettentexte wurden transkribiert. Derze it sind S. Fürst, F. Kun zlik, H. Pahl, V. Roll ig, E. M.
Ro ssek-Doringer, E. Schauer, H. Schützner, V . Stuksa und M. V aclavik - eb enfa lls ehren amtliche
Mitarbeiter des N HM - dam it beschä ftig t, die Etike ttentex te in e ine MS Acces s-Daten bank ein zugeb en. In
weiter en B ear beitun gsd urc hgängen sollen die B eleg e revidiert, die NEiLREiCHschen Fundorte lok alisiert
und sow eit als möglich den Quadranten der Flor istisch en Kartierung Österreichs (N ikl f e l d 1971) zu ge
ordnet werden. Danach ist die P ublika tion in Form eines Ka talog es geplant.
3 Auc h eine andere im Herbarium des Naturhistorischen Muse um s (W) befindli che Sa mm lung sollte in
diesem Zusam men hang erw ähnt werden: Die n och erhaltenen Teile der Sammlung M. Ma t z (als G ewährs
mann erwähnt in Neil r e ic h 1859: VI) kam en vor kurzem mit dem Herbar des Schotte ngym nasium s in
Wien als G esch enk ins Herbarium W.
©Verein zur Erforschung der Flora Österreichs; download unter www.biologiezentrum.at
Au gust Neilreich 13
Die wichtigsten Werke Neilreichs (daneben erschienen zahlreiche weitere Beiträge in
Fachzeitschriften; eine Bibliographie findet sich bei Köchel 1871):
• 1846: Flora von Wien. Eine Aufzählung der in den Um gebungen Wiens wild
wachsenden oder im Grossen gebauten Gefasspflanzen, nebst einer pflanzengeo
grafischen Übersicht. - XCII + 706 pp. - Wien: F. Beck. (Nachdruck 1868.)
• 1851: Nachträge zur Flora von Wien. - IV + 339 pp. - Wien: F. Beck.
• 1855: Geschichte der Botanik in Nieder-Oesterreich. - Verh. Zool.-B ot. Ges. 5:
23-76.
• 1857-1858 („1859“): Flora von Nieder-Oesterreich. Eine Aufzählung und
Beschreibung der im Erzherzogthume Oesterreich unter der Enns wild wachsen
den oder in Grossem gebauten Gefasspflanzen, nebst einer pflanzengeografischen
Schilderung dieses Landes. - CXXXII + 1010 pp. - Wien: C. Gerold‘s Sohn.
• 1861: N achträge zu Maly's Enum eratio plantarum phanerogam icarum imperii
austriaci universi. - 348 pp. - Hrsgg. von der k. k. Zool.-Bot. Ges. - Wien:
Braumüller.
• 1865 („ 1866“): Aufzählung der in Ungarn und Slavonien bisher beobachteten Gefass
pflanzen nebst einer pflanzengeografischen Uebersicht. - VIII + 389 + 1 pp. -
Wien: Braumüller. - Dazu noch: siehe unter 1870!
• 1866: Nachträge zur Flora von Nieder-Oesterreich. - VIII + 104 pp. - Hrsgg. von
der k. k. Zool.-Bot. Ges. - Wien: Braumüller.
• 1867: Diag nosen der in Ungarn und Sla vonien bish er beobachteten
Gefässpflanzen[,] welche in Koch's Synopsis nicht enthalten sind. - VI + 153 pp.
- Hrsgg. von der k. k. Zool.-Bot. Ges. - Wien: Braumüller.
• 1868: Die Vegetationsverhältnisse von Croatien. - XLI + 288 pp. - Hrsgg. von
der k.k. Zool.-Bot. Ges. in Wien. - Wien: Braumüller.
• 1869: Zweiter Nachtrag zur Flora von Nieder-Oesterreich. - Verh. Zool.-Bot.
Ges. 19: 245-298. - 54 pp. - Auch als Buch erschienen (Wien: Braumüller).
• 1869: Nachträge zu den Vegetationsverhältnissen von Croatien veranlasst durch
die flora Croatica von Schlosser und Vukotinovic. - Verh. Zool.-Bot. Ges. Wien
19: 765-830. - Auch als Buch erschienen (Wien: Braumüller).
• 1870: Aufzählung der in Ungarn und Slavonien ... Nachträge und Verbesserungen. -
XI + 111 pp. - Wien: Braumüller.
• 1870: Die Veränderungen der Wiener Flora während der letzten zwanzig Jahre. -
Verh. Zool.-Bot. Ges. 20: 603-620.
Neilreichs Wirken hat für die damals habsburgischen Länder eine neue Phase der
wissenschaftlich vertieften Floristik eingeleitet; seine Sorgfalt, seine kritische Haltung
und sein überregionaler Blick haben neue Maßstäbe gesetzt und können auch heute
Vorbild sein.
©Verein zur Erforschung der Flora Österreichs; download unter www.biologiezentrum.at
14 W. Adl er, A. C. M r kvicka & E. V itek
Dank
Un ser Dank gilt in erster Linie Herrn U niv .-Prof. Dr. Harald Nikife ld, der viele wichtige E rgänzungen
anbrachte. Auch Frau Prof. Dr. Marianne Kle mu n, Herrn Dr. Walter Gutermann und Herrn U niv.-Prof. Dr.
Manfred A. Fischer danken wir für e inige Hinw eise und Korrekturen.
Zitierte Literatur
Au t e n g r u b e r P. (2001): Lexikon der Wiener Straßennamen. Bedeutung, Herkunft, frühere
Bezeichnungen. - Wien: Pichler-Verlag.
Be c k G. v. (1888): Geschichte des Wiener Herbariums (der botanischen Abtheilung des k. k.
naturhistorischen Hofmuseums in Wien). - Bot. Centralbl. 33: 249-251, 280-283,
312-314, 378-380, 34: 28-31, 86-87, 147-151.
Be c k G. v . & Za h l b r u c k n e r A. (1894): Die botanische Abteilung des k. k . naturhistorischen
Hofmuseums (früher k . k. botanisches Hof-Cabinet) Wien. - In: Die botanischen
Anstalten Wiens: 55-78. - Wien: C. Gerold’s Sohn.
Cz e ik e F. (1994): Historisches Lexikon Wien 3. - Wien: Kremayr & Scheriau.
Kö c h e l L. v. (1871): Dr. August Neilreich. Umrisse seines Lebens und Wirkens. - Verh. K. K .
Zool.-Bot. Ges. Wien 21: 1313-1344. (Mit Bibliographie.)
Lo r e n z M. (2000): Karl Enderes. Eine biographische Studie. - Schubert durch die Brille
(Mitteilungen des Internationalen Franz Schubert-Institutes) 24: 31-80.
Ne il r e i c h A. (1857-1858): Flora von Nieder-Oesterreich. - Wien: C. Gerold’s Sohn.
Nik l f e l d H. (1971): Bericht über die Kartierung der Flora Mitteleuropas. - Taxon 20: 545-571.
Anschriften der Verfasser: Wolfgang Ad l e r , Schönbrunner Straße 67, A-1050 Wien. -
DI Alexander C. Mr k v ic k a , Siebzehn-Föhren-Gasse 7 , A-2380 Perchtoldsdorf. - Dr. Ernst
Vit e k , Botanische Abteilung, Naturhistorisches Museum Wien, Burgring 7 , A-1014 Wien.
E-Mail: ernst.vitek@nhm-wien.ac.at
©Verein zur Erforschung der Flora Österreichs; download unter www.biologiezentrum.at