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428 MschrKrim 99. Jahrgang – Heft 6 – 2016
Gewalt als Anpassungsstrategie?
Zum Umgang mit Belastungen im Jugendstrafvollzug1
von Verena Boxberg, Sarah E. Fehrmann, Jenny Häue, Frank Neubacher und Holger
Schmidt
Zusammenfassung
Jugendstrafgefangene gelten als eine hoch belastete Bevölkerungsgruppe. Intraprisonäre Gewalt kann
als mögliche Anpassungsstrategie auf die – durch die Haft mitunter verstärkten – Belastungslagen ver-
standen werden. Der nachfolgende Beitrag stellt umfassend die Ergebnisse aus einer Längsschnittstudie
im Jugendstrafvollzug vor. Dabei werden verschiedene Importations- und Deprivationsmerkmale zu
Gewalt unter männlichen Jugendstrafgefangenen in Bezug gesetzt, um der Frage nachzugehen, inwie-
fern Gewalt als eine Anpassungsstrategie an die Haft gesehen werdenkann.
Schlüsselwörter:Viktimisierungen, intraprisonäre Gewalt, Deprivation, Importation, Längsschnitt-
studie
Violence as adaptation strategy?
Dealing with hardship inprison
Abstract
Young prisoners are a population group reckoned as highly strained and marginalised. Violence can be
understood as a possible adaptation strategy to cope with the hardship that might even be intensied by
the imprisonment. The following contribution goes into this matter and presents numerous ndings of
a longitudinal study about young people in youth custody. In doing so, several features of importation
and deprivation respectively are put into relation to violence among young male prisoners.
Keywords:Victimization, prison violence, deprivation, importation, longitudinal research
1. Einleitung
Jugendstrafgefangene sind vielfältigen Belastungen ausgesetzt. Bereits vor Haftantritt sind
sie, neben den ohnehin zu bewältigenden Entwicklungsaufgaben des Jugendalters, mit
z.T.erheblichen psychosozialen Belastungslagen konfrontiert. Belastungen stellen objektive
Einüsse dar, die von Menschen auf unterschiedliche Weise bewertet und – über individuell
verfügbare Ressourcen vermittelt – subjektiv verarbeitet und bewältigt werden (Treier 2015,
25). Soziale Unterstützung sowie ein als ausreichend groß wahrgenommener Handlungs-
spielraum können dabei u.a. als Ressourcen gefasst werden, die Belastungen abfedern (Treier
2015, 21). Stehen derartige soziale und persönliche Ressourcen nicht (ausreichend) zur Ver-
1 Die vorgestellte Studie wäre ohne die Unterstützung durch die Vollzugsanstalten und die jungen Ge-
fangenen nicht möglich gewesen. Insb. die Bereitwilligkeit der Inhaftierten, ernsthaft und rückhaltlos
zu berichten, hat uns sowie die im Vollzug Tätigen beeindruckt. Sicher hat aber auch die Bereitschaft
der Anstalten, die Befragungen während der Arbeitszeiten der Gefangenen ohne Verdienstausfälle
zuzulassen, Wirkung gezeigt. Für die erfolgreiche Durchführung der Studie waren Weichenstellungen
dieser Art entscheidend. Die Autorinnen und Autoren danken den teilnehmenden Inhaftierten und
unterstützenden Bediensteten. Darüber hinaus möchten sie sich für die wertvollen Anmerkungen
zweier anonymer Gutachter bedanken.
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Boxberg/Fehrmann/Häufle/Neubacher/Schmidt, Gewalt als Anpassungsstrategie? 429
fügung, so können sich physische und psychische Beanspruchungsfolgen wie z.B.proble-
matisierbare internalisierende und externalisierende bis hin zu devianten Verhaltensweisen
ausbilden (Böhnisch2010).
Während einer Inhaftierung sehen sich junge Menschen darüber hinaus mit potenziell
entwicklungshinderlichen soziostrukturellen Bedingungen des Gefängnisses konfron-
tiert:Soziale Isolation, (Zukunfts-)Sorgen und materielle Verluste stellen nur einige der
belastenden Aspekte des Gefängnisalltags dar (Enzmann 2002). Insbesondere das Verhältnis
zu den Mitgefangenen erweist sich als ein den Alltag dominierender Faktor. Das Hafterleben
kann zu Unsicherheit und Hilosigkeit führen, ist oftmals aber auch von konkreten Erfah-
rungen der Angst, Einschüchterung und verschiedenen Facetten der (alltäglichen) Gewalt
gekennzeichnet (Neubacher 2008). Speziell Jugendstrafanstalten stellen dabei einen Schwer-
punkt der Gewaltdelinquenz dar (Bieneck & Pfeiffer 2012, 11; Wirth2007).
Den potenziell gewaltförmigen Umgang junger Menschen mit den mannigfaltigen Be-
lastungen innerhalb der Haft besser zu verstehen, ist eine Zielsetzung des DFG-geförder-
ten Projekts »Gewalt und Suizid im Jugendstrafvollzug« (»GEWUSST«; Laufzeit beider
Projektteile:2010–2017). Der vorliegende Beitrag gibt mit seiner Fokussierung auf zentrale
Projektergebnisse einen Überblick zum Thema Gewalt hinsichtlich institutioneller wie auch
biographischer Belastungslagen der befragten Jugendstrafgefangenen. Zweierlei Ziele verfolgt
der Beitrag:Neben einem klassischen Review wird der Frage nachgegangen, inwieweit Ge-
walt als eine Anpassungsstrategie an die Haft verstanden werden kann. Nach der Vorstellung
der theoretischen Vorannahmen und der Methodik des Projektes folgt zunächst eine Darstel-
lung der quer- und längsschnittlichen Ergebnisse zu intraprisonärer Gewalt- und Opfererfah-
rung. Anschließend werden die Zusammenhänge von Gewaltverhalten mit den theoretischen
Vorannahmen aufgezeigt und hinsichtlich der leitenden Forschungsfrage diskutiert.
2. Theoretische Vorannahmen und Forschungsstand
Zu gewaltförmigen Handlungen in der »totalen Institution« Strafvollzug (Goffman 1973;
Dollinger & Schmidt 2015)existieren theoretische Ansätze, die die Phänomene aus z.T.kon-
trären Perspektiven zu deuten suchen. Als wesentliche Erklärungsansätze sind die seit lan-
gem diskutierten Importations- und die Deprivationstheorien sowie aktuelle Theorien zur
reaktiven Anwendung von Gewalt im Strafvollzug zu benennen.
Die sogenannte Importationstheorie (Irwin & Cressey 1962)fokussiert individuelle Hand-
lungsdispositionen, die im Leben vor der Haft erworben worden sind und zu den Phänome-
nen intraprisonärer Gewaltaktivität beitragen. Vielfach zeigt sich, dass junge Strafgefangene
oftmals aktuelle und vergangene Marginalisierungsprozesse erkennen lassen:Sie sehen sich
überproportional häug mit (meist unfreiwilligen) Unterbringungen in wechselnden Insti-
tutionen der Hilfen zur Erziehung konfrontiert; das Geschehen in den Herkunftsfamilien
selbst ist nicht selten durch problematisierbare Verhaltensweisen (z.B.regelmäßiger Dro-
gen- und Alkoholkonsum) gerahmt; vielfach sind Eltern-Kind-Interaktionen körperlich-
sanktionierend ausgestaltet (vgl. Stelly u.a. 2014). Der Importationstheorie folgend wird
die durch krisenhafte Familien- und Lebensverhältnisse bedingte Vulnerabilität bei einer
Inhaftierung in den Vollzug insofern »importiert«, als das Belastungserleben und die subjek-
tive Autonomieeinschränkung der Betroffenen beträchtlich beeinusst und die Entwicklung
koniktfreier Strategien zur Bewältigung und Verarbeitung problematischer Haftumstände
erschwertwird.
Der Deprivationstheorie zufolge sind es die vollzuglichen Belastungen, die bei den Inhaftier-
ten langfristig zu einem verstärkten Anpassungsdruck führen und die Entstehung von intra-
prisonärer Gewalt begünstigen. Als maßgebliche Haftdeprivationen, auch als Schmerzen des
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Freiheitsentzuges (pains of imprisonment; Sykes 1958)bezeichnet, können neben der faktischen
Entbehrung der persönlichen Freiheit v.a. auch die Beschränkung der Autonomie, die Bewe-
gungs- und Reizarmut, der reduzierte Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, die Unterbin-
dung von heterosexuellen Kontakten sowie der Verlust an Sicherheit in erzwungenen Sozial-
beziehungen genannt werden. Dabei werden derartige Deprivationserfahrungen als möglicher
Auslöser für intraprisonäre Gewalt nicht nur durch bauliche Merkmale der Anstalt vermittelt,
auch das durch die Gefangenen wahrgenommene Verhalten der Bediensteten kann Depriva-
tionen mildern oder erhöhen. Die Art und Weise, wie Anstaltsbedienstete Regeln durchsetzen,
beeinusst das Sicherheitsgefühl der Gefangenen (vgl. Liebling & Tait 2006). Darüber hinaus
kann die Beziehung zwischen Bediensteten und Gefangenen den wahrgenommenen Mangel
an Autonomie (van der Laan & Eichelsheim 2013), das Wohlbenden der Gefangenen sowie
deren Verhalten beeinussen (Liebling 2011). Bspw. fallen Gefangene, die angeben, dass res-
pektvoll mit ihnen umgegangen wird, seltener mit Regelbrüchen auf (Reisig & Mesko2009).
Unter den Bedingungen der Inhaftierung sind die jungen Menschen aufgefordert, sich inner-
halb der Gefangenenhierarchie zu positionieren. Die Anpassung an den Strafvollzug kann u.a.
darin bestehen, das eigene Handeln an den informellen, z.T.mit Gewalt durchgesetzten Regeln
und (gewaltbejahenden) Normen und Werten der Insassensubkultur auszurichten. Gewalt stellt
hierbei eine wichtige, wenn auch nicht die einzige Handlungsstrategie dar (u.a. Bereswill 2001;
Crewe 2009; Edgar, O’Donnell & Martin 2003). In Reaktion auf intraprisonäres Gewalterleben
und Viktimisierung können sich die Gefangenen zurückziehen, mit anderen zusammenschließen
und/oder selbst gewalttätig werden (McCorkle 1992; Riccardelli 2014). So zeigen verschiedene
Studien, dass viktimisierte Gefangene ein großes Bedürfnis haben, sich zu isolieren (Ireland 2011;
Windzio 2007). Neben eher passiven Vorsichtsmaßnahmen zum Selbstschutz üben viktimisierte
Gefangene ihrerseits jedoch auch aktiv Gewalt aus (Ireland 2011; McCorkle 1992). Entsprechend
gehen das »Applied Fear Response Model« (Ireland 2005; 2011)und das »Multifactor Model of
Bullying in Secure Settings« (Ireland 2012)davon aus, dass die Angst vor einer Viktimisierung
dazu führt, dass Inhaftierte verschiedene Formen von physischer und psychischer Gewalt ein-
setzen, um sich vor erneuter Viktimisierung zu schützen. Die Gewalt der jungen Menschen wird
als reaktive und adaptive Strategie angesehen, um mit der Situation in Haft zurechtzukommen.
3. Das GEWUSST-Projekt
Das Projekt »Gewalt und Suizid im Jugendstrafvollzug« basiert auf einem integrativen Arbeits-
modell, wonach die genannten Belastungsdimensionen ineinandergreifen (Neubacher u.a.
2011). Im Vollzugsalltag führt das Wechselspiel zwischen bestehenden Wahrnehmungs- und
Handlungsdispositionen der Inhaftierten und belastenden und stressverursachenden Haftbe-
dingungen teils zu dysfunktionalen Formen der Anpassung an den Haftalltag. Der Anpas-
sungsprozess wird von allen jungen Inhaftierten durchlaufen, jedoch gibt es interindividuelle
Unterschiede in den Ausgangsbedingungen, im Verlauf und im Resultat des Prozesses. Das
Forschungsprojekt betrachtet konkret Gewalt bzw. Suizid als potenzielle Anpassungsstrate-
gien, mit denen Gefangene auf bestehende und/oder durch die Haft entstehende Belastungs-
lagen reagieren.
Im Kern der Untersuchung wurde im Sinne einer Methoden-Triangulation eine längs-
schnittliche Fragebogenuntersuchung von Inhaftierten mit problemzentrierten Interviews
sowie mit der Analyse von Gefangenenpersonalakten kombiniert.2 Die Befunde der ein-
zelnen Untersuchungswellen erlauben Rückschlüsse auf den Umgang mit dem durch die
2 Ausführlich zu Anlage und Methodik des Projekts siehe Neubacher, Oelsner & Schmidt2013.
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Inhaftierung entstehenden Anpassungsdruck, auf mögliche intraindividuelle Wandlungs-
prozesse sowie auf interindividuelle Veränderungen im Gewalthandeln und -erleben der
jungen Inhaftierten. Parallel dazu beleuchtet eine ebenfalls längsschnittlich angelegte Fra-
gebogenerhebung von Bewährungsprobanden den Entwicklungsverlauf bei einer ähnlich
situierten Personengruppe außerhalb des Gefängnisses, um Vergleiche zwischen ähnlichen
Personengruppen in Haft und Freiheit zu ermöglichen und so Aussagen über Spezika der
Haftsituation treffen zu können.
Zur Datenerhebung wurden drei Anstalten des Jugendstrafvollzugs im Abstand von drei
Monaten insgesamt viermal besucht und alle Gefangenen um Teilnahme gebeten. Die Ent-
scheidung zu einer Teilnahme erfolgte – nach einer ausführlichen Infoveranstaltung – frei-
willig und vergütet (wahlweise Kaffee, Schokolade oder Tabak im Wert von ca. 5 €). Das
Ausfüllen der Fragebögen erfolgte in Kleingruppen in Abwesenheit von Anstaltsbediens-
teten und in Anwesenheit von Projektmitarbeitern. Zu jeder Erhebungswelle wurden neue
Studienteilnehmer hinzugenommen. Insgesamt liegt von 882 Gefangenen zumindest ein
Fragebogen vor, 521 von ihnen wurden zweimal erreicht, 267 dreimal und 100 viermal.
Die Ausschöpfungsquote stieg von 62 % auf 75 % aller in den jeweiligen Anstalten je Wel-
le inhaftierter Personen. Der Drop-out von Studienteilnehmern ist im Wesentlichen der
Entlassung geschuldet. Aus der Gesamtstichprobe wurden darüber hinaus 36 interessierte
Gefangene entlang theoretischer Kriterien (u.a. Erst-/Folgeinhaftierung; [kein] Gewalt-
delikt) randomisiert ausgewählt und qualitativ interviewt. In ihrem Fokus auf subjektive
Bedeutungszuschreibungen sowie Wahrnehmungs- und Handlungsmuster der Gefangenen
erlauben die Interviews vertiefend auf die Perspektive der Akteure einzugehen. Für eine wei-
tere Zufallsstichprobe bestehend aus 223 der 882 Gefangenen wurden die Gefangenenper-
sonalakten erhoben. Neben soziodemographischen, delikt- und inhaftierungsspezischen
Angaben fand eine Einzelauswertung aller in den Akten vermerkter Gewaltvorkommnisse
statt (im Einzelnen siehe Wolter & Häue 2014, 285 f.).
Die Rekrutierung der Bewährungsprobanden verlief ausschließlich über die Bewährungs-
hilfe (siehe Boxberg 2016, 141 f.). Ausgeschlossen wurden Personen, deren Reststrafe zur
Bewährung ausgesetzt war. Die Folgebefragung verlief ausschließlich postalisch. Von den
212 Bewährungsprobanden konnten 92 erneut zu einer Teilnahme bewogen werden; 67
wurden dreimal und 47 viermal befragt.
Stichprobenbeschreibung
Soziodemographische Beschreibungen von Jugendstrafgefangenen verdeutlichen in der
Regel die starken Belastungen und Marginalisierungserfahrungen dieser Personengruppe.
Wie auch in anderen Untersuchungen, so zeigt sich in den GEWUSST-Daten das niedri-
ge Bildungsniveau der Straffälligen. Ein gutes Drittel besitzt einen Hauptschulabschluss
(36 %). Dabei haben nur 10 % der Inhaftierten einen höheren Abschluss. Hingegen haben
28 % der Bewährungsprobanden einen Realschulabschluss oder Abitur. Entsprechend bra-
chen 28 % von ihnen die Schule ab, gegenüber 50 % der Gefangenen3. Jedoch gingen von
diesen 50 % der Gefangenen 30 % vor der Haft noch zur Schule. Bei den Bewährungspro-
banden gehen 22 % jener, die keinen Schulabschluss besitzen, noch zur Schule. Darüber
hinaus sind in beiden Gruppen in etwa 18 % in Ausbildung, ungefähr ein Fünftel arbeitet
3 Dies ist möglicherweise ein Artefakt der Befragung, weil sich Hauptschüler bzw. Personen ohne
Schulabschluss eher nicht zugemutet haben, den Fragebogen selbstständig auszufüllen. Dieser Unter-
schied kann jedoch ebenfalls eine Auswirkung der Selektion bei der Entscheidung zur Bewährungs-
aussetzung durch die jeweiligen Richtersein.
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(22 % der Bewährungshilfeprobanden und 17 % der Inhaftierten). Fast ein Drittel der Be-
fragten (28 % der Bewährungshilfeprobanden und 33 % der Inhaftierten) ist arbeitslos.
Die meisten Befragten sind vorbestraft. Für neun Gefangene stellt die Inhaftierung die
erste Verurteilung dar, 23 % geben ein bis zwei Vorverurteilungen an, 36 % drei bis fünf
und 29 % wurden bereits öfter als fünfmal verurteilt. Zwar stellt die Bewährungsstrafe für
keinen der Befragten die erste Strafe dar, ansonsten fällt die Verteilung etwas mehr zu ihren
Gunstenaus. Gut ein Drittel (36 %) wurde zuvor ein- bis zweimal verurteilt, 43 % drei
bis fünfmal und mehr als fünf Vorverteilungen geben 21 % der Bewährungsprobanden an.
Das schwerwiegendste Delikt, das zur Jugendstrafe führte, ist in den meisten Fällen ein
Gewaltdelikt (53 % Bewährungsprobanden und 69 % Inhaftierte4). Bei ungefähr einem
Fünftel ist das schwerwiegendste Delikt ein Vermögensdelikt. Die Bewährungsprobanden
werden dabei fast doppelt so oft aufgrund eines Delikts verurteilt, das mit Drogenkonsum
im Zusammenhang steht (13 % zu 7 %). Die restlichen 12 % (Bewährungsprobanden) bzw.
4 % (Inhaftierte) entfallen auf sonstige Delikte.
Aufgewachsen5 sind sowohl die Hälfte der Inhaftierten als auch die Bewährungsproban-
den bei beiden Eltern. Jeweils ein Drittel wuchs vornehmlich bei der Mutter auf. Dabei ist
bemerkenswert, dass zwar 28 % der Bewährungsprobanden zumindest zeitweise in einem
Heim oder bei Pegeeltern aufwuchsen, jedoch 46 % der Inhaftierten. Gewalt durch Eltern
oder andere erwachsene Haushaltsangehörige erfuhren 38 % der Inhaftierten und 36 %
der Bewährungsprobanden, misshandelt wurden 18 % der Gefangenen und 16 % der Be-
währungsprobanden.
Zum Zeitpunkt der ersten Befragung haben die jungen Inhaftierten knapp zehn Monate
(M=9,73 Monate; SD=9,32 Monate, Min=6 Tage, Max=6 Jahre) ihrer Strafe verbüßt.
Insgesamt beziffert sich ihre Strafdauer auf Zeiträume von zwei Monaten bis zwölf Jahren
(M=2,44 Jahre; SD=1,48 Jahre). Im Schnitt hatten die Bewährungsprobanden bereits ein
Jahr und drei Monate ihrer Bewährungsstrafe absolviert (M=15,48 Monate; SD=12,61
Monate, Min=15 Tage, Max=6,14 Jahre).
4. Befunde
4.1 Gewalttätigkeit und Viktimisierung in Haft und unter Bewährung
Nach Gewalterfahrungen der vergangenen drei Monate befragt, geben die meisten männ-
lichen Jugendstrafgefangenen an, Opfer oder Täter von Gewalt geworden zu sein. Allerdings
unterscheidet sich die Verteilung der Angaben über die einzelnen Gewaltkategorien. Formen
psychischer Gewalt wie Ignorieren und Lästern sind im Jugendstrafvollzug weit verbreitet.
Je nach Welle6 räumten zwischen 80 und 90 % der Gefangenen Taten dieser Art ein. Darauf
folgen Formen physischer Gewalt (62 bis 68 %). Zwei Items der Kategorie »physische Ge-
walt« sind im strafrechtlichen Sinne als Körperverletzung zu subsumieren, die zwischen
42 % und 47 % der Befragten zugaben. Zwang und Erpressung sind mit 42 bis 44 % eben-
4 Darunter sind 10 % Tötungs- und Sexualdelikte.
5 Die Angaben zum familiären Hintergrund entstammen dem Fragebogen der zweiten Welle, aufgrund
des Drop-outs beantworteten diesen 521 Inhaftierte und 92 Bewährungsprobanden.
6 Die Gewaltangaben wurden mithilfe einer Adaption des DIPC-Scaled von Ireland & Ireland (2008)
erfasst (Boxberg, Wolter & Neubacher 2013). Aufgrund von Entlassungen und Neuzugängen setzte
sich die Gruppe der Befragten über die vier Wellen hinweg immer wieder neu zusammen. Gleichwohl
blieben die Antworten der jeweiligen Teilnehmer im Querschnitt konsistent. Dies bedeutet einerseits,
dass die Antworten der Gefangenen nicht wahllos gegeben oder manipuliert wurden. Andererseits
zeigt dies, dass sich die Gesamtgewaltbelastung trotz Fluktuation der Gefangenen in Anstalt und
Befragung über das Jahr hinweg nicht änderte.
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falls weit verbreitet. Sexuelle Gewalt scheint hingegen eine untergeordnete Rolle zu spielen,
die Täterangaben liegen bei 1 bis 4 % (dazu Neubacher & Schmidt, im Druck).
Die große Mehrheit der jungen Gefangenen gibt an, in den letzten drei Monaten nicht
nur Täter, sondern auch Opfer von Gewalt geworden zu sein. Dabei liegen die Opferanga-
ben, außer bei der sexuellen Gewalt, immer unter den Täterangaben. Möglicherweise wird
die eigene Täterschaft retrospektiv überschätzt und die Erfahrung, Opfer gewesen zu sein,
unterschätzt (Boxberg, Wolter & Neubacher 2013). Dies mag daran liegen, dass die Gefan-
genen nicht als Opfer gelten möchten, da dies sie in ihrem subkulturellen Status herabsetzt.
Ein Rückzug oder auch das Hinzuziehen eines Bediensteten wird zwar als Möglichkeit
gesehen, jedoch ist insbesondere in Anwesenheit Mitgefangener die »Demonstration, kein
Opfer zu sein« (Neuber 2009, 189)die prestigeträchtigste (Häue, Schmidt & Neubacher
2013). Auf die Frage, wie häug die Gefangenen Gewalt erfahren haben, antworteten die
meisten mit »selten«. Zwar kann von einer Alltäglichkeit der Gewalt ausgegangen werden,
dies muss jedoch dahingehend präzisiert werden, dass Gewalt durchaus täglich im Umfeld
des Gefangenen geschieht, er aber nicht täglich davon direkt betroffen ist (Neubacher 2014,
492). Somit sind für die prisonäre Gewalt durchaus hohe Prävalenzraten, aber eine relativ
niedrige Inzidenz festzustellen.
Auch die Bewährungsprobanden wurden befragt, inwiefern sie in den vergangenen drei
Monaten in gewalttätige Auseinandersetzungen involviert waren. Um den zusätzlichen Ein-
uss des Gefängnisses auf die ohnehin belastende Lebenssituation abschätzen zu können,
wurde eine längsschnittliche Kontrollgruppe installiert, die den Gefangenen möglichst ähn-
lich sein sollte. Dies trifft insbesondere auf unter Bewährungsaufsicht stehende junge Men-
schen zu. Jedoch ist auch hinsichtlich dieser Bewährungsprobanden zu vermuten, dass sie
eine Positivauswahl aller potenziell zu einer Jugendstrafe verurteilten Personen darstellen.
Die vergleichende Darstellung der Angaben zu Gewalt von Bewährungsprobanden und Ju-
gendstrafgefangenen beschränkt sich daher auf vergleichbare Substichproben.7 Im Vergleich
zu den Inhaftierten fällt auf, dass die Bewährungsprobanden signikant häuger viktimi-
siert und selbst gewalttätig werden (Tabelle 1).8 Da sich die Substichprobe der Inhaftierten
hinsichtlich ihrer intraprisonären Gewalterfahrung nicht von der Gesamtstichprobe unter-
scheidet, liegt die Schlussfolgerung nahe, dass die Jugendstrafgefangenen aufgrund verrin-
gerter Tatgelegenheiten, höherer Kontrolldichte und drohenden schwerwiegenden Folgen
versuchen, eigene Gewalttätigkeit einzuschränken und das Potential ihrer Gewalttätigkeit
soweit wie möglich ohne tatsächliche Gewaltausübung aufrechtzuerhalten (Boxberg, Wolter
& Neubacher2013).
4.2 Längsschnittliche Betrachtung
Ein entscheidender Vorteil der GEWUSST-Studie besteht im längsschnittlichen Design.
Dieses ermöglicht es zu untersuchen, unter welchen Bedingungen und in welcher Weise
sich Gewalt im Haftverlauf entwickelt. Eine schematische Betrachtungsweise und trenn-
scharfe Unterscheidung nach Opfern und Tätern geht dabei an der offenbar wesentlich
komplexeren Alltagsrealität im Vollzug vorbei und wird der Dynamik von Täter- und Op-
ferrollen nicht gerecht (Häue, Schmidt & Neubacher 2013, 33). Deutlich wird dies an den
7 Bei den Substichproben handelt es sich um jeweils 185 Personen, deren Vergleichbarkeit hinsichtlich
der Merkmale Alter, Bildung, Tätigkeit vor Inhaftierung, Gewaltstraftaten, Vorstrafen und Substanz-
konsum mittels Propensity Score Matchings hergestellt wurde (Boxberg u.a.2013).
8 Diese Angabe bezieht sich auf die Häugkeitsverteilung und gilt für die Gewalt insgesamt ebenso
wie für die Unterkategorien:psychische Gewalt, physische Gewalt, Körperverletzung, materielle
Schädigung und sexuelle Gewalt (hier nur Täterangaben).
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100 Inhaftierten, die zu allen vier Messzeitpunkten an der Befragung teilgenommen haben.
Von ihnen begingen 74 bei mindestens einem Messzeitpunkt eine Körperverletzung und
28 sogar bei jedem der vier Messzeitpunkte; lediglich 26 Personen gaben zu keinem Zeit-
punkt eine Körperverletzung an (Ernst & Neubacher 2014). Bezogen auf die Gesamtgewalt
elen 70 % aller befragten Inhaftierten sowohl als Täter als auch als Opfer auf. 17 % sind
ausschließlich Täter, 9 % ausschließlich Opfer. Die Gruppe der »Nicht-Involvierten« ist
mit 5 % am geringsten. Mithin können vier Gewaltuntergruppen gebildet werden (Nicht-/
Kaum-Involvierte; Täter; Opfer; Täter-Opfer). Längsschnittlich zeigt sich, dass es häug
Wechsel zwischen den Gruppen gibt. Zwar sind 58 % drei Monate später wieder der glei-
chen Gruppe zuzuordnen. Dies bedeutet jedoch, dass zum zweiten Messzeitpunkt 42 %
die Gruppen gewechselt haben. Dabei gibt es eine Tendenz weg von Opfergruppen und
hin zu Tätergruppen (Boxberg, Wolter & Neubacher 2013, 97). Dies ist ein erster Hinweis
darauf, dass intraprisonäre Gewalt (auch) eine Reaktion auf Viktimisierungserfahrungen
in der Haft ist (s.o.).
Mit quantitativen Daten aus zwei Messzeitpunkten konnte bereits nachgewiesen werden,
dass eine Zunahme psychischer Gewalt über einen Zeitraum von drei Monaten auf eine Vik-
timisierung zu einem früheren Messzeitpunkt zurückzuführen ist (Häue & Wolter 2015).
Dieses Ergebnis belegt einen Zusammenhang zwischen Viktimisierung in Haft und eigener
Gewaltausübung, stützt damit Irelands (2005; 2011; 2012)aktuelle Theorien zur Gewalt-
entstehung im Strafvollzug und deckt sich mit dem theoretischen Verständnis der Gewalt-
entstehung im vorgestellten Projekt.
Ob diese Ergebnisse sich auch für den kompletten Untersuchungszeitraum von einem
Jahr zeigen, wurde mittels Wachstumskurvenmodellen an jenen 100 Studienteilnehmern
untersucht, die zu allen vier Messzeitpunkten teilgenommen haben. Fragestellungen die-
ser Untersuchung sind, welchen Verlauf (Zunahme, Abnahme, linear oder nicht-linear) das
Ausüben von Gewalt im Zeitraum von einem Jahr durchschnittlich für alle Inhaftierten
nimmt, ob es dabei interindividuelle Unterschiede gibt und inwieweit Opfererfahrungen
einen Einuss auf diesen Verlauf nehmen (vgl. hier und im Folgenden Häue, in Vorberei-
tung).
Tabelle 1 Gewaltangaben der Bewährungsprobanden und Inhaftierten
Täterangaben in % Opferangaben in %
Inhaftierte Bewährungs-
probanden Inhaftierte Bewährungs-
probanden
psychische Gewalt 83 95 70 82
physische Gewalt 61 82 47 58
davon Körperverletzung 40 63 43 54
sexuelle Gewalt 1 5 3 4
materielle Schädigung 43 51 17 44
Zwang/Erpressung 38 48 14 22
Gesamt 87 96 75 88
Anmerkung:Die Tabelle stellt die Täter- und Opferangaben der ersten Welle für die letzten drei
Monate jener 185 Gefangenen und 185 Bewährungsprobanden dar, die durch das Propensity Score
Matching als vergleichbar ermittelt wurden.
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Untersucht wurden die häugsten Formen von Gewalt (physisch und psychisch; s.o.).
Hinsichtlich der Opferwerdung wurde nicht zwischen verschiedenen Arten, z.B.physischer
oder psychischer Viktimisierung, unterschieden, da o.g. Theoriemodelle davon ausgehen,
dass es nicht die Art der Opfererfahrung ist, sondern die Angst vor weiterer Viktimisierung,
die zur protektiven Anwendung von Gewalt führt. Für die Analyse der Wachstumskurven
über vier Messzeitpunkte wurden aus in einem ersten Schritt berechneten Messmodellen9
die Faktorenwerte ermittelt.
Es wurde in einem zweiten Analyseschritt jeweils eine gemeinsame Gruppenwachstums-
kurve für alle befragten Inhaftierten identiziert, wobei ein quadratisches Wachstumskur-
venmodell mit Intercept (Startpunkt), linearer und quadratischer Komponente als Startpunkt
für sukzessive Modelltests berechnet wurde. In der Variabilität um die jeweils identizierte
gemeinsame Gruppenkurve werden interindividuelle Unterschiede zwischen den Inhaftier-
ten in ihrer Gewalt- und Opfererfahrung sichtbar und es kann dann mittels Prädiktoren der
Versuch einer Erklärung dieser Unterschiede zwischen Personen vorgenommen werden
(weiterführend zu Wachstumskurvenmodellen:Duncan etal. 1999; McArdle 2006; McArdle
& Nesselroade 2003; Rovine & Molenaar 1998; 2000). Da die Messzeitpunkte jeweils drei
Monate auseinanderliegen und daher gleich lang sind, wurde für die Zeitkodierung ein li-
nearer Zeitvektor verwendet (Duncan etal. 1999; Hancock & Lawrence 2006; McArdle &
Nesselroade 2003; Stoolmiller1995).
Für physische Gewalt ergibt sich ein Modell mit linearem Wachstum inklusive interindivi-
duellen Unterschieden in Ausgangspunkt und Anstieg der Kurve über die Zeit (dieses passt
nicht signikant schlechter als ein komplexeres quadratisches Modell:χ2-Differenz=2,307,
df=1, p=0,129; n.s.). Für psychische Gewalt hingegen zeigt sich, dass ein Modell mit qua-
dratischem Wachstum (also eine umgekehrt U-förmige Kurve) signikant besser passt als
eines mit linearem Wachstum (χ2-Differenz=62,718, df=2, p < 0,001; sign.). Es gibt daher
im Verlauf der vier Messzeitpunkte eine Zunahme an psychischer Gewalt in Haft, die jedoch
gebremst wird, einen Höhepunkt erreicht und dann abacht. Es zeigen sich zudem interin-
dividuelle Unterschiede in den Kurvenverläufen.10 Für die Viktimisierungserfahrungen passt
ein Modell mit linearem Wachstum nicht signikant besser als ein Modell ohne Wachstum
(χ2-Differenz=1,35, df=1, p=0,245; n.s.), d.h. dass Opfererfahrungen im Mittel nicht zu-
nehmen. Die schließlich in einem letzten Analyseschritt geschätzten Prädiktorenmodelle11
zur Erklärung der interindividuellen Unterschiede in den Wachstumskurvenmodellen zei-
gen, dass auch über den Zeitraum von einem Jahr psychische Gewalt in Haft – im Gegensatz
zu physischer Gewalt – durch Opfererfahrungen vorhergesagt werden kann. Diese Ergebnis-
se bestätigen somit das bereits etablierte Ergebnis aus zwei Messzeitpunkten. Der signikan-
te Anstieg von psychischer Gewalt im Verlauf eines Jahres der Inhaftierung kann signikant
von Viktimisierungserfahrungen vorhergesagt werden. Es kann sowohl die lineare Kom-
ponente (ßlin21=0,207, SE=0,057, p < 0,001, sign.) als auch die quadratische Komponente
9 Die Messmodelle für psychische und physische Gewalt sowie für Viktimisierung wurden mittels
Mplus Version 6 (Muthén & Muthén 2010)berechnet und die Invarianz der Messmodelle über die
Zeit geprüft (Meredith 1993; Meredith & Teresi 2006; Muthén & Muthén2010).
10 Die signikanten Varianzschätzungen der Wachstumskomponenten zeigen diese interindividuellen
Unterschiede zwischen den Inhaftierten sowohl im Startpunkt (Intercept), in der Höhe der Zu-
nahme (lineare Komponente) und in der Stärke, mit der die Zunahme gebremst wird (quadratische
Komponente).
11 Es wurde je ein Prädiktorenmodell für physische und psychische Gewalt mit den entsprechenden,
am besten passenden Wachstumskurvenmodellen zusammen mit demographischen Variablen zur
Vorhersage der Wachstumsparameter geschätzt.
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436 MschrKrim 99. Jahrgang – Heft 6 – 2016
(ßquad21=–0,048, SE=0,018, p=0,009, sign.) durch Opfererfahrungen vorhergesagt werden.
Abbildung 1 zeigt zur Veranschaulichung des Einusses von Opfererfahrungen auf psy-
chische Gewalt prototypische Wachstumskurven für Personen mit niedriger, mittlerer und
hoher Opfererfahrung (jeweils eine Standardabweichung unter- und oberhalb des Mittel-
werts) bei konstant gehaltenen, mittleren Werten der anderen Prädiktoren. Diese Abbildung
verdeutlicht den Einuss von Opfererfahrungen in Haft auf die Entwicklung von psychi-
scher Gewalt. Wer häug Opfer wurde, muss sich womöglich häuger beweisen und wen-
det daher mehr psychische Gewalt zum Schutz vor erneuter Viktimisierung an als jemand,
der seltener Opfer wurde. Die Ergebnisse bekräftigen daher, dass es sich um eine reaktive,
funktionale, weil protektive Form der Gewalt handeln könnte (Dodge 1991; Ireland 2005).
Derartige Vorsichtsmaßnahmen müssen nicht unbedingt physische Gewalt beinhalten, die
vorgestellten Resultate zeigen vielmehr, dass die Anwendung subtilerer Formen von Gewalt
wie Beleidigungen oder Ausschluss von Aktivitäten ausreicht, um bei den Mitinhaftierten
Angst vor physischer Viktimisierung zu wecken. Zudem sind weniger sichtbare Strategien
der Einschüchterung möglicherweise effektiver, um sowohl weitere Viktimisierungen als
auch Bestrafungen durch das Personal abzuwenden (Ireland2002).
Neben Opfererfahrungen können auch andere kriminogene Faktoren die interindividuellen
Unterschiede zwischen den Personen vorhersagen. Häuge Vorstrafen und längere Inhaf-
tierungsdauer zeigen sich als signikante Prädiktoren für erhöhte Startwerte von physischer
(Vorstrafen: ßint12=0,366, SE=0,094, p < 0,001, sign.; Inhaftierungsdauer:ßint13=0,001,
SE < 0,001, p=0,006, sign.) und psychischer Gewalt (Vorstrafen:ßint22=0,313, SE=0,075,
p < 0,001, sign.; Inhaftierungsdauer:ßInt23 < 0,001, SE < 0,001, p=0,004, sign.) in den je-
weiligen Modellen. Bei physischer Gewalt zeigen Personen mit längerer Inhaftierungsdauer
zudem einen steilen Anstieg über die Zeit (ßlin13 < 0,001, SE < 0,001, p < 0,001, sign.), was für
eine Eskalation der Gewalt sprechen mag. Jedoch steht dies nicht in Zusammenhang mit er-
lebter Viktimisierung (ßlin11=0,024, SE=0,027, p=0,381, n.s.); die Zunahme der physischen
Gewalt ist also nicht als reaktiv anzusehen. Bei psychischer Gewalt zeigt sich, dass länger
inhaftierte Jugendliche zwar höhere Startwerte, aber eine gebogenere Wachstumskurve
(ßquad23 < 0,001, SE < 0,001, p=0,006, sign.) haben. Beides deutet darauf hin, dass womöglich
Abbildung 1 Prototypische Wachstumskurven für unterschiedliche
Ausprägungen von Opfererfahrungen bei konstant ge-
haltenen Prädiktoren
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Boxberg/Fehrmann/Häufle/Neubacher/Schmidt, Gewalt als Anpassungsstrategie? 437
irgendwann die Anwendung psychischer Gewalt nicht mehr ausreicht und »den Worten
Taten folgen müssen«, damit die Mitgefangenen weiterhin eingeschüchtert bleiben. Letzteres
mag jedoch auch dahingehend zu interpretieren sein, dass psychische Gewalt für jemanden,
der seinen Status bereits etabliert hat, nicht dauerhaft notwendig ist (Häue, in Vorbereitung).
4.3 Importation von Anerkennungsproblemen12
Nach den deskriptiven und längsschnittlichen Betrachtungen intraprisonärer Gewalt kon-
zentrieren sich die folgenden Abschnitte auf die Frage, inwiefern Gewalt eine Anpassungs-
strategie darstellt. Entsprechend der Importationstheorie legen einschlägige Forschungs-
arbeiten eine Verbindung zwischen erfahrenen Erziehungspraktiken und nachfolgender
(Gewalt-)Delinquenz nahe. Nach Sutterlüty (2003; 2004)stellen erlittene Ohnmachts- und
Missbrauchserfahrungen den Ausgangspunkt von sog. Gewaltkarrieren13 Jugendlicher dar.
Legt man die anerkennungstheoretischen Überlegungen Sutterlütys an die qualitativen
Interviewdaten an, so lässt sich zunächst konstatieren, dass sich die familialen Verhältnisse
der jungen Männer in vielen Fällen als »dauerhafter Gewaltzusammenhang« (Sutterlüty
2003, 103)bezeichnen lassen. Eine erste Auffälligkeit besteht nun darin, dass die Opfer-
erfahrungen von den Interviewten mehrheitlich auf eigenes »Fehlverhalten« zurückgeführt
werden. Als Züchtigung und als »normaler« Bestandteil einer restriktiv-autoritären Erzie-
hungsgestaltung gerahmt, erfährt der elterliche Krafteinsatz eine gewisse Rechtmäßigkeit.14
Sutterlüty erklärt den Wandel von der Opfer- zur Täterrolle durch den gewaltsamen Wi-
derstand gegen den schlagenden Elternteil und damit verbundene epiphanische Momente,
durch die sich die jungen Männer in einem neuen Licht zu sehen in der Lage sind. Jedoch
lassen sich derartige Umkehrmomente nur vereinzelt in den GEWUSST-Interviewdaten er-
kennen; wenngleich die mit den Viktimisierungserfahrungen einhergehenden Emotionen in
vielen Fällen eine treibende Kraft für spätere Gewalthandlungen zu sein scheinen. Denn als
bedeutsam erweisen sich jene, »in der familiären Sozialisation erworbene Wahrnehmungs-
muster«, die »eine besondere Vulnerabilität der Jugendlichen in Interaktionssituationen
mit sich [bringen]« (Sutterlüty 2004, 274). Speziell von den familiär viktimisierten jungen
Männern werden selbst uneindeutige Situationen als koniktär und feindlich beschrieben
(»dumme Sprüche«, »falscher Blick«) und Gewalt als gebotene und auch oft realisierte
Handlungsoption berichtet. Es ist vor allem diese Gruppe junger Männer, denen durch
die Anwendung von Gewalt bislang versagte Anerkennung durch die Peers zuteilwird. In
der Analyse zeichnet sich ab, dass es bei nicht wenigen der interviewten Gesprächspartner
während ihrer Inhaftierung zu einem Anknüpfen an lebensgeschichtliche Leitmotive eines
gewaltförmigen Kampfes um Anerkennung und zu einem Wiederaueben habitualisierter
Handlungsmusterkommt.
4.4 Subkulturelle Bedingungsfaktoren
Es wird erkennbar, dass die Erfahrung, grundlegende Anerkennungsbedürfnisse durch die
Eltern nicht befriedigt zu bekommen und missachtet zu werden, junge Menschen empfäng-
lich für Alternativen der Anerkennungsgewinnung zu machen scheint. Eine solche Alter-
native kann die Gefangenensubkultur darstellen (Schmidt 2013). Dieser Gefangenenbund
12 Vgl. hierzu Schmidt2013.
13 Das Konzept der Gewaltkarriere beschreibt einen »Verlaufsprozess, der von bewussten Entschei-
dungen, zwanghaften Verhaltensweisen und tragischem Erleiden, von Zufällen, Schüben und Kehrt-
wenden bestimmt ist« (Sutterlüty 2004,267).
14 Ausführlicher zu den Erziehungspraktiken Schmidt2015.
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438 MschrKrim 99. Jahrgang – Heft 6 – 2016
vermag es, mittels seiner vereindeutigenden und gewaltförmig durchgesetzten Codierungs-
leistungen (Täter/Opfer, drinnen/draußen) ein Identikationspotential aufzuweisen und
seinen Mitgliedern ein Gefühl ontologischer Sicherheit zu vermitteln (vgl. Jewkes 2005). Ins-
besondere in ihrer Vergangenheit schwer und wiederholt viktimisierte Gefangene scheinen
in der Inhaftiertengemeinschaft ein anerkennungsstiftendes Identitätsangebot erkennen zu
können; in der Tendenz zeigen sie sich einer Einpassung in sanktionsbewährte Hierarchien
gewogen und identizieren sich mit dem herrschenden Wertekodex (Schmidt 2013; vgl. auch
Ernst & Neubacher 2014). Die Ergebnisse machen deutlich, dass sich die Zugehörigkeit zu
einer bestimmten Gewaltuntergruppe vorwiegend dadurch erklären lässt, wie sich ein Ge-
fangener zu und innerhalb der Gefangenensubkultur positioniert. Dabei sind Inhaftierte,
die subkulturelle Einstellungen teilen, häuger gewalttätig als Inhaftierte, die diese Über-
zeugungen nicht teilen (Boxberg & Bögelein 2015; Ernst & Neubacher 2014; Häue u.a.
2013). Wie zu erwarten erweisen sich Gewaltakzeptanz und Gewaltbereitschaft als starke
Prädiktoren für die Ausübung intraprisonärer Gewalt (Ernst & Neubacher 2014; Häue
u.a. 2013; vgl. auch Weiss, Link & Stemmler 2015). Die Gewaltanwendung dient dabei oft
der Sanktionierung von Verstößen gegen subkulturelle Regeln, der Verteidigung der Ehre
oder der Abwehr effeminierender Zuschreibungen als »unmännlicher« Gefangener (Häue
u.a.2013).
Obwohl Konsens darüber herrscht, dass intraprisonäre Gewalt als ein Mittel zur Positio-
nierung innerhalb der Gefangenengruppe genutzt werden kann, blieb bislang unklar, ob der
Zusammenhang zwischen subkulturellen Einstellungen, Viktimisierungserfahrungen und
eigener Gewalttätigkeit für verschiedene Gewaltarten gleichermaßen gilt (vgl. im Folgenden
Boxberg & Bögelein 2015). Zur Beantwortung dieser Frage wurden die Viktimisierungs-
und Täterangaben zweier Gewaltarten (physische Gewalt und Zwang/Erpressung) jeweils
getrennt einer Latenten Klassenanalyse unterzogen. Eine Latente Klassenanalyse sucht in
den Daten nach immanenten Strukturen und fügt häug wiederkehrende Antwortmuster
zu einer Klasse von Befragten zusammen (Geiser 2010). Bezüglich der physischen Gewalt
konnte eine frühere Klassenanalyse (Boxberg u.a. 2013)repliziert werden. Es ergaben sich
fünf Klassen für physische Gewalt und vier verschiedene Klassen für Zwang und Erpres-
sung; ihre charakteristischen Merkmale gibt Tabelle 2 wieder.
Eine eingehende Untersuchung aller neun Klassen ergab sowohl Gemeinsamkeiten als
auch Unterschiede zwischen den beiden Gewaltarten physische Gewalt und Zwang/Erpres-
sung. Mitglieder aller Täterklassen haben eine höhere Akzeptanz von Gewalt als Klassen,
die keine eigene Gewalttätigkeit angeben. Die Täter- und die Täter-Opferklassen unter-
scheiden sich lediglich dahingehend, dass die reine Täterklasse bereits zum vorhergehenden
Messzeitpunkt häuger Gewalt ausübte. Konträr dazu wurden alle Opferklassen bereits zu
früheren Zeitpunkten eher viktimisiert als die (reinen) Täterklassen und als die Nicht-Vik-
timisierten-Klasse. Zudem haben alle Opferklassen ein höheres Bedürfnis nach Isolation.
Dabei stellen die Nicht- und Kaum-Involvierten-Klassen die größte Gruppe der Befragten
dar. Sie erscheinen jedoch nicht als homogen und kennzeichnen sich lediglich durch eine
geringe Ausprägung gewaltbegünstigender Merkmale:Sie weisen eine niedrigere Gewalt-
bereitschaft, niedrigere subkulturelle Einstellungen, niedrigere Männlichkeitsnormen, gerin-
geren Drogenkonsum sowie ein geringeres Bedürfnis nach Isolation auf. Zudem waren sie
bereits zum vorangegangenen Messzeitpunkt weniger gewalttätig und seltener viktimisiert.
Interessanterweise besteht in unseren Daten kein einheitlicher Zusammenhang zwischen
der Zugehörigkeit zu einer »Clique« und der Viktimisierung bzw. der eigenen Täterschaft.
Die Gefangenengruppe ist somit multifunktional und kann den Inhaftierten je nach Be-
dürfnislage als Schutz vor Gewalt oder als Ansporn für häugere Anwendung von Gewalt
dienlichsein.
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Boxberg/Fehrmann/Häufle/Neubacher/Schmidt, Gewalt als Anpassungsstrategie? 439
Die Analysen weisen auf eine Grenze hin, die einige Gefangene in der Ausübung der Ge-
walt überschreiten, andere jedoch nicht:Einige drohen zwar mit Gewalt, vermeiden jedoch
eine Körperverletzung im strafrechtlichen Sinne. Ebenso existiert eine Klasse von Zwang
ausübenden Gefangenen, die vom Opfer allerdings keinen Regelbruch einfordern. Dieses
Ergebnis fügt sich in eine Dreiteilung der Gefangenengruppe ein, die Irwin & Cressey (1962)
beschreiben. Während die erste Gruppe (Kaum-, Nicht-Involvierte bzw. beide Opferklas-
sen) sich von der Subkultur weitestmöglich abschottet und regelwidriges Verhalten vermei-
det, dienen die subkulturellen Normen der zweiten Gruppe (Dominanzverhalten, Chefs)
durchaus als Orientierung, gleichzeitig vermeidet sie jedoch auffälliges Verhalten, da sie um
schnelle Entlassung bemüht ist. Die dritte Gruppe (Täter, Täter-Opfer bzw. Paten) hingegen
sucht Macht und Einuss in der Subkultur und akzeptiert sie in hohem Maße. Mutmaßlich
gehören zu dieser Gruppe von Gefangenen häug jene, für die gewalttätiges Verhalten auch
eine Quelle von Anerkennung bedeutet (s.o.).
Darüber hinaus werden einige Unterschiede zwischen den Gewaltarten deutlich. Zwang
und Erpressung verlaufen im Gegensatz zu physischer Gewalt eher verdeckt und zielen
entsprechend weniger auf die Erhöhung des Ansehens in der Gefangenenhierarchie ab (vgl.
hierzu auch Sykes 1958). Physische Gewalt, die eher offen und direkt ist, erhöht das Ansehen
in der Gefangenengemeinschaft interessanterweise auch dann, wenn Gefangene lediglich
Gewalt androhen. Zumindest schreiben sich den Täterklassen zugehörige Personen eine
höhere Dominanz in der Gefangenenhierarchie zu als Angehörige der Nicht-Involvierten-
oder der Opferklassen. Solange Gefangene glaubhaft versichern, im Zweifelsfall Gewalt
anzuwenden, können sie ihre Reputation auch mit Drohungen konsolidieren. Diese Ergeb-
nisse bestätigen somit die Interpretation der längsschnittlichen Befunde.
Die Daten zeigen die subkulturelle Rahmung intraprisonärer Gewalt. Die Gefangenen-
subkultur prägt den Umgang der Gefangenen miteinander und zwingt sie, sich zu den sub-
kulturellen Normen und zum Einsatz von Gewalt zu positionieren. Jeder, selbst derjenige,
der Gewalt ablehnt, muss für sich entscheiden, wie er mit dieser von der Gewaltkulisse
Tabelle 2 Viktimisierungs- und Täterangaben zweier Gewaltarten
physische Gewalt*
Kaum-Involvierte (46 %) üben wenig Gewalt aus und werden selten viktimisiert
Täterklasse (22 %) üben Gewalt aus und werden selten viktimisiert
Täter-Opferklasse (17 %) sind gewalttätig und werden viktimisiert
Opferklasse (8 %) häug viktimisiert, jedoch selbst kaum gewalttätig
Dominanzverhalten
(Täterklasse; 8 %) bedrohen andere Gefangene mit Gewalt und werden
selbst von anderen bedroht, begehen dabei kaum Kör-
perverletzungen
Zwang/Erpressung*
Nicht-Involvierte (69 %) üben selten Gewalt aus und werden selten viktimisiert
Chefs (Täterklasse; 14 %) zwingen andere Gefangene zu prinzipiell erlaubten
Handlungen
Paten (Täterklasse; 12 %) zwingen Mitgefangene auch Regelbrüchen
Opferklasse (6 %) häug viktimisiert, jedoch selbst nicht gewalttätig
* Anzahl der Zugehörigen in Prozent
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440 MschrKrim 99. Jahrgang – Heft 6 – 2016
ausgehenden Bedrohung umgeht und ob er sich an subkulturellen Normen oder den Ver-
haltensanforderungen der Anstalt orientierenwill.
4.5 Belastungen und deviantes Verhalten15
Der Theorie Böhnischs (2010) folgend, können starke Belastungen als Überforderungssitua-
tionen wahrgenommen werden und, wenn sie nicht (ausreichend) bewältigt werden, krisen-
hafte Lebenssituationen auslösen. Als Anpassung an diese krisenhaften Lebenssituationen
kann zur Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit ein Rückgriff auf deviante Verhal-
tensweisen erfolgen, im Jugendstrafvollzug und außerhalb. Diese theoretische Überlegung
untersuchen wir zunächst anhand der Daten der Bewährungsprobanden und anschließend
anhand der Inhaftierten. Dazu wurden die Angaben zu den wahrgenommenen aktuellen
Schwierigkeiten der Bewährungsprobanden (Tabelle 3) einer Latenten Klassenanalyse unter-
zogen. Im Ergebnis unterschieden sich die gefundenen Klassen nicht etwa durch eine the-
matische Bündelung der Probleme, sondern vielmehr durch den Grad der Problembelastung
(hoch, mittel oder eher niedrig).
Analog zu den Arbeiten Böhnischs u.a. (2010) steigt in der Stichprobe der Bewährungsprobanden
mit zunehmender Problembelastung die Wahrscheinlichkeit devianten Verhaltens (Delinquenz
und Substanzgebrauch). Um eine Scheinkorrelation auszuschließen, wurden die Analysen mit
den Daten der zweiten Welle wiederholt. Die Wiederholungsbefragung ergab, dass sich das Aus-
maß der Problembelastung innerhalb von etwa drei Monaten deutlich verändern kann. Erneut
steht die aktuelle Problembelastung (nicht jene eines Quartals zuvor) mit delinquentem Verhal-
ten im Zusammenhang, jedoch nicht mit dem aktuellen Substanzgebrauch. Insgesamt zeigen die
Analysen, dass sich mangelndes Bewältigungsverhalten in Zeiten hoher Problembelastungen in
delinquenten Verhaltensweisen äußern kann. So sollte die aktuelle Problembelastung der Inhaf-
tierten ebenfalls zu einer höheren Gewalttätigkeit führen. Die Belastungslagen von Inhaftierten
im Sinne von Deprivationserfahrungen lassen sich für Gefangene insofern leichter fassen, da sich
die Lebensumstände der Gefangenenpopulation stärker ähnelt als die Lebensumstände der Be-
währungsprobanden. Im Folgenden wird dazu der Blickwinkel etwas verändert:nicht die Belas-
15 Vgl. hierzu Boxberg2016.
Tabelle 3 Aktuelle Schwierigkeiten der Bewährungsprobanden
Aktuelle Schwierigkeiten*
Arbeits- oder Ausbildungsplatz nden bzw. behalten 38 %
genügend Geld für Lebensunterhalt 37 %
familiäre Schwierigkeiten 29 %
Leuten aus dem Weg gehen, mit denen ich nichts zu tun haben will 26 %
Behördenangelegenheiten erledigen 25 %
Vorurteilen und Anfeindungen begegnen 19 %
Unterkunft nden 18 %
geregelten Tagesablauf haben 18 %
* Mehrfachnennungen
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Boxberg/Fehrmann/Häufle/Neubacher/Schmidt, Gewalt als Anpassungsstrategie? 441
tungsintensität wird betrachtet, sondern vielmehr die Zusammenhänge zwischen Deprivations-
erfahrungen, dem Anstaltsklima, dem Verhalten von Bediensteten und intraprisonärer Gewalt.
4.6 Anstaltsklima, Deprivation und Verhalten der Bediensteten
Außerhalb des Haftkontextes zeigt sich, dass erhöhtes Belastungserleben im Zusammenhang
mit abweichendem Verhalten steht. Der nachfolgende Abschnitt fokussiert den Zusammen-
hang zwischen dem Erleben haftspezischer Belastungen, der Erfordernis der Anpassung
an den Haftalltag und intraprisonärem Gewaltverhalten.
Das Anstaltsklima wird als Gesamtheit der wahrgenommenen sozialen, physischen und
emotionalen Merkmale einer Anstalt verstanden (Ross u.a. 2008). Vor allem die sozialen und
emotionalen Facetten des Anstaltsklimas werden durch erlebte, drohende oder beobachte-
te Viktimisierungen und der damit einhergehenden Angst vor Übergriffen und Misstrauen
gegenüber anderen Gefangenen geprägt. Zur Überprüfung dieser Annahme werden die drei
untersuchten Jugendstrafanstalten für männliche Inhaftierte hinsichtlich der Gewalthäug-
keit und der Einstellungen der Gefangenen verglichen. In einer der drei Anstalten haben
besonders viele Gefangene zu allen vier Messzeitpunkten eine Körperverletzung begangen.
Dabei geht dies mit einer besonders hohen Ausprägung von subkulturellen Einstellungen und
einer hohen Gewaltbereitschaft der Gefangenen einher. Dieser, im Vergleich zu den anderen
Anstalten erhöhte Zuspruch zu subkulturellen Werten und Normen deutet auf ein Anstalts-
klima hin, das stark von der Gefangenensubkultur beeinusst wird. Dies äußert sich wieder-
um in höherer Gewaltbereitschaft und häugerem Gewalthandeln (Ernst & Neubacher2014).
Das Anstaltsklima wird jedoch nicht allein von der Gefangenengemeinschaft, sondern
darüber hinaus von weiteren sozialen, physischen und emotionalen Merkmalen geprägt.
Dazu gehören Deprivationserfahrungen von Gefangenen und deren Perzeption des An-
staltspersonals. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie sich die Wahrnehmung
der Inhaftierten bzgl. der Bediensteten und die Deprivationserfahrung auf die eigene Ge-
waltausübung auswirken. Dazu wurde mit Mplus 6 ein Strukturgleichungsmodell aufgestellt
und berechnet (vgl. hierzu und im Folgenden Wolter & Boxberg 2016). Zunächst lässt sich
festhalten:Auch im vorliegenden Datensatz zeigen sich die sog. Schmerzen des Freiheits-
entzuges:Neben dem Verlust der Freiheit, der sozialen Deprivation durch Verringerung
oder Abbruch von stützenden Sozialkontakten, Autonomieeinschränkungen, Sorgen um
die eigene Sicherheit und der materiellen Deprivation berichten fast 90 % der Gefangenen,
unter dem Verlust heterosexueller Beziehungen zu leiden (Abbildung2).
Hinsichtlich dessen, dass fast alle Gefangenen unter sexueller Deprivation leiden – ins-
besondere wenn es sich nicht um ihre erste Inhaftierung handelt –, ist es interessant, dass die
sexuelle Deprivation alle vier untersuchten Gewaltarten (psychische und physische Gewalt,
Zwang und materielle Schädigung) gleichermaßen erhöht. Keinen Einuss auf die Ausübung
von Gewalt hat der Verlust der Freiheit. Da sich jedoch nahezu jeder Gefangene unfrei fühlt,
differenziert dieses Merkmal kaum zwischen den Gefangenen. Konsistent mit vorangegan-
genen Studien verstärkt der Mangel an Autonomie psychische und physische Gewalt, hat
jedoch keinen Einuss auf Zwang und materielle Schädigung. Gefangene reagieren demnach
nicht auf die verminderte Handlungsfähigkeit, indem sie durch Zwang und Erpressung die
eigene Macht und Wirkmächtigkeit erhöhen.
Entgegen den vorgenannten Studien zeigen unsere Analysen keinen Zusammenhang
zwischen gefühlter Unsicherheit und intraprisonärer Gewalt16, auch materielle Deprivation
16 Ein Grund hierfür mag in der hohen Korrelation zwischen Mangel an Autonomie und gefühlter
Unsicherheit liegen.
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442 MschrKrim 99. Jahrgang – Heft 6 – 2016
Abbildung 2 Strukturgleichungsmodell
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Boxberg/Fehrmann/Häufle/Neubacher/Schmidt, Gewalt als Anpassungsstrategie? 443
steht nicht mit Gewaltausübung in Verbindung. Demnach versuchen Inhaftierte nicht, Ob-
jekte, die vermisst werden, durch Diebstahl oder Erpressung zu ersetzen. Dies kann auch
ein Ausdruck des generellen Mangels solcher Objekte in Haft darstellen.
Die wahrgenommenen Schmerzen des Freiheitsentzuges verändern sich mit der Fortdauer
der Inhaftierung. Jedoch erhöht die Zeit, die im Gefängnis verbracht wurde, nicht die De-
privation. Vielmehr scheinen sich die Gefangenen im Laufe der Zeit an die Deprivation zu
gewöhnen, zumindest verringern die im Gefängnis verbrachten Jahre den wahrgenomme-
nen Mangel an Autonomie, die materielle Deprivation und auch den Grad, in dem Familie
und Freunde vermisst werden. Während Erstinhaftierte sexuelle Deprivation weniger stark
wahrnehmen als Gefangene, die bereits zuvor inhaftiert waren, ist der wahrgenommene
Mangel an Autonomie für sie größer.
Die im Vergleich zu anderen Formen von Gewalt geringere subkulturelle Bedeutung
von Zwang/Erpressung (s.o.) wird durch diese Analyse erneut deutlich. Gefangene, die
über eine größere Hafterfahrung verfügen, sind häuger in alle drei Gewaltformen (psy-
chische und physische Gewalt sowie materielle Schädigung) involviert, nicht jedoch in
Zwang und Erpressung. Dies ist ein weiterer Hinweis darauf, dass die Positionierung
innerhalb der Gefangenenhierarchie eher mittels physischer und psychischer Gewalt an-
gestrebtwird.
Das soziale Klima eines Gefängnisses wird zudem im besonderen Maße durch das An-
staltspersonal geprägt. Die Beziehung zwischen Bediensteten und Gefangenen wird ent-
sprechend als »Herz des Gefängnisses« bezeichnet (u.a. Liebling 2011, 485). Aus Sicht
von jungen Inhaftierten zählen der respektvolle und faire Umgang mit ihnen und ein ver-
ständnisvolles Verhalten in Koniktsituationen zu den idealen Eigenschaften eines Be-
diensteten (Fehrmann 2013). Konsistent mit anderen Studien zeigt sich in den Analysen
der GEWUSST-Daten mittels des beschriebenen Strukturgleichungsmodells (Abbildung
2), dass das wahrgenommene Verhalten der Bediensteten Deprivationen mildern kann (so
auch Liebling 2004). Inhaftierte, die den Eindruck haben, respektvoll und fair behandelt
zu werden, fühlen sich weniger depriviert als andere (Wolter & Boxberg 2016). Zwar hat
der respektvolle Umgang der Bediensteten keinen Einuss darauf, wie sehr Freunde und
Familie vermisst werden, verringert jedoch alle anderen Schmerzen des Freiheitsentzuges,
insbesondere den Mangel an Autonomie. Dadurch, dass sie angehört und als gleichwertig
behandelt werden, gewinnen sie offenbar den Eindruck, einen gewissen Einuss auf die sie
betreffenden Entscheidungen zu haben. Im Gegensatz dazu fühlen sich Gefangene depri-
vierter, wenn sie den Eindruck haben, unabhängig von ihrer eigenen Überzeugung oder
Meinung gehorsam gegenüber den Bediensteten sein zu müssen. Dies betrifft insbesondere
den Mangel an Freiheit, den Mangel an Sicherheit und den Verlust familiärer und freund-
schaftlicher Beziehungen. Die Daten der GEWUSST-Studie zeigen, dass ein Autonomie-
verlust der Gefangenen das Risiko verstärkt, physische Gewalt auszuüben. Erlebte Ver-
fahrensgerechtigkeit (Tyler 2006)mildert den ungünstigen Effekt des Autonomieverlustes
jedoch und hat sowohl einen direkten als auch indirekten negativen Effekt auf physische
Gewalt. Wenngleich von Wechselwirkungen auszugehen ist, zeigt dies, dass Gefangene, die
sich fair behandelt fühlen, weniger gewalttätig sind (Wolter & Boxberg 2016; vgl. van der
Laan & Eichelsheim 2013, 424 ff.).
Als gerecht wahrgenommenes Verhalten der Bediensteten reduziert zwar alle Gewalt-
arten, besonders jedoch indirekte und versteckte Gewaltformen (Zwang und materielle
Schädigung). Wird durch die Bediensteten der Eindruck vermittelt, die Gefangenen müss-
ten unhinterfragt gehorchen, so reduziert dies offene und direkte Formen (psychische
und physische Gewalt), versteckte Formen wie Zwang jedoch kaum und materielle Schä-
digung gar nicht. Aus Angst vor negativen Konsequenzen scheinen Gefangene versucht
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444 MschrKrim 99. Jahrgang – Heft 6 – 2016
zu sein, Konikte mit den Bediensteten und Konikte mit Mitgefangenen – zumindest in
der Öffentlichkeit – zu vermeiden. Schlussfolgernd lässt sich festhalten, dass kooperative
Beziehungen zwischen Gefangenen und Bediensteten die Schmerzen des Freiheitsent-
zuges mildern und intraprisonäre Gewalt reduzieren können (Wolter & Boxberg 2016;
vgl. auch Bottoms 1999). Dabei deutet sich an, dass die Unterschiede mit der Unterbrin-
gung in kleineren Abteilungen und den damit einhergehenden verbesserten Beziehungen
zu den Bediensteten sowie mit geringeren subkulturellen Einstellungen der Gefangenen
zusammenhängen (Neubacher & Boxberg, im Druck). Zusammengenommen bedeutet
dies für die Bediensteten, eigene Vorannahmen und den Umgang mit den Gefangenen zu
reektieren und ihnen gegenüber eine wertschätzende Haltung einzunehmen (vgl. auch
Butler & Drake2007).
Empndungen von Ungerechtigkeit sind auf das Engste mit komplexen lebensgeschicht-
lichen und soziostrukturellen Begebenheiten verknüpft (Schmidt 2016). Im Gefängnisalltag
sind die Gefangenen gezwungen, etwaig erfahrenes Unrecht selbst zu problematisieren. Das
ist aber höchst voraussetzungsvoll:Zum einen ist dies an (stark variierende) individuelle
Fähigkeiten geknüpft, seinen Unmut dergestalt zu artikulieren, dass er den institutionellen
Vorgaben einer »legitimen« Beschwerde entspricht. Zum anderen – und damit verknüpft –
ist auf struktureller Ebene das Primat einer Schriftsprachlichkeit der Beschwerdeführung
anzuführen. Nicht selten stellen schriftliche Anträge und Beschwerden nur schwer zu über-
windende Hürden für die Inhaftierten dar, wodurch das vorhandene Machtgefälle sowie
die Abhängigkeit von wohlwollenden Bediensteten und Mitgefangenen weiter verstärkt
werden. Vor diesem Hintergrund vermag es wenig zu verwundern, dass manche Gefangene
resignieren, während andere Inhaftierte in der erzwungenen »Sprachlosigkeit« auf eine Form
der Bewältigung zurückgeworfen sind, in denen der Widerstand gegen Ungerechtigkeiten
auch physischen Ausdruck ndet.
4.7 Disziplinierung durch die Anstalt
Bei akuten Regelverletzungen steht jedoch weniger die Haltung der Bediensteten als viel-
mehr die Möglichkeit der direkten Einwirkung auf den Gefangenen – etwa durch Sanktio-
nierungen – im Fokus. Als ultima ratio der formellen Disziplinierungen im Jugendstraf-
vollzug gilt die Disziplinarmaßnahme, die zur Aufrechterhaltung der Ordnung eingesetzt
werden soll (BVerfGE 116, 69 [93]). Inwiefern die Verhängung von disziplinarischen Maß-
nahmen für Inhaftierte einen erzieherischen Mehrwert hat, wird konträr beurteilt. Während
Schneider (2009, 274)eine positive Wirkung nicht generell ausschließt, verneinen andere
eine dauerhafte Wirkung (Walkenhorst 1999, 250; Rose 2016, Vor § 102 StVollzG Rn. 10;
Wirth 2007, 202). Da eine längsschnittliche Überprüfung bisher fehlt, geht der folgende
Abschnitt auch der Frage nach, inwiefern eine Disziplinierung späteres Gewaltverhalten
zu verhindernmag.
Da nur die der Anstalt bekannten Gewaltvorkommnisse formell sanktioniert werden kön-
nen, ist zunächst die Diskrepanz von Hell- zu Dunkelfeld zu beleuchten (Wolter & Häue
2014). Im Rahmen der GEWUSST-Studie wurden die Gefangenenpersonalakten von einer
randomisierten Teilstichprobe, etwa einem Viertel der Befragten, kodiert. Als Grundlage
des Vergleichs der Informationen aus Akten und Befragung dienen die Angaben zu Körper-
verletzungen und zur Beteiligung an einer Schlägerei. Auf Personenebene bejahten 38 %
(n=84) der Befragten, in den vergangenen drei Monaten eine entsprechende Handlung aus-
geübt zu haben. Für denselben Zeitraum wurden in 7 % (n=16) der Akten entsprechende
Vorkommnisse vermerkt. Dies entspricht einer Relation von 1:5,3. Laut Akten sind diese 16
Inhaftierten in dem beobachteten Zeitraum für 23 Taten verantwortlich. In der Fragebogen-
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Boxberg/Fehrmann/Häufle/Neubacher/Schmidt, Gewalt als Anpassungsstrategie? 445
untersuchung äußerten sich die Befragten im gleichen Zeitraum zu 149 Gewalthandlungen17.
Ins Verhältnis gesetzt ergibt dies einen Wert von 1:6,5. Somit werden für jeden vermerkten
Täter fünf Täter und für jede vermerkte Tat fast sieben Taten der Anstalt nicht bekannt, nicht
in den Akten protokolliert und damit auch nicht sanktioniert. Durch ihre Komplexitätsre-
duktion sind Akten eine wichtige Grundlage zur strafvollzuglichen Entscheidungsndung.
Allerdings unterschätzen sie das tatsächliche Ausmaß intraprisonärer Gewalt erheblich. Dies
gilt es bei der Interpretation von Aktendaten zu berücksichtigen (Wolter & Häue2014).
Die GEWUSST-Daten zeigen, dass Disziplinarmaßnahmen, die auf eine bekannt gewor-
dene Tat folgen, zwar für eine begrenzte Zeit zu zusätzlichen Einschränkungen (Beschrän-
kung von Einkauf und Fernsehen; Unterbringung in Arrestzellen) führen, jedoch nicht zu
einer Abnahme der Gewalt und daher nicht zur intendierten Verhaltensänderung. Dies ist
insofern nicht verwunderlich, da die Rahmenbedingungen der Inhaftierung nach der vollzo-
genen Disziplinarmaßnahme jenen entsprechen, die bereits vor der Sanktionierung das Ge-
walthandeln zumindest nicht verhindert – möglicherweise sogar befördert – haben. Zudem
bietet reine Repression nicht die Möglichkeit, neue Handlungsalternativen zu erlernen – sie
unterbindet dies vielmehr (Bachmann & Ernst 2015). Der Versuch, interpersonelle Kon-
ikte mithilfe von Disziplinarmaßnahmen zu unterbinden, scheint daher nicht zielführend.
Vor dem Hintergrund, dass – so zeigt ein länderübergreifender Vergleich – jährlich jeder
Jugendstrafgefangene durchschnittlich mehr als einmal für einen Regelbruch diszipliniert
wird, stellt sich die Frage nach der Verhältnismäßigkeit einer solchen Disziplinierungspraxis
(Bachmann & Ernst 2015). Zudem können konikthaft ausgetragene Aushandlungsprozesse
zur Entwicklung der jungen Menschen beitragen (Fend 2005), ihr Entwicklungspotential
sollte daher stärker in den Fokus rücken.
5. Fazit:Gewalt als Anpassungsstrategie
Gewaltanwendung kann inner- und außerhalb der Haft auf mehreren Ebenen als Anpas-
sungsstrategie verstanden werden:
Außerhalb derHaft:
– im Rahmen der Überforderung mit einer krisenhaften Belastungssituation als Möglich-
keit, Handlungsfähigkeit wiederzuerlangen.
In derHaft:
– als Mittel der Anerkennungsgewinnung durch die Subkultur;
– als Reaktion auf vergangene Viktimisierungen und als Versuch, zukünftige Opferwer-
dung zu vermeiden;
– als konkrete Reaktionen auf Belastungen, die durch Anstaltsklima, Deprivation und
Verhalten der Bediensteten entstehen.
In diesem Wechselspiel sich gegenseitig verstärkender Faktoren geht es um Anerkennungs-
gewinne und das Erlangen von Handlungsmöglichkeiten. Vollzugliche Maßnahmen sollten
demgemäß diesen Bedürfnissen der Inhaftierten nach Anerkennung, Sicherheit und Auto-
nomie Rechnung tragen. Die gängige Art des Umgangs mit Gewaltverhalten, dem Diszi-
plinarverfahren, muss – wie auch empirisch gezeigt – wirkungslos bleiben, weil sie diese
Bedürfnisse ignoriert. Stattdessen ist ein anderer Umgang mit Gewalt zu etablieren, der auch
17 Im Fragebogen wird die Häugkeit der Taten vierstug erfasst (nie, selten, manchmal, oft). Die
Übersetzung in absolute Zahlen wurde folgendermaßen vorgenommen:nie ≙ null Gewalthand-
lungen; selten ≙ eine Gewalthandlung; manchmal und oft ≙ zwei Gewalthandlungen. Nach dieser
Rechnung werden 19»selten«-Angaben und 65»manchmal bzw. oft«-Angaben zu 149 Vorkomm-
nissen.
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446 MschrKrim 99. Jahrgang – Heft 6 – 2016
berücksichtigt, dass die meisten Gefangenen sowohl Täter als auch Opfer von Gewalt sind
und sich nicht eindeutig dem Schema Täter/Opfer unterordnen lassen.
Die staatliche Fürsorgepicht gegenüber den Gefangenen erfordert es, das Gewaltprob-
lem einzudämmen, nicht zuletzt weil Gewalt die Behandlungsanstrengungen des Vollzugs
unterminiert. Bspw. deutet sich an, dass die Erfahrung von Gewalt sowohl Legalbewährung
als auch Resozialisierung gefährdet (Boxer, Middlemass & Delorenzo 2009; South & Wood
2006). Die Aufgabe für den Jugendstrafvollzug besteht letztlich darin, die Institution zu
einem Lernort zu entwickeln, an dem junge Menschen zu einem selbstbestimmten und ge-
waltfreien Leben befähigt werden (dazu Neubacher & Boxberg, im Druck; Walkenhorst &
Fehrmann, im Druck). Dafür sollten im Zuge des sozialen Lernens alternative und konforme
Möglichkeiten der Koniktlösung, der Anerkennungsgewinnung sowie der Bewältigung
von (haftbedingten) Belastungslagen im Fokus stehen. Zentral sind angemessene (verba-
le) Formen des Aushandelns, die durch angeleitete Diskussionen, Rollenspiele und Kom-
munikationstrainings geübt und gefestigt werden, mit dem langfristigen Ziel, dass unter
Gefangenen gewaltfreies Handeln als dem Statusgewinn zuträglich gilt. Ansatzpunkt für
Veränderungen des Miteinanders sind jedoch nicht allein die Inhaftierten. Stattdessen muss
diese Aufgabe von der gesamten Organisation (auch auf Personal- und Führungsebene) im
alltäglichen Zusammensein gelebt werden, da sich das geforderte soziale Lernen überhaupt
erst im respektvollen und fairen Umgang aller Beteiligten etablierenkann.
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holger3. schmidt@tu- dortmund. de)
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